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Es heißt fressen oder gefressen werden! Das ist die bittere Rivalität zwischen zwei Werbeagenturen in San Francisco. Die beiden familiengeführten Dynastien haben sich zu den besten und größten Agenturen der gesamten Westküste entwickelt, doch durch die Wirtschaftskrise wird es nun immer schwieriger den großen Fang zu machen. Es kann nur eine geben! VERLANGEN, DAS WIE FEUER BRENNT Der Abschiedsmoment war gekommen. Während sie Jasons betrachtete, befeuchtete Lauren sich nervös die Lippen. Dann spürte sie seinen Mund auch schon auf ihrem! Zärtlich streichelte Jason sie, und Flammen der Lust loderten in ihr, als sie sich mit ihm auf die Couch in ihrem Büro fallen ließ … Lächelnd erinnert Lauren sich daran, auch wenn sie nie geglaubt hätte, dass sie sich Wochen später auf ein Baby freuen würde. Als ihr ehemaliger Geschäftspartner Jason allerdings bei ihr aufkreuzt und unbedingt heiraten will, verschlägt es Lauren die Sprache. Eine Vernunftehe? Niemals! SIEBEN JAHRE UND EINE NACHT "Wir sind immer noch verheiratet?" Vor sieben Jahren hat Renee ihn verlassen, sich ein eigenes Leben aufgebaut - jetzt steht Flynns Sportwagen vor ihrer Tür, und ihr Noch-Ehemann steigt aus: umwerfend sexy, die Blicke intensiv, aufregend muskulös und sinnlich. Sofort wird ihr schwer ums Herz. Aber es gibt einen Silberstreif am Horizont! Denn Flynn könnte ihren Traum wahr machen: ein Baby. Kaum gesteht Renee ihm ihren größten Wunsch, spürt sie schon seine Lippen auf ihrem Mund. Und fragt sich verwundert, wie das Verlangen noch immer so heiß brennen kann … VERLOBT, VERLIEBT ... UND DANN? Unglaublich! Fassungslos blickt Celia auf den funkelnden Diamanten an ihrem Finger. Nicht genug, dass Evan Reese sie als seine neue Freundin vorstellt. Jetzt streift er ihr auch noch diesen Ring über! Was für ein Spiel spielt Evan? Eigentlich brauchte er sie auf der Familienfeier doch nur als weibliche Begleitung! Dafür sollte sie seine neue Werbekampagne entwerfen. Entrüstet will Celia den verführerischen Milliardär zur Rede stellen. Aber ihr Versuch, die Dinge zu klären, führt zu neuer Verwirrung, an der das sinnliche Glitzern in Evans Augen nicht gerade unschuldig ist … LÜGE ODER LIEBE? Sie sind mein Verlobter?" Ungläubig sieht Melody den attraktiven Fremden an. Sie hätte es doch niemals vergessen, wenn dieser Traummann um ihre Hand angehalten hätte! Der diamantbesetzte Ring, den Asher Williams ihr gegeben hat, überzeugt Melody nicht. Aber das Video? In seinem Luxusloft schaut sie sich den Film an. Die Atmosphäre ist überraschend … intim. Errötend sieht Melody sich und Asher halbnackt auf dem Bett, als ein vertrautes Begehren in ihr erwacht. Wenn er jetzt hier wäre … Ob seine Küsse ihre Erinnerung zurückbringen können? Oder spielt Asher ein falsches Spiel? FÜR EINE MILLION NÄCHTE MIT DIR "Willst du ihn lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?" Warum hat Bree da bloß Ja gesagt? Jetzt ist es zu spät. Sie ist mit Gavin Spencer, dem umwerfend attraktiven Besitzer einer aufstrebenden Werbeagentur in San Francisco, verheiratet. Hals über Kopf hat sie sich in ihn verliebt. Und er? Er hat sie erst verführt - und dann verraten! Denn inzwischen hat Bree herausgefunden, warum Gavin sie geheiratet hat: wegen einer Million Dollar, die ihr Vater ihm gezahlt hat! Wütend wirft sie Gavin den Ehering vor die Füße. Ob er versuchen wird, sie zurückzugewinnen? VERBOTENE KÜSSE & EIN SÜSSES GEHEIMNIS Seit dem ersten Tag knistert es heiß zwischen ihnen. Aber eine Affäre mit der Sekretärin? Das hatte Millionär Brock Maddox sich verboten. Doch nachdem er der Versuchung wochenlang widerstanden hat, genügt ein einladender Blick von Elle und Brock ist ihrem Zauber verfallen. Bis er erfährt, dass ausgerechnet sie seinem größten Konkurrenten Informationen zugespielt hat! Ist seine süße Elle in Wahrheit eine eiskalte Wirtschaftsspionin? Wütend will Brock sie zur Rede stellen - und merkt, dass Elle noch ein ganz anderes Geheimnis hat. Eines, das alles ändert …
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Catherine Mann, Emilie Rose, Maya Banks, Michelle Celmer, Jennifer Lewis, Leanne Banks
Kings of Boardroom - beherrscht von Erfolg und Leidenschaft - 6-teilige Serie
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Originaltitel: „Bossman’s Baby Scandal“
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Übersetzung: Sabine Bauer
Fotos: Harlequin Books S.A.
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ISBN-13: 978-3-86349-456-8
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Catherine Mann
Verlangen, das wie Feuer brennt
PROLOG
New York City – vor vier Monaten
Lauren Presley fragte sich, wie ein Mann ihr einerseits so nahe sein und ihr andererseits meilenweit entfernt vorkommen konnte.
Aber kein Zweifel, der halb nackte Mann, mit dem sie eng umschlungen auf der Couch in ihrem Büro lag, war gedanklich und gefühlsmäßig längst ganz woanders. Da er ohnehin nur noch körperlich anwesend war, würde Lauren, sobald sie wieder ruhig zu atmen vermochte, kurzen Prozess machen und ihn hinauswerfen.
Sie trug noch ihre halterlosen Seidenstrümpfe und fühlte sich erhitzt von dem wilden leidenschaftlichen – und völlig überraschenden – Zusammensein mit ihm. Zum Glück war ihre Firma, ein aufstrebendes Grafik- und Designunternehmen, an diesem Tag geschlossen und daher keiner der Angestellten anwesend.
Mit einem Mal erschien Lauren alles ungewöhnlich und irgendwie zusammenhanglos. Sie fühlte sich an die surrealistischen Bilder Salvatore Dalis erinnert und konnte es Jason nicht verübeln, wenn er bereute, was sie getan hatten.
Auch sie selbst wunderte sich, dass es so weit gekommen war … Im Nu war ihr Slip auf dem Boden gelandet und das Kleid nach oben gerutscht!
Fast im selben Moment hatte sie begonnen, ihm den Gürtel und den Reißverschluss zu öffnen … Dabei arbeitete sie oft mit Jason Reagert zusammen – eine bewährte geschäftliche Partnerschaft, die sie mit ihrem unüberlegten Verhalten nun leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatten.
Diesen schrecklichen Moment der Ernüchterung nach dem Sex musste sie schleunigst hinter sich bringen, bevor ihr Stolz darunter litt.
Als in der Stille des leeren Büros plötzlich ein leises Summen erklang, sagte Lauren: „In deiner Hose vibriert etwas.“
Fragend hob Jason eine Augenbraue. Sein kurz geschnittenes dunkles Haar war noch zerzaust von Laurens Leidenschaft. „Wie meinst du das?“
Sie berührte ihn an der Hüfte, wo in der Tasche sein Handy steckte. „Im Ernst. Dein Blackberry läutet.“
„Herrje!“ Als er sich eilig aus der Umarmung löste, strich kühle Luft über Laurens nackte Haut. Jason setzte sich, und ein leises Kratzen auf dem Holzfußboden verriet, dass er mit den Füßen in die exklusiven Designerschuhe geschlüpft war. Eilig schaltete er das Handy aus. „Schlechtes Timing!“
Auch Lauren setzte sich auf. Während sie sich bemühte, ihr schwarzes Seidenkleid in Ordnung zu bringen, vermied sie es sorgfältig, Jason anzusehen. Um ihren Slip würde sie sich später kümmern. Mit dem Fuß beförderte sie das winzige Teil aus schwarzem Satin unter das Sofa. „Dein Bettgeflüster lässt etwas zu wünschen übrig“, bemerkte sie.
„Sorry.“ In der nächtlichen Stille war deutlich zu hören, wie er den Reißverschluss seiner Hose schloss. „Das war die Weckfunktion.“
„Und woran soll sie dich erinnern?“, fragte Lauren, während sie die weiße Wand aus Ziegelsteinen betrachtete, die Staffelei in der Ecke, die beleuchteten Kunstwerke …
„An meinen Flug nach Kalifornien.“
Ach ja richtig. Er reiste ab.
Lauren stand auf und zog sich das Kleid glatt. Dabei sah sie sich nach ihren Lieblingspumps um, Manolos mit Leopardenmuster. Nie wieder würde sie sie tragen können, ohne daran zu denken, wie unüberlegt sie in dieser Nacht gehandelt hatte …
Jason und sie hatten über den letzten Einzelheiten eines Projekts gesessen, für das Lauren die Grafik ausgearbeitet hatte. Den Auftrag dafür hatte ihr die New Yorker Werbeagentur erteilt, bei der Jason – noch – beschäftigt war.
Seit ein paar Wochen wusste Lauren, dass er in Kalifornien eine vielversprechende Stelle antreten würde, die ihm bessere Karrierechancen bot. Als sie sich mit einer herzlichen Umarmung von ihm verabschiedet hatte, war sie selbst über die Maßen verwundert gewesen, wie nahe ihr sein bevorstehender Umzug ging.
