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Der Band bietet eine aus der akademischen Lehrpraxis heraus völlig neu konzipierte Einführung in die Kirchengeschichte des Mittelalters. Die Darstellung behandelt 1000 Jahre Christentumsgeschichte vom Ausgang der Spätantike bis zum Vorabend der Reformation. Zu den Themenschwerpunkten zählen die Christianisierung Europas, der Grundsatzkonflikt um das Verhältnis von Regnum und Sacerdotium, das Bischofsamt im Wandel, Mönchtum und Ordenswesen, Armutsbewegung und Inquisition sowie die Kreuzzüge; eigene Abschnitte sind den kirchengeschichtlichen Entwicklungen im Spätmittelalter, der mittelalterlichen Theologie und der Frömmigkeitsgeschichte gewidmet. Studierende der katholischen und evangelischen Theologie sowie der Geschichte finden hier das prüfungsrelevante Basiswissen zur mittelalterlichen Kirchengeschichte und kommentierte Literaturhinweise auf neuestem Stand.
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Seitenzahl: 275
THEOLOGIE KOMPAKT
Bernward Schmidt
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© 2017 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, HemsbachEinbandabbildung: Sakramentar Heinrichs II., Autorenbild Gregors d. Gr.,Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 4456, fol. 12r.Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach
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ISBN 978-3-534-26891-7
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Innentitel
Inhaltsverzeichnis
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Impressum
Vorwort
Das Mittelalter und das Mittelalterliche – eine Einführung
I. Das Erbe der Antike
1. Bekenntnis
2. Kaisertum
3. Die kirchliche Hierarchie
4. Mönchtum
5. Die Ausbreitung des Islam
6. Germanen auf römischem Boden
II. Die Christianisierung Europas
1. Der Süden Europas
2. Die britischen Inseln
3. Das fränkische Reich
4. Skandinavien
5. Osteuropa
III. Kaiser, Könige und Päpste
1. Karolingische Grundlagen
2. Von Otto dem Großen zu Heinrich III.
3. Erschütterung der Welt
4. Konsolidierung des Papsttums im 12. und 13. Jahrhundert
5. Machtfülle und Ohnmacht des Papsttums im 14. Jahrhundert
IV. Bischofsamt, Klerus und Seelsorge
1. Struktur der Kirche im Frühmittelalter
2. Streit um die Investitur
3. Bischofsamt und Seelsorge im Hoch- und Spätmittelalter
V. Synoden und Konzilien
1. Synoden im Frankenreich
2. Synoden und Konzilien im Zeichen des Reformpapsttums
3. Höhepunkt und Krise der päpstlichen Konzilien
4. Reformkonzilien und Konziliarismus im 15. Jahrhundert
VI. Mönchtum und Orden
1. Mönchtum zwischen Antike und Mittelalter
2. Reformen des Mönchtums im 10. Jahrhundert
3. Reformorden im 12. Jahrhundert
4. Bettelorden im 13. Jahrhundert
5. Beginen
6. Konflikte und Reformen im Spätmittelalter
VII. Häresie und Inquisition
1. Heterodoxe Armutsbewegung im 12. Jahrhundert
2. Dualistische Strömungen
3. Die Systematisierung der Abwehr
4. Häresie im Spätmittelalter
VIII. Die Kreuzzüge und das Verhältnis der Religionen
1. Kreuzzugsidee(n) und ihr Wandel
2. Die Kreuzzüge ins Heilige Land
3. Die Ritterorden
4. Das Verhältnis der Religionen
IX. Theologie im Mittelalter
1. Theologie im Frühmittelalter
2. Monastische und scholastische Theologie
3. Universitätstheologie im 13. und 14. Jahrhundert
4. Theologie am Ende des Mittelalters
X. Mittelalterliche Frömmigkeit
1. Gott, das Heilige und die Heiligen
2. Heiliger Ort – heilige Zeit – heilige Handlung
3. Divergierende Tendenzen im Spätmittelalter
XI. Die mittelalterliche Reformation – ein Ausblick
1. Frömmigkeit
2. Theologie
3. Reform an Haupt und Gliedern
4. Kirche und Landesherren
5. Ekklesiologie
Literaturverzeichnis
Namensregister
Abbildungsnachweis
Docendo discimus – ein Lehrbuch wie das vorliegende wäre ohne einschlägige Lehrveranstaltungen nicht möglich gewesen. Es beruht ganz wesentlich auf Überblicksvorlesungen, Seminaren und dem anhaltenden Bedürfnis, den Stoff „studierbar“ zu machen – also zu reduzieren und sinnvoll zu gliedern. Dieses Buch möchte daher keine Gesamtdarstellung der mittelalterlichen Kirchengeschichte liefern, es möchte Studierenden und allen Interessierten helfen, sich ein Grundgerüst zu erarbeiten. Daher liegt der geographische Fokus dieses Buches auf Mittel- und Westeuropa. Sein Aufbau orientiert sich nicht an der Chronologie, sondern rückt bewusst Themenfelder der mittelalterlichen Kirchengeschichte ins Zentrum, die ihrerseits dann chronologisch behandelt werden. Auf diese Weise werden inhaltliche Zusammenhänge und Entwicklungslinien sichtbarer als bei einer rein chronologischen Abhandlung. Natürlich hofft der Verfasser, seine Leser mögen durch das Buch angeregt werden, sich weiter mit dem Mittelalter zu beschäftigen.
