Kinderdressur - Gerhard Polt - E-Book

Kinderdressur E-Book

Gerhard Polt

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Beschreibung

Ob auf dem Weg zum bayerischen Abitur, auf dem Tennisplatz oder beim Kampftrinken - unser Nachwuchs zeigt in allen Disziplinen Höchstleistung. Mit pädagogischem Eifer, ausgeklügeltem Stundenplan und den eigenwilligsten Lebensweisheiten helfen die überambitionierten Eltern den jungen Hoffnungsträgern auf die Sprünge. In ausgewählten Geschichten nähert sich Gerhard Polt den vermeintlichen Wunderkindern und den ehrgeizigen Erziehungsvollstreckern. Denn "heute kommt es nicht so sehr darauf an, was man kann, sondern was man gelernt hat."

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Seitenzahl: 131

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INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Inhaltsverzeichnis

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» Impressum

» Weitere eBooks von Gerhard Polt

» Weitere eBooks von Kein & Aber

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München Skandinavistik. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. Er wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet, u. a. 2001 mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (Jean-Paul-Preis), 2009 mit dem Ernst-Toller-Preis, 2010 mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Kabarettpreises und 2012 mit dem Kulturpreis Bayern.

Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Bei Kein & Aber sind zahlreiche Bücher, CDs und DVDs von und mit ihm erschienen. Zuletzt im Rahmen des Jubiläumsprogramms 2012 das Interviewbuch mit Herlinde Koelbl Gerhard Polt und auch sonst und die Werkausgaben Bibliothek Gerhard Polt und Opus Magnum.

ÜBER DAS BUCH

Hat Jean-Claude das Zeug zum Bundeskanzler? Hören wir bei Vespasians Geigenspiel den neuen Mozart? Und schafft Oliver, das Tennis-Ass, überhaupt sein Abitur? Wenn es nach den überambitionierten Eltern geht, steckt in jedem Schraz ein Wunderkind.

Gewohnt scharfsinnig berichtet Gerhard Polt in ausgewählten Geschichten, wie es um unseren Nachwuchs wirklich steht.

»Kabarettist? Dichter! Ja, Polt ist ein großer Volksdichter. Nachspielen können ihn viele, schreiben wie er kann keiner. Unnachahmlich.« Süddeutsche Zeitung

INHALTSVERZEICHNIS

Grabrede

Das Abitur

Bildung

Anteilseigner

Longline

Prophylaxe

Kinderdressur

Vor der Beweisaufnahme

Mittelalter lernen

Gegen Hitler

Ungenügend/Mangelhaft 1

Das Spiel

Mensch-ärgere-dich-nicht

Muttersorgen

Punk in der Bank

Die Beweisaufnahme

Der Kaiser Nero

Der Maßanzug

Duzi Duzi

Wem gehört das Kind?

Die Verhandlung

Der Spinat

Der Original-Schauplatz

Im Urlaub

Der Rauschgoldengel

Das Urteil

Rumtumtum

Ungenügend/Mangelhaft 2

Gericht

Die Pädagogen

Peter und der Wolf

Ungenügend/Mangelhaft 3

Der Aar

Zukunftsaussichten

Fredis Geburtstag

Kindermodenschau

Eine Bilanzierung

Der Alkoholsportler

Die Verteidigung der Gummibären

Sankt Nikolaus

Nikolausi

Grabrede

Verehrte Trauergemeinde, liebe Angehörige des Verstorbenen.

Es ist immer erschütternd, am Grab eines jungen Menschen zu stehen. Als Leiter des Dr.-Hundhammer-Gymnasiums sehe ich mich nun schon zum dritten Mal in diesem Jahr vor der Aufgabe, dem Freitod eines Schülers mit der Anteilnahme unserer Schule zu begegnen. Andreas Pirkl – auf einem Kranz steht allerdings der Name David Beil – ist nach Aussage des Lehrerkollegiums bis jetzt eigentlich niemals unangenehm aufgefallen. Sein Betragen gab nie zu Tadel Anlass. In Fächern wie Geographie und Biologie konnte er stets befriedigende Ergebnisse aufweisen. Die Mathematik bewältigte er mit im Ganzen gesehen ausreichenden Leistungen. Die lateinische Sprache verfolgte er beständig, und seine Gabe, Texte zu übersetzen, war ausreichend. Der Schriftsteller Livius schien ihm nach Aussagen von Herrn Dr.Bremser, seinem Lateinlehrer, leichter zu fallen als beispielswiese ein Horaz oder Ovid. Es sind zwar im Frühjahr seine schulischen Leistungen insgesamt etwas abgefallen, aber dies erklärt der plötzliche Tod der Eltern. Dem Geschichtsunterricht folgte er mit Interesse, war aber doch manchmal verführbar. Besonders bei bestimmten Themenbereichen wie zum Beispiel der Inquisition ließ er sich hin und wieder zu Albernheiten hinreißen. Ansonsten gab sein Äußeres nie zu Beanstandungen seitens der Schulleitung Anlass. Eine kürzlich von der Schule durchgeführte Fahndung nach dem Verbleib der Geldbörse eines Mitschülers stand ebenfalls in keiner Weise im Zusammenhang mit der Person des Verstorbenen. Auch in unserer schulischen Drogenszene spielte er keine einschlägige Rolle.

