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In diesem zweiten Band der "Kita(r)evolution" werden die konkreten Veränderungsmöglichkeiten in der Praxis beleuchtet. Ausgehend von den Kindern, die der Dreh- und Angelpunkt der Frühpädagogik sind, führt das Buch durch den Kita-Alltag und zeigt Möglichkeiten auf, um festgefahrene Strukturen und selbstverständliche Abläufe zu hinterfragen und zu verändern. Neben Themen wie Eingewöhnung und Übergang in die Schule werden Aspekte wie der Tagesablauf, Kinderschutz und Inklusion auf den Prüfstand gestellt.
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Seitenzahl: 104
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© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlagkonzeption und -gestaltung: Gestaltungssaal,Rohrdorf bei Rosenheim
Satz: Sabine Hanel, Gestaltungssaal
Coverillustrationen: © Jay‘s photo – GettyImages,© paci77 – GettyImages
Illustrationen im Innenteil: © Jay‘s photo – GettyImages,© paci77 – GettyImages, © Agnieszka Karpinska – Shutterstock
E-Book Konvertierung: Newgen publishing
ISBN (Print) 978-3-451-39933-6
ISBN EBook (EPUB) 978-3-451-83351-9
ISBN EBook (PDF) 978-3-451-83346-5
Danke,
dass du Kinder ermutigst, über sichhinauszuwachsen,und neugierig ihren Ideen folgst.Dass du an ihrer Seite bist,wenn sie traurig sind,und mit ihnen lachst, wenn siesich freuen.Dass du andächtig ihren Geschichtenlauschst.und sie mit ihren Gedanken undIdeen ernst nimmst.Dass sie mit dir herumalbern könnenund du ihnen das Gefühl gibst:Hier ist es schön.Dass du sie durch jeden Tag begleitestund ihnen eine große Stütze bist.
Wie lebst dudie Kita(r)evolutionin der Praxis?
Die (R)Evolution in der Praxis
Vorwort
Wie sieht die Kita der Zukunft aus?
Warum es nicht so bleiben kann, wie es ist
Fea Finger
Die Ankommenszeit gestalten
Der Zauber des Anfangs
Lea Wedewardt
Ein Morgen voller Vorfreude
Der Wechsel zwischen den Welten
Anja Cantzler
Der Tagesablauf auf dem Prüfstand
Hebel in Bewegung setzen
Christin Füchtenschneider
Gelebte Kinderschutzkonzepte
Gewalt schadet immer
Simone Gottwald-Blaser
Demokratie von Anfang an
Eine Kita für alle
Sandra Richter
Das letzte Kita-Jahr
Partizipation weiterdenken
Aida S. de Rodriquez
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Vorwort
Die Kita(r)evolution geht in die Fortsetzung. Nachdem die Leitfrage des ersten Bandes lautete „Wie willst du als Fachkraft sein?“, stellen wir in diesem zweiten Band den Kita-Alltag in den Mittelpunkt mit der Frage:
„Wie lebst du die Kita(r)evolution in der Praxis?“
Ausgehend von den Kindern, die der Dreh- und Angelpunkt der Frühpädagogik sind, gehen wir mit dir durch den Kita-Tag und zeigen Möglichkeiten auf, um festgefahrene Strukturen und selbstverständliche Abläufe zu hinterfragen und zu verändern.
Stell dir vor, du läufst an einem Strand entlang. Das Meer bewegt sich kaum. Du nimmst einen Stein in die Hand und wirfst ihn ins Meer.
