Klima-Kommunismus - Miltiadis Oulios - E-Book

Klima-Kommunismus E-Book

Miltiadis Oulios

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Beschreibung

Die Klimakrise verhilft der Idee des Kommunismus zu einem unverhofften Comeback. Es ist ein Kommunismus ohne Schlangestehen und ohne Stalin. Einer allerdings, bei dem wir die Atmosphäre unseres Planeten als unser letztes Gemeingut begreifen und die Idee des Klimakontos zu Ende denken. Um ihn realisieren zu können, müssen wir eine neue Kultur des Teilens entwickeln. Klima-Kommunist*innen streiten dabei für eine Klimapolitik, die jene Menschen belohnt, die schon klimafreundlich leben und derzeit zu Recht wütend sind über steigende Energiepreise. Der Klima-Kommunismus wird ein liberaler, demokratischer Kommunismus sein. Keiner, der uns jenseits des Luxuskonsums vorschreibt, wie wir zu leben haben. Sondern einer, bei dem wir die Möglichkeit zu einem freien und nachhaltigen Leben gleichermaßen auf alle Mitglieder der Gesellschaft verteilen. Die Wohlhabenden müssen dabei lernen zu teilen. Auf eine ganz neue Art und Weise: Die Reichen müssen lernen, unser gemeinsames CO2-Budget mit den Ärmeren zu teilen. Die Millionäre mit den Obdachlosen, die Besserverdienenden mit den Empfänger*innen von Bürgergeld und den Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Die obere Mittelschicht muss lernen, mit der unteren Mittelschicht zu teilen, und der globale Norden mit dem globalen Süden.

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Für Silas, Eleana und die Kinder dieser Welt.

Danksagung:

Ich danke dem Unrast-Verlag für sein Vertrauen und meiner Frau Kalliopi Gialama für ihre wertvollen Hinweise.

Miltiadis Oulios lebt in Düsseldorf. Er arbeitet als Radio-Reporter für WDR COSMO und Feature-Autor für WDR 5 und berichtet dort regelmäßig über Klima- und Migrationsthemen. Im Suhrkamp Verlag hat er Blackbox Abschiebung. Geschichte, Theorie und Praxis der deutschen Migrationspolitik veröffentlicht. Im Greven Verlag erschien von ihm Köln kosmopolitisch. Wie wir unsere Kultur neu erfinden.

Miltiadis Oulios

Klima-Kommunismus

Gleichheit in Zeiten der Erderwärmung

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Miltiadis Oulios:

Klima-Kommunismus

1. Auflage, März 2024

eBook UNRAST Verlag, April 2024

ISBN 978-3-95405-188-5

© UNRAST Verlag, Münster

www.unrast-verlag.de | [email protected]

Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Marvin Feldmann, Münster

Satz: Andreas Hollender, Köln

Inhalt

Warum Kommunismus?

Eine neue Kultur des Teilens

Klimaschutz muss sich endlich lohnen

Flugreisen für alle

Wo bleibt mein Mobil-Guthaben?

Bitte jede:r nur eine Wurst

(K)ein T-Shirt für eine Party

Hier ist (fast) nichts zu machen

Kleingedrucktes beim Klimaschutz

Von Freiheit, Konsum und Kämpfen in einer segregierten Demokratie

Was es bedeutet den Klimaschutz zu dekolonisieren

Das Paradox der Produktivität und das Erbe der Gewalt

Klimawandel, Konsum und neuer Kommunismus

Anmerkungen

Warum Kommunismus?

Klima-Sünder sind keine Arschlöcher. Die meisten Menschen, die mich kennen, halten mich für einen korrekten Typen. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da habe ich zwei Döner am Tag verputzt und bin zwei Mal im Jahr nach Griechenland geflogen. Ich war jung und brauchte dafür kaum Geld. Ja, ich war eine Klimasau. Heutzutage mache ich so etwas nicht mehr. Ich gehöre zu den Menschen, die sich ein leidlich funktionierendes Klimagewissen antrainiert haben. Sie auch? Dann gehören wir beide zu einer größer werdenden Minderheit. Denn, machen wir uns nichts vor, die Mehrheit tickt anders.

Einer meiner Freunde zum Beispiel fährt seinen Sohn mit dem Auto zum Taekwondo-Training in die Innenstadt. Luftlinie 800 Meter. Mit dem Rad ginge das schneller. Mein Freund ist ein humorvoller und gebildeter Mensch, aber mitnichten bereit, irgendetwas an seinem Verhalten zu ändern. Weniger Autofahren? Oder gar weniger Fleisch essen? Der Zukunft seiner Kinder zuliebe? So einen Vorschlag quittiert er mit lautem Gelächter. Ich habe eine Freundin, die eine echte Partyqueen ist. Eine herzensgute junge Frau, aber Klimaschutz ist mit ihr nicht zu machen. Drei bis vier Mal im Jahr fliegt sie gutgelaunt mit dem Billigflieger ans Mittelmeer. Zum Abfeiern.

Die meisten Menschen sind wie die beiden. Sie kümmern sich nicht ernsthaft darum, wie wir den Klimawandel aufhalten können. Sie kümmern sich nicht darum, wie wir auch in Zukunft auf diesem Planeten unter akzeptablen Bedingungen leben können. Sie kümmern sich um ihre Familie, ihre Freunde, ihre Arbeit, ihre Hobbys – nicht um das 1,5-Grad-Ziel. Sie registrieren die Meldungen über zunehmende Extremwetter und Naturkatastrophen. Ja, sie machen sich durchaus Sorgen, aber das war es dann auch. Freiwillig ihren Lebensstil zu verändern, ist für sie keine Option. Und jetzt sind Sie an der Reihe. In den folgenden Zeilen haben Sie Platz einzutragen, welche klimaschädlichen Verhaltensweisen Sie persönlich bisher nicht grundlegend geändert haben und auch nicht freiwillig ändern werden. Sozusagen als kleinen Reminder für die Zukunft. Seien Sie ehrlich. Los geht’s.

Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung, um was es geht. Was auf dem Spiel steht. Die Schlechte-Laune-News müssen leider schon am Anfang dieses Buches kommen: Nie dagewesene Waldbrände in Sibirien, der Outback Australiens in Flammen, Hitze-Rekorde in Kanada, ein Drittel Pakistans unter Wasser, Dürren in Frankreich, Spanien, Italien, die Ahrtalflut in Deutschland, Extremregen und Überschwemmungen mit Hunderten Toten im Nigerdelta in Westafrika, Hurrikane wie Harvey in den USA, Dürren in Ostafrika und der Sahelzone, nie dagewesene Überschwemmungen nach Unwettern in Libyen, Griechenland und anderen Regionen. Lassen wir lieber das Aufzählen. Viele Naturkatastrophen der vergangenen Jahre, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, haben wir schon längst wieder aus unserem Gedächtnis gelöscht. Ein Blick in die Nachrichten genügt, um die Liste fortzuführen.

Dass dieser Zusammenhang besteht, steht in den meisten Fällen außer Frage. Darauf weist die Wissenschaftlerin Friederike Otto hin, die sich mit ihrem Team darauf spezialisiert hat, den Zusammenhang von Klimawandel und der steigenden Anzahl von Naturkatastrophen anhand großangelegter Datenanalysen zu beweisen. Zwar ist »nicht immer […] der Klimawandel der Schuldige«[1], wenn Wetterereignisse immense Schäden an Mensch und Natur anrichten, in den meisten Fällen aber doch – so das Ergebnis der zahlreichen Attributionsstudien.[2] Und auch dort, wo falsche politische Entscheidungen, kriegerische Konflikte oder mangelnde Vorsorge die Ursache sind – etwa bei den jährlich verheerenderen Waldbränden in Griechenland oder den Hungerkrisen in Regionen Ostafrikas – kann uns dies nicht beruhigen. Denn der Klimawandel verschärft solche Probleme zusätzlich.

Nachdem infolge des heißesten Sommers seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im September 2023 eine Extremregenfront über das Mittelmeer gezogen war, ging die libysche Hafenstadt Derna in den Fluten unter. Auch, weil Staudämme in dem Land, in dem faktisch Bürgerkrieg herrscht, nicht ausreichend gewartet wurden und den Wassermassen nicht Stand hielten. Laut den Vereinten Nationen kamen durch die Überschwemmungen mehr als 10.000 Menschen ums Leben. Libyen ist ein Beispiel dafür, welchen Schaden Extremwetterereignisse, die zum Normalzustand zu werden drohen, in Regionen anrichten, die schon mit vielen anderen Problemen zu kämpfen haben, betont die Hilfsorganisation InternationalRescue Committee:

»Von Klimawandel und Konflikten betroffene Gemeinden werden bei den globalen Klimaschutzbemühungen oft ausgeschlossen. Sie erhalten einen unverhältnismäßig geringen Anteil an Finanzmitteln und die Bereitstellung von Maßnahmen ist abhängig von Regierungen und formellen Institutionen, die in Konfliktgebieten oft nicht vorhanden sind.«[3]

Der Weltklimarat IPCC präsentiert in jedem seiner Berichte nüchtern die zunehmende Wahrscheinlichkeit von Extremwettern und Hurrikanen. Die Erderwärmung, die nach der Industrialisierung im 19. Jahrhundert eingesetzt und seit den 1970er-Jahren rasant zugenommen hat, sei »beispiellos«. So etwas habe es in den vergangenen Jahrtausenden nicht gegeben. »Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat.« Die dafür verantwortliche Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist »eindeutig durch menschliche Aktivitäten verursacht«. Die Konzentration von Kohlendioxid sei so hoch wie seit zwei Millionen Jahren nicht! Sollte sich dieser Prozess fortsetzen, würden Extremhitzewellen, die einmal in zehn Jahren auftreten, alle zwei Jahre vorkommen. Starkregen würden ebenso wie Dürren doppelt so häufig die Menschheit plagen. Vorausgesetzt, die Erderwärmung wird auf zwei Grad begrenzt.[4]

Bei dem derzeit unzureichenden Klimaschutz, sagt der Weltklimarat allerdings eine Erderwärmung um 2,8 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts voraus.[5] Eine Reihe renommierter Klima-Wissenschaftler:innen wirft dem IPCC vor, dass er noch zu sehr die optimistischen Szenarien in den Vordergrund rücke. Aus Angst, sich unbeliebt zu machen und der Panikmache beschuldigt zu werden, stelle er pessimistische Szenarien weniger ins Rampenlicht. Das sei nicht lauter, denn wenn die Emissionen weiter anstiegen wie bisher, steige auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Klimawandel katastrophischen Ausmaßes komme. Mit Massensterben infolge von Wetterextremen, Hungerkatastrophen, Massenflucht und Seuchen sowie einem ›Endgame‹, in dem sich unsere Gesellschaften nicht mehr an die Erderwärmung anpassen können.[6] Es droht mithin das Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir sie bisher kannten, zum Ende des Jahrhunderts.

Welche Gefahren bei drei Grad Erderwärmung bestehen, illustriert der Klimaforscher Stefan Rahmsdorf an einem plastischen Beispiel. Die wärmeren Temperaturen lassen schon heute die arktischen Eisschilde schmelzen. Ab einem bestimmten Kipppunkt würde sich das vollständige Auftauen nicht mehr aufhalten lassen. Die Folge wäre ein rasanter Anstieg des Meeresspiegels. Dies stelle eine konkrete Bedrohung für mehr als 130 Millionenstädte und rund 200 Atomkraftwerke dar, die heute an den Küsten liegen. Noch Fragen? »Ohne sofortige, entschiedene Klimaschutzmaßnahmen könnten bereits meine Kinder, die derzeit das Gymnasium besuchen, eine 3 Grad wärmere Erde erleben«, konstatiert der Wissenschaftler. »Niemand kann genau sagen, wie die Welt aussehen würde – zu weit wäre sie außerhalb der gesamten Erfahrung der Menschheitsgeschichte.«[7]

Es ist illusorisch zu glauben, dass wir ohne politische Regulierung des klimaschädlichen Massenkonsums auch nur den Hauch einer Chance besäßen, in dem immer kleiner werdenden Zeitfenster, das uns bleibt, das Notwendige zu tun, um die Erderwärmung nicht eskalieren zu lassen.