Verehrte Trauergemeinde, das Tragische auch an diesem Freitod ist seine Sinnlosigkeit. Sollte er sich auf Gründe beziehen, die außerhalb des schulischen Lebens liegen, so können wir die Motive natürlich nicht ergründen, sollte es aber sein, dass der Suizid wegen einer drohenden Fünf in Deutsch der Anlass war, so muss ich hier sagen, dass bei einem Notenstand von 4,52 der pädagogische Ermessensspielraum sicherlich zu seinen Gunsten ausgefallen wäre, sodass er das Klassenziel gewiss erreicht hätte.

Als Schulleiter und sein Klassenlehrer möchte ich Ihnen, verehrte Angehörige, mein tiefstes Beileid ausdrücken – im Namen des Dr.-Hundhammer-Gymnasiums und seiner sämtlichen Mitschüler.

Das Abitur

FRAU GSCHWENDTNER  Guten Tach, Frau Fitztum.

FRAU FITZTUM  Ja, grüß Gott, Frau Gschwendtner, was kriegen wir denn?

FRAU GSCHWENDTNER  Geben Sie mal zwei Eier und ein Viertel Butter. Wie geht’s sonst, Frau Fitztum?

FRAU FITZTUM  Ja mei, es muaß schon, Sie wissen ja, mei, unser Anni, wissen Sie, wir schwitzen, weil unser Anni macht jetzt das Abitur, net, mir haben gsagt, mei, bitte mir haben gsagt, gell, mir habn jetzt einen Perserteppich, net, wir haben einen Farbfernseher, gell, also, auf’s Abitur kommt’s jetzt auch nicht mehr drauf zamm, habn wir gsagt, gell.