Docendo discimus – daher gebührt Dank in erster Linie den Studierenden jüngerer und älterer Semester in Aachen, Eichstätt und Münster, die an Lehrveranstaltungen zur mittelalterlichen Kirchengeschichte teilgenommen und durch ihre Fragen, Diskussionsbeiträge und Hausarbeiten manches zur Klärung meiner Gedanken beigetragen haben. Herzlicher Dank gilt meinem Aachener Kollegen Harald Müller, der einen Großteil der Kapitel gelesen hat und manch wertvollen Hinweis gab. Ohne die sorgfältige Arbeit von Sarah Herschbach als Hilfskraft hätte das Buch kaum in dieser Form gedruckt werden können; sie hat auch das Register erstellt. Inniger Dank gilt meiner Frau Almut, die das Manuskript mit Interesse, Sorgfalt und spitzem Bleistift durchgearbeitet hat und sich – wieder einmal – über einen längeren Zeitraum die Aufmerksamkeit ihres Mannes mit sehr fernen Mitmenschen teilen musste.
Bernward Schmidt
Eine historische Epoche „Mittelalter“ zu nennen, scheint auf den ersten Blick nicht allzu einfallsreich – aber mit dem Begriff ist doch mehr über diese Zeit ausgesagt, die wir der Einfachheit halber von ungefähr 500 bis ungefähr 1500 reichen lassen. Denn in einem gewissen Sinn haben mittelalterliche Denker ihre Lebenszeit aber selbst als media aetas (mittleres Zeitalter) verstanden, als die Zeit nämlich zwischen dem Wirken Jesu auf der Erde und seiner Wiederkunft zum Endgericht. Die Ausrichtung auf das persönliche wie auf das universale Endgericht ist ein wesentlicher Aspekt mittelalterlicher Frömmigkeit.
Periodisierung
Dennoch führte nicht ein solches geschichtstheologisches Verständnis zur aktuellen Einteilung der Geschichte in Epochen, sondern eher die Mittelalter-Begriffe von Humanisten und Reformatoren. Als erster grenzte der Hallenser Historiker Christoph Cellarius (1638–1707) eine Geschichte des Mittelalters von Antike und Neuzeit ab. Das Mittelalter reichte bei ihm vom römischen Kaiser Konstantin (reg. 312–337) bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453. Die moderne Geschichtsschreibung zieht Epochengrenzen weniger scharf, geht eher von Übergangsepochen aus und benennt Bündel von Faktoren für einen fundamentalen Wandel.
Ende der Antike – Beginn des Mittelalters
375
Vordringen der Hunnen als Beginn der „Völkerwanderung“
380
Christentum wird Staatsreligion im römischen Reich
476
Ende des weströmischen Kaisertums
498
Taufe des Frankenkönigs Chlodwig
529
Gründung des Klosters Monte Cassino
604
Tod Papst Gregors I. des Großen
622
Hedschra, der Auszug Mohammeds von Mekka nach Medina
Ende des Mittelalters – Beginn der Neuzeit
1453
Eroberung Konstantinopels durch die Türken und Ende des oströmischen Reichs
um 1450
Erfindung des Buchdrucks
1492
Entdeckung Amerikas
1517
Beginn der Reformation
1789
Französische Revolution (Ende der Ständegesellschaft)
1806
Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
Abhängig von der jeweiligen Perspektive können so ganz unterschiedliche Abgrenzungen des Mittelalters vorgenommen werden – bis hin zur verfassungsgeschichtlichen Perspektive, in der das mittelalterliche König- und Kaisertum in Frankreich und Deutschland erst durch die Französische Revolution und ihre Folgen unterging. Ein einzelnes Ereignis reicht jedoch niemals aus, um einen Epochenwechsel zu konstatieren. Aus eher pragmatischen Gründen hat sich jedoch die zeitliche Definition des Mittelalters als Zeitraum von ungefähr 500 bis ungefähr 1500 etabliert. Diese 1000 Jahre werden üblicherweise in Früh-, Hoch- und Spätmittelalter eingeteilt, wobei die Grenzen ebenfalls je nach Fragestellung und Akzentsetzung variieren. Das Frühmittelalter wird insbesondere als Phase des Übergangs von der antiken Reichskirche zu den sich neu bildenden und festigenden Formen im Reich der Karolinger verstanden (bis ins frühe 10. Jahrhundert). Das Hochmittelalter als Zeitraum vom 10. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts als eine Phase stetiger Prozesse von Reform der Kirche, der allmählichen Etablierung und Verfeinerung kirchlicher Strukturen und fundamentaler intellektueller Auseinandersetzungen um das Christentum steht im Zentrum der Darstellung. Als Spätmittelalter gilt hier der Zeitraum von der Mitte des 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert, eine Epoche der Krisenerfahrungen auf den Ebenen der obersten Kirchenleitung, der Frömmigkeit und der akademischen Theologie.
Das fremde Mittelalter
In der Neuzeit bezeichnete „Mittelalter“ häufig etwas Fremdes. Sowohl die humanistischen Philologen des 15./16. Jahrhunderts als auch die Reformatoren sahen das Mittelalter als eine Verfallszeit zwischen dem Höhepunkt von Sprache oder Christentum in der Antike an. „Finster“ wurde das Mittelalter im Licht der Aufklärung und es wurde der pauschale Vorwurf erhoben, Aberglaube und religiöse Vorurteile hätten zu äußerer und innerer Unfreiheit, Fanatismus und der Verfolgung Andersdenkender geführt. Die Romantiker des 19. Jahrhunderts stilisierten die fremde Welt des Mittelalters zu einer Art „goldenem Zeitalter“ und benutzten sie so als eine Gegenwelt zu ihrer eigenen Gegenwart. Eine andere Mittelalter-Glorifizierung findet sich bei Größen des Nationalsozialismus bzw. in von der NS-Ideologie beeinflussten Geschichtsschreibung: Hier meinte man im Mittelalter die Wurzeln des „Deutschen“ in Reinform zu finden. In unserer Gegenwart schließlich scheinen Mittelalterund Fantasy-Bilder oft genug ineinander zu fließen – womit das Mittelalter wahlweise Bilder des Unaufgeklärt-Rückständigen oder des freizeittauglichen Staunens und Gruselns zu liefern hat.