Während sie sein schlankes und sympathisches Gesicht angesehen hatte, waren ihr Tränen in die Augen gestiegen. Im nächsten Moment hatten sie einander geküsst.
Wie intensiv dieser Kuss gewesen war und wie zärtlich Jason sie gestreichelt hatte. Lauren spürte, wie Schauer der Erregung sie erneut erfassten. Er hatte ihren Po umfasst und sie auf diese Weise an sich gedrückt.
Ohne es zu wollen, sehnte Lauren sich bereits wieder nach Jasons körperlicher Nähe. Am liebsten hätte sie nach seiner Krawatte gegriffen, an der sie vorhin vergeblich gezerrt hatte, und ihn zu sich gezogen.
Der Impuls wurde immer stärker und ließ sich kaum noch unterdrücken.
Schließlich gelang es ihr, nicht ständig auf seine markanten Wangenknochen und den sinnlichen Mund zu sehen. Sie konnte sich nicht im Mindesten erklären, woher ihre heftigen Gefühle kamen – und sie wusste nicht, wie sie dagegen angehen sollte, wenn Jason erst weg war.
Unter dem Schreibtisch fand sie die Schuhe mit Leopardenmuster. Erleichtert, dass sie auf diese Art mehr Abstand zwischen sich und Jason – und diese unseligen Couch – bringen konnte, kniete sie nieder und zog den ersten Schuh hervor.
Ärgerlicherweise befand sich der zweite außerhalb ihrer Reichweite.
„Lauren …“ Mit einem Blick auf seine Schuhe bemerkte sie, dass er seitlich hinter ihr stand, und ihr wurde bewusst, welch aufreizenden Anblick sie ihm vermutlich bot.
„Normalerweise ist es nicht meine Art …“
„Gib dir keine Mühe!“, unterbrach ihn Lauren und setzte sich auf die Fersen. Zu ihrem hellen Hauttyp mit den kastanienbraunen Haaren gehörte leider auch, dass sie schnell errötete. „Ist schon gut. Du brauchst nichts zu erklären.“
Genauso, fast unterwürfig, hatte sich ihre Mutter bei ehelichen Schwierigkeiten angehört.
„Ich rufe dich …“
„Nein!“ Brüsk erhob sich Lauren und ließ die Schuhe Schuhe sein. Unter ihren Füßen fühlte sich der Holzfußboden kühl an. „Versprich jetzt nichts, was du nicht halten wirst.“
Er nahm seine Anzugjacke von einem Stuhl aus Metall. „Dann ruf doch du mich an!“
„Wozu soll das gut sein?“ Zum ersten Mal musterte sie unverhohlen seine edlen Gesichtszüge. Und den kultivierten Ausdruck seines Gesichts, der erkennen ließ, dass er teure Privatschulen besucht hatte. Für die Spur von Härte war wohl das Jahr in der Navy verantwortlich.
Jason entstammte einer traditionsreichen wohlhabenden Familie und hatte darüber hinaus bereits jede Menge eigenes Geld verdient.
„Du ziehst nach Kalifornien, und ich bin hier in New York zu Hause“, fuhr Lauren fort. „Im Grunde verbindet uns nur eine Geschäftsbeziehung – abgesehen von der Tatsache, dass diese gerade zu einem unerwartet intensiven Austausch auf körperlicher Ebene geführt hat. Aber dadurch ändert sich nichts.“
Sie warf das lange Haar zurück und öffnete die Tür zu einem größeren Studio. Stühle waren auf Tische gestellt, ansonsten war es leer.
Jason lehnte sich an den Türstock und zog überrascht und leicht arrogant eine Augenbraue hoch. „Heißt das, du zeigst mir die kalte Schulter?“
Ganz offenbar passierte ihm so etwas nicht oft. Mochte sein, dass Lauren eben etwas schnell nachgegeben hatte – ab sofort würde sie andere Saiten aufziehen.
„Ich bin nur vernünftig, Jason.“ Sie sah ihn an, wie er groß und schlank vor ihr stand.
Später, wenn er erst weg war, würde sie es sich in ihrem behaglichen Zweizimmerapartment gemütlich machen. Es lag in dem eleganten Stadtviertel Upper East Side. Nein, noch besser wäre es, den ganzen Tag im Metropolitan Museum of Art zu verbringen, in dem Kunstwerke von der Steinzeit bis in die Moderne ausgestellt waren. Lauren würde in die Welt der einzelnen Bilder eintauchen. Kunst bedeutete ihr alles und war aus ihrem Leben nicht wegzudenken.
Die Eröffnung ihres eigenen Betriebes war möglich geworden, weil ihre Tante Eliza ihr überraschend Geld hinterlassen hatte. Für Lauren bedeutete die Firma die einmalige Chance, ihre Träume zu verwirklichen. Dazu gehörte auch, ihrer Mutter zu beweisen, dass sie mehr konnte, als auf eine gute Partie zu warten.
Lauren würde nicht zulassen, dass ein Mann ihre Pläne durchkreuzte.
Schließlich nickte Jason. „Also schön. Wenn du es so haben willst, von mir aus.“ Er strich ihr das Haar zurück und berührte dabei mit dem Daumen ihre Wange. „Dann mach’s gut, Lauren.“
Sie gab sich Mühe, ernst und unnachgiebig auszusehen – ein Gesichtsausdruck, wie sie ihn oft in den Werken niederländischer Meister wahrgenommen hatte.
Jason drehte sich um, warf das Jackett über die Schulter und ging. Tapfer widerstand Lauren dem Wunsch, ihm nachzurufen.
Die Nachricht, dass er New York verließ, hatte sie unerwartet stark mitgenommen. Aber kein Vergleich zu ihren Gefühlen, als sie ihm nachschaute, wie er ihre Firma verließ!
1. KAPITEL
San Francisco
Nicht an Lauren zu denken hatte sich als weitaus schwieriger erwiesen, als Jason angenommen hatte. Seit seiner Abreise aus New York hatte er immer wieder versucht, sie zu vergessen – und bis vor einer Minute gehofft, es eines Tages auch zu schaffen.
Fröhliches Klirren der Gläser, angeregte Unterhaltung, laute Musik der Achtzigerjahre. Allmählich kam Jason wieder mehr zum Bewusstsein, was um ihn herum in der exklusiven Trendbar vor sich ging. Er sah von seinem Blackberry auf zu der Frau, mit der er die letzte halbe Stunde geflirtet hatte, und senkte wieder den Blick.
Gedankenverloren betrachtete er das Bild, das er gerade empfangen hatte – und das Lauren Presley unübersehbar schwanger bei einer Silvesterparty zeigte!
Ihm fehlten selten die Worte, schließlich gehörte er zu den Besten der Werbebranche, aber hierzu fiel ihm nichts ein … Was vielleicht daran lag, dass er sofort wieder an die leidenschaftliche Begegnung in Laurens New Yorker Büro denken musste. War in dieser – übrigens unvergesslichen – Überraschungsnacht ein Baby entstanden?
Seitdem hatte er weder bei ihr noch sie bei ihm angerufen, und an eine Schwangerschaft hatte er nicht im Traum gedacht!
Er blinzelte und versuchte, sich auf das Geschehen in der Bar zu konzentrieren. Doch immer wieder starrte er geschockt das Foto an, das ihm einer seiner Freunde aus New York aufs Handy geschickt hatte.
Während Jason überlegte, wie er am besten Kontakt zu Lauren aufnehmen konnte, bemühte er sich, sich nichts anmerken zu lassen. Beim letzten Mal hatte sie es ziemlich eilig gehabt, ihn loszuwerden …
Als einer der lebhaft tanzenden Besucher gegen ihn stieß, verdeckte Jason das Blackberry sicherheitshalber mit der Hand.
Die Rosa Lounge in der Stockton Street war eine beliebte und eher kleine Bar im Achtzigerjahre-Retrostil, die durch die gedämpfte Beleuchtung sehr behaglich wirkte. Mit grünen Glastischen und schwarz lackierten Stühlen war sie stilvoll und teuer eingerichtet.
Zahlreiche Gäste drängten sich auf der Tanzfläche und um den weißen Marmortresen, der fast die gesamte Wandseite einnahm. Gegenüber befanden sich hohe weiße Tische. Für den Fußboden war edles dunkles Holz verwendet worden.
Da die Rosa Lounge nur einen Steinwurf von Maddox Communications entfernt lag, kamen die Angestellten oft hierher, wenn sie Grund zum Feiern hatten, etwa nach einem erfolgreichen Vertragsabschluss.
Jason umfasste das Blackberry fester. An diesem Abend waren alle ihm zu Ehren gekommen. Ausgerechnet jetzt musste er im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen!
„Hallo?“, fragte Celia Taylor und schnippte mit sorgfältig manikürten Fingern vor seinem Gesicht. Ihr Key Lime Martini, ein Longdrink, der gerade besonders angesagt war, schimmerte sanft gelbgrün in dem edlen Kristallglas. „Erde an Jason … Erde an Jason!“
Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit auf Celia zu richten. Sie war wie er bei der Madd Comm, wie die Werbeagentur intern genannt wurde, beschäftigt. Zum Glück hatte er sein Bier der japanischen Marke Sapporo noch nicht angerührt, denn ein klarer Kopf erschien ihm im Augenblick wichtiger denn je. „Sorry“, sagte er. „Tut mir leid, dass ich mit den Gedanken woanders war.“ Obwohl er das Handy in die Tasche seines Jacketts von Armani verbannte, musste er immerzu daran denken. „Kann ich dir einen neuen Drink holen?“
Eigentlich hatte er sie um ein Date bitten wollen, aber das war gewesen, bevor ihn diese Aufnahme erreicht hatte. Ironie des Schicksals … und der modernen Technik.