Du blickst auf das offene Meer und siehst die Kreise, die der Stein auf der Wasseroberfläche hinterlassen hat. Obwohl er so winzig war und die Berührung nur für einen ganz kurzen Moment stattfand, breiten sich die Kreise immer weiter aus. Ganz ruhig und friedvoll und irgendwie doch gewaltig. Obwohl es nicht lange dauert, bis die kleinen Kreise ganz verschwinden, lässt dich das Gefühl nicht los, dass dieser Ort nicht mehr derselbe ist. Etwas hat sich verändert. Die Stimmung ist irgendwie aufgeladen, als würde die Welt etwas erwarten. Ein wenig verwirrt drehst du dich um und bemerkst an dem eben noch leeren Strand viele weitere Menschen. Sie haben dich beobachtet. Und als hätten sie deine Gedanken gehört, suchen sie sich ebenfalls einen Stein aus und werfen ihn ins Wasser. Jeder einzelne Steinwurf hinterlässt Kreise auf dem Wasser. Jeder Steinwurf zieht seine Kreise, jeder macht einen Unterschied. Diese Gedanken sendete uns Laura Henriette Grimm, Autorin im ersten Buch. Die Gestaltung des Covers soll dich an diese Kreise erinnern.
Wir müssen nicht alleine losgehen für die Kita(r)evolution. Wenn jede und jeder die eigene Bildungswelt nur ein kleines bisschen bunter macht, wird sich das große Ganze verändern und wir machen einen Unterschied auf dieser Welt, der nicht ignoriert werden kann.
Mit diesem Buch laden wir dich dazu ein, den Kita-Alltag zu entschleunigen, ihn bewusst wahrzunehmen und kindgerecht zu gestalten. Mit „Einfach machen!“ meinen wir gar nicht, dass es „einfach“ wäre, in diesem Kita-System zu arbeiten. Wir meinen nicht, dass es keine Herausforderung ist, etwas zu verändern. Wir meinen „Einfach machen“ im doppelten Sinne: Dass es Menschen braucht wie dich, die einfach losgehen und etwas anders machen. Und: Die sich im Kita-Alltag auf das Wesentliche konzentrieren und ihn damit einfacher machen.
Wir können nicht darauf warten, dass andere etwas tun, dass andere die Veränderungen einleiten, die die Frühpädagogik so dringend braucht. Deshalb suchen wir Wege, um euch als Expert:innen zu ermutigen, die Richtung vorzugeben. Und zwar indem ihr Zeit für Kinder habt, sie die Partizipationsmöglichkeiten vorfinden, die ihnen zustehen, indem ihr Freude an der Arbeit habt und Kitas die Orte sind, die wir Kindern zum Aufwachsen wünschen.
Also geh raus, wirf Steine und lass sie Kreise ziehen! Geh jeden noch so kleinen Schritt für die Kita(r)evolution! Immer in dem Wissen und mit einem tiefen Vertrauen, dass du den Unterschied machst, auf den es ankommt!
#kitarevolution
Freiburg, Juni 2024
○ Abenteuer
○ Lieder singen
○ Gemeinsam musizieren
○ Auf einen Baum klettern
○ Toben
○ Laut lachen
○ Herumalbern
○ Zur Ruhe kommen
○ Gemütlich essen
○ Frech sein
○ Diskutieren
○ Einander helfen
○ Eine Idee entwickeln
○ Etwas bauen
○ Grenzen aufzeigen
○ Vertrauen
○ So sein dürfen, wie sie sind
Warum es nicht so bleiben kann, wie es ist
von Fea Finger
P uh, gar nicht so leicht, hier einen Einstieg zu finden. Wir stehen vor vielen verschiedenen Herausforderungen und jede Fachkraft hat ihre ganz eigenen Themen. Vielleicht haderst du mit dem Träger, mit der Leitung oder dem Team. Vielleicht bist du ratlos im Umgang mit Eltern oder den Kindern selbst, die sich in ihrem Charakter und Temperament so stark voneinander unterscheiden. Vielleicht nerven dich die Bedingungen, unter denen du arbeiten sollst, weil sie deinem professionellen und pädagogisch begründbaren Anspruch nicht genügen. Manchmal gibt es Überschneidungen zwischen diesen Bereichen und immer wieder werden Stimmen laut, die sagen, die Kinder seien schwieriger geworden und herausfordernder. Auch die Eltern hätten Ansprüche, die nicht zu leisten sind. Manchmal kann es fast lähmend sein, all diese Baustellen zu sehen, die es da im Großen wie im Kleinen gibt.
