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Erst hat Klaudia nur Interesse für ihr eigenes Aussehen. Jetzt sagt sie: "Was, für die dummen Jungen in meiner Klasse soll ich mich noch extra schminken? Kommt nicht in Frage." Was im Übrigen auch nichts daran ändert, dass sich Klaudia immer noch meilenweit von den anderen Mädchen abhebt. Allein schon durch ihre moderne Kleidung. Bald hat sie zudem eine neue Beschäftigung gefunden, eine Teenagerschwärmerei mit allem Drum und Dran. Ihr Idol ist Ben Simon, ein Stern am Schlagerhimmel. Was eigentlich gut anläuft, ändert nichts daran, dass ihr immer klarer wird, wie sehr ihr ihr Freundeskreis in der Schule am Herzen liegt.-
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Seitenzahl: 155
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Marie Louise Fischer
SAGA Egmont
Klaudias großer Schwarm
Klaudias großer Schwarm (Band 2)
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1971 by F. Schneider Verlag, Germany
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711719343
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Am Montag fiel für die siebte Klasse des Real-Gymnasiums Rosenberg die letzte Stunde aus. Und kaum hatte Dr. Haselmann, der Klassenlehrer, diese angenehme Neuigkeit verkündigt, als die Mädchen und Jungen in Windeseile ihre Mappen packten, die Mäntel von den Haken rissen und die Treppe hinunterjagten.
Erst draußen, auf dem Hauptplatz, kam die wilde Jagd zum Stehen. „Das war wirklich die Wolke!“ schrie Axel, und seine klaren braunen Augen blitzten. „Menschenskinder, Glück muß man haben!“
„Stimmt!“ pflichtete Jochen ihm bei; sein kurz geschnittenes feuerrotes Haar leuchtete wie eine Ampel über die Köpfe der anderen hinweg. „Aber was machen wir nun mit dem angebrochenen Vormittag?“
„Das kann ich dir ganz genau sagen“, erklärte Klaudia prompt, „wir beide suchen uns einen stillen Winkel – und büffeln zusammen Mathe.“
Ehrlich entsetzt wich Jochen ein Stück vor ihr zurück. „Nicht schon wieder!“
Klaudia stemmte die freie Hand in die Hüfte und warf ihr langes blondes Haar in den Nacken. „Ja, bildest du dir etwa ein, ich tue das zu meinem Spaßvergnügen?! Wer wollte denn ausreißen, weil er im Zwischenzeugnis einen Fünfer hatte? Du oder ich?“
„Nicht gerade taktvoll von dir, ihn dauernd daran zu erinnern“, tadelte Heide Lommer sie und schielte dabei forschend zu Axel hin, um festzustellen, ob sie mit dieser Bemerkung seine Zustimmung fand.
Klaudia reagierte ganz unbekümmert. „Was soll’s“, sagte sie gelassen, „Takt war nun mal nie meine große Stärke. Dafür habe ich Jochen aber wieder auf Vordermann gebracht. Seit Februar hat er keine einzige Note mehr unter ‚ausreichend’ geschrieben. Und wem verdankt er das? Mir! Ihr anderen habt euch verdammt wenig um ihn gekümmert.“
„Darauf würde ich mir nicht allzuviel einbilden“, gab Heide zurück, „schließlich warst du ja schuld daran, daß er das Schlußlicht machte … du hattest ihn hypnotisiert wie eine Schlange!“
„Wenn euch wieder mal nichts Besseres einfällt, als euch zu zanken“, warf Axel ein, „kann ich ja geradeso gut nach Hause gehen!“
„Ha, ha, ha! Schlange!“ Klaudia ließ ihre Hüften kreisen. „Ein sehr schmeichelhafter Vergleich!“
Heide war schon bei Axel und hielt ihn am Ärmel seines Anoraks fest. „Bitte, lauf nicht gleich weg“, flehte sie, „bitte nicht … ich habe euch nämlich was Wichtiges zu sagen!“
„Und warum tust du es dann nicht?“
„Hier … mitten auf der Straße?“
„Na, dann gehen wir doch rüber in die Milchbar“, schlug Klaudia vor, „das heißt … wenn du mich Schlange in deinem kleinen Paradies überhaupt duldest, Heide!“
„Aber ja, natürlich, ich habe ja gar nichts gegen dich“, behauptete Heide. Tatsächlich hatte sie ihr aber nur mit dem Verstand, aber nicht mit dem Herzen verziehen, daß Klaudia ihren Freund Axel mit Beschlag belegt hatte. Und zwar unmittelbar, als sie zu Beginn des vorigen Schuljahrs neu in die Klasse gekommen war.