Religiöse Prägung der Welt
Charakteristisch für die Welt des Mittelalters ist ihre konsequente Prägung in allen Bereichen. Der Raum wurde in Einheiten gemessen, die auf den Menschen – Gottes Ebenbild – bezogen waren: Elle, Fuß, Schritt, Tagesreise. Darstellungen der Erde erfüllten keinen kartographischen Zweck, sondern sollten die Ordnung der Schöpfung vor Augen führen. Die eigene Lebenszeit wurde in die Heilsgeschichte eingeordnet und war auf das Gericht am Ende aller Zeit hingeordnet. Schließlich war jeder Mensch in die ständische Gesellschaft eingeordnet, die sich – einer klassischen Formulierung des Adalbero von Laon (um 947–1030) zufolge – in betenden Klerus, schützende Krieger und arbeitende Bauern und Handwerker einteilte (oratores, bellatores und laboratores). Der Klerus trug die Verantwortung für das Heil aller Menschen, die Krieger für ihren Schutz, und beide sollten von den Bauern ernährt werden, die dafür Anspruch auf Schutz und Seelsorge geltend machen konnten. Diese Ordnung war in den Rahmen des christlichen Glaubens gestellt und von Gott so gewollt, ihre Störung führte zu gravierenden Krisen, war gar Beleidigung Gottes. Was für die heutige historische Untersuchung also besonders spannend ist, war für die Menschen des Mittelalters Anlass zu ernster Sorge um das eigene Heil. Doch das Gericht am Ende der menschlichen Zeit gab auch und nicht zuletzt Grund zur Hoffnung, dass Gott für alle Mühsal und Plage eines irdischen Lebens reichlich entschädigen würde.
Überblick
Die Gestalt, die das Christentum in der Spätantike gewonnen hatte, prägte seine mittelalterliche Erscheinungsform entscheidend mit. Denn auch wenn im Westteil des römischen Reiches mit eigenständigen germanischen Reichen etwas gänzlich Neues entstand und dieser Wandel auch an der Kirche nicht spurlos vorüberging, markieren doch Bekenntnis, Institutionen und Strukturen wesentliche Momente von Kontinuität. Bevor in den folgenden Kapiteln die Brüche und Neuanfänge thematisiert werden, die ins Mittelalter hineinführen, sollen zunächst wichtige Aspekte des spätantiken Erbes benannt werden, die der christliche Kirche in der Umbruchphase zwischen dem 4. und dem 8. Jahrhundert ihre Form gaben.
325
Konzil von Nizäa
375
Einfall der Hunnen in das Gebiet des Schwarzen Meeres
380
Etablierung des Christentums als Staatsreligion
395
Teilung des Römischen Reiches
410
Eroberung Roms durch die Westgoten
451
Konzil von Chalcedon
529
Gründung des Klosters auf dem Monte Cassino
632
Tod Mohammeds
711
Eroberung des Westgotenreiches durch die Araber
Nachdem Kaiser Konstantin (312–337) und seine Söhne das Christentum bereits auf unterschiedliche Weise gefördert hatten, wurde es mit dem Edikt Cunctos populos des Kaisers Theodosius (379–394) zur Staatsreligion des römischen Reiches erhoben. Ein guter römischer Staatsbürger war von nun an Christ. Freilich wurde ausschließlich der Strom des Christentums, der das Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (325) akzeptierte, zur Staatsreligion.
Konzil von Nizäa
Demzufolge hat Jesus Christus das selbe Wesen (οὐσία) wie Gott der Vater und er ist vor der Zeit aus Gott geboren bzw. von ihm gezeugt. Damit wandte sich das Konzil gegen Formen des Subordinatianismus, die Jesus Christus als dem Vater untergeordnet ansahen – bis hin zur Behauptung, er sei ein Teil der Schöpfung. Der Konflikt zwischen beiden Richtungen wurde durch das Konzil nicht gelöst, vielmehr differenzierten sich die Positionen. Insbesondere im Westen des römischen Reiches hielten römische Reichsbevölkerung und Kirche aber am nizänischen Bekenntnis als Staatsreligion fest. Demgegenüber waren die Germanen auf römischem Boden tendenziell Anhänger des subordinatianischen Denkens, wobei sich mit dem Bekenntnis auch die Frage nach einer Gruppenidentität verbunden zu haben scheint.
Dem antiken Kaisertum kam stets eine besondere Verantwortung für die Religionsausübung zu, die sich seit Konstantin auf die christliche Kirche übertrug. Doch musste sich im Lauf des 4. Jahrhunderts auch die Position des Kaisers in der Kirche klären. Konstantin hatte sich noch als „Bischof für die äußeren Angelegenheiten“ der Kirche (ἐπίσκοπος τῶν ἐκτóς) verstanden und dies nicht zuletzt darin zum Ausdruck gebracht, dass er die Rahmenbedingungen für die Entscheidung dogmatischer und kirchenorganisatorischer Streitfragen schuf, die dann auf Versammlungen von Bischöfen (Synoden) in Angriff genommen wurden; am Konzil von Nizäa (325) nahm Konstantin sogar aktiv teil. Die Bischöfe wurden durch die religionspolitische Wende des 4. Jahrhunderts zu Personen von öffentlichem Rang und mit zivilrechtlichen Funktionen. Die Etablierung des Christentums als Staatsreligion (380) und das vollständige Verbot heidnischer Kulte (391/92) lagen zwar im Interesse christlicher Bischöfe, ließen nun aber die Frage nach dem Status des Kaisers in der Kirche drängender werden.