Bildung

Kennen Sie den jungen Neumeier? Kennen Sie den nicht, den jungen Neumeier? Den kennen S schon, das ist der der hat ja noch den Bruder, aber der ist ja jetzt, glaub ich in ich wei nicht, wo der ist, der ist, glaube ich, in Sdamerika oder so. Nein, ich mein den jungen Neumeier. Jetzt hat er ja das Abitur, hat er ja endlich geschafft, mit 3,6 ja, keine Glanznummer, nein, das kann man gewiss nicht sagen, nein, keine Glanznummer, aber jetzt kann er, er hat halt das Abitur, jetzt hat er sichs verdackelt, jetzt hat er halt die Berechtigung, dass er die Zulassung kriegt fr die Prfung, damit er das Examen machen kann als Bademeister in stdtischen Schwimmbdern. Wissen Sie, ich sag halt immer, man muss halt, gerade in der heutigen Zeit, muss man, wie soll ich sagen, immer wieder neu lernen. Man kann den alten Stiefel nicht einfach so weitermachen, das geht nicht. Ich meine, heute sag jetzt ich einmal kommt es vielmehr drauf an sagen wir mal oder umgekehrt, kommt es nicht so sehr drauf an, was man kann, sondern was man gelernt hat. Und sagen wir mal wissen Sie, so Talente, so offensichtliche Talente bei einem Kind, dass man gleich frhzeitig erkennt bei einem Dreijhrigen oder, sagt man, der wird einmal Zahnarzt oder Steuerberater die sind selten, ganz selten. So wie der russische Prsident, den habens als Kind gefragt, was er werden will. Dann hat er gesagt: Spion. Er ist aa Spion geworden, aus Leidenschaft. Und ich sag jetzt mal, der hat ja eine solide Ausbildung. Jetzt wenn er als Prsident einmal abgesetzt wird oder erschossen wird oder was, spionieren kann er dann immer noch. Also, ich sag halt Wissen Sie, und Bildung es geht ja auch ein bisschen um die Bildung, Bildung als solches. Also, schauen Sie, ich bin wann war denn das? Ich bin vor ein paar Tagen, bin ich von Miesbach nach Darching gefahren. Sitze also im Zug drin, sitzt neben mir ein junger Mensch und was macht er? Er tut ein Kreuzwortrtsel lsen, das heit, er probierts. Also, die Frage war: An welchem Fluss liegt Frankfurt am Main? Vier Buchstaben. Ja, glauben Sie, der htte des rausbracht? Nicht ums Verrecken. Sag ich: Schauen S mal: Main. Sagt er: Ja, das stimmt. Sag ich: Gell, wir haben kein Abitur, aber wir haben auch was gelernt. Und dann hat er halt ein bisschen erzhlt, er sagt er ist ein Fahrschler, er sagt, es hat ihn durch, also, er ist durchgefallen. Und er muss, sagt er, das ganze nchste Jahr muss er wieder Latein und Griechisch und Physik und Chemie und Geschichte und Erdkunde und so weiter und Religion, das muss er wieder lernen. Da sag ich: Ja, sind Sie denn da so schlecht? Da sagt er, nein, nein, das hat er ja alles bestanden, aber in Mathe hat er einen Sechser, da ist er durchgefallen. Dann sag ich: Ja, warum mssen Sie denn das ganze nchste Jahr das noch einmal machen, was Sie schon studiert haben, was Sie ja schon knnen? Da sagt er, er muss jetzt so lange wieder Latein lernen, bis er endlich in Mathe gut ist. Er sagt, das ist das bayerische Bildungssystem. Er sagt, da kommt man nicht drum herum. Und ich sag wissen Sie Nein Es wird auch sehr viel verlangt, grad bei uns, das hrt man immer wieder, grad in Bayern. Also, das ist nicht mehr so ja, wie soll ich sagen Einer wie der Shakespeare ob sich der bei uns durchsetzen wrde, heute Ich mein, der hatte ja gar kein Abitur, der Shakespeare kein Abitur! Und wenn er es gehabt htte, htte er ein englisches Abitur gehabt, und da wrde es in Bayern ausbeien, das wr gar nicht anerkannt, nein Der Shakespeare war halt irgend so eine Sonderbegabung ein Sonderling. Ja, der Ding hatte auch kein Abitur, der Leonardo da Vinci kein Abitur! Whrend der Scharping der hats. Ja, nicht das bayerische, aber irgendeins halt. Oder, wissen Sie, ich sag halt nur, es wird heute, zum Beispiel bei dem, was heute verlangt wird. Ob selbst solche Genies, wie sagen wir mal der Mozart, ob der, also, durchfallen wrde er vielleicht nicht. Aber ob der bei uns in Musik einen Einser gekriegt htte, da htte ich meine Bedenken. Wahrscheinlich kriegt er einen guten Dreier. Weil die tten sagen, ganz nette Ideen, aber in der Durchfhrung schlampig. Oder auch der Ding, wie heit er, Michelangelo kein Abitur! Das heit, ich wei ja nicht, was er fr eine Ausbildung hat. Aber dass der damals so schnell eine Baugenehmigung fr den Petersdom gekriegt hat das wr bei uns nicht mglich. Ich mein, in Italien heute, Vitamin B. Das wei man ja, wie es ist. Und die Italiener, sie bauen ja ganz gefllig, das kann man nicht bestreiten. Aber kaum kommt ein Erdbeben daher, brselt alles zusammen. Da ist das in Deutschland schon anders. Bei uns muss man Architektur studieren, da kann man sich nicht einen Doktor kaufen wie in Italien. Das geht nicht, oder einen Architekt. Bei uns muss man auf die TU und dann darf man bauen. Wie in Mnchen, das sieht man ja. Das sind alles stabile Sachen. Anders gehts ja auch nicht. Ich tt in Mnchen auch mal, wie in Rom, ich tt auch das Licht ausmachen und blo die Sachen anstrahlen, die sie vor dreiig Jahren gebaut haben. Mnchen leuchtet, aber das trauen sie sich nicht. Ich wei auch nicht, warum. Aber keiner traut sich das. Und, wissen Sie, Bildung ist ja auch generell eine Herzensangelegenheit. Bei der Bildung ist ja nicht blo dass man irgendwie gebildet ist, sondern die Bildung bringt den Menschen dazu, dass er wieder auf das Einfache kommt. Nicht auf das Hochgestochene. Das ist der Sinn der Bildung. Schauen Sie, einen Strau, Franz Josef Strau, ein gebildeter Mann, aber dem hat man einen Obatztn gegeben, da war er zufrieden. Und Goethe hat Frankfurter Wrschtl und so Ich sags nur diese Leute sind zwar alle sehr ge Schauen Sie, wir haben doch den Nachbarn, den Doktor Brezner. Der ist beim Siemens zweifacher Doktor, ein gescheiter Mann der Mann ist ja ganz vergeistigt! Aber eins muss ich auch sagen, es gibt so Leute, so Akademiker Also, sie sind gescheit, mssen sie ja sein, aber fr gewisse Sachen haben sie dann doch Irgendwie was bersehen sie. Sagt der Doktor Brezner, dass der Schwamminger Sepp, sagt er, das wre eine natrliche Persnlichkeit. Sag ich: Jetzt hren Sie auf! Herr Doktor Brezner, der Schwamminger Was heit denn hier natrlich, das ist ein gescherter Rammel. Sehen Sie das nicht? Ein Mensch, der, wenn er sich schnuzt, da ein Nasenloch zuhlt und einem dann a so ein Glachl vor d F rotzt. Aber das sieht er nicht, nein, das sieht er nicht. Manche Leute, die sind so gebildet und aber wieder Aber es gibt auch andere Sachen, Leute, die keine Schulbildung haben. Zum Beispiel der Hitler, den haben sie aus jeder Schule rausgeschmissen jede Schule! Und er hat trotzdem seinen Weg gemacht! Also, man sieht, es geht auch ohne Schule, Gott sei Dank gibts noch Mglichkeiten

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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