„Nein, danke.“ Celia trommelte mit den Fingern gegen ihr Martiniglas. „Die E-Mail muss ja verdammt wichtig gewesen sein. Jetzt könnte ich ja sagen, dass es unhöflich von dir ist, mich einfach so links liegen zu lassen. Aber in Wahrheit bin ich vermutlich nur neidisch, dass mein Handy nicht klingelt.“
Celia strich sich ihr langes rotes Haar zurück und stützte die Hand in die Seite.
Rotes Haar.
Grüne Augen.
Wie Lauren … Plötzlich begriff Jason.
In der Überzeugung, über die Sache mit Lauren hinweg zu sein, hatte er sich zielsicher die einzige Rothaarige dieses Abends zum Plaudern ausgesucht! Allerdings war Laurens Haar dunkler, mehr kastanienfarben … und ihre Kurven etwas voller, was ihn damals vor Verlangen ganz verrückt gemacht hatte.
Entschlossen stellte er seine Flasche auf dem Tresen ab und sah Richtung Tür. Zögern brachte nichts. Er musste es wissen.
Celia war eine wirklich nette Kollegin, und er wollte nicht unhöflich sein. Am Arbeitsplatz blieb sie immer sachlich, um ernst genommen zu werden. Sie hatte wahrlich etwas Besseres verdient, als nur eine Art Ersatz zu spielen. „Entschuldige, ich muss mal einen Augenblick raus und einen wichtigen Anruf erledigen.“
Überrascht neigte Celia den Kopf zur Seite. Dann sagte sie: „Klar, kein Problem. Bis gleich.“
Mit einem angedeuteten Winken verabschiedete sie sich, wandte sich auf ihren hochhackigen Schuhen um und ging zu Gavin, einem Kollegen.
Während sich Jason einen Weg durch die Menge bahnte, hoffte er, dass seine Kollegen sein Verschwinden nicht bemerkten. Nach ein paar klärenden Telefonaten würde ihm vielleicht wohler sein.
Plötzlich spürte er einen kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter. Jason drehte sich um und sah sich seinen Chefs, den Maddox-Brüdern, gegenüber: Brock und Flynn, den beiden Geschäftsführern.
Mit einer ausholenden Handbewegung winkte Flynn die umstehenden Mitarbeiter herbei und hob sein Glas. „Auf Jason Reagert“, rief er, „den Mann der Stunde! Herzlichen Glückwunsch, dass du den Vertrag mit Prentice an Land gezogen hast. Madd Comm ist stolz auf dich!“
„Auf unseren neuen und brillanten Mitarbeiter“, schloss sich der Finanzchef Asher Williams an.
„Auf den Erfolg von Jason“, ergänzte Gavin.
„Den nichts und niemand aufhalten kann“, fügte Brock hinzu. Auch seine Sekretärin hob anerkennend ihr Glas. Alle lachten Jason zu.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Lächeln zu erwidern.
Klar war er stolz, dass er den Vertrag mit Prentice, der größten Textilfirma des Landes, unter Dach und Fach gebracht hatte. Dabei war aber auch eine gehörige Portion Glück im Spiel gewesen. Prentice war als Kunde für Werbeagenturen beinahe ein so großer Fisch wie Procter & Gamble. Gerade, als Jason im Herbst nach Kalifornien gekommen war, hatte Walter Prentice seiner bisherigen Agentur die Aufträge entzogen – weil dieses Unternehmen seiner Meinung nach moralisch nicht einwandfrei war.
Der stockkonservative Prentice war bekannt dafür, dass er Partnerfirmen die Zusammenarbeit aufkündigte, nur weil zum Beispiel ein leitender Angestellter einen Nacktbadestrand besucht hatte oder Beziehungen zu zwei Frauen unterhielt.
Aus den Augenwinkeln sah Jason Celia an.
Mit Appetit dippte Brock ein Stück Quesadilla aus Mais in die Mangosauce. Sicher hatte er wie häufig der Arbeit wegen auf ein Mittagessen verzichtet. „Heute habe ich mit Prentice gesprochen. Er ist ja regelrecht begeistert von dir. War ein guter Schachzug, dass du ihm Geschichten aus deiner Militärzeit erzählt hast.“
Unruhig blickte Jason zur Tür. Als Schachzug würde er das nicht bezeichnen. Es war nur einfach eine Chance gewesen, Kontakt herzustellen, da Prentice’ Neffe in etwa zur selben Zeit Dienst getan hatte wie Jason. „Ich habe mich nur höflich mit ihm unterhalten.“
„Mann, du bist ein Held“, sagte Flynn begeistert und hob sein Glas. „Keine falsche Bescheidenheit. Es war einfach toll, wie du und deine Spezialeinheit diese Piraten hochgenommen …“
Nach seinem Collegeabschluss hatte Jason sechs Jahre in der Navy gedient, als Offizier in einer Tauchabteilung für besondere Aufgaben, und zwar dem Entschärfen von Minen. Natürlich hatte er einige Erfolge gegen Piraten erzielt und damit Leben gerettet, aber das traf auf viele seiner Kameraden ebenfalls zu. „Ich habe nur meine Pflicht getan, wie alle anderen auch.“
Inzwischen steckte Brock den Rest seiner Quesadilla in den Mund. „Du bist eindeutig auf Prentice’ Wellenlänge. Bleib sauber, und du wirst es mit seiner Hilfe weit bringen. Sein Werbeauftrag für eine neue Modelinie kommt uns wie gerufen. Du weißt ja, wie sehr uns Golden Gate Promotions im Nacken sitzt.“
Für Madd Comm war Golden Gate der Hauptkonkurrent – ebenfalls ein traditionsreiches Unternehmen, das bis zum heutigen Tage von seinem ursprünglichen Gründer, Athos Koteas, geleitet wurde. Ein ernst zu nehmender Gegner.
Für Jason bedeutete diese Chance in Kalifornien alles. Niemals würde er zulassen, dass sein Job bei Maddox durch irgendetwas in Gefahr geriet.
In seiner Jacke klingelte das Handy. Kamen noch mehr Bilder? Schickte ihm sein Freund vielleicht noch ein Bild mit Ton, damit es ja jeder mitbekam? Bei der Vorstellung bekam Jason Kopfschmerzen.
Sicherlich mochte er Kinder und wollte eines Tages selbst welche haben. Aber jetzt?
Flynn beugte sich zu ihm. „Im Ernst, für uns bist du eine echte Bereicherung, nachdem wir deinen Vorgänger, diesen Lahmarsch, entlassen haben.“
Brock grinste. „Sonnengebräunter Lahmarsch wäre besser, schließlich hatte er eine Schwäche fürs Nacktbaden.“
Verhaltenes Gelächter der Kollegen erklang. Mit leichtem Unbehagen lockerte Jason seinen Hemdkragen, während er daran dachte, dass Walter Prentice angeblich seine eigene Enkelin verstoßen hatte, nur weil sie sich geweigert hatte, den Vater ihres Kindes zu heiraten. Prentice war ein Mann, dem die Familie über alles ging.
Im Grunde fand Jason, dass im Beruf ausschließlich die Ergebnisse zählten. Dass er bei Maddox Communications als erfolgreicher Newcomer gefeiert wurde, hatte er seinem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, harter Arbeit also.
Er war aus eigener Kraft so weit nach oben gelangt, ohne die Hilfe der alteingesessenen Firma seines Vaters, in der er gewissermaßen aufgewachsen war. Keinesfalls würde Jason zulassen, dass die kurze Unbedachtsamkeit vor vier Monaten alles infrage stellte, was er sich aufgebaut hatte. Er wollte den Erfolg genießen, den er sich verdient hatte.
Als Jugendlicher hatte er der Versuchung widerstanden, in das Werbeunternehmen seines Vaters einzutreten. Stattdessen hatte er ein Stipendium für das College erhalten und danach eine Offiziersausbildung absolviert.
Nach den sechs Jahren in der Navy hatte er auf eigene Faust sein Glück in der Werbebranche versucht. Als er den Job in New York angenommen hatte, war der Einfluss seines Dads für Jason noch immer zu spüren gewesen. Erst das Angebot von Madd Comm aus San Francisco hatte es Jason erlaubt, aus dem väterlichen Schatten herauszutreten, denn nun lag ein ganzer Staat zwischen ihnen.
Mit einem Mal wusste Jason, was er zu tun hatte. Gleich nach der Party würde er den Nachtflug nach New York nehmen. Schon am nächsten Morgen würde er bei Lauren Presley vor der Tür stehen und von Angesicht zu Angesicht mit ihr reden.
Und wenn das Baby tatsächlich von ihm war, musste sie eben ganz einfach nach Kalifornien ziehen. Wenn er sie überall als seine Verlobte vorstellte, wäre eventuellen Gerüchten von vorneherein die Grundlage entzogen.
Der Januarwind war so kalt, dass die meisten Leute nicht aus dem Haus gingen. Normalerweise hätte sich auch Lauren mit dicken Socken und Pullover in ihr Apartment zurückgezogen und sich der Pflege ihrer Zimmerpflanzen gewidmet.
Aber da sie fand, dass die Kälte gut gegen ihre Schwangerschaftsübelkeit half, beschloss sie, auf den gemeinschaftlichen Dachgarten zu gehen. Sie selbst hatte vor ein paar Jahren die Bepflanzung angeregt. An einem Tag wie diesem würde es sicher nicht schaden, nachzusehen, ob der Winterschutz der Gewächse noch in Ordnung war.
Auf den Knien zog sie die Folie fester um einen Pflanzkübel. Unter ihr kündigten Motorenlärm und Hupgeräusche an, dass New York allmählich erwachte. Während der Wintermonate musste Lauren beim Anblick der Stadt immer an den amerikanischen Maler Andrew Wyeth und seine Bilder in Schwarz, Weiß, Braun und Grau denken.