Kaiser als Laie
Die Auseinandersetzungen, die Ambrosius, Bischof in der kaiserlichen Residenzstadt Mailand, mit den Kaisern seiner Zeit führte, gewannen vor diesem Hintergrund grundsätzliche Bedeutung. Ambrosius sah den Kaiser innerhalb der Kirche als Laien ohne besondere Vorrechte, der notfalls vom Bischof auch zu einer Kirchenbuße verurteilt werden konnte. Indem Theodosius eine solche Kirchenbuße tatsächlich auf sich nahm, akzeptierte er seine von Ambrosius zugewiesene Rolle als Laie in der Kirche. Zugleich rückte der Bischof in eine Position, in der er nicht nur Seelsorger des Kaisers war, sondern aktiv in die (Religions-)Politik eingriff und ihr Richtlinien vorgab. Aufgabe des Kaisers war es in dieser Sichtweise, seine Macht zur Durchsetzung der christlichen Wahrheit einzusetzen.
Teilung des Römischen Reiches
Nach dem Tod des Theodosius (395) wurde das Römische Reich endgültig in zwei Herrschaftsbereiche geteilt, wobei man ideell an der Einheit des Reiches festhielt. Dies hatte zur Folge, dass der Ostteil des Reiches wirtschaftlich, politisch und militärisch deutlich potenter und gefestigter dastand als der Westen. So entstanden im Osten unter Theodosius II. (408–450) und Justinian (527–565) die für das Mittelalter und die Neuzeit äußerst einflussreichen Kodifikationen des antiken Rechts, insbesondere im Corpus Iuris Civilis. Von der kulturellen Blüte des oströmischen Reichs am Ausgang der Antike zeugen heute noch die Kirchenbauten in Ravenna, das noch im Mittelalter als Exarchat zum oströmischen Reich gehörte.
Stichwort
Exarchat
Ravenna war ab dem 6. Jh. Dienstsitz eines oströmischen Präfekten, der die zivile Verwaltung Italiens leitete und militärische Befehlsgewalt ausübte. Seit der weitgehenden Eroberung Nord- und Mittelitaliens durch die Langobarden war sein Machtbereich weitgehend auf Ravenna beschränkt, als Stellvertreter des Kaisers hatte er dennoch das Recht zur Bestätigung der Papstwahl. Sein Titel patricius (Schutzherr) wurde 751 vom Papst auf den fränkischen König übertragen.
Die spätantike Kirche war in erster Linie Ortskirche mit dem Bischof als Vorsteher und umfasste meist eine civitas, d.h. die kleinste staatliche Verwaltungseinheit. Der Bischof spendete die Taufe, weihte den Klerus und stand der Feier der Eucharistie vor, er führte die Aufsicht über das gesamte Gemeindeleben und über die Lehre und hatte für die Gemeinde zu predigen. In dieser Leitungsfunktion verstanden sich Bischöfe als Nachfolger der Apostel. Seit Konstantin konnten die Bischöfe Stiftungen zugunsten der Kirche und ihrer Fürsorgeeinrichtungen annehmen und beurkunden, außerdem konnten sie in zivilrechtlichen Fragen als Richter fungieren. Ambrosius von Mailand beklagt sich freilich darüber, dass durch diese Privilegierung der Bischöfe auch ihre Arbeitsbelastung enorm gestiegen sei – zu Lasten der eigentlichen geistlichen Aufgaben des Bischofs.
Auf Provinzebene schlossen sich Bischöfe zu einem kollegialen Verband zusammen, wobei dem Bischof der Provinzhauptstadt als Metropoliten zusätzliche Funktionen zukamen: Er hatte Bischofswahlen zu beaufsichtigen und zusammen mit zwei weiteren Bischöfen einen gewählten Kandidaten zu weihen; außerdem stand er Provinzialsynoden vor und entschied Streitfälle in der Provinz. Insofern entwickelte sich der Metropolit mehr und mehr vom Ersten unter Gleichen zu einer den „einfachen“ Bischöfen übergeordneten Instanz. Die nächst höhere Ebene bildeten schließlich die Bischöfe von Alexandria, Antiochia, Rom, Jerusalem und Konstantinopel, teils aufgrund ihrer politischen Bedeutung, teils weil die dortigen Gemeinden als Apostelgründungen galten. Diese fünf Patriarchate bildeten in der Spätantike die höchste Ebene der kirchlichen Geographie, wobei ausschließlich Rom für den Westteil des Reiches zuständig war, während die anderen vier Städte im Osten lagen.
Papst
Ansätze, den römischen Bischof als Oberhaupt der gesamten Kirche verstehen zu wollen, gab es schon im 3. Jahrhundert. Sie gründeten sich auf die Tradition des zweifachen apostolischen Ursprungs der römischen Gemeinde durch Petrus und Paulus. Daher nannte man Rom schlicht den „Apostelsitz“ (sedes apostolica) und seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert erließen die römischen Bischöfe Verwaltungsanweisungen (Dekretalen) für die Ortskirchen. Einerseits wurde Rom in Fragen des Rechts und der Verwaltung immer mehr zur obersten Instanz, jedoch wurden dadurch die Bischöfe und Metropoliten nicht entmachtet. Denn in Streitfällen waren stets zuerst die Bischöfe selbst mit ihren Synoden zuständig und erst wenn keine Lösung erreicht werden konnte, die Provinzialsynode und schließlich der Papst; dessen Aufgabe wurde gewissermaßen subsidiär konzipiert. Die Vorrangstellung ließ sich auch auf dem Gebiet der Lehre anwenden, wie der dogmatische Brief Leos I. an das Konzil von Chalcedon (451) zeigt, auch wenn Leo hier zunächst nur die Tradition der Kirche gewahrt wissen wollte. Dass die Konzilsväter ihn mit den Worten „Petrus hat durch Leo gesprochen“ aufnahmen, zeigt mehr als nur die inhaltliche Wertschätzung und Zustimmung. Die östlichen Patriarchate akzeptierten freilich lediglich einen Ehrenvorrang für Rom und in diesem Sinne wurde auch die Gleichrangigkeit der Patriarchate von Rom und Konstantinopel (Neu-Rom) in Chalcedon beschlossen.