Es ist also höchste Zeit, konkret zu diskutieren, welche Begrenzungen des individuellen Konsums in Industrie- und Hoch-Emissions-Ländern wie Deutschland notwendig sind. Denn es wird nicht ausreichen, bloß mehr Windräder und Solaranlagen aufzustellen. Doch darüber wird in den öffentlichen Debatten noch viel zu wenig gesprochen. Wenn wir ehrlich sind, wird aber mit jedem verpassten Klimaschutzziel immer deutlicher: eine Regulierung ist der Schlüssel zum Erfolg jeglicher Klimaschutzpolitik. Und darum geht es in diesem Buch.

Wir drücken uns gerne um diese Auseinandersetzung, weil sie an den Grundfesten einer liberalen Gesellschaft zu rütteln scheint. Weil man den Leuten doch nicht vorschreiben könne und dürfe, wie sie zu leben haben. Immer mehr Menschen dämmert aber die Erkenntnis: Je länger wir damit warten, desto heftigere Maßnahmen werden am Ende nötig sein.

Besser wäre es, wir beginnen jetzt damit und finden heraus, wie diese Regulierung demokratisch begründet werden und gelingen könnte. Was würde sie für jeden Einzelnen und jede Einzelne in der praktischen Konsequenz bedeuten? Welche Argumente sprechen dafür, welche dagegen und welche möglichen Varianten sind denk- und machbar? Welche politischen Schwierigkeiten müssten dabei bewältigt werden? Und was zum Teufel hat das alles mit Kommunismus zu tun?

Jedem ernst zu nehmenden Vorschlag für die Lösung der Klimakrise wohnt eine kommunistische Erkenntnis inne. Wir wissen, dass wir als Menschheit nur noch eine begrenzte Menge an Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen in die Luft blasen dürfen, wenn wir die Erderwärmung idealerweise auf ein Plus von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen möchten – so wie es die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz 2015 beschlossen hat. Dieses Budget wird bezeichnender Weise auf jede Nation und jedes einzelne Individuum heruntergerechnet. Nur wenn wir wirklich akzeptieren, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, ergibt es Sinn, jedem Menschen dasselbe Recht auf die verbleibenden CO2-Emmissionen zuzugestehen. Selbst wenn wir mittlerweile davon ausgehen, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu schaffen ist, wir aber verhindern möchten, dass die Erderwärmung die 2-Grad-Marke überschreitet, gilt dasselbe. Die Menge an Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen, die wir emittieren dürfen, mag dann größer sein, aber sie bleibt sehr begrenzt.

Ausdruck findet diese Erkenntnis in der Idee des persönlichen Klimakontos, die längst die Fachkreise verlassen hat. Immer mehr Menschen ist sie geläufig. Meist regt sie noch zu belächelten Gedankenexperimenten an, nach dem Motto: ›Wie gut würde ich mit meinem CO2-Budget auskommen?‹[8] Grob gerechnet verbleiben jedem Menschen auf diesem Planeten jedoch nur noch wenige Tonnen CO2, die er oder sie pro Jahr emittieren darf, damit wir wirklich klimaneutral werden und die Erderwärmung stoppen können. Basierend auf den Daten des IPCC dürfen nur noch rund 230 Milliarden Tonnen in die Atmosphäre emittiert werden, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten.[9] Geteilt durch rund acht Milliarden Menschen, ergeben sich 28,75 Tonnen pro Person. Aufgeteilt auf 17 Jahre, wenn wir im Jahr 2040 klimaneutral sein wollten, blieben etwa 1,7, also weniger als zwei Tonnen CO2 pro Jahr. Warten wir bis 2050, blieben nur 1,06 Tonnen pro Jahr. Beim 2-Grad-Szenario, das die oben beschriebenen häufigeren Dürren und Überschwemmungen in Kauf nimmt, würden – die ambitionierte Zielmarke 2040 vorausgesetzt – jeder Person rund sieben Tonnen jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes verbleiben. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Ausstoß in Deutschland liegt derzeit bei rund elf Tonnen pro Person.

Fällt Ihnen etwas auf? Grundlage solcher Berechnungen ist die Annahme, dass jedes menschliche Wesen bei der Zuteilung von Ressourcen gleich zu behandeln ist. Dass jedem und jeder exakt derselbe Anteil zusteht. Was für eine reizende kommunistische Idee? Wo, bitteschön, funktioniert die Welt denn so? Richtig! Im Kapitalismus eher selten bis nirgends. Der Sozialstaat garantiert zwar ein Existenzminimum. Das heißt aber, er garantiert dem Obdachlosen einen Schlafplatz, keine Millionärsvilla. Nicht einmal das Konzept der Menschenrechte sieht dies vor. Jeder Mensch besitzt zwar dieselbe Würde und jedes menschliche Leben exakt denselben Wert und beides ist durch den Klimawandel bedroht. Aber hinsichtlich der Zuteilung von natürlichen Ressourcen existiert diese Form der radikalen Gleichheit auch im Konzept der Menschenrechte nicht. Für den Klimaschutz aber ergibt genau diese und nur diese Herangehensweise Sinn. Daraus ergeben sich jedoch revolutionäre Konsequenzen.

Wenn wir nur noch ein begrenztes Budget in Bezug auf klimaschädliche Gase besitzen, die wir in den kommenden Jahren ausstoßen dürfen, dann ist es nicht nur logisch und fair, dieses Budget auch in der Praxis auf alle Menschen aufzuteilen – zu gleichen Anteilen für jeden Mann und jede Frau, jedes Kind und jede non-binäre Person, jeden Alten und Jungen, jeden Armen und Reichen, jeden aus dem globalen Süden, Norden, Osten und Westen. Es wäre auch am effektivsten, was den Klimaschutz angeht. Und konsequent zu Ende gedacht, würde das bedeuten, dass wir eine andere Gesellschaft erschaffen müssten. Wie könnte es auch anders sein, wenn uns doch die Gesellschaftsform, in der wir heute leben, den Klimawandel eingebrockt hat. Es lohnt sich nicht nur, es ist notwendig, ja nahezu alternativlos, für eine andere Gesellschaft zu kämpfen, wenn wir die Klimakrise überwinden wollen. Das ist es, was wir als kommunistischen Kern der Klimapolitik bezeichnen können.