Durch ihre Jeans drang die Eiseskälte des Betonbodens, und vom East River wehte ein scharfer Wind. Lauren vergrub sich tiefer in ihren Wollmantel und bewegte die steifen Finger in den Gartenhandschuhen.
Dass ihr Magen verrückt spielte, lag nicht nur an dem Baby …
Vorhin hatte ihre Freundin Stephanie angerufen und ihr ziemlich aufgeregt gestanden, dass Jason von der Schwangerschaft wusste: Ihr Mann hatte ihm ein Foto aufs Handy geschickt, das in der Vorwoche bei einer Silvesterparty entstanden war.
Mit der Folge, dass Jason auf dem Weg hierher war.
Unter diesen Umständen war es kein Wunder, dass weder frische Luft noch Gartenarbeit gegen Laurens Übelkeit half.
Wie sollte es auch anders sein, da ihre Welt zu zerbrechen drohte? Bald würde Jason hier sein und ihr vorwerfen, dass sie ihm nichts von dem Baby erzählt hatte, das in fünf Monaten zur Welt kommen würde. Doch am schlimmsten war, dass ihre Firma, die ihr so viel bedeutete, vor einem schier unlösbaren Problem stand.
Müde ließ sie sich gegen die Einfassung des Springbrunnens sinken, in dem das verbliebene Wasser zu Eis gefroren war. Von der Mähne des steinernen Löwen hingen Eiszapfen herab.
Als es ihr eine Zeit lang zu schlecht gegangen war, um zur Arbeit zu gehen, hatte ihr Buchhalter Dave ihre Abwesenheit genutzt und eine halbe Million Dollar veruntreut.
Lauren hatte erst vor einer Woche davon erfahren: Da Dave „im Urlaub“ war, hatte sie vorübergehend ein Buchführungsbüro beauftragt, und dessen Mitarbeiterin war das Fehlen der Summe sofort aufgefallen.
Egal, in welches Südseeparadies er sich mit Laurens Vermögen zurückgezogen hatte – wiederkommen würde er sicher nicht. Auch Polizei und Behörden glaubten nicht, dass sie ihn oder das Geld jemals aufspüren würden.
Nachdenklich strich sie über die sanfte Wölbung ihres Bauches. In wenigen Monaten würde ein Kind auf sie angewiesen sein – und sie hatte es geschafft, ihr Leben gründlich durcheinanderzubringen.
Eine schöne Mutter bin ich, dachte sie selbstkritisch. Verstecke mich auf dem Dachgarten, anstatt meine Probleme zu lösen.
Die Tür zum Dach quietschte, und gleich darauf fiel ein Schatten in Laurens Richtung. Noch bevor sie aufsah, wusste sie, dass Jason sie gefunden hatte. Nun ließ sich das Gespräch mit ihm – und die drohende Auseinandersetzung – nicht länger aufschieben.
Sie sah über die Schulter … und verspürte einen Stich im Herzen.
Vor der Skyline hob sich Jasons große schlanke Gestalt ab. Die Jahre des Tauchens und Schwimmens in der Navy hatten einen muskulösen Körper geformt. Der Wind fing sich in seinen kurzen Haaren.
Fordernd und unbewegt stand er da, und Lauren dachte: So wie er aussieht, denkt und fühlt er auch. Kein Mann für Kompromisse …
Sie riss sich von seinem Anblick los und begann, ihre Gartenwerkzeuge einzupacken. „Hallo Jason.“
Auf dem harten Boden hörte sie ihn näherkommen, aber noch immer sagte er kein Wort.
„Offensichtlich hat dir der Portier gesagt, dass ich hier oben bin“, plauderte sie los, und ihre Bewegungen wurden hastiger.
Jason kniete sich neben sie. „Du solltest vorsichtiger sein.“
„Und du solltest dich nicht an Leute heranschleichen“, erwiderte sie und rückte ein Stück von ihm ab.
„Was, wenn nicht ich es gewesen wäre, der hier hochkommt? Obwohl die Tür einen ziemlichen Krach macht, hast du mich nicht gehört.“
„Ich war mit meinen Gedanken eben woanders.“ Das stimmte leider! Bei seiner unmittelbar bevorstehenden Ankunft, bei dem Baby – und bei der unterschlagenen halben Million.
Ohne viel Fantasie zu bemühen, konnte sich Lauren bereits die missbilligenden Kommentare ihrer Eltern vorstellen, wenn sie von alldem hörten. Nur von Jason würden sie gewiss begeistert sein, denn er entsprach genau dem Schwiegersohntyp, den ihre standesbewusste Mutter sich vorstellte: Er stammte aus gutem Hause, verfügte über ein dickes Finanzpolster und sah auch noch gut aus.
Im Grunde dachten vermutlich alle Mütter so. Aber wenn Jason auch unbestritten über all diese Vorzüge verfügte, so war er trotzdem ziemlich stur und gab gerne den Ton an. Lauren hatte zu lange um ihre Unabhängigkeit gekämpft, um sich auf eine Beziehung mit einem Mann wie ihn einzulassen. Nur aus diesem Grund hatte sie es in den vergangenen Monaten geschafft, die Anziehung zwischen ihnen zu ignorieren.
Sie drückte die Gartentasche aus Leinen an ihre Brust und fragte: „Was machst du hier? Du hättest mich doch anrufen können!“
„Und du hättest mich anrufen können!“, entgegnete er, betrachtete kurz ihr Bäuchlein und sah sie dann an. „Als ich letzte Nacht mit einem Freund telefoniert habe, hat er mir erzählt, dass du zurzeit von zu Hause aus arbeitest, weil dir nicht gut ist. Ich hoffe, dir fehlt nichts! Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“
Einfach so, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, redete er von ihrer Schwangerschaft. Keine Vorwürfe, kein Streit – ganz anders, als Lauren es von ihren Eltern kannte, egal ob vor oder nach deren Scheidung.
Dennoch zitterten ihr die Finger, als sie die Tasche über die Schulter hängte.
„Mir ist nur morgens schlecht“, antwortete Lauren und steckte die Hände in die Manteltaschen. „Der Arzt sagt, alles im grünen Bereich. Ich schaffe einfach mehr, wenn ich von daheim aus arbeite. So wie es aussieht, habe ich das Schlimmste hinter mir.“
„Da bin ich aber froh.“
Ein paar Monate lang hatte Lauren die Übelkeit schlimm zugesetzt. Obwohl es ihr schwergefallen war, die täglichen Geschäfte anderen anzuvertrauen, war ihr schlichtweg keine Wahl geblieben … Nur leider hatte sie das eine halbe Million Dollar gekostet. „Seit letzter Woche gehe ich immerhin wieder halbtags in die Firma.“
„Sicher, dass das nicht zu früh ist? Du bist dünn geworden“, bemerkte Jason fürsorglich, zog einen Metallstuhl heran und bot ihn Lauren an.
Sie setzte sich – nicht ohne ihn misstrauisch zu mustern. „Was weißt du eigentlich über meine Schwangerschaft?“
„Spielt das eine Rolle?“ Er zog seinen Trenchcoat aus und legte ihn Lauren um die Schultern.
Sofort nahm sie den vertrauten Duft seines Aftershaves und die angenehme Wärme wahr. Die Verlockung war zu groß! Lauren, die entschlossen war, ihr Leben nicht noch mit weiteren Problemen zu belasten, gab den Mantel zurück. „Nein. Nicht wirklich. Hauptsache ist, dass du überhaupt Bescheid weißt.“
Als er näher kam, lag in seinen dunklen Augen ein Glanz, der Lauren erbeben ließ. An diesem Tag ebenso wie damals vor vier Monaten, als sie es nicht hatte erwarten können, Jason nahe zu sein.
Da sie sich nur zu genau an diese leidenschaftliche Nacht erinnerte, zwang sie sich, zur Seite zu sehen. „Danke, dass du keine Zweifel an deiner Vaterschaft hast.“
„Jetzt würde ich gerne erwidern: Danke, dass du mir von unserem Baby erzählt hast. Aber hast du ja leider nicht!“ Zum ersten Mal klang seine Stimme leicht vorwurfsvoll.
„Hätte ich schon noch.“ Vielleicht kurz bevor das Kind volljährig wurde … „Es ist ja erst in fünf Monaten soweit.“
„Ich möchte am Leben meines Kindes teilhaben und keinen Moment verpassen“, sagte Jason. „Ab jetzt ziehen wir an einem Strang.“
„Heißt das, dass du wieder nach New York ziehen willst?“, fragte sie.
„Nein, das nicht“, antwortete er und klappte den Mantelkragen hoch. Jasons sonnengebräuntem Gesicht war deutlich anzusehen, dass er nun schon eine Zeit lang im angenehmen kalifornischen Klima lebte. „Reden wir lieber in deiner Wohnung weiter, da ist es wärmer.“
Lauren beschlich ein Verdacht. „Du ziehst nicht nach New York, aber möchtest dich mit mir zusammen um das Baby kümmern. Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich nach San Francisco komme?“
Er schwieg. Es war tatsächlich genau das, was er sich vorstellte.
Wütend stellte Lauren klar: „Ich gehe mit dir nirgendwohin. Nicht in mein Apartment und schon gar nicht nach Kalifornien! Weder gebe ich meinen Betrieb auf, in den ich all mein Herzblut investiert habe, noch mein Leben hier in New York.“ Auch wenn von der Firma nicht mehr viel übrig war.
„Na ja …“ Sein Atem hing wie weißer Hauch in der kalten Luft. „Ich möchte schon, dass du mitkommst. Und dass wir zusammen sind, schon wegen dem Baby. Was ist dir wichtiger? Deine Firma oder dein Kind?“
Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien. Das Wohl des Babys war ihr wichtiger gewesen als alles andere – leider voll zu Lasten ihres Unternehmens. Und doch war Lauren sich sicher, dass sie jederzeit wieder so handeln würde.