Neben dieser Konkurrenz zwischen Rom und Konstantinopel sollte die Verhältnisbestimmung von Papst und weltlichen Herrschern zu einem großen Thema im Mittelalter werden, für die neben Ambrosius von Mailand der römische Papst Gelasius I. (492–496) bedeutsam wurde: durch die „geheiligte Autorität (auctoritas) der Bischöfe“ und die „königliche Amtsgewalt“ (regalis potestas), die einander ergänzen, werde die Welt regiert. Freilich kommt den Bischöfen insofern größere Bedeutung zu, als sie vor Gott auch für die Herrscher Rechenschaft abzulegen haben. Die Rezeption dieser Gedanken sollte im Hochmittelalter zu den Konflikten zwischen Kaisertum und Papsttum beitragen.
Das Ideal der Askese findet sich in der Antike neben verschiedenen philosophischen und religiösen Strömungen auch im Christentum. Die Distanz zum Weltlichen bedeutet dabei keine grundsätzliche Ablehnung des Materiellen, wie sie in dualistischen Systemen zu finden ist, und damit keinen Widerspruch zu Gottes Schöpfung. Vielmehr möchte der Mönch sich von der Welt unabhängig machen, um für das Himmelreich frei zu sein.
Ein christliches Mönchtum hatte sich seit dem 3. Jahrhundert in Ägypten entwickelt, wo Asketen im unbewohnten, aber doch bewohnbaren Land (der „Wüste“) ein Leben in großer Schlichtheit führten. Man unterscheidet dabei die Lebensform der Einsiedler (Anachoreten), die für sich lebten, sich aber in der Regel zu lockeren Verbänden zusammenschlossen, und das gemeinschaftliche Leben (Koinobiten) in einem Klostergebäude. Das ägyptische Vorbild wirkte auch auf andere Regionen, wo sich die Entwicklung eines Mönchtums jedoch eigenständig vollzog. Mönchtum und Gemeinde standen dabei relativ unverbunden nebeneinander, erst das Konzil von Chalcedon (451) sprach den Bischöfen das Recht zur Gründung von Klöstern und vor allem eine Aufsichtsfunktion zu.
Im Westen des Römischen Reiches entwickelten sich bedeutende Mönchslandschaften vor allem in Gallien und Italien. Hier wurde das Mönchtum von einer wohlhabenden Oberschicht unterstützt und manches Landgut in ein Kloster umgewandelt; zugleich betätigten sich Bischöfe als Theoretiker des Mönchtums. Besondere Bedeutung hatte im 5. Jahrhundert das Mönchtum im Umland von Tours (z.B. in Marmoutier, einer Gründung des Hl. Martin) und auf der Klosterinsel Lérins an der Mittelmeerküste nahe des Rhônedeltas. Gerade das Kloster Lérins wurde zunehmend zur Rekrutierungsstätte für die gallischen Bischofsstühle. Dies spiegelt einerseits das hohe Ansehen, das die Mönche dort genossen, andererseits zeigt es eine engere Bindung des Mönchtums an die Ortskirchen an.
Benedikt von Nursia
Zu wesentlichen Vermittlern der antiken Ideale des Mönchtums in die entstehende Welt des Mittelalters wurden Johannes Cassian (um 360–432) und Benedikt (480/90–547). Während Cassian durch seine Beschreibungen des (idealen) ägyptischen und kleinasiatischen Mönchtums ganz wesentlich zur Kenntnis östlicher Mönchtumstheorie im Westen beigetragen hat und in diesem Sinne selbst in Marseille Klöster gründete, führte Benedikts Lebensweg über verschiedene Stationen und Formen klösterlichen Lebens, bis er 529 das Kloster Monte Cassino gründete. Unter Benedikts Namen firmiert eine systematische Regel, die dem Klosterleben Grundstrukturen vorgibt und für das Erlernen des klösterlichen Lebens gedacht gewesen sein dürfte. Wichtig sind das Gehorsamsverhältnis des Mönchs zum Abt, die lebenslange Bindung an ein Kloster, der Vorrang des Gottesdienstes vor anderenTätigkeiten und ein realistisches Gleichgewicht zwischen Askese und den Bedürfnissen des Mönchs. Bis zum 9. Jahrhundert jedoch war das benediktinische Mönchtum nur eine Form von vielen.
Durch das Wirken Mohammeds (gest. 632) entstand auf der arabischen Halbinsel mit dem Islam eine neue monotheistische Religion, die sich unter Mohammeds Nachfolgern, den Kalifen Abu Bakr und Omar, mit militärischen Mitteln rasch ausbreitete. Bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts waren Syrien, Palästina (mit Jerusalem), Ägypten und Persien erobert, bis zum frühen 8. Jahrhundert kamen Nordafrika und weite Teile Spaniens hinzu. Das oströmische Reich wurde dadurch stark reduziert, zugleich schieden die Patriarchate Alexandria, Antiochia und Jerusalem aus der Reichskirche aus. Christen und Juden erhielten als Anhänger einer Buchreligion Duldung und einen Sonderstatus mit Teilautonomie und ohne dogmatischen Vorgaben durch die Herrschenden; einen Zwang zur Konversion gab es nicht, doch die Verpflichtung, keine Missionsversuche zu unternehmen. Zudem waren Christen und Juden rechtlich benachteiligt und mussten eine eigene Abgabe an die Herrscher leisten. Auf dieser Basis scheint jedoch sehr weitgehend ein friedliches Zusammenleben möglich gewesen zu sein; größere Unzufriedenheit mit der muslimischen Herrschaft scheint es nicht gegeben zu haben.