Manchmal kann es fast lähmend sein, all diese Baustellen zu sehen, die es da im Großen wie im Kleinen gibt.
Schnell geht es von da in eine Spirale: Wenn du bestimmte Rahmenbedingungen hast, kannst du auch nur gewisse Dinge umsetzen. Unter andauerndem Personalmangel wirst du vielleicht genau den Kindern nicht gerecht, die es gerade besonders brauchen. Wenn der Träger bestimmte Anforderungen stellt, wie zum Beispiel alle Plätze zu einem bestimmten Stichtag zu belegen, müssen Kinder eventuell schnell und dicht aufeinanderfolgend eingewöhnt werden. Das normale Alltagsgeschehen einer Kita kommt dann noch obendrauf. Und was ist mit den anderen Kindern in der Zeit? Wenn die Leitung nicht reagiert und nicht sieht, wie es dem Team geht, führt die Spirale abwärts. Dadurch wirst du selbst unglücklich, weil du das alles nicht ändern kannst.
Das sind natürlich nur Beispiele, genau genommen wird dadurch nur ein kleiner Teil von dem, was du jeden Tag leistest, sichtbar. Und doch sieht man schon an diesen wenigen Gedanken, wie es momentan in vielen Kitas zugeht. Wie könnte das besser werden?
Stellen wir uns Kitas als Orte vor, an denen sich Kinder, Fachkräfte und Eltern gerne aufhalten. Orte, an denen alle Zeit miteinander verbringen wollen.
Wenn wir die Kitas sehen, wie sie sind, und uns dann die Orte vorstellen, die wir uns für Kinder wünschen, wird deutlich, wie wichtig der Wohlfühlfaktor ist. Wir stellen uns Kitas als Orte vor, an denen sich Kinder, Fachkräfte und Eltern gerne aufhalten. Orte, an denen alle Zeit miteinander verbringen wollen. Dort ist die Atmosphäre geprägt von Wärme, Liebe und einer grundsätzlich wertschätzenden Haltung. Selbstverständlich gehört auch dazu, Eltern und Kolleg:innen mit ihren Stärken zu sehen und zu verstehen, dass alle das Beste wollen und ihr Bestes geben. Es gibt Tage, an denen gelingt das besser als an anderen. Für uns alle wäre es einfacher, wenn wir uns schlechte Tage eingestehen oder Hilfe holen und dafür nicht verurteilt oder als schlechte Fachkraft gesehen werden. Für Eltern und Kinder gilt das ebenso.
Wenn sich die Haltung etabliert, dass alle voneinander lernen und profitieren können, beginnt ein Zahnrädchen ins nächste zu greifen. Im Alltag bedeutet das, dass sich die unterschiedlichen Professionen ergänzen. Beispielsweise deuten Heilerziehungspfleger:innen manche Verhaltensweisen von Kindern in Essenssituationen, im freien Spiel und im Morgenkreis anders als Erzieher:innen das tun würden. Oder mal angenommen, ein Teammitglied hätte einen logopädischen Hintergrund. Dann könnte dieses Wissen in den Alltag, in Fallbesprechungen und Elterngespräche einfließen. Es ist längst nicht mehr ungewöhnlich, verschiedene Professionen in Teams zu haben, und doch werden Menschen aus anderen Berufen meist daran gemessen, wie gut sie eine Kindergruppe „im Griff“ haben, und weniger daran, was sie zum Beispiel zur Ausstattung der Räumlichkeiten oder den Bedarfen einzelner Kinder zu sagen hätten. Dabei ist es sehr wertvoll, wenn pädagogische Fachkräfte ihr Wissen an „Kita-Neulinge“ weitergeben und diese wiederum ihre Expertise an die Pädagog:innen herantragen.
Da es in diesem Text darum gehen soll, was wir selbst ändern und neu machen können, greife ich hier nicht auf, dass es immer wieder schwierig ist, multiprofessionelle Teams wirklich entstehen zu lassen, weil der Fachkräftekatalog vieles in der Eingruppierung nicht vorsieht oder sehr schlecht bewertet. Fachlich starke Menschen entscheiden sich daher im Zweifel dazu, nicht in Kitas zu arbeiten. Hier gibt es politischen Handlungsbedarf.