Wir sollten daher das Kind ruhig beim Namen nennen. Die Klimakrise verhilft der Idee des Kommunismus zu einem unverhofften Comeback. Es ist ein Kommunismus ohne Schlangestehen und ohne Stalin. Einer allerdings, bei dem wir die Atmosphäre unseres Planeten als unser letztes Gemeingut begreifen und die Idee des Klimakontos zu Ende denken. Um sie realisieren zu können, müssen wir eine neue Kultur des Teilens entwickeln. Klima-Kommunistas streiten dabei für eine Klimapolitik, die jene Menschen belohnt, die schon klimafreundlich leben und derzeit zu Recht wütend sind über steigende Energiepreise. Der Klima-Kommunismus wird ein liberaler, demokratischer Kommunismus sein. Keiner, der uns jenseits des Luxuskonsums vorschreibt, wie wir zu leben haben. Sondern einer, bei dem wir die Möglichkeit zu einem freien und nachhaltigen Leben gleichermaßen auf alle Mitglieder der Gesellschaft verteilen.

Viele Akteure, Laien wie Experten, gestehen sich mittlerweile implizit oder explizit ein, dass der Charakter des Kapitalismus wesentliche Ursache des Problems ist und insbesondere seine Wachstumsdynamik eigentlich überwunden werden müsste. Auch wenn die Schlussfolgerungen, wie mit dieser Erkenntnis umzugehen sei, sehr unterschiedlich ausfallen. Die einen glauben, ein klimaneutraler Kapitalismus, der auf einer Kreislaufwirtschaft basiert und den Rohstoff- und Energieverbrauch reduziert, sei inklusive nominellem Wirtschaftswachstum möglich. So wie es die Europäische Kommission im Sinne ihres Green New Deals tut. Andere halten das für Greenwashing und Wunschdenken. Wir müssen uns aber eingestehen, dass wir nicht genau wissen, wie eine funktionierende nicht-kapitalistische Wirtschaft aussehen könnte.

Der Klimawandel legt nahe, die Bedeutung des Terminus Kommunismus zu verschieben und ihn auf den Bereich des Konsums anzuwenden. Klima-Kommunismus ist Konsum-Kommunismus. Anders als in der klassischen Kritik am Kapitalismus, die darauf hinwies, dass der gesellschaftliche Reichtum von allen erschaffen und erwirtschaftet wird, aber zum größten Teil von den Besitzenden der Produktionsmittel illegitim angeeignet werde. Das Ziel war damit eine gerechtere, am Prinzip der Gleichheit orientierte Verteilung der Güter, der Einkommen und damit eine allgemeine Angleichung und Anhebung des Lebensstandards.

Die kommunistische Antwort auf die Frage, wie dies zu erreichen sei, setzte auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, der Fabriken, Betriebe, der landwirtschaftlichen Flächen. Ganz gleich ob sie durch den Staat, durch Räte oder in libertären Kollektiven erreicht werden soll – für die Lösung der Klimakrise ist diese Frage nicht mehr relevant. Denn ein höherer Lebensstandard, also nach bisherigen Maßstäben mehr Warenkonsum, bedeutet eben auch höhere Emissionen. Mal abgesehen davon, dass der Kapitalismus diesen mittlerweile besser hinbekommt, als es die verschiedenen Kommunismen bislang je geschafft haben. Die Frage der Vergesellschaftung bleibt dennoch relevant. Allerdings in Bezug auf die Möglichkeiten, Energie zu verbrauchen, Güter und Dienstleistungen zu konsumieren und damit klimaschädliche Gase auszustoßen, die das Gemeingut, das die Erdatmosphäre darstellt, belasten – mit existenziellen Folgen für alle. Je mehr Zeit wir beim Klimaschutz verlieren, desto energischer müssen wir für eine so verstandene Vergesellschaftung eintreten. Klima-Kommunismus eben.

Wie lässt sich solch ein Klima-Kommunismus im Detail empirisch begründen und – noch schwieriger – praktisch umsetzen? ›System Change, not Climate Change‹ ist der Slogan mit dem viele Klimaschutz-Aktivist:innen längst kokettieren. Er ist auf Fridays for Future-Demonstrationen ebenso präsent wie bei den Blockadeaktionen gegen den Braunkohletagebau von Ende Gelände bis Lützi bleibt. Erstaunlicherweise seltener bei den Klimakleber-Aktionen der Letzten Generation. Mit dem System meinen viele Aktivist:innen den Kapitalismus, der aber häufig auf das Profitinteresse großer Konzerne und deren Schutz durch die Politik reduziert wird. Das andere K-Wort – also Kommunismus – als Alternative wird kaum ausgesprochen. In der Wissenschaft und Politik herrscht hingegen ebenso mehrheitlich Konsens darüber, dass zwar massive Veränderungen unserer bisherigen Energie- und Klimaschutzpolitik notwendig sind, was einer Systemveränderung gleichkäme, eine Ablösung des Kapitalismus ist damit aber explizit nicht gemeint. Sie wird weder befürwortet noch dezidiert erforscht.

Dieser Widerspruch ist wiederum bezeichnend für die politische Ökonomie der Klimakrise. Die Effektivität des herrschenden Wirtschaftssystems drückt sich in der tendenziell unendlichen Ausweitung unserer Konsummöglichkeiten aus, die eben jene Erderwärmung hervorruft, die begrenzt und aufgehalten werden muss. Die gesellschaftlichen Kräfte, die von diesem Wirtschaftssystem am meisten profitieren, sind für den größten Anteil der klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich und besitzen zugleich einen überproportionalen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung.

Hinzu tritt die historische Erfahrung des 20. Jahrhunderts. Der Kapitalismus ist siegreich aus der Systemkonkurrenz mit dem Kommunismus hervorgegangen. Trotz aller Krisen kann er nach wie vor von diesem politischen Kapital zehren. Alternativen zum System sind seitdem aus unterschiedlichen Gründen diskreditiert und gelten als kaum diskutabel. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Kapitalismen, ebenso wie es unterschiedliche Kommunismen gibt. Ich benutze den Begriff des Kommunismus an dieser Stelle bewusst plakativ. Denn es ist nicht einmal notwendig, Marx oder Kropotkin gelesen zu haben, oder dezidiert Kommunist*in zu sein (wie viele Menschen sind das schon heutzutage?), um zu erkennen, dass wir eine gehörige Portion Klima-Kommunismus brauchen, um unser Überleben und das unserer Kinder auf diesem Planeten zu garantieren. Dem Sowjet-Kommunismus kann man eines zugutehalten: Er hat gemerkt, wann es Zeit war, abzutreten. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, befand Michail Gorbatschow. Diese Erkenntnisfähigkeit ist dem Kapitalismus zu wünschen. Denn die Tatsache, dass sich der Kapitalismus als wirtschaftlich leistungsfähiger erwiesen hat, gibt ihm nicht das Recht, die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen.