Da das weströmische Reich im 5. Jahrhundert politisch, wirtschaftlich und militärisch geschwächt war, vollzog sich hier eine wesentliche Entwicklung für den Übergang von der Antike zum Mittelalter: die Etablierung germanischer Reiche auf römischem Boden. Der Begriff „Völkerwanderung“ führt hier in die Irre, denn die Migrationsbewegung erfasste weder komplette Bevölkerungen noch kann von in sich abgeschlossenen Völkern oder Stämmen die Rede sein. „Völker“ bildeten sich erst allmählich heraus, indem Gruppen sich zusammenschlossen und integrierten oder aber auch abspalteten. Als beispielsweise die Ostgoten auf dem Boden des Römischen Reiches angekommen waren, verließ ein Großteil der Wandernden seine Anführer und baute sich eine neue Existenz auf. „Germanen“ ist also eine schon von den Römern etblierte Sammelbezeichnung für eine Vielfalt von Gruppen, deren Ethnogenese am Übergang von Antike und Mittelalter noch im Fluss war.
Der Beginn der Migrationsbewegungen lässt sich mit dem Jahr 375 ansetzen, als die Hunnen aus den asiatischen Steppen in das Gebiet am Schwarzen Meer vordrangen und die dort ansässigen Goten sich entweder unterwerfen oder nach Westen ausweichen mussten. Dies führte zur Spaltung: Während sich die Ostgoten den Hunnen unterwarfen, zogen die Westgoten ins Römische Reich, schlugen die Truppen des Kaisers Valens und eroberten Rom (410) – ein enormer Schock für die römische Welt, der sich etwa in Augustins De civitate Dei spiegelt. Doch wurden die Westgoten in Italien nicht ansässig, sondern zogen zunächst nach Gallien, wo sie um Toulouse ein Herrschaftsgebiet begründeten, und Anfang des 6. Jahrhunderts unter fränkischem Druck nach Spanien. Das westgotische Reich dort bestand bis zur Eroberung durch die Araber 711.
Die Römer konnten mit ihren Verbündeten den Hunnen 451 eine entscheidende Niederlage beibringen, in deren Folge sich auch die Ostgoten von den Hunnen emanzipierten. Nach langen Kämpfen konnten sie unter Theoderich (gest. 526) ein eigenes Reich in Italien etablieren. Durch Heiratspolitik und die Übernahme der bestehenden Verwaltungseliten bemühte sich Theoderich um Integration, doch ging sein Reich nach seinem Tod unter, als das oströmische Reich unter Justinian nach Italien expandierte.
Franken
Entscheidend für die Entwicklung des europäischen Kontinents von der Antike zum Mittelalter wurden jedoch die Franken, die – aus dem Gebiet östlich des Rheins kommend – keine langen Wanderungen absolvierten, sondern im 5. und 6. Jahrhundert am Rhein und in Gallien durch kriegerische Aktionen ein größeres Reich aufbauen konnten. So integrierten sie die Reiche der Burgunden und Alamannen, aber auch das Reich des Syagrius, ein letztes Überbleibsel des weströmischen Reiches in Gallien.
Auch in Britannien kam es zu Wanderungsbewegungen, als die germanischen Sachsen, Angeln und Jüten auf der Insel sesshaft wurden und die ansässige keltische Bevölkerung in den Südwesten, nach Wales und Schottland verdrängte.
Abb. 1 Europa im frühen 6. Jahrhundert
Religion der Germanen
Hinsichtlich der Religiosität der germanischen Stämme verfügen wir über wenig sicheres Wissen. Schriftliche Aufzeichnungen bietet vor allem der römische Geschichtsschreiber Tacitus, der freilich germanische Religiosität derart mit „römischer Brille“ sieht, dass ihr Eigencharakter kaum mehr erkennbar ist. Wesentlicher aber als die Funktionszuschreibungen für einzelne Gottheiten dürfte für unseren Kontext aber die Tatsache sein, dass bei den Germanen religiöse und politische Sphäre miteinander eng verflochten waren und einander durchdrangen; dies zeigt sich insbesondere an der räumlichen Nähe von Orten des Kultes und der Herrschaftsausübung. Im Kontext der christlichen Mission sollte dieser Faktor bedeutsam werden. Da aber die Franken und die nach England ziehenden Stämme Heiden waren, brachte ihre Herrschaftsübernahme einen teils drastischen Rückgang des Christentums bis hin zu Repaganisierungen mit sich.
Auf einen Blick
Das mittelalterliche Christentum fußt auf spätantiken Voraussetzungen, doch müssen sich die neuen Formen erst noch herausbilden. Ein wesentlicher Faktor ist dabei das Wegbrechen der römischen Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen und die Etablierung germanischer Reiche auf römischem Boden. Wo das Christentum nicht wie in Britannien und im Frankenreich zurückgedrängt wurde, änderte sich seine Lebenswelt entscheidend. Das Christentum bewahrte aber Amtsstrukturen, Institutionen und das Mönchtum, das ebenso wie der römische Bischofssitz zu einem entscheidenden Träger der Wissenskultur über die Epoche des Wandels hinweg wurde. Auf diese Weise wurden auch Ideen und Ideale von Kaisertum und Herrschaft sowie vom Verhältnis zwischen kirchlicher und weltlicher Gewalt transportiert, die ihre Wirkmacht im Lauf des Mittelalters entfalten sollten.
Ausbüttel, Frank M.: Die Germanen, Darmstadt 2010.
Frank, Karl Suso: Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn 21998. Handbuch mit knapper Information zu allen Bereichen der Kirchengeschichte der Antike (bis ins 7. Jahrhundert).
Martin, Jochen: Spätantike und Völkerwanderung (OGG 4), München 42001. Studienbuch mit Überblick über die historische Epoche und Grundlinien der Forschung.
Pfeilschifter, René: Die Spätantike. Der eine Gott und die vielen Herrscher, München 2014. Übersichtliche und umfassende Darstellung der Spätantike im Römischen Reich.
Rosen, Klaus: Die Völkerwanderung, München 42009. Knappe Darstellung aus der Reihe C.H.Beck Wissen.
Überblick
Am Beginn des Mittelalters war Europa kein „christlicher“ Kontinent. Vielmehr hatten die Wanderungen der Germanen zu einem Rückgang des Christentums bis hin zu teilweisen Repaganisierungen geführt. Ausgehend vom Mittelmeerraum, wo das Christentum einigermaßen stabil blieb, konnte es sich nach Norden und Osten ausbreiten. Dies war nur möglich, wenn die Herrscher der entsprechenden Gebiete selbst Christen wurden und in der Folge die Mission förderten. Ein solcher Religionswechsel eines Herrschers setzte freilich dessen Akzeptanz bei den eigenen Untertanen und „außenpolitische“ Überlegungen voraus: eine gemeinsame Religion kann auch politische Nähe bedeuten. Insofern setzt sich die am Ende des vorangegangenen Kapitels angedeutete enge Verbindung von Religion und Herrschaft am Beginn des Mittelalters fort. Mit der Ausdehnung der politischen Einflusssphären der westlichen Herrscher im Hochmittelalter konnte die christliche Mission zunehmend auch nach Osten und Norden weiter getrieben werden.
312
Schlacht an der Milvischen Brücke
um 340
Bischofsweihe Wulfilas für das Gebiet der Goten
455
Plünderung Roms durch die Wandalen
498
Taufe Chlodwigs
587
Konversion des westgotischen Königs Rekkared
667
Versammlung von Whitby (England)
ab 722
Bonifatius im Frankenreich
782
Scharfe Sachsengesetzgebung Karls d. Gr. (787 gemildert)
965
Taufe des Dänenkönigs Harald Blauzahn
992
Sicherung der polnischen Gebiete durch Übereignung an den Papst
1103
Unabhängigkeit der dänischen Kirche
1147
Kreuzzug gegen die slavischen Wenden
1168
Zerstörung des Svantovit-Tempels auf Rügen durch die Dänen
1231
Beginn der Zwangschristianisierungen durch den Deutschen Orden
Wulfila
Als die Goten im 3. Jahrhundert auf ihren Raubzügen ins Römische Reich auch Christen in ihr Gebiet verschleppten, blieb dies zunächst ohne Auswirkungen. Erst mit der Missionstätigkeit Wulfilas (um 311–383) begann die Christianisierung in größerem Stil. Dieser war Enkel von zu den Goten verschleppten Christen und wurde um 340 von Bischof Eusebius von Nikomedien zum Bischof für das Gebiet der Goten geweiht. Wie Eusebius vertrat Wulfila eine subordinatianische Christologie, die zu dieser Zeit auch von den römischen Kaisern gefördert wurde: Gott Vater wird dem Sohn eindeutig übergeordnet, ohne diesen allerdings als Geschöpf zu bezeichnen. Wulfilas Mission und Kirchenorganisation basierte auf seiner Übersetzung der Bibel ins Gotische, für die er eine eigene Schrift und Schriftsprache geschaffen hatte. Dazu kam eine eigene Liturgie in gotischer Sprache. In der westgotischen Kirche kam dem König die zentrale Stellung zu, der Bischöfe ernannte und Synoden einberief. Bekenntnis, Liturgie und Kirchenorganisation wurden so zu wesentlichen Bestandteilen der westgotischen Identität – auch in Abgrenzung zum Römischen Reich.
Westgoten
Die Westgoten wanderten über Italien und Gallien nach Spanien, wo sie zu Beginn des 6. Jahrhunderts das Toledanische Reich gründeten. Dies bedeutete zunächst die Konkurrenz von nizänischem Bekenntnis der ansässigen Bevölkerung und subordinatianischer Christologie der westgotischen Oberschicht. Durch die Konversion König Rekkareds zum nizänischen Glauben (587), der diejenige des gesamten Reiches folgte, konnte die Reichseinheit gewahrt werden. Die Blütezeit der westgotischen Kirche im 7. Jahrhundert verbindet sich vor allem mit Bischof Isidor von Sevilla als intellektuellem Haupt der Kirche und den in Toledo tagenden Synoden. Die Eroberung Spaniens durch die Araber beendete diese Zeit, doch konnte das Christentum unter muslimischer Herrschaft etwa die Formen der westgotischen Liturgie bewahren.
Ostgoten unter Theoderich
Die Ostgoten beherrschten um 500 unter Theoderich ein großes Territorium aus Italien, Sizilien, Dalmatien, Noricum, Rätien und der Provence, ein „Zwitter“ zwischen römischer Reichsprovinz und eigenständigem Königreich. Theoderich ließ dem nizänischen Bekenntnis der ansässigen romanischen Bevölkerung völlige Freiheit und kooperierte vielfältig mit dem Papsttum. Zugleich jedoch folgten auch die Ostgoten dem auf Wulfila zurückgehenden subordinatianischen Bekenntnis. Zudem legte Theoderich Wert auf die Trennung zwischen den Bevölkerungsgruppen und Bekenntnissen und verbot daher die Heirat zwischen Goten und Romanen. Nach außen war dies ein deutliches Signal zugunsten einer Kooperation der Germanen – und richtete sich gleichzeitig gegen die Franken, die mit ihrem König Chlodwig das nizänische Bekenntnis angenommen hatten.
Nach dem Tod Theoderichs konnte zunächst das oströmische Reich unter Justinian (527–565) die Herrschaft über Italien behaupten, nach dem Tod des Kaisers stießen allerdings die Langobarden nach Nord- und Mittelitalien vor und verdrängten das byzantinische Kaisertum von dort. Die Langobarden („Langbärte“) dürften teils Christen mit gotisch-subordinatianischer Prägung gewesen sein, teils Anhänger des Polytheismus. Trotz grundsätzlicher Toleranz in Religionsangelegenheiten scheint es punktuell zu Verwüstungen von Städten und Bischofssitzen bis hin zu Repressionen gegen die ansässige Bevölkerung mit nizänischem Bekenntnis gekommen zu sein. Eine Annäherung ergab sich zunächst durch die Heirat König Autharis (584–590) mit der baierischen Herzogstochter Theolinde (589), doch erst unter König Pectarit (671–688) wurde die Wende zum nizänischen Bekenntnis endgültig vollzogen. Für die weitere Mission und Intensivierung der Christianisierung spielte die vom irischen Mönch Columban gegründete Abteil Bobbio eine maßgebliche Rolle.
Die Wandalen bildeten in Afrika eine exklusive politisch-militärische Führungsschicht mit subordinatianischem Bekenntnis, während die Verwaltung bei den ansässigen Romanen nizänischen Glaubens blieb. Deren Religionsausübung wurde kaum toleriert, es scheint zeitweise zu Verfolgungen und Zwangskonversionen gekommen zu sein. Die Ablehnung Roms und seiner Kultur zeigt sich insbesondere in der Plünderung Roms 455, in der Papst Leo I. angesichts des Ausfalls der kaiserlichen Autorität erfolgreich zugunsten der Bevölkerung verhandeln konnte. Auch dem Wandalischen Reich setzte die Expansion des oströmischen Reiches unter Justinian ein Ende, im frühen 6. Jahrhundert wurde Nordafrika von den Arabern erobert und ging für das Christentum weitgehend verloren.
Irland war immer an der Peripherie des Römischen Reiches gelegen. Die Quellen lassen zwar Rückschlüsse zu, dass es bereits im 4. Jahrhundert eine gewisse christliche Struktur auf der Insel gegeben haben muss, doch ist erst das Wirken des Nationalheiligen Patrick im 5. Jahrhundert in den Quellen einigermaßen zu fassen. Patrick stammte – eigenen Angaben zufolge – aus einer christlichen Familie in Britannien, sein Großvater war Presbyter, sein Vater Diakon gewesen. Nachdem er mit 15 Jahren nach Irland verschleppt worden war und dort als Viehhirt gearbeitet hatte, gelang ihm die Flucht in die Heimat, wo er sich wohl seiner Berufung zur Mission in Irland klar wurde. Ob Patrick selbst Bischof war, ist unklar, doch wird er in der Hagiographie des 6. Jahrhunderts zum eigentlichen Missionar Irlands.
Besonderheiten der irischen Kirche
In jedem Fall entwickelte die frühmittelalterliche irische Kirche einige Besonderheiten, die durch ihre Missionare auch auf den Kontinent gebracht werden sollten. Aufgrund der kleinteiligen Herrschaftsstruktur Irlands mit rund 150 Kleinkönigtümern, aus denen sich allmählich fünf größere Herrschaftsgebiete herausbildeten, war die irische Kirche nicht um städtische Bischofssitze, sondern um Klöster herum strukturiert und wurde letztlich von deren Äbten geleitet. Das Bischofsamt verlor dagegen an Autorität, so dass letztlich ein dem Abt unterstellter Mönch des jeweiligen Klosters diese Funktion bekleidete. Bedeutung hatten die Klöster sowohl als regionale Wirtschaftszentren, die über eine große Zahl an Arbeitskräften verfügten und so zur Kultivierung des Landes beitrugen, als auch durch ihr Bildungsmonopol und ihre hochwertige Handschriftenproduktion. Zu den Sonderbräuchen der irischen Kirche gehörte ferner ein abweichender Ostertermin, der erst im 8. Jahrhundert zugunsten des andernorts eingehaltenen römischen Termins abgeschafft wurde oder eine eigene Bußpraxis. Buße war für die Iren eine beliebig wiederholbare Leistung, wobei eine der Verfehlung möglichst exakt entsprechende Buße auferlegt wurde. Um diese „Tarifbuße“ zu ermöglichen, wurden in Bußbüchern Vergehen und Strafen aufgelistet und abgewogen.
Quelle
Aus dem Bußbuch des Bischofs Halitgar von Cambrai, um 830
Hermann Josef Schmitz, Die Bussbücher und das kanonische Bussverfahren. Nach handschriftlichen Quellen dargestellt, Düsseldorf 1898, ND Graz 1958, S. 294–400.
1 Wenn ein Kleriker jemanden tötet, soll er zehn Jahre büßen, davon drei bei Wasser und Brot. Ein Laie soll drei Jahre büßen, davon eines bei Wasser und Brot. 29 Wenn ein Kleriker einen Meineid leistet, soll er sieben Jahre büßen, davon drei bei Wasser und Brot; ein Kleriker drei, ein Subdiakon sechs, ein Diakon sieben, ein Priester zehn, ein Bischof zwölf Jahre.
32 Wenn ein Laie Liebeszauber betreibt und niemand zu Schaden kommt, soll er ein halbes Jahr büßen; wenn es ein Kleriker ist, ein Jahr bei Wasser und Brot; ein Diakon drei Jahre, davon eines bei Wasser und Brot; ein Priester fünf Jahre, davon zwei bei Wasser und Brot.