9,99 €
Werden Sie zertifizierter Klo-Philosoph! Der durchschnittliche Bundesbürger verbringt jeden Tag zweimal sieben Minuten auf der Toilette – wertvolle Zeit, die wir einfach so verschwenden. Aber was wäre, wenn wir diese Momente nutzen könnten, um wirklich sinnvolle Dinge zu lernen? Wenn das Badezimmer, statt nur ein Raum der Erleichterung zu sein, zum Raum der Erleuchtung werden würde? Der Klo-Philosoph macht das möglich. In 100 Sitzungen erfahren wir, was Kant mit Superman gemeinsam hat, welcher Philosoph in einer Tonne lebte und wie man mit Hilfe der Philosophie attraktive Menschen auf Partys verführt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Das Buch
Zwischen diesen Buchdeckeln erwartet dich geballtes Philosophie-Wissen fürs stille Örtchen. Guck in die Badezimmer der großen Philosophen von Platon bis Wittgenstein, lerne den Unterschied zwischen Wahrheit und Weisheit und finde heraus, ob wir alle eigentlich in der Matrix leben oder die Zombie-Apokalypse unmittelbar bevorsteht.
Mit jeder Menge tollen Extras wie Philosophie-Bingo, Abschlusstest und Klugscheißer-Diplom!
Die Autoren
Konrad Clever ist das Pseudonym von Adam Fletcher und Lukas N.P. Egger.
Adam Fletcher, Jahrgang 1983, ist ein glatzköpfiger Engländer. Wenn er nicht gerade Bücher und Artikel schreibt, verbringt er seine Zeit damit, die Namen berühmter Philosophen grob falsch auszusprechen, sich am Bart zu kratzen und seine Wahlheimat Berlin unsicher zu machen. Er ist der Autor von »Denglish for Better Knowers« und »Make Me German«.
Lukas N.P. Egger, ebenfalls Jahrgang 1983, ist ein noch nicht glatzköpfiger Österreicher. Als Philosoph hätte er es sich nicht träumen lassen, jemals mit Büchern Geld zu verdienen. Stattdessen hat er sich simpleren Dingen zugewandt und arbeitet an der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Außerdem fragt er sich oft, warum so viele Dinge, die Spaß machen, entweder unmoralisch sind oder dick machen.
Konrad Clever
Klo-Philosoph
In 100 Sitzungen zum Klugscheißer
Aus dem Englischen von Oliver Domzalski und Rainer Vollmar
Ullstein
Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de
Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.
Hinweis zu Urheberrechten
Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Widergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.
ISBN978-3-8437-1214-9
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Umschlaggestaltung und Coverillustration: Robert M. Schöne
E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Liebe (Klo-)Studentinnen, liebe (Klo-)Studenten,
herzlich willkommen zu eurem ersten Tag in der Klo-Universität. Wie ich sehe, habt ihr schon Platz genommen, und wir können direkt anfangen. Wenn ihr euren Blick schweifen lasst, stellt ihr vermutlich fest, dass euer Seminarraum ganz anders aussieht als die Räume, in denen ihr bisher studiert habt – hier gibt es mehr Porzellan, mehr Comichefte und vielleicht hängt ein etwas unangenehmer Geruch im Raum. Kurzum, euer Seminarraum in der Klo-Universität ähnelt ziemlich stark einem bescheidenen Badezimmer. Aber keine Sorge, das ist durchaus Absicht …
Wusstet ihr, dass ihr im Verlauf eures Lebens mehr als ein Jahr, sieben Monate und fünfzehn Tage im Badezimmer verbringt? Volle 92 Tage davon sitzt ihr einfach nur auf dem Klo. Wäre es da nicht klug, diese zehn oder zwanzig Minuten pro Tag sinnvoll zu nutzen? Dann wäre das Klo nicht nur ein Ort der Erleichterung, sondern auch ein Ort der Erleuchtung. Man käme mit weniger Körpergewicht, aber mehr Gehirnmasse vom Klo zurück ins normale Leben.
Dies ist das hehre Ziel der Klo-Universität: kurze, aber scharfsinnige Wissensausbrüche. Ausgereifte Konzepte, die neu und spannend präsentiert werden, für alle, die sich nicht lange aufhalten, aber intellektuell gut versorgt werden wollen. Das Buch ist deshalb auch in »Sitzungen« aufgeteilt, die für die tägliche Lektüre auf dem Klo gedacht sind. Theoretisch muss man diese nicht in der vorgegebenen Reihenfolge lesen, in der Praxis empfiehlt es sich aber, die Sitzungen eines Kapitels nacheinander zu lesen, da diese von miteinander in Beziehung stehenden Konzepten handeln.
Wir beginnen mit der Philosophie; ihr haltet also das perfekte Buch für alle »Klugscheißer« in den Händen. Philosophie ist ein faszinierendes Thema, das normalerweise aber leider stinklangweilig präsentiert wird, indem die Denker wie Zootiere vorgeführt werden. Hier haben wir einen Kant (1724 bis 1804) und hier einen Nietzsche (1844 bis 1900) – bitte nicht anfassen! Aber natürlich gehen wir nicht in den Zoo, um uns inhaltlich korrekte, aber vor allem langweilige Schautafeln über Tiere durchzulesen. Wir wollen einen Affen beobachten, der mit Kacke nach Besuchern wirft, oder Nilpferde beim Sex ertappen. Wir wollen nicht endlos mit Fakten drangsaliert werden oder eine dröge Belehrung über uns ergehen lassen. Wir wollen spannende Geschichten und Action. Wir wollen wissen, welcher Philosoph Batman am ähnlichsten ist, welcher in einer Tonne lebte und wie man mit Hilfe der Philosophie attraktive Menschen auf Partys verführt.
All dies und noch viel mehr lernt ihr in den zwölf Kapiteln dieses Buchs, das mit dem Kapitel Fragen und Antworten beginnt und mit dem Kapitel Wissenschaft und Paradigmen endet. Danach gibt es dann noch unseren großen Abschlusstest, den ihr bestehen müsst, um euch als weltweit anerkannte (Klo-)Philosophen bezeichnen zu können. Natürlich kann dieses Buch kein jahrelanges Studium und keinen richtigen Uni-Abschluss ersetzen, aber es bietet einen unterhaltsamen Überblick. Die Weisheit in Löffeln. Das ultimative PISA-Wissen.
Vielleicht fragt ihr euch, warum ihr ausgerechnet mit Philosophie beginnen sollt, wo es doch so nützliche Wissensgebiete wie Ingenieurwesen, Jura, Informatik oder Feng-Shui gibt. Sind Philosophen nicht einfach nur alte weißhaarige Griechen oder Deutsche, die herumsitzen und über die Vergänglichkeit nachdenken? Hilft Philosophie euch wirklich, euer Leben zu verstehen?
Liebe (Klo-)Studentinnen und (Klo-)Studenten, die Philosophie ist die Lehre vom richtigen Lernen. Sie liefert euch die Grundlagen, auf denen ihr eure lebenslange geistige Weiterentwicklung aufbauen könnt. Bei der Philosophie geht es nicht um das Streben nach Antworten, sondern um das Ziel, bessere Fragen zu stellen. Wie schon Einstein sagte: Man kann Probleme nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Philosophie wird euch helfen, alten Problemen mit neuen Sichtweisen zu begegnen.
Das bedeutet leider nicht, dass Philosophie immer funktioniert. Dazu eine Geschichte, die perfekt zeigt, was alles passieren kann: Ein junger Philosoph verliebte sich hoffnunglos in ein hübsches Mädchen, das aber kein Interesse zeigte und all seine Avancen zurückwies. Wie viele Philosophen konnte er am besten mit Worten arbeiten, daher entschloss er sich, ihr ein Jahr lang jeden Tag einen Liebesbrief zu schreiben. Mit der nötigen Hingabe und überzeugenden Argumenten würde er sie auf jeden Fall für sich gewinnen können. Ein Jahr lang schickte er ihr jeden Tag einen Liebesbrief, bis sie schließlich einwilligte und den Postboten heiratete.
Darum geht es, in aller Kürze, bei der Philosophie. Sie ist perfekt geeignet, um Probleme zu erkennen: »Ich liebe sie, und sie liebt mich (noch) nicht.« Sie verfolgt vornehme Ziele: »Mehr Liebe in der Welt.« Sie kann sogar hilfreich sein, Lösungen zu entwickeln: »Ich werde ihr meine Liebe mit wunderschönen Versen und klugen Argumenten beweisen, die sie umgarnen und unterhalten werden.« Die praktische Umsetzung bewirkt aber dann oftmals etwas ganz anderes, und die Briefe schaffen erst die Möglichkeit, sich mit dem gutaussehenden Postboten zu unterhalten. Sich mit Philosophie zu beschäftigen, um konkrete Alltagsprobleme zu lösen, ist genauso zielführend, wie Erzbischof zu werden, um mehr Frauen kennenzulernen. Philosophie stellt genau die Fragen, auf die es leider keine einfachen Antworten gibt. Der Philosoph fragt beispielsweise nicht, was es zum Mittagessen geben soll, sondern eher, ob es in Ordnung ist, Tiere zu töten, um sie zu verspeisen. Das ändert aber nichts daran, dass es höchst ehrenwert ist, nach den richtigen Antworten zu streben. Die Philosophie liefert keine Lösungen, und das ist auch nicht ihre Aufgabe. Stattdessen liegt ihre wahre Stärke darin begründet, dass sie neue Sichtweisen eröffnet und Verständnis verbreitet. Nun habt aber ihr die Chance, die Ideen und Überzeugungen der größten Denker kennenzulernen. Ich bin sicher, dass euch das gefallen wird …
Euer Prof. Dr. Konrad Clever
P.S.: Die Philosophie ist auch die einfachste Methode, bei anderen einen klugen Eindruck zu hinterlassen – ohne dass man höhere Mathematik können muss. Und wer versteht schon höhere Mathematik?
tl;dr: In den Abschnitten »too long, didn’t read« fasse ich den Inhalt einer Sitzung zusammen oder mache Witze darüber. Da es sich bei diesem Buch ohnehin um ein einziges »zu lang, nicht gelesen« der westlichen Philosophie handelt, gibt es aber eigentlich keine Ausrede dafür, nicht den kompletten Text zu lesen …
SITZUNG04
Die kleine Sarah geht zu ihrem Vater und fragt: »Papa, was ist eine Gesellschaft?«
Ihr Papa antwortet: »Das ist eine schwere Frage. Ich will es dir mal so erklären, meine Liebe. Ich bin der Ernährer der Familie, nennen wir mich also Kapitalismus. Mama ist diejenige, die für die Verwaltung des Geldes verantwortlich ist, sie ist die Regierung. Da wir für deine Bedürfnisse zuständig sind, bist du das Volk. Dein Kindermädchen hilft viel im Haushalt, bezeichnen wir sie als Arbeiterklasse. Und deinen kleinen Bruder nennen wir Zukunft. Und jetzt denk darüber nach, ob das alles einen Sinn ergibt.«
Danach geht Sarah ins Bett und denkt über die Worte ihres Vaters nach. Mitten in der Nacht hört sie, wie ihr kleiner Bruder schreit, worauf sie in sein Zimmer geht und feststellt, dass seine Windel voll ist. Sie geht ins Schlafzimmer der Eltern. Ihre Mutter schläft, und ihr Vater ist nicht da. Sie will ihre Mutter nicht wecken und geht daher zum Zimmer des Kindermädchens. Da dessen Tür verschlossen ist, klopft sie vorsichtig an, als sie keine Antwort bekommt, schaut sie durchs Schlüsselloch und sieht, wie ihr Vater mit dem Kindermädchen im Bett liegt.
Sie gibt auf und geht wieder ins Bett.
Am nächsten Morgen sagt sie zu ihrem Vater: »Papa, ich glaube, ich weiß jetzt, wie die Gesellschaft funktioniert.«
»Prima, Sarah, erklär es mir doch bitte.«
»Also, der Kapitalismus fickt die Arbeiterklasse, während die Regierung schläft, das Volk sich langweilt und ignoriert wird, und außerdem ist die Zukunft beschissen.«
Sind Kinder nicht großartig? Sie fragen immer danach, warum Klebstoff in der Tube nicht klebt, wie die Sonne funktioniert und warum Pinguine nicht frieren, obwohl sie den ganzen Tag ohne Schuhe in der Kälte herumstehen. Ihr unstillbarer Wissensdurst kann auf