Eine neue Kultur des Teilens

»Wir müssen uns wieder bewusst werden,

dass niemand besser oder schlechter ist als wir selbst.

Ich glaube, manchmal vergessen wir,

dass wir alle Menschen sind.«

Leo F. Buscaglia

Die Klimakrise stellt uns vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir müssen lernen, miteinander zu teilen, und zwar auf eine ganz neue Art und Weise. Die Reichen müssen lernen, unser gemeinsames CO2-Budget mit den Ärmeren zu teilen. Die Millionäre mit den Obdachlosen, die Besserverdienenden mit den Bürgergeld-Empfänger*innen, die Beamt*innen mit den Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten. Die obere Mittelschicht muss lernen mit der unteren Mittelschicht zu teilen. Der globale Norden mit dem globalen Süden.

Wir, die Europäer*innen, müssen lernen, mit den Menschen in den Staaten Afrikas zu teilen. Schließlich steht die Europäische Union, noch vor den USA und China, auf Platz Eins der Hauptverantwortlichen für die Erderwärmung seit Beginn der Industrialisierung. Und zu Recht betont die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate, dass Afrika lediglich für zwei bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissiionen verantwortlich ist.

»Trotzdem muss Afrika laut der Afrikanischen Entwicklungsbank beinahe die Hälfte der Kosten der Anpassung an die Konsequenzen des Klimawandels schultern. Sieben der zehn Länder, die am anfälligsten für die gravierendsten Auswirkungen der Klimakrise sind, befinden sich in Afrika: der Südsudan, Nigeria, Äthiopien, Eritrea, Tschad, Sierra Leone und die Zentralafrikanische Republik.«[1]

Die Menschen in den globalen Reichtumszonen, gleich ob im Norden, Süden, Osten oder Westen, müssen lernen, mit jenen Menschen zu teilen, die in ärmeren Regionen leben. Die Bewohner:innen des Londoner Reichen-Stadtteils Kensington mit den Menschen in den ärmeren ländlichen Regionen Bulgariens, die aus Berlin-Mitte mit denen aus Duisburg-Marxloh, Beverly Hills mit Nepal, die reichen Qataris mit den Menschen in Gaza. Sie merken schon: Das wird keine leichte Aufgabe.

Wollen wir das Klima und damit uns wirklich retten? Dann sollten wir dafür eine neue Kultur des Teilens entwickeln. Der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, es auszusprechen, dafür zu werben, auch darüber zu streiten und die Entwicklung einer solchen Kultur des Teilens in den Mittelpunkt unserer politischen Auseinandersetzung zu stellen.

Sagt der Paketbote zur Rechtsanwältin: »Hör bitte auf, mein CO2-Budget aufzubrauchen.« »Aber«, setzt die Anwältin an. »Nein, kein Aber«, unterbricht sie der Niedriglohn-Arbeiter höflich aber bestimmt, »lass es einfach sein.« »Das geht nicht«, entgegnet der Manager in einer ähnlichen Unterhaltung mit einer Altenpflegerin. »Es muss aber gehen«, bleibt die Pflegekraft standhaft. »Hast Du mich überhaupt gefragt, ob ich Dir meinen Anteil an unserem gemeinsamen CO2-Budget zur Verfügung stellen möchte? Warum sollte ich das tun? Komm bitte mit Deinem eigenen Anteil aus!« Mag sein, dass es einige Privilegierte gibt, die sich in so einer Situation verständig zeigen würden. Die meisten lassen diese Einsicht noch vermissen. Wir werden sie daher politisch dazu zwingen müssen.

Können wir den Gedanken der radikalen Gleichheit, der einer solchen Kultur des Teilens zugrunde liegt, als notwendige Grundlage effektiven Klimaschutzes akzeptieren? Anders ist die Aufgabe nicht mehr zu meistern. Wenn jeder und jede exakt denselben Anteil an dem verbleibenden CO2-Bugdet der Menschheit nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, im echten Leben, erhalten soll, steht das natürlich im Widerspruch zu einer Weltgesellschaft, die von Ungleichheit geprägt ist, in der es Arme und Reiche gibt, Menschen, die wenig, und solche, die viel konsumieren, die kleine oder große Mengen an Treibhausgasen verursachen. Klima-Kommunismus bedeutet daher, sich dafür einzusetzen, dass dieses radikale Ziel auch erreicht wird. Wir wollen die Möglichkeiten zum CO2-Ausstoß, so schnell es geht, demokratisch und gerecht aufteilen, bis eine klimaneutrale Wirtschaft möglich ist.

Der Imperativ zum Teilen ergibt sich dabei zunächst aus der banalen Tatsache, dass die Erdatmosphäre ein Gemeingut ist.[2] Mag sein, dass sich Erdöl- und Erdgasfelder, Kohlegruben, Waldgebiete und Weideflächen auf den Territorien von Staaten befinden und damit in den Besitz unterschiedlicher Eigentümer gelangen können. Die Luft aber lässt sich nicht einzäunen. Sie ist beweglich. Sie gehört niemandem und damit allen. Staaten erheben zwar Anspruch auf ihren Luft-Raum. Die Atmosphäre dieses Planeten an sich aber können wir uns nur teilen.

Dass jedem und jeder von uns daran derselbe Anteil zusteht, vergegenwärtigen wir uns bei jedem Atemzug. Jeder Mensch benötigt etwa dieselbe Menge an Sauerstoff zum Atmen, um am Leben zu bleiben. Übertragen gilt das auch für das Erdklima. Für jeden Menschen gelten dieselben klimatischen Bedingungen, dasselbe Temperaturfenster in der Atmosphäre als ideale oder zumindest ausreichende Voraussetzung für menschliches Leben und Zivilisation auf diesem Planeten.