Das gilt sowohl in der Kita als auch auf politischer Ebene. Wir als pädagogische Fachkräfte müssen uns die Frage stellen, welche Haltung wir gegenüber Kindern wirklich haben. Wenn wir Kinder als vollwertige Menschen ansehen und ihnen wertschätzend und auf Augenhöhe begegnen wollen, kann das nicht für einzelne Situationen gelten. Das ist eine grundsätzliche Haltung, die sich in allem widerspiegelt. Das betrifft die Gestaltung der Räume, den Tagesablauf, die Eingewöhnungen und den Dialog mit Kindern, genauso den Umgang der Teammitglieder untereinander und das Zusammenwirken von Eltern, Fachkräften und Trägern. Allem liegen dabei Werte zugrunde, auf die man sich einigen und die man leben muss. Dafür braucht es die Auseinandersetzung mit Themen, die auch mal unangenehm sein können, wie die bewusste Auseinandersetzung mit Diskriminierungsformen und Vielfalt. Wir haben Kinder in unseren Kitas, die Diskriminierung erleben. Und ob uns das gefällt oder nicht: Damit sind wir in der Verantwortung, aktiv umzulernen, um die Rechte aller Kinder zu wahren und der Kita als Ort zum Wohlfühlen näher zu kommen.
Wenn wir Kinder als vollwertige Menschen ansehen und ihnen wertschätzend und auf Augenhöhe begegnen wollen, kann das nicht für einzelne Situationen gelten. Das ist eine grundsätzliche Haltung, die sich in allem widerspiegelt.
In Kitas finden wir beispielsweise immer noch viele Momente und Situationen, in denen Kinder überredet werden, doch am Angebot teilzunehmen, obwohl sie das eigentlich nicht wollen. Schließlich wissen die Erwachsenen, dass es dem Kind am Ende sogar Spaß machen wird. Wir finden Kinder, die ausruhen müssen, obwohl sie nicht müde sind, denn die Erwachsenen wissen, dass sie den Schlaf noch brauchen. Es gibt Kinder, die etwas probieren sollen, obwohl sie mehrmals gesagt haben, dass es ihnen nicht schmecken wird. Warum? Weil Erwachsene wissen, dass Kinder noch gar nicht wissen können, ob ihnen etwas schmeckt oder nicht. Adultismus ist allgegenwärtig! Gleichzeitig würden die meisten pädagogischen Fachkräfte von sich sagen, dass ihnen ein wertschätzender Umgang untereinander im Team am Herzen liegt. Ich erachte das für genauso bedeutsam im Umgang mit den Kindern und ihren Familien. Dafür ist es wichtig, den ursprünglichen Gedanken weiter zu denken und sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Eine dialogbereite Haltung auch und besonders gegenüber Kindern ist die Voraussetzung, wenn Kitas zu wirklichen Orten für Kinder werden sollen. Sie ermöglicht es, Partizipation zu leben, und stärkt dadurch die Rechte jeden Kindes.
Adultismus ist allgegenwärtig!
Überprüfe regelmäßig ...
• Erkenne ich das Recht jedes Kindes auf Partizipation an?
• Überprüfe ich die Gründe für mein Handeln?
• Reflektiere ich regelmäßig, ob es noch mehr Möglichkeiten für die Kinder gibt, sich zu beteiligen?
• Welche Werte sind mir wichtig? Wo gibt es Diskrepanzen zwischen dem, was ich will/wir wollen, und dem, was ich tue/wir tun?
• Lasse ich mich auf die Ideen und Vorschläge der Kinder ein?
• Gehe ich mit den Kindern in den Austausch und höre ihnen zu, ohne über ihre Gedanken zu urteilen?
Es gibt Dinge, die nicht verhandelbar sind, weil es Kinderrechte verletzen würde.