Hätte sie lieber etwas mehr Geld ausgegeben, damit jemand wirklich Vertrauenswürdiges in ihrer Abwesenheit auf den Laden aufpasste! Aber sie hatte ja geglaubt, Personalkosten sparen zu müssen.
„Jason, warum bedrängst du mich so? Lass mir doch etwas Zeit.“ Der Gedanke an ihre betrieblichen Schwierigkeiten erfüllte sie mit Zorn und der Angst, wie es weitergehen sollte – Gefühle, die sich nun gegen Jason richteten. „Wir haben doch monatelang Zeit, über alles zu reden. Was steckt in Wahrheit dahinter?“
Seine Miene wirkte verschlossen, und er sah Lauren kühl und ausdruckslos an wie der Steinlöwe in dem eingefrorenen Brunnen. „Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Es muss doch einen Grund geben, warum du mich auf Biegen und Brechen in deiner Nähe haben willst.“ Inzwischen pfiff der Wind so laut, dass er fast den Straßenlärm übertönte. „Wurde deine Mutter von irgendeinem Mann sitzen gelassen? Oder bist du vielleicht von einer Frau enttäuscht worden?“
Als er lachte, bildeten sich wieder weiße Wölkchen in der Luft. „Du hast ja eine lebhafte Fantasie! Ich versichere dir, dass keine deiner Vermutungen zutrifft.“
Obwohl sein Lachen ehrlich wirkte, gab Lauren sich nicht zufrieden. „Das ist keine Antwort.“
„Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten“, sagte Jason und tat einen Schritt auf sie zu. Lauren, die durch die Schwangerschaft besonders sensibel war, roch den angenehm meeresfrischen Duft seines Rasierwassers.
Jason schien Wärme auszustrahlen, was ihn bei der bitteren Kälte umso anziehender machte. Es musste herrlich sein, sich an seiner breiten Brust zu vergraben, seinen Körper zu spüren …
Schön früher hatte Lauren in seiner Nähe ein Gefühl von Spannung und Hitze empfunden. Jetzt, da sie wusste, wie leidenschaftlich er war, empfand sie dieses Gefühl noch stärker.
Sie hob die Hände, vermied es dabei aber sorgsam, seine Brust zu berühren. „Mir geht das alles zu schnell. Ich möchte in Ruhe darüber nachdenken.“
„Na gut, aber wenn du nachdenkst, solltest du eines nicht übersehen.“ Mit diesen Worten griff er in seine Jackentasche, zog eine kleine Schmuckschatulle aus schwarzem Samt heraus und klappte den Deckel auf.
Darin befand sich ein Verlobungsring aus Platin mit einem funkelnden Solitärdiamanten!
2. KAPITEL
Mit der Samtschatulle in der Hand wartete Jason auf Laurens Antwort. In der Nacht einen Juwelier zu finden, um einen Verlobungsring zu kaufen, war nicht ganz einfach gewesen. Trotzdem hatte Jason es noch rechtzeitig vor dem letzten Flug nach New York geschafft.
Vermutlich war der Schrecken in Laurens Gesicht nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Aber Jason fand, dass Schwierigkeiten dazu da waren, überwunden zu werden.
Der Wind blies welke Blätter vom Vorjahr zusammen. Es war ungemütlich kalt – und ganz anders als an jenem Sommerabend, an dem sie zuerst stundenlang in Laurens Büro gearbeitet hatten …
Obwohl Jason wusste, dass er ungeduldig wirkte, bot er ihr den Ring an, denn unnötig Zeit zu verlieren, war nicht seine Art. „Und, was sagst du?“
„Immer mit der Ruhe!“ Sie strich sich eine Strähne ihres langen glatten Haares aus dem Gesicht und atmete tief aus. „Ich bin noch völlig perplex von deinem Vorschlag, dass ich hier alles aufgeben und dir nach Kalifornien folgen soll. Und da kommst du mit einem Verlobungsring an? Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“
„Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?“ In diesem Moment fiel ein Sonnenstrahl auf den Ring und brachte den dreikarätigen Diamanten zum Funkeln.
Die Gartentasche rutschte von Laurens Schulter und fiel zu Boden. „Wir sollen heiraten, nur weil ein Baby unterwegs ist? Findest du das nicht etwas altmodisch?“
An eine Heirat hatte er eigentlich noch gar nicht gedacht. Er wollte mit einer Verlobung Gerüchte vermeiden – was eigentlich auch in Laurens Interesse liegen dürfte. Aber das konnte er ihr unmöglich direkt sagen. „Wenn du dich nicht entschließen kannst, mich zu heiraten, wie wäre es dann mit einer Verlobung zur Probe?“
„Verlobung zur Probe?“, wiederholte sie. „Du bist ja völlig verrückt. Und außerdem friere ich.“ Sie wandte sich zur Türe. „In einem Punkt jedenfalls hast du recht: Wir sollten unsere Unterhaltung in meinem Apartment fortsetzen.“
Auch wenn sie sich unbeeindruckt gab, sein Antrag ließ sie offensichtlich nicht kalt. Immerhin hatte sie die Leinentasche auf dem Boden liegen gelassen.
Jason hob sie auf und folgte Lauren durchs Treppenhaus. Obwohl Laurens Wohnung in einer der sichersten Gegenden New Yorks lag, schien Jason das irgendwie nicht genug. Und wo sollte hier ein lebhaftes Kleinkind spielen?
Auf dem Flug hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und so war Jason sich über eines klar geworden: Er wollte auf keinen Fall ein Dad sein, der von Küste zu Küste flog. Er wollte am Leben seines Kindes richtig Anteil nehmen.
Auch wenn er viel arbeitete, wollte er nicht den Fehler seines Vaters begehen, der in seinem Sohn im Grunde nur das Abziehbild seiner eigenen Person gesehen hatte. Nie hatte er sich die Zeit genommen, Jason besser kennenzulernen.
Lauren musste mit nach Kalifornien! Und das nicht nur wegen des Vertrages mit Prentice. Jason steckte den Ring wieder in die Tasche – fürs Erste. Er kannte sein Ziel und war entschlossen, es weiter zu verfolgen. Während Lauren die beiden Schlösser aufsperrte, wartete er gespannt.
In ihrer kleinen Wohnung spiegelte sich ihre gesamte Persönlichkeit. Alles wirkte schwungvoll und lebhaft. Überall standen Blumen und Grünpflanzen, an den Wänden hingen moderne Kunstwerke in bunten Rahmen. Der Sommer schien sich hierher zurückgezogen zu haben.
Jeder Bereich hatte seine eigenen Farben: Das Wohnzimmer war in Gelb gehalten, die Küche in Grün. Durch die halb geöffnete Schlafzimmertür ließ sich ein rosa Schimmer erkennen. Jason war zwar mit Kollegen schon einige Male hier gewesen, aber natürlich hatten sie sich immer nur im Wohnzimmer aufgehalten.
Das Schlafzimmer hatte er noch nie aus der Nähe gesehen – was er in nächster Zeit zu ändern gedachte.
Jason stellte die Tasche auf ein Tischchen im Flur, streifte sich die Schuhe ab und folgte Lauren ins Wohnzimmer. „Wir sind seit Monaten befreundet, und ganz offensichtlich fühlen wir uns zueinander hingezogen.“ Mit einer Geste auf ihr Bäuchlein fragte er: „Oder kannst du ehrlich sagen, dass du niemals über eine gemeinsame Zukunft nachgedacht hast?“
„Habe ich nie.“ Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe und sah Jason über die Schulter an. „Würdest du jetzt bitte aufhören? Wir können später besprechen, wie es sein wird, wenn das Baby da ist. Aber jetzt muss ich mich anziehen und zur Arbeit gehen.“
„Klar, mach dir keine Sorgen um den Wichtigtuer von Mann, der dir mal wieder lästig fällt“, sagte er ironisch und spielte damit auf das letzte Mal an, als sie es ziemlich eilig gehabt hatte, ihn loszuwerden.
Vermutlich keine sehr geschickte Bemerkung, dachte er, außerdem sieht sie müde aus. Auf ihrer Stirn ließen sich feine Linien erkennen, die auf Erschöpfung hinwiesen. Fürsorglich fragte Jason: „Geht es dir wirklich gut?“
Lauren ging zur Küchenzeile und sagte: „Ja, alles in Ordnung.“ Aber die Antwort hatte eine Sekunde zu lang auf sich warten lassen.
Während sie sich ein Glas Milch eingoss, beobachtete Jason jede ihrer Bewegungen. Ihr glattes kastanienbraunes Haar reichte ihr weit den Rücken hinab. Am liebsten hätte Jason es berührt, um sicherzugehen, dass es noch immer so seidig war, wie er es in Erinnerung hatte. „Irgendetwas verschweigst du mir.“
„Ich versichere dir, dass das Baby und ich völlig gesund sind.“ Dabei hob sie, ohne sich umzudrehen, ihr Glas Milch wie zu einem Trinkspruch.
Da war noch etwas, dessen war Jason sich sicher. Aber ihm war klar, dass sie ihm im Moment nicht mehr erzählen würde. Vorerst würde er den Rückzug antreten – nur um es in ein paar Stunden aufs Neue zu probieren. Schließlich war er ein Fachmann für Werbung und wusste, wie er vorgehen musste. Der richtige Augenblick würde schon noch kommen.
Er nahm die Schatulle wieder heraus und stellte sie auf die Arbeitsplatte. „Lass dir Zeit. Wir müssen uns ja noch nicht heute entscheiden.“
Argwöhnisch betrachtete Lauren die Schatulle, als wäre eine gefährliche Schlange darin. „Ich weiß schon jetzt, dass ich mich auf keinen Fall mit dir verlobe – von einer Heirat ganz zu schweigen.“
„Also gut“, sagte er und schob die Box bis zu einem apfelförmigen Keramikgefäß – und damit gleichzeitig näher zu Lauren. „Dann hebe den Ring eben für unser Kind auf.“
Lauren lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. Auf ihrem T-Shirt, das über ihrem Bäuchlein – und den volleren Brüsten – etwas spannte, befanden sich Farbspritzer. „Glaubst du, es wird ein Mädchen?“
Während er unauffällig die Wölbung ihres Bauches betrachtete, stellte er sich im Geiste ein kleines Mädchen mit rötlichen Locken vor. So ein winziges Wesen wuchs in Lauren heran!
Jason hatte kaum Zeit gehabt, sich auf seine neue Rolle einzustellen. Aber nach allem, was er sah, bestand nicht der geringste Zweifel, dass er Vater wurde.
Am liebsten hätte er Lauren berührt, um den Veränderungen ihres Körpers nachzuspüren. Und vielleicht die Bewegungen des Babys zu fühlen?
Er schluckte. „Wenn es ein Junge wird, kann er eines Tages seiner Freundin den Ring schenken.“
Lauren neigte den Kopf zur Seite, und ihr seidig schimmerndes Haar fiel auf die sanft gerundeten Brüste. „Wünschst du dir einen Jungen? Ich glaube, die meisten Männer stellen sich als erstes Kind einen Sohn vor.“
„War das bei deinem Vater so?“ Bei seinem auf jeden Fall! Für ihn war Jason eine Art Miniausgabe seiner selbst gewesen, ein Spiegelbild seiner eigenen Gedanken und Ansichten.
„Lass meinen Vater aus dem Spiel!“
„Ist ja gut“, sagte Jason beschwichtigend und gab der Versuchung nach, ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Noch bevor Lauren protestieren konnte, zog er die Hand wieder zurück. „Du siehst wunderschön aus. Aber wenn ich mich recht erinnere, wolltest du dich für die Arbeit umziehen.“
Sanft küsste er sie auf die Stirn, schaffte es, sich von Lauren loszureißen, und ging zur Tür. „Bis dann, Lauren! Lass uns später weiterreden.“
Während er die Wohnung verließ, meinte er, ihr überraschtes Gesicht noch immer vor sich zu sehen. Mit seinem Rückzug hatte er sie verwirrt. Offenbar hegte sie durchaus Zweifel, die sich vielleicht für seinen Plan nutzen ließen.
Auch wenn sie Nein gesagt hatte – das war noch nicht das letzte Wort in dieser Sache. Für Jason stand außer Frage, dass er am Sonntagabend mit dem letzten Flug nicht allein nach Kalifornien zurückkehren würde. Lauren und das Ungeborene würden ihn begleiten!
Lauren betrat ihr Grafik- und Designunternehmen im dritten Stock des Bürogebäudes. Viel Platz boten die Räumlichkeiten nicht: ein großes Zimmer mit Tischen und einem Empfangsbereich. Und ihr eigenes Büro … in dem Jason und sie das Baby gezeugt hatten.
Lauren empfand das Durcheinander ihrer Gefühle wie eines der bunten Klecksbilder des Malers Jackson Pollock. Es lag wirklich nicht an der Schwangerschaft, dass ihr Magen im Augenblick verrückt spielte.
Die Schatulle in ihrer Tasche schien Tonnen zu wiegen. Lauren hatte die kleine Box aus Samt mitgenommen, um Jason anzurufen, mit ihm zu Mittag zu essen und ihm dabei den Ring zurückzugeben. Diese Verlobung war wirklich eine alberne Idee!
Lauren fand, dass sie weiß Gott genug damit zu tun hatte, ihr Unternehmen vor dem Ruin zu retten.
Als sie eintrat, drückte ihr Franco, ihr Assistent, einen Stapel Papiere in die Hand. „Alles Nachrichten und Post für Sie, Miss Presley.“
„Danke, Franco“, sagte Lauren und brachte ein Lächeln zuwege. Wie sie feststellte, befanden sich im Stapel viele Anfragen potenzieller Kunden – aber leider hatten auch Gläubiger angerufen.
Franco erhob sich und strich seine Krawatte glatt. Das Emblem des Footballteams New York Giants prangte groß darauf. „Bevor Sie in Ihr Büro gehen …“
„Ja?“, fragte Lauren geistesabwesend, während sie gleichzeitig die Tür öffnete – und vom Duft frischer Blumen regelrecht überwältigt wurde.
„Sie wurden gerade gebracht“, sagte Franco. „Und übrigens …“
Ohne weiter zuzuhören, betrat Lauren ihr Büro, in dem sich mindestens fünf Vasen voller weißer Rosen mit rosa und hellblauen Schleifen befanden. Auf dem Schreibtisch standen ein Krug Orangensaft und ein Körbchen leckerer Muffins.
Als Lauren sich fragend zu Franco umdrehte, zog eine Bewegung im Empfangsbereich ihren Blick auf sich. Jason lehnte lässig an der Wand und betrachtete Lauren sehnsuchtsvoll mit halb geschlossenen Lidern.
Wie hatte sie ihn nur übersehen können? Mit einem Kopfnicken bat Lauren Jason in ihr Büro. „Komm rein! Ich dachte, wir treffen uns mittags?“
Als er sich langsam von der Wand abstieß, wirkte Jason geschmeidig wie eine Wildkatze. Mit unverhohlener Neugier blickten Franco, die neue Buchhalterin und die zwei Studentinnen, die hier ihr Praktikum leisteten, von Lauren zu Jason.
Jason legte Lauren unbeirrt den Arm um die Taille. „Ich wollte nur sicherstellen, dass die Mutter meines Kindes glücklich ist und genug zu essen hat.“
Lauren richtete sich kerzengerade auf. Was bildete er sich eigentlich ein, einfach so die ganze Welt über ihre Beziehung ins Bild zu setzen! Na gut, vielleicht nicht die ganze Welt – aber die Angestellten und wartenden Kunden!
„Wie gesagt, dem Baby und mir geht es gut.“ Schnell versuchte sie, Jason in ihr Büro zu schieben. „Bitte, könnten wir uns in meinem Büro weiter unterhalten?“
„Natürlich, Schatz“, sagte er ruhig und lächelte charmant. Die beiden Studentinnen kicherten und wurden rot.
Endlich schloss Lauren die Tür hinter sich, und Jason und sie waren allein. Mit dem türkisfarbenen Sofa. Und ihren Erinnerungen …
Als sie die Metalljalousie hochzog, schienen die hellen Strahlen der Wintersonne herein. So wohltuend das war, Laurens Ärger verflog dadurch nicht. „Was zum Teufel soll das?“
„Ich wollte nur alle wissen lassen, dass ich mich um dich und unser Baby kümmere.“ Er nahm einen Blaubeermuffin aus dem Korb. „Wie wäre es mit Frühstück?“
„Danke, ich habe schon gefrühstückt. Du hättest mich ja wenigstens fragen können, ob ich meinen Mitarbeitern schon von der Schwangerschaft erzählt habe. Oder meinst du nicht?“
Nach kurzem Schweigen sagte er: „Bestimmt hast du es ihnen schon gesagt. Du bist ja deswegen einige Zeit nicht zur Arbeit gekommen.“
„Also gut, ich gebe es zu. Aber die Kunden, die warten, wussten es nicht. Und ich finde, es ist meine Sache, wann ich es offiziell verkünde.“
„Stimmt natürlich. Bitte entschuldige.“ Er schwenkte den Muffin vor ihrem Gesicht. Der köstliche Duft stieg in ihre Nase. „Möchtest du wirklich nichts essen? Die Muffins sind ganz frisch. Ich habe selbst gesehen, wie sie in der Bäckerei aus dem Ofen geholt wurden.“
Am liebsten hätte Lauren diesem aufdringlichen Menschen gesagt, was er sie mit seinen Muffins gern haben konnte. Aber sie kam fast um vor Hunger danach! Die Gebäckstücke wirkten ausgesprochen appetitlich: An den Seiten sah man die großen Beeren, und der Zuckerguss auf der Oberseite ließ Lauren das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Sie freute sich auf ihr Baby und liebte es. Aber durch die Hormonumstellung hatte sich einiges bei Lauren verändert. Nicht nur, dass sie Heißhungerattacken bekam, sie hatte auch näher am Wasser gebaut. Und dass Jason und sie mit Blumen und Gebäck die Entstehung des neuen Lebens feierten, wie es eben Eltern tun, rührte sie fast zu Tränen.
Die letzten Monate waren so schwierig gewesen, ohne einen Partner an der Seite. Gar nicht auszudenken, wie hart die folgenden Monate – und Jahre – werden würden.
Sie trat näher, bis sie fast auf Tuchfühlung mit Jason stand, und blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. Jason roch gut, die Blumen auch – und am allerbesten natürlich der Muffin! Fürs Erste würde sie ihn sich auf jeden Fall schmecken lassen.
Jason brach ein Stück ab und hielt es ihr hin. Ohne nachzudenken, öffnete sie den Mund – ähnlich wie damals vor vier Monaten, hier auf diesem Sofa …
Was war nur an diesem Mann, dass sie sich in seiner Nähe so anders verhielt, als sie es sonst von sich kannte? Lauren war nicht impulsiv wie ihre Mutter mit ihren ständigen Stimmungsschwankungen. Lauren hatte ihre Gefühle im Griff. Immer. Bis auf den einen denkwürdigen Fehltritt mit Jason.
Als ihr der Bissen auf der Zunge zu zergehen schien, stieg ihr das süße Fruchtaroma der Blaubeeren in die Nase. Es schmeckte so gut!
Plötzlich spürte sie, wie Jason mit dem Daumen ihre Lippenkonturen nachzog. Sie schnappte nach Luft, als sie so heftige Erregung verspürte, dass ihre Brustspitzen sich unter der braunen Wolle ihres Pullovers aufrichteten.
Ohne nachzudenken stellte sie sich auf die Zehenspitzen, bis ihr Mund fast den seinen berührte …
Da klopfte es an der Tür.
„Was ist?“, fragte Lauren ungeduldig und atemlos. Weder sie noch Jason bewegten sich von der Stelle. In seinen dunklen Augen lag etwas wie Hitze, was Lauren so faszinierte, dass sie nicht wegzusehen vermochte.
Das Klopfen wurde hartnäckiger. Lauren räusperte sich, sagte deutlich: „Ja?“ und trat einen Schritt zurück. Insgeheim wusste sie selbst nicht, was sie damit bejaht hatte. „Was gibt es denn?“
Lächelnd sah Jason sie an. Ihm war deutlich anzumerken, was es gegeben hätte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hier und jetzt.
Mit der Hand auf dem Türknauf sammelte sich Lauren, um sich nichts anmerken zu lassen. Dann öffnete sie die Tür und fragte: „Womit kann ich helfen?“
Vor ihr stand die neue Buchhalterin, eine ältere und sehr flinke Frau, die Lauren eingestellt hatte, damit sie ihr half, die Finanzen zu ordnen. Wie unter einer kalten Dusche fühlte sich Lauren zurück in die Realität geschleudert. Diese Angelegenheit musste sie unbedingt in Ordnung bringen, aber Jason brauchte das nicht zu hören.
Mit gesenkter Stimme sagte sie: „Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.“
Die Angestellte drückte den Ordner an die Brust. Dem entschlossenen Ausdruck ihrer Augen war unmissverständlich zu entnehmen, dass unter ihrer Aufsicht niemand auch nur einen Keks aus der Dose klauen würde. „Gut! Ich schlage vor, dass wir den vorläufigen Finanzierungsplan besprechen und eine Liste der Hauptgläubiger anlegen.“
„Ja. Natürlich.“ Angespannt sah Lauren zu Jason. Sie wünschte dringend, dass er ging. „Jason, wir unterhalten uns später. Heute Abend, nach der Arbeit.“
„Gläubiger?“, fragte er stirnrunzelnd.
„Nichts, was dich interessieren müsste“, antwortete sie ausweichend.
Jason atmete tief ein, was seine Brust noch breiter wirken ließ, und machte so ganz den Eindruck eines Beschützers. „Du bist die Mutter meines Kindes. Was dich betrifft, betrifft auch mich!“
Zu der Angestellten gewandt sagte Lauren: „Also, es bleibt dabei, in fünf Minuten komme ich zu Ihnen.“ Dann schloss sie die Tür, lehnte sich dagegen und sah Jason an.
Mit so viel ehrlicher Anteilnahme an ihren Problemen hatte sie nicht gerechnet. Ihr war so übel mitgespielt worden, dass sie darüber völlig vergessen hatte, wie hilfsbereit Jason war.
Seit sie ihn kannte, hatte er sich immer wieder für andere eingesetzt: für einen Freund, der zu Unrecht entlassen worden war, oder für eine Frau, die von ihrem Exfreund belästigt wurde. Sogar einem Unternehmen hatte er unentgeltlich geholfen, als er erfahren hatte, dass der Eigentümer viel Geld für die medizinische Versorgung seines kranken Kindes aufbringen musste.
Auch wenn Jason Reagert ein Mann war, der so entschlossen handelte, dass Lauren es bisweilen als Drängen empfand, er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Kein Wunder, dass er mit diesen Eigenschaften in der Navy so erfolgreich gewesen war.
Lauren würde ihm gegenüber auf der Hut bleiben, dennoch fand sie, dass er etwas Nachsicht verdient hatte. „Früher oder später wird es sowieso bekannt werden. Also warum soll ich es dir nicht sagen? Mein Buchhalter, der Vorgänger der Angestellten, die gerade hier war, hat sich mit einer halben Million Dollar aus dem Staub gemacht.“
Erschrocken zog Jason die Augenbrauen hoch. „Gütiger Gott. Und wann war das?“
„Als ich von zu Hause aus gearbeitet habe.“ Sie ging zur Couch und setzte sich. Plötzlich fühlte sie sich entsetzlich müde. Warum nicht dem Vater ihres Kindes die ganze Geschichte erzählen?
„Schon in der Zeit vorher erschien Dave mir unzuverlässig. Eigentlich hatte ich vor, ihn zu entlassen. Aber die Schwangerschaft verlief am Anfang nicht so gut, deswegen musste ich für eine Woche ins Krankenhaus.“ Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
„Als ich wiederkam, hatte er bereits gekündigt, und ehrlich gesagt war ich erleichtert. Da er noch zwei Wochen Resturlaub hatte, kam er nicht mehr in die Firma. Inzwischen habe ich die Buchhalterin eingestellt, die ich eigentlich gleich von Anfang an hätte nehmen sollen – aber Dave hat weniger verlangt, und ich wollte möglichst niedrige Personalkosten!“ Schulterzuckend fügte sie hinzu: „Eindeutig an der falschen Stelle gespart.“
Jason setzte sich neben sie. Er wagte nicht, sie zu berühren. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung im Dachgarten bedrängte er sie nicht. „Lauren, das tut mir ja so leid.“
„Danke. Ja, es ist wirklich schlimm.“
„Kein Wunder, dass du heute Morgen ganz durcheinander warst.“ Als er die Ellbogen auf die Knie stützte und dabei locker die Finger verschränkte, glitzerte seine Rolexuhr in der Sonne. „Dass du dir solche Sorgen machen musst, ist nicht gut für dich. Schon gar nicht in der Schwangerschaft! Bitte lass mich dir helfen.“
So viel zum Thema Drängen. „Jetzt hör aber auf! Dass ich zurzeit in Schwierigkeiten stecke, heißt nicht, dass ich nicht klarkomme!“
„Es ist doch nichts dabei, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Jason lehnte sich zurück und legte den Arm auf die Sofalehne. Auch wenn er Lauren nicht berührte, fühlte sie sich wie eingehüllt in seine angenehme Ausstrahlung. „Ehrlich gesagt bin ich genau aus diesem Grund hier. Weil ich nämlich deine Hilfe brauche.“
„So? Und wobei?“ War das Jason, der so viel für andere tat? Oder sprach da der Werbefachmann, der nur zu genau wusste, wie man Gesprächspartner für sich einnahm?
„Ich bin neu bei Maddox Communications. Und leider sind in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten Arbeitsplätze nicht sicher.“ Mit seinen dunkelbraunen Augen blickte er Lauren ernst an. „Was weißt du über Madd Comm?“
„Dass es ein Familienbetrieb ist.“ Zwar hatte sie mit Madd Comm bisher nicht selbst zusammengearbeitet, wusste aber vom Hörensagen, dass dieses Unternehmen etliche finanzkräftige Kunden hatte. „Zwei Brüder sind die Chefs, wenn ich mich nicht irre.“
„Stimmt. Brock und Flynn Maddox sind die Geschäftsführer. Madd Comm würde den Markt an der Westküste beherrschen – wäre da nicht Golden Gate Promotions.“
„Ebenfalls eine Werbeagentur in Familienhand, stimmt’s?“ Entspannt lehnte Lauren sich zurück – alles schien auf das übliche Geplauder über die Branche hinauszulaufen. „Athos Koteas hält die Fäden in der Hand. Was ich so gehört habe, darf man ihn nicht unterschätzen. Ein ziemlich rücksichtsloser Geschäftsmann.“
„Und sehr erfolgreich!“ Von Jasons Arm auf der Lehne schien wohltuende Wärme auszugehen. „Da er ursprünglich aus Griechenland stammt, hat er viele Verbindungen nach Europa, was für seine Firma in diesen schwierigen Zeiten natürlich ein großes Glück ist.“
„Er hat Gerüchte in die Welt gesetzt, dass Madd Comm unzuverlässig sei und Kunden verlieren würde. Brock macht sich ganz schöne Sorgen …“, sagte Jason verärgert.
„Bereust du es, dass du nach Kalifornien gegangen bist?“
„Kein bisschen. Für mich läuft alles wunderbar. Ich habe Madd Comm neue Kunden gebracht. Vor allem einen dicken Fisch habe ich an Land gezogen – vielleicht hast du schon von ihm gehört: Walter Prentice, den stockkonservativen Textilmagnaten.“
Wow! „Meinen Glückwunsch, Jason. Ist ja der Hit! Mr. Prentice ist wirklich ein dicker Fisch, um nicht zu sagen ein Wal.“
„Ein Wal mit dem Motto: ‚Ehre ist alles‘. Der letzten Agentur hat er die Zusammenarbeit aufgekündigt, weil sein Ansprechpartner zum Nacktbaden ging“, erzählte Jason kopfschüttelnd. „Seine Enkelin, die den Vater ihres Kindes nicht hatte heiraten wollen, hat er verstoßen.“
Hoppla, sollte das etwa heißen …? „Du willst mir doch nicht weismachen, du fürchtest um deine Stellung, weil deine Exfreundin schwanger ist?“ Eigentlich war sie ja nie seine Freundin gewesen. „Verschone mich mit diesem Unsinn!“
„Glaub mir, das ist kein Unsinn! Dieser Mr. Prentice möchte mit Madd Comm einen Werbevertrag abschließen, der eine siebenstellige Summe bringt. Damit hat er natürlich das Sagen. Sein Wunsch zählt.“
Unauffällig sah Lauren zu ihrer Tasche mit dem Ring darin. Mit Romantik hatte Jasons Angebot also nichts zu tun, mit Ritterlichkeit auch nicht. Er wollte ganz einfach seinen Job behalten.
In ihrem Herzen verbreitete sich ein Gefühl der Kälte, als sie nüchtern feststellte: „Du bist ziemlich ehrgeizig.“
„Du nicht?“, fragte er und beugte sich näher zu ihr. „Wir beide sind uns ähnlich, denn wir möchten unseren Familien beweisen, dass wir es auch ohne ihre Hilfe schaffen. Also, warum arbeiten wir nicht zusammen? Zum Wohl unseres Kindes …“
„Rede jetzt nicht von meiner Familie!“, rief Lauren aus. Irgendwie tat es weh. Klar hatte sie gewusst, dass sie von Jason nichts zu erwarten hatte. Von Gefühlen zwischen ihnen war nie die Rede gewesen.
Eigentlich war sie ja froh darüber, dass ihr Leben so leidenschaftslos verlief – ganz im Gegensatz zu dem ihrer Mutter.
„Du hast recht“, gab Jason zu. „Es geht jetzt nicht um unsere Eltern. Vielmehr wollen wir dem Baby eine aussichtsreiche Zukunft ermöglichen. Und das geht nur, wenn wir selbst abgesichert sind. Darum will ich, dass du einer Verlobung auf Zeit zustimmst, nur bis ich den Auftrag von Mr. Prentice erledigt habe. Und ich gebe dir das Geld, das du zur Überbrückung brauchst, bis du wieder festen Boden unter den Füßen hast.“
Zu ihrem eigenen Entsetzen schien Lauren das alles irgendwie recht vernünftig. Sie stand auf und ging unruhig im Zimmer hin und her. „Ich will dein Geld nicht. Alles, was ich brauche, ist Zeit.“
„Von mir aus kann ich es dir auch leihen, wenn es dir dann leichter fällt. Eine halbe Million brauchst du, richtig?“
Sie spielte mit dem Schultergurt ihrer Tasche und dachte dabei an den Ring. Dass Jason ihr Geld anbot, machte die ganze Sache schrecklich. „Willst du wissen, was du tun müsstest, damit ich mich besser fühle?“
„Was denn?“, fragte er und trat hinter sie, ohne sie zu berühren. „Was auch immer es ist …“
Lauren wandte sich um und sah ihm ins Gesicht. „Mitsamt deinem ganzen Geld verschwinden.“
„Okay, okay, ich habe verstanden. Anscheinend hast du kein Interesse, deine Firma zu retten.“
Wütend holte Lauren den Ring aus der Tasche. „Stimmt nicht! Aber ich brauche keine Almosen.“
„Von einem Almosen kann gar keine Rede sein. Es ist ein Deal, der beiden Seiten Vorteile bietet.“
Sie drückte die Schatulle gegen seine Brust. „Wieso soll dein wichtiger Kunde überhaupt mitbekommen, dass das Baby von dir ist? Wir brauchen es doch nicht an die große Glocke zu hängen.“
Jason atmete tief ein. „Auf keinen Fall werde ich mein Kind verleugnen, nicht einen einzigen Tag in meinem Leben. Es mag ja stimmen, dass ich ehrgeizig bin, aber alles hat seine Grenzen. Und so weit würde ich nie gehen!“
In der Hand noch immer die Schatulle, fuhr sich Lauren mit dem Handrücken über die Stirn. „Das ist alles ein bisschen viel auf einmal. Ich weiß einfach nicht …“
Aufmunternd legte Jason ihr die Hand auf die Schulter. „Dann lassen wir das jetzt.“ Er begann, ihr den Nacken zu massieren. „Außerdem haben wir Wichtigeres vor: Pläne machen für die Zeit, wenn das Baby da ist. Nach der Arbeit hole ich dich ab.“
Lauren kostete es einige Mühe, sich nicht einlullen zu lassen, denn Jason bot ihr Zärtlichkeiten, Trost – und Hilfe.
Sie war so verspannt, dass ihr beinahe der ganze Körper wehtat. „Könntest du vielleicht aufhören, mit mir im Befehlston zu reden?“
Jason strich ihr von den Schultern über die Arme nach unten, nahm ihr das Ringkästchen aus der Hand und stellte es auf den Schreibtisch. Dann verschränkte er seine Finger mit ihren – die erste wirklich verbindende Geste zwischen ihnen, seit sie vor vier Monaten miteinander geschlafen hatten. „Okay, dann eben so: Möchtest du heute Abend mit mir essen gehen?“
„Um Pläne für das Baby zu machen“, schränkte sie ein.
Jason nickte und hielt dabei weiter ihre Hand – ohne sich zu bewegen oder Lauren zu bedrängen. Es stand einfach nur da.
Was für eine Versuchung! Dabei sollte ich es besser wissen, dachte sie. Aber wir müssen wirklich dringend miteinander reden. Schließlich konnte sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. „Also gut, hol mich um sieben zu Hause ab.“
Als sie ihm nachsah, wie er das Büro verließ, fragte sie sich, ob sie vielleicht eben einen noch größeren Fehler gemacht hatte als nur den, den Ring nicht zurückzugeben …
3. KAPITEL
Mit dem Telefon zwischen Kopf und Schulter geklemmt versuchte Lauren, ihre violetten Stiefel anzuziehen. „Hallo Mom“, sagte sie und ließ sich auf die Bettkante sinken. „Was gibt es denn?“
„Lauren, Schätzchen, ich versuche ständig, dich zu erreichen, aber du gehst an kein Telefon: nicht im Büro, nicht zu Hause und auch nicht ans Handy!“ Lauren spürte förmlich, wie ihre Mutter am anderen Ende der Leitung ruhelos auf und ab ging. Immer, wenn Jacqueline Presley aufgeregt war, hörte man ihren typischen nordostamerikanischen Akzent. „Allmählich glaube ich, du weichst mir aus!“
„Wie kannst du das von mir denken?“ Erst vor wenigen Tagen hatte Lauren mit ihrer Mutter gesprochen. Seitdem waren auf dem Handy siebenunddreißig Anrufe von ihr eingegangen.
Selbst wenn alles normal lief, hatte Lauren Schwierigkeiten, mit den ausgeprägten Stimmungsschwankungen ihrer Mutter umzugehen. Auf Phasen übertriebener Lebhaftigkeit folgten immer wieder Zeiten, in denen sie sich über alles beschwerte.
„Ich weiß ja gar nicht, was du im Augenblick so treibst. In letzter Zeit kriege ich fast nichts mehr von deinem Leben mit.“ Eine Pause entstand. Holte ihre Mutter Luft? Oder sammelte sie ihre Gedanken? „Hast du mit deinem Vater telefoniert?“
Zum Teufel! Lauren kannte diese Frage nur zu gut – eine tickende Zeitbombe, die sofort entschärft werden musste. „Nein Mutter. Ich habe Dad nicht eine Minute mehr gewidmet als dir.“
„Sei doch nicht gleich so schnippisch! Ich weiß gar nicht, warum du immer so angespannt bist. Manchmal erinnerst du mich wirklich sehr an die Schwester deines Vaters. Am Ende war sie viel zu dick und einsam.“
Na toll! Das hatte gerade noch gefehlt: Wenn es um Laurens Figur ging, war ihre Mutter wie besessen.
Schon mit zehn hatte sie ihre Tochter davor gewarnt, füllig wie die von Rubens gemalten Frauen zu werden – von diesem Thema hatten die anderen Kinder in diesem Alter noch gar keine Ahnung gehabt.
„Ich wollte dich nicht kränken, Mom.“ Inzwischen hatte Lauren es geschafft, erst den einen, dann den anderen Stiefel anzuziehen. Sie sah auf die Uhr. Gleich würde Jason klingeln.
Nach der Arbeit war sie ins Schlafzimmer geeilt, um ihre schwarze Stretchhose und den langen Pullover auszuziehen. Als sie ihre Tasche, die sie aus einem Wollpullover genäht hatte, auf das Bett geworfen hatte, war die Schatulle mit dem Ring herausgefallen. „Es ist nur so, dass ich bei der Arbeit gerade viel Stress habe.“
„Du brauchst nicht dein Letztes zu geben, nur um dich vor mir zu beweisen.“ Ein leises Klimpern von Schmuck verriet Lauren, dass Jacqueline Presley mit einer der langen Perlenketten herumspielte, die sie immer trug. „Ich könnte deinen Vater bitten, dass er dir einen Teil deines Erbes schon jetzt auszahlt. Außerdem wäre es besser gewesen, das Geld von Tante Eliza als Sicherheit für die Zukunft zurückzulegen, während du dich mit echter Kunst versuchst.“
Lauren spürte ein Engegefühl in der Brust – eine vertraute Reaktion auf das Verhalten ihrer Mutter.
„Du könntest als Künstlerin genauso erfolgreich sein wie ich damals, Lauren. Du musst dich nur anstrengen.“
Wenn ihre Mutter erst einmal dabei war, alles aufzuzählen, was Lauren ihrer Meinung nach falsch machte, endete es stets auf dieselbe Weise: Jacqueline schlug eine Reihe junger Männer vor, die Lauren einfach lieben musste. Männer wie Jason zum Beispiel.
Lauren ballte die Hand zur Faust. Dass ihr Buchhalter die halbe Million veruntreut hatte, wäre nur Wasser auf die Mühlen ihrer Mutter. Lauren fühlte sich schlecht. „Mom …“
„Nächste Woche komme ich in die Stadt“, fuhr Jacqueline unbeirrt fort. „Dann können wir zusammen essen gehen.“