Was aber wird nun aus dem liberalen Leistungsprinzip, das unsere Gesellschaften durchzieht? Nun, es gibt kein Leistungsprinzip, aus dem sich ableiten ließe, dass bestimmte Menschen mehr als andere die Konzentration von Kohlendioxid, Methan, Lachgas etc. in unserer Atmosphäre verändern und damit die Lebensbedingungen der gesamten Menschheit negativ beeinflussen dürfen. Es gibt keine Leistung, aus der das Recht zur Gefährdung anderer erwächst.

Ein Grundpfeiler kapitalistischer Gesellschaften gerät durch die Erderwärmung in eine existenzielle Legitimationskrise. Gemeinhin begründen wir die unterschiedlichen Möglichkeiten, den eigenen Lebensstandard zu gestalten, mit dem Verweis auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Individuen und Gesellschaften. Wer mehr leistet, kann sich eben mehr leisten als andere. Es gibt allerdings keine Leistung, die Individuen oder soziale Gruppen zur Zerstörung unserer Lebensgrundlage berechtigen würde. Welche Leistung sollte das sein? Das Recht auf klimaschädliche Emissionen lässt sich nicht meritokratisch begründen. Die Klimakrise ist gleichmacherisch.

Für die Entwicklung einer neuen Kultur des Teilens, ist diese Erkenntnis zentral: Die klassische liberale Legitimierung sozialer Ungleichheit greift nicht mehr. Mag sein, dass jemand, der fleißiger oder erfindungsreicher ist als seine Mitmenschen, dadurch mehr Geld verdienen kann und somit das Recht erwirbt, in einem größeren Haus zu wohnen, mehr Autos zu besitzen, häufiger zu verreisen etc. Ausbeutung und die gewaltsame Aneignung von Ressourcen spielen in Wirklichkeit dabei eine gewichtige Rolle. Aber lassen wir diese Aspekte an dieser Stelle einmal außen vor. Die Leistungsfähigkeit eines Menschen, einer Gruppe, einer Nation mag Wohlstand bedingen, sie berechtigt aber nicht zu einem größeren Anteil am Gemeingut der Erdatmosphäre und zur Veränderung ihrer chemischen Zusammensetzung. Und erst recht nicht zur Gefährdung der Zukunft der Menschheit.

Auch dem Tüchtigen steht nur exakt derselbe Anteil zu wie seinem weniger tüchtigen Mitmenschen. Letzterer hat übrigens auch weniger zum Klimawandel beigetragen.

Warum sollte ich, nur weil ich gut schreiben und mit sonorer Stimme im Radio sprechen kann, deswegen das Recht besitzen, den Planeten für unsere Kinder unbewohnbar zu machen? Warum sollte eine Rechtsanwältin, nur weil sie Jura studiert hat und beredt Straftäter oder Opfer von Straftaten vor Gericht zu verteidigen weiß, den Klimawandel beschleunigen dürfen? Warum sollten Manager, nur weil sie BWL studiert haben und geschickt Betriebe leiten können, das Recht besitzen, häufigere Hurrikane, Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren, Ernteausfälle und Hitzetote zu verursachen?

Es wäre ein sinnloses Unterfangen, würden ein Manager, eine Rechtsanwältin, ein Journalist oder andere in ähnlicher Position versuchen, ihr Recht auf Klimazerstörung durch den Verweis auf ihre beruflichen Leistungen zu begründen. Im Gespräch von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch, würde ein solcher Erklärungsversuch bestenfalls lächerlich, schlimmstenfalls zynisch wirken. Selbstverständlich gibt es auch Menschen der ›Nach mir die Sintflut‹-Fraktion, denen das alles egal ist. Wer die Maske fallen lässt und seine Rücksichtslosigkeit zur Schau trägt, verwirkt damit aber den moralischen Anspruch, politische Rücksichtnahme auf seine Sonderinteressen einfordern zu können.

Die große politische Aufgabe der kommenden Jahre wird daher darin bestehen, durchzusetzen, dass jeder und jede von uns nur noch denselben Anteil an fossiler Energie verbrauchen darf, und zwar jenen, der garantiert, dass wir die Klimaziele erreichen können. Das gilt für alle Lebensbereiche, denn alle sind relevant für den Klimaschutz. Aber selbstverständlich gibt es Unterschiede: TV-Serien zu streamen, ist z.B. nicht so schlimm, wie mit dem Flugzeug zu verreisen. Aber das Prinzip ist klar: Alle müssen sich das verbleibende CO2-Budget bis zur Klimaneutralität teilen. Alle werden sich bis dahin und auch in einer hoffentlich zukünftigen Null-Emissions-Wirtschaft ab der Mitte des Jahrhunderts die erneuerbare Energie teilen müssen und zwar zu je gleichen Anteilen. Gleiches Recht für alle – ob arm oder reich – ist Klima-Kommunismus, sehr richtig. Und das ist gut so.

Die Klimakrise bietet im Umkehrschluss weniger privilegierten Menschen die Möglichkeit zur Emanzipation. Das gerät bei all dem Geschimpfe über steigende Heiz- und Stromkosten bislang sträflich aus dem Blick. Wer wird sich noch als Normal- oder Geringverdiener:in über eine aufgeblasene Nebenkosten-Abrechnung aufregen, wenn es heißt: Zahltag, die Besserverdienenden müssen uns dafür bezahlen, wenn sie auch nur einen Bruchteil ihres luxuriösen Lebensstils aufrechterhalten möchten. Sie müssen dann Niedrig- oder Normalverdiener finden, die bereit sind, ihnen einen Teil ihres CO2-Budgets zu verkaufen.