Klaudia wußte das wohl und zwinkerte vergnügt mit ihren großen blauen Augen. Sie hatte sich inzwischen angewöhnt, in der Schule nur noch mit ganz kleinem Make-up, getuschten Wimpern und einem Hauch von Lippenstift zu erscheinen. Trotzdem stach sie immer noch gewaltig von den anderen Mädchen ab, schon allein durch ihre Kleidung.
Heute zum Beispiel trug sie einen todschicken knallroten Hosenanzug, während alle ihre Klassenkameradinnen brav wie eh und je in Rock und Bluse erschienen waren.
„Außerordentlich gnädig“, sagte sie mit einem tiefen Hofknicks, „darf ich die sehr verehrte Dame dann um die Ehre bitten, uns in die Milch-Bar zu begleiten?“ Sie bot Heide ihren Arm.
Nach einem kurzen, unwillkürlichen Zurückzucken hängte Heide sich ein. „Du hast eine Art, einem auf die Nerven zu gehen!“
Klaudia klimperte mit ihren langen Wimpern. „Hast du dir Schon mal überlegt, daß das vielleicht gar nicht an mir, sondern an deinen Nerven liegt? Du solltest etwas für sie tun!“
Sie wandte sich um und rief über die Schulter zurück: „Ingrid … Ursel! Was ist los mit euch? Trödelt nicht so rum! Ihr kommt doch auch mit!“
Genau das war es, was Heide an ihr haßte, denn eigentlich waren die kleine Ingrid und Ursel mit den dicken Zöpfen ihre Freundinnen; aber auf solche Feinheiten nahm Klaudia überhaupt keine Rücksicht.
„Das brauchst du doch nicht ausdrücklich zu sagen“, behauptete Heide, „das ist doch selbstverständlich.“
„Tut mir leid“, sagte Ursel, „aber ich hab kein Geld für Eis.“
„Dann lade ich dich eben ein“, erklärte Klaudia großzügig, „ich hab mir was mit Rasenmähen verdient.“
„So weit kommt das noch!“ protestierte Heide. „Wenn jeman Ursel einlädt, dann bin ich es!“
„Bitte, von mir aus“, sagte Klaudia unbeeindruckt, „ich kann mein gutes Geld auch anderweitig loskriegen.“
„Für Lippenstift und Wimperntusche!“ platzte Heide unbeherrscht heraus.
Klaudia lächelte kühl. „Genau! Und da wir gerade beim Thema sind … ein bißchen Farbe im Gesicht und eine anständige Friseur könnte dir auch nicht schaden.“
Mit einem Ruck zog Heide ihren Arm zurück. „Du bist unverschämt!“
„Wirklich? Und wer hat angefangen?“
„Du, Heide!“ entschied Jochen. Er sah sich um: „Ihr habt doch alle mitgekriegt, wie Heide gestänkert hat?“
„Weiber!“ schimpfte Axel. „Es ist kaum noch auszuhalten!“
„Es tut mir leid!“ rief Heide sofort. „Wirklich, ich habe es nicht so gemeint, Axel …“
„Entschuldige dich nicht bei mir, sondern bei Klaudia!“
Das war eine Forderung, die zu erfüllen Heide hart ankam. „Du, ich habe es wirklich nicht so gemeint, Klaudia“, sagte sie mit Überwindung, „und überhaupt, wir haben doch nur Spaß gemacht, alle beide! Oder etwa nicht?“
„Sicher“, stimmte Klaudia friedfertig zu, „du hast deinem Humor wieder mal die Zügel schießen lassen.“
Sie stieß die Türe zur Milchbar auf, und die anderen folgten ihr in den kleinen, gelb, rot und weiß dekorierten Raum. An einem Ecktisch vor der Schaufensterscheibe saßen schon der semmelblonde Fritz und der dicke Rainer aus ihrer Klasse, und jeder löffelte an einer Portion Eis mit Schlagsahne.
„Nicht an die Bar“, sagte Heide, „setzen wir uns lieber zu den anderen, da können wir besser reden.“
Sie schoben zwei Tische zusammen, gaben ihre Bestellung auf, holten Eis, Milch-Shakes oder Joghurt mit Früchten, die die hochblonde Serviererin ihnen bereitete, von der Bar ab und ließen sich im Kreis nieder.
Jochen stieß Klaudia in die Seite. „Warum nimmst du denn keine Schlagsahne?“
„Dumme Frage“, antwortete Klaudia von oben herab, „ich muß an meine Linie denken.“
„Linie?“ fragte Axel mit vollem Mund. Wo hast du denn die versteckt?“
Alle lachten, und Klaudia lachte mit.
„Was ihr schon davon versteht“, sagte sie wegwerfend, „Heide, los, was ist mit dir? Du wolltest uns doch was erzählen!“
Heide war dankbar für das Stichwort und gleichzeitig leicht verärgert, weil ausgerechnet Klaudia es ihr gab. „Also, alle mal herhören!“ rief sie und klopfte mit dem Löffel gegen ihren Eisbecher. „Ihr wißt doch, daß ich vor drei Wochen Geburtstag hatte …“
„Hat sich herumgesprochen“, warf Rainer ein.
Heide warf ihm einen strafenden Blick zu. „Aber damals war ich krank, und deshalb hat mir meine Mutter jetzt erlaubt, daß ich die Feier nachhole …“
„Na, wenn das eine Sensation sein soll“, stänkerte Fritz.
„Ich darf eine richtige Party veranstalten, mit Jungen und Mädchen … so eine, wie Klaudia sie im vorigen Jahr geplant hatte!“
„Bei der ihr nicht mitmachen wolltet“, ergänzte Klaudia, „na schön, dann war meine Idee wenigstens doch noch zu etwas gut.“
„Deine Idee?“ wiederholte Heide „Das hat doch in der Luft gelegen! Schließlich sind wir jetzt alle keine kleinen Kinder mehr, nicht wahr?“
„Und was soll da los sein“, fragte Axel, „auf deiner Party?“
„Na, erst einmal werden wir ganz allein sein. Ohne elterliche Aufsicht.“
„Wie willst du deine Mutter loswerden?“ fragte Jochen.
„Wir dürfen in der Garage feiern. Mein Vater wird sein Auto zwei Tage lang im Freien parken, so daß wir Zeit genug haben, alles herzurichten.“
„Schnafte!“ rief Klaudia, die sich immer mehr für das Vorhaben erwärmte. „Dazu brauchen wir einen Plattenspieler oder besser noch ein Tonband!“
„Jetzt sag bloß nicht, daß wir tanzen sollen!“ protestierte Axel.
„Und warum nicht?“ fragte Heide.
„Weil wir es nicht können!“
„Quatsch!“ rief Klaudia. „Wir hüpfen bloß so herum, wie es uns einfällt. Viel mehr machen die Großen ja auch nicht. Und niemand sieht uns zu, also können wir uns auch gar nicht blamieren.“
„Ohne mich“, beharrte Axel.
Klaudia legte Jochen die Hand auf den Arm und schenkte ihm ihr süßestes Lächeln. „Aber du tanzt doch mit uns, Jochen, nicht wahr?“
„Eigentlich …“
Klaudia ließ ihn nicht aussprechen, sondern kniff ihn kräftig. „ … möchtest du nur mit mir tanzen“, ergänzte sie zukkersüß, „aber auf einer richtigen Party sollte der wohlerzogene junge Mann sich nicht nur um seine Freundin kümmern!“
Jochen rieb sich den Arm. „Das sieht dir wieder mal ähnlich!“
Klaudia funkelte ihn an. „Können wir nun mit dir rechnen … ja oder nein?“
„Ja!“
„Na also.“ Sie lehnte sich befriedigt zurück.
Aber Heide kam es darauf an, Axel bei guter Laune zu halten. „Wir müssen ja nicht unbedingt tanzen“, räumte sie ein, „trotzdem ist Musik immer gut, auch wenn wir bloß zuhören …“
„Das ist langweilig“, behauptete Ursel, „wenn schon, denn schon.“
Klaudia wollte ihr zustimmen, sie hatte schon den Mund geöffnet, als ihr klar wurde, daß eine Party mit Jungen auf alle Fälle einen ganz neuen Reiz haben würde. „Wir brauchen ja nicht bloß so rumzusitzen“, sagte sie, „wir könnten was spielen … Blindekuh … die Reise nach Jerusalem … Pfänderspiele!“
„Ja!“ rief Heide begeistert. „So was Ähnliches hatte ich mir auch vorgestellt! Und natürlich machen wir eine große Verlosung … wir werden jede Menge Spaß dabei kriegen, verlaßt euch drauf!“
Mit einem Mal waren alle begeistert, redeten durcheinander, machten Pläne und Vorschläge, freuten und stritten sich, und am lebhaftesten von allen war Klaudia.
„Du, sag mal, Heide“, fragte sie plötzlich, „wann soll deine Super-Party denn nun überhaupt stattfinden?“
„Nächsten Samstag.“
Von einer Sekunde zur anderen erlosch die Begeisterung auf Klaudias Gesicht. „Da kann ich nicht“, erklärte sie, „ausgeschlossen. Tut mir leid.“
Heide freute sich – aber nur den Bruchteil einer Sekunde, dann begriff sie, daß eine Party ohne Klaudia der halbe Spaß sein würde. „Doch nicht wirklich“, sagte sie, „mußt du etwa übers Wochenende weg?“
Klaudia war nahe daran zuzustimmen und so die aufkommende Debatte im Keim zu ersticken, aber dann schien ihr das wie ein Verrat. „Nein“, sagte sie ehrlich.
„Bist du wo anders eingeladen?“ fragte Jochen. „Sag einfach ab. Heides Party geht vor!“
„Auch nicht“, gab Klaudia zu.
Nun mach’s nicht so geheimnisvoll“, drängte Heide, „du kannst bestimmt, wenn du nur willst. Oder hast du etwa Ausgehverbot? Ich dachte immer, deine Eltern wären nicht so.“
„Sind sie auch nicht.“ Klaudia legte den Finger an die Nase. „Unter einer Bedingung könnte ich vielleicht doch kommen …“
Alle sahen sie an.
„Nein, es geht doch nicht“, widersprach sie sich selber.
„Wovon um Himmels willen redest du?“ rief die kleine Ingrid ungeduldig.
„Ja, lest ihr denn kein Fernsehprogramm? Samstag abend kommt die Schlagerparade … mit Ben Simon!“
Alle starrten Klaudia an.
Dann schrien sie, wie auf Kommando, durcheinander los: „Ja, bist du denn wahnsinnig?!“ – „Dafür willst du auf die Party verzichten!?“ – „Ich finde Ben Simon ja auch ganz fab …, aber trotzdem!“
Klaudia wartete, bis sich die Gemüter einigermaßen beruhigt hatten. „Ihr versteht das nicht“, erklärte sie dann hoheitsvoll, „ihr seid eben noch Kinder.“
Axel sah sie fest an und schüttelte langsam den Kopf. „Soll ich dir mal was sagen? Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank! Uns wegen so einem lausigen Schnulzenheini zu versetzen!“
Klaudia fuhr hoch. „Ben Simon ist kein …“
„Nein, das ist er wirklich nicht“, stimmte Ingrid ihr zu.
„Ich finde ihn auch ganz schnafte“, bestätigte Ursel, „und wenn ich zu Hause wäre, würde ich mir die Sendung bestimmt ansehn … aber dafür auf die Party zu verzichten!? Nee, kommt nicht in Frage.“
„Sei nicht albern, Klaudia“, sagte Axel, „laß die Schlagerparade. Wenn du mitmachst, verspreche ich dir sogar …“ Er legte eine kleine Pause ein. „Ja, ich versprech dir, daß ich mit dir tanzen werde.“
„Sehr lieb.“ Klaudia lächelte ihm zu. „Ich weiß dieses Opfer zu schätzen, Axel, aber … es geht nicht!“
Axel schlug mit der Faust auf den Tisch, daß Gläser und Teller klirrend zu tanzen begannen. „Und warum nicht, zum Kuckuck?“
„Na, das ist doch klar! Weil Ben Simon ihr eben besser gefällt als wir!“ erklärte Jochen. „Stimmt’s oder hab’ ich recht?“
Klaudia spürte, daß er einen Widerspruch von ihr erwartete. Statt dessen sagte sie kühl: „Du hast es erfaßt!“
„Ausgerechnet dieser lackierte Affe?“ schrie Axel.
„Reg dich nicht auf“, sagte Heide, „sie schwärmt eben für ihn!“
„Ich!? Nee, bestimmt nicht“, widersprach Klaudia, „eher du!“
„Daß ich nicht lache!“
„Dann zeig doch mal, was du dir da mit Tinte auf den Arm gemalt hast!“
Heide wurde puterrot und schlug die Arme in Abwehr fest übereinander.
„Du willst nicht? Auch gut! Ich kann es genau so gut beschreiben …
„Das ist eine Gemeinheit!“ Heide stiegen Tränen in die Augen.
„Aber du darfst von mir behaupten, daß ich für Ben Simon schwärme, ja? Du darfst dir alles erlauben! Aber wenn ich dir mit gleicher Münze heimzahlen will …“
„Was hat sie sich denn nun wirklich auf den Arm gemalt?“ wollte Jochen wissen.
Ursel kicherte. „Ein großes Herz …“
„Sei still!“ schrie Heide. „Sonst spreche ich nie mehr ein Wort mit dir!“
„Und drinnen steht: ‚I love Ben Simon!“’ fuhr Ursel unbarmherzig fort.
„Wenn das wirklich wahr ist“, sagte Axel langsam, „dann bist du mindestens so verruckt wie Klaudia!“
Heide sprang auf. „Nein, bin ich nicht. Für mich ist es nur ein Spaß … ja, nichts weiter, das kann ich auch beweisen, denn sonst hätte ich meine Party doch nicht gerade auf den Samstag gelegt!“
„Vielleicht hast du jetzt erst erfahren, daß dein Ben da im Fernsehen auftritt?“ rief Rainer dazwischen.
Heide ging gar nicht darauf ein, „Ich gebe ja zu, daß ich ihn süß finde“, sagte sie, „was ist schon dabei?“ Sie wandte sich an die Jungen. „Er ist wirklich ein süßer Boy, das muß ich euch schon sagen, auch wenn ihr platzt. Aber schwärmen für den … nee, das kommt bei mir nicht in die Tüte. Ich bin nicht so verrückt wie Klaudia.“
„Mir scheint, ihr habt alle beide ’ne Meise“, sagte Axel, „möchte bloß mal wissen, was ihr an dem albernen Fatzken süß findet.“
„Er ist überhaupt nicht süß“, sagte Klaudia, „einen süßen Jungen würde ich nicht einmal angucken. Er ist ein ganz ernst zu nehmender Mensch, eine tragische Erscheinung …“
„Was?“ rief Heide, nun ehrlich verblüfft.
„Er ist von tragischer Einsamkeit umwittert“, beharrte Klaudia, „er hat sein Ziel erreicht, er ist berühmt geworden, aber das hat ihn nicht glücklich gemacht.“
„Wo hast du denn das gelesen?“ wollte Ingrid wissen. „Überhaupt nicht. Das spüre ich, wenn ich ihn nur ansehe. Er ist ein einsamer und unglücklicher Mensch. Und deshalb liebe ich ihn.“
Sie nutzte die Verblüffung der anderen und wandte sich zur Türe. „Tschau“, sagte sie mit umflorter Stimme, „bis morgen dann. Wenn du Lust zu lernen hast, Jochen … du weißt ja, wo du mich finden kannst.“
Und draußen war sie, ehe ihre Klassenkameraden noch recht begriffen, was sie gerade vernommen hatten.
Das wurde eine schlimme Woche für Klaudia. Durch ihr Bekenntnis zu Ben Simon hatte sie sich von ihren Freunden und Freundinnen isoliert. Man sprach jetzt in jeder Pause über die bevorstehende Party bei Heide, und Klaudia wurde das Herz schwer, weil sie sich selber ausgeschlossen hatte.
Wenn sie trotzdem einmal einen Rat gab oder einen Vorschlag machte, bekam sie zu hören: „Halt du dich raus. Du kommst ja doch nicht. Also was geht’s dich an?“
Aber auch wenn Klaudia ihre Absage hätte rückgängig machen können, sie hätte es nicht getan, denn Ben Simon ging ihr über alles. Sie fühlte sich sogar innerlich erhoben, weil sie ihm dieses Opfer bringen konnte. Gerne hätte sie mehr, viel mehr für ihn getan.
Ben Simon galten ihre letzten Gedanken, wenn sie abends schlafen ging, und Ben Simon fiel ihr ein, wenn sie morgens aufwachte. Sie mußte sich Sehr zusammennehmen, um wenigstens im Schulunterricht nicht dauernd an ihn zu denken. Ben Simon verfolgte sie bis in ihre Träume.
Am Samstagnachmittag saß sie – schon in Erwartung, in wenigen Stunden ihr Idol zu sehen – gemütlich mit ihren Eltern und ihrer zehnjährigen Schwester Sylvie, die noch die Volksschule besuchte, im Garten des Arzthauses bei Kaffee und Kuchen. Da fragte Dr. May: „Klaudia … Sylvie! Wer von euch beiden bringt mir wohl ganz rasch das Fernsehprogramm?“
Die Schwestern sprangen gleichzeitig auf und rannten um die Wette ins Haus – Klaudia hatte die längeren Beine, aber Sylvie war die Sportlichere von beiden. Im gleichen Augenblick griffen beide nach der Programmzeitschrift, die auf dem Fernseher lag – und in schöner Eintracht zogen beide die Hand wieder zurück.
„Wir wollen sie doch nicht zerreißen“, sagte Sylvie.
„Sehr wahr gesprochen“, stimmte Klaudia zu, „knobeln wir lieber.“
„Ach was, wir können die Zeitschrift doch genauso gut gemeinsam Vati bringen … jeder hält einen Zipfel!“
„Ein bißchen albern, Kleine“, sagte Klaudia gönnerhaft, „aber … na ja … ich will keine Spaßverderberin sein!“
Sie probierten ein bißchen herum, dann kamen sie überein, die Zeitschrift auf den flach ausgestreckten Händen in den Garten hinauszutragen, und so knieten sie vor ihren Vater nieder wie zwei diensteifrige kleine Pagen.
„Brav gemacht“, lobte Dr. May.
Er nahm ihnen die Zeitschrift ab und schlug sie auf. „Also, was hätten wir denn da? Sehr gut, ein richtiges Familienprogramm … ‚Don Carlos’ von Schiller, übertragen aus dem Residenztheater München! Was sagst du, Mariechen? Da können die Mädchen doch mitsehn.“
Seine Frau lächelte. „Weil heute Samstag ist.“
Klaudia hatte sich langsam erhoben; sie traute ihren Ohren nicht. „Das kann doch nicht euer Ernst sein“, sagte sie tonlos.
Dr. May blickte von der Zeitschrift auf. „He, was ist los mit dir? Du machst ja ein Gesicht, als wäre dir die Petersilie verhagelt.“
Klaudia holte tief Atem. „Vati, bitte … müssen wir denn ‚Don Carlos’ sehen?“
„Müssen? Nein, davon kann gar keine Rede sein. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du zu Bett gehst.“
„Aber ich will nicht … ich will …“ Klaudia kämpfte darrum, ihre Stimme in der Gewalt zu halten.
„Sie möchte lieber Ben Simon sehen!“ platzte Sylvie heraus.
„Ben Simon? Wer ist denn das?“