Klima-Kommunismus ist ein nützliches Werkzeug. Nicht nur, um effektiven Klimaschutz, sondern auch, um mehr soziale Gleichheit zu ermöglichen. Noch sind insbesondere viele Menschen aus der unteren Einkommenshälfte eher skeptisch, wenn es um Klimaschutz geht. Kein Wunder, wittern sie doch zu Recht, dass sie die Zeche zahlen, die sie am wenigsten verursacht haben. Klima-Kommunismus beinhaltet die Möglichkeit, diese weitverbreitete Skepsis der – nennen wir sie an dieser Stelle – Arbeiter:innen-Klassen nicht nur zu entkräften, sondern regelrecht umzukehren. Klimaschutz muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass von unten nach oben umverteilt wird. Ganz im Gegenteil. Effektiver Klimaschutz bedeutet eine Umverteilung von oben nach unten. Viele Menschen warten darauf und mögen es gar nicht mehr glauben. Verständlich. Aber veränderbar. Sie gilt es zu gewinnen.

Wie schwer es vielen fällt, diese Konsequenz offen auszusprechen, illustriert der aktuelle Bericht des Sachverständigenrats für Umweltfragen in Deutschland. Die beteiligten Wissenschaftler:innen konstatieren mittlerweile schonungslos:

»Je stärker gravierende Umweltschäden zutage treten und je mehr die Zeit für deren Beseitigung drängt, desto eher ist es erforderlich, das gesamte Spektrum der möglichen Lösungen zu nutzen. Dies schließt auch Verhaltensänderungen ein, falls diese einen substanziellen Beitrag zur Bewältigung leisten können.«[3]

Obwohl den Expertinnen und Experten klar ist, dass die Politik eingreifen muss, scheuen sie davor zurück, durchgreifende politische Maßnahmen vorzuschlagen. Obwohl sie betonen, dass es zwar unpopulär sei, »das Verhalten von Bürger:innen durch politische Instrumente zu beeinflussen«, die Akzeptanz dafür aber durchaus eine »veränderliche Größe« darstelle, gehen sie in ihren Empfehlungen nicht über die übliche Kombination von Anreizen und Erleichterungen für klimafreundliches Verhalten hinaus. Diese sollen mehr Menschen motivieren, sich klimafreundlich zu verhalten. Das Primat von am Markt orientierten Lösungen wird dabei nicht angetastet.

Im Hinblick auf den Fleischkonsum fällt dem Sachverständigenrat dann auch nicht viel mehr ein, als die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen und sie auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen. Diese Form von Klimaschutz-Politik würde einmal mehr Menschen mit niedrigerem Einkommen belasten, wenn sie Fleisch essen. Finanzielle Entlastungen für diese Gruppe sollen da Abhilfe schaffen. Es steht dabei nur zu befürchten, dass am Ende wieder alles teurer wird, ohne dass der Klimaschutz davon in irgendeiner Weise profitiert. Denn welcher besser Verdienende wird sich dazu bewegen lassen, weniger Fleisch zu essen, nur weil er für das Kotelett 30 Cent mehr bezahlen muss?

Ein klima-kommunistischer Ansatz erlaubt es, solche Widersprüche zu überwinden. Um wirksam Klimaschutz zu betreiben, können wir die Klassenverhältnisse nicht mehr ignorieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es an der Zeit ist, im Sinne des Klimaschutzes das kommunistische Versprechen einer klassenlosen Gesellschaft zu aktualisieren. Wenn wir von klassenloser Gesellschaft sprechen, meinen wir dies also nicht in einem totalitären Sinne. Noch sind wir so naiv zu glauben, dass alle sozialen Unterschiede verschwinden würden.

Es bedeutet aber, dass wir beim Klimaschutz weder gewillt sind, noch es uns leisten können, weiterhin Klassenunterschiede zu akzeptieren. Klima-Kommunismus bedeutet, dass sich politische Maßnahmen an dieser Einsicht zu orientieren haben. In der öffentlichen Diskussion zum Klimaschutz sollten wir daher mutiger sein. Sprechen wir offen aus, dass wir Zurückhaltung von jenen erwarten, die privilegierter sind als andere Menschen. Wir erwarten ein anderes Mindset. Eine Haltung des Sich-selbst-Zurücknehmens, ja, auch eine Kultur der Liebe und des Zusammenhalts in der Gesellschaft, um diese Aufgabe zu meistern und dabei zugleich Erfüllung zu empfinden. Wir können aber nicht darauf vertrauen, dass das freiwillig geschieht.

Klimaschutz muss sich endlich lohnen

»Diese Welt braucht eine radikale Veränderung

und ich bin bereit, meinen kleinen Beitrag zu leisten

und mich jeden Tag zu erinnern und erinnert zu werden,

dass es noch lange nicht genug ist und erst reicht,

wenn wir nichts unversucht gelassen haben,

die Welt radikal zu verbessern.«

Enissa Amani

Menschen können lernen, mit anderen zu teilen. Das ist allerdings nicht bloß eine Frage der Theorie. Wir lernen durchs Tun. Deswegen kommt es darauf an, praktische Routinen zu etablieren und Erfahrungen mit dem gesellschaftlichen Teilen des CO2-Budgets zu ermöglichen. Als Kinder haben wir die tägliche Erfahrung gemacht, dass wir das Essen aus dem Kochtopf mit allen teilen, die am Tisch sitzen. Jede:r bekommt etwas auf seinen oder ihren Teller. Das haben wir nicht etwa verinnerlicht, weil unsere Eltern uns einen hochtrabenden Vortrag über das Teilen von Ressourcen gehalten hätten. Sondern vor allem durchs tägliche Tun. Solche Routinen in Bezug auf den Klimaschutz zu etablieren, wäre im Sinne eines Klima-Kommunismus.

Klima-Kommunismus bedeutet, denjenigen Anteil an den Treibhausgas-Emissionen, der mit dem persönlichen Konsum und Verbrauch direkt zu tun hat, mithilfe politischer Maßnahmen zu reduzieren, die über bloße Anreize und Appelle hinausgehen. Wenn wir uns dafür einsetzen, greifen wir Klassenverhältnisse an. Wenn wir auf das Teilen bestehen, bedeutet Klima-Kommunismus auch, dass wir den Klimaschutz nutzen, um mehr gesellschaftliche Gleichheit herzustellen. Klimaschutz kann dadurch mehr sein als eine bloße Verpflichtung – er kann als Werkzeug zur Emanzipation dienen.

Maßnahmen, die dieser Haltung entsprechen, folgen drei Leitgedanken: Erstens orientieren sie sich am Grundsatz ›Gleiches Recht für alle‹ beim Verursachen von klimaschädlichen Abgasen – so lange bis Klimaneutralität möglich ist. Zweitens müssen diejenigen stärker belohnt werden, die sich klimafreundlich verhalten. Bisher ist allzu oft das Gegenteil der Fall. Drittens müssen Leute, die höhere Emissionen verursachen als ihre Mitmenschen, auch dafür bezahlen. Allerdings nicht bloß abstrakt in die Steuertöpfe des Staates, sondern auch im Rahmen einer direkten Umverteilung unter den Bürgerinnen und Bürgern von oben nach unten. Klimaschutz muss mehr gesellschaftliche Gleichheit ermöglichen, statt die Ungleichheit zu vergrößern.

Wir gehen davon aus, dass wir den Ausstoß von Treibhausgasen insgesamt nur noch dann reduzieren können, wenn wir die Möglichkeiten, sich klimaschädlich zu verhalten, in der Gesellschaft nach solch einem Gleichheitsprinzip verteilen. Diese Erkenntnis kommt langsam in der öffentlichen Debatte an. Der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber befürwortet zum Beispiel die Pro-Kopf-Begrenzung des CO2-Budgets. Er spricht dies in der ARD-Reportage Das Klima und die Reichen offen aus, wohl wissend, welchen Sprengstoff dieser Vorschlag birgt:

»Jeder Mensch kriegt drei Tonnen CO2 pro Jahr, aber wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen. Und ärmere Schichten der Bevölkerung verkaufen einen Teil davon, weil sie es eh nicht so brauchen, und können ein bisschen was dazu verdienen.«[1]

In der deutschen Medienlandschaft versucht die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann das Thema der Konsumbegrenzung für den Klimaschutz zu popularisieren. Sie benutzt dafür den Begriff der Rationierung. In einer Fernsehtalkshow erntet sie vonseiten der Bundesumweltministerin Steffi Lemke zwar Kopfschütteln, die Politikerin kann aber auch keine überzeugendere Alternative jenseits des Prinzips Hoffnung präsentieren.[2] In ihrem Bestseller Das Ende des Kapitalismus postuliert Herrmann: »Unsere Lebensweise kann nur dann ökologisch sein, wenn nicht jede jederzeit unbegrenzt konsumiert. (…) Nur Verzicht sichert das Überleben – wie im Krieg.« Sie kokettiert durchaus mit einer Haltung, die manche als Provokation, andere als befreiend empfinden. »Die Deutschen könnten weiterhin in den Urlaub fahren, ihr Smartphone nutzen, Bücher lesen und in Restaurants gehen. Flüge allerdings würde es nicht mehr geben, Autos wären kaum noch unterwegs, und Immobilien müssten rationiert werden.«[3]

Wie eine Reduktion und gerechte Verteilung konkret ausgestaltet werden kann, bleibt noch allzu oft vage und unbestimmt. Umso wichtiger ist es, die Debatte darüber zu führen, was das im Einzelnen bedeutet und welche Details zu beachten wären. Das ist die spannende Frage, deren Beantwortung wir nicht mehr offenlassen sollten. Der Begriff der Rationierung ist insoweit problematisch, als er suggeriert, es müssten alle auf etwas verzichten und mit weniger zurechtkommen. Tatsächlich würden aber viele Menschen etwas dazugewinnen. Klima-Kommunismus ist daher auch eine frohe Botschaft. Er ist längst virulent und wird als möglicher Ausweg aus der Klimakrise immer relevanter.

Flugreisen für alle

»Was soll der verdammte Scheiß?, schreit einer der Jugendlichen auf der Bühne. Das Theaterstück Ist mein Mikro an? des kanadischen Dramatikers Jordan Tannahill wird unter offenem Himmel aufgeführt. »Eigentlich sollte nur ein Flug pro Jahr erlaubt sein.« »Auf jeden Fall«, applaudieren Gleichaltrige, »ein Langstreckenfug, nie wieder Kurzstreckenflüge.« »Du kannst doch nicht die Bewegungsfreiheit einschränken«, widerspricht eine Darstellerin, »willst Du einen Polizeistaat? Das ist ein Menschenrecht.« »Das ist ein Privileg und kein Recht.« Es entbrennt ein Streit. »Bewegungsfreiheit ist ein Recht.« – »Aber nicht die Freiheit um die ganze Welt zu fliegen, so oft du willst und wann immer du willst.«

Mit dieser Schlussszene gibt die Truppe um Regisseur Bassam Ghazi dem Publikum des Düsseldorfer Schauspielhauses an diesem Sommerabend reichlich Gesprächsstoff für den Nachhauseweg mit. Wie viele der Theaterbesucher:innen werden wohl ihre nächste Flugreise deswegen storniert haben? Die Idee ist im Gespräch und findet immer mehr Anhänger:innen, hat aber auch Feinde.

Die Zahl der Flugreisen muss reduziert werden. Auch in Deutschland. Das ist zum einen notwendig, weil eine wirkliche Emissionsminderung in diesem Bereich anders nicht zu erreichen ist. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die wirksamste Methode darin besteht, das Recht auf Flugreisen zu begrenzen. Die gleichmäßige Verteilung dieses Rechts steht aber auch aus einem anderen Grund ganz oben auf der Liste der Maßnahmen, die dem Gleichheitsprinzip folgend durchgesetzt werden müssen. Als Einzelmaßnahme hätte sie den größten Effekt, wenn es darum geht, mit Klimaschutz mehr Gleichheit in der Gesellschaft zu fördern.

Es ist immer schwieriger zu vermitteln, weshalb sich eine durchschnittliche Familie überhaupt Gedanken zum Klimaschutz machen soll, wenn Besserverdienende mehrmals im Jahr in den Urlaub fliegen. Normale Leute überlegen sich, ob sie ihre jährliche Urlaubsreise mit dem Flugzeug antreten sollen oder nicht, während reiche Personen weiterhin bedenkenlos mit dem Privatjet durch Deutschland düsen oder Geschäftsleute drei, vier, fünf Mal im Jahr in der Luft unterwegs sind. Das Recht aufs Fliegen gerecht aufzuteilen, würde bewirken, dass jene Menschen belohnt werden, die schon jetzt oder eben in Zukunft auf Flugreisen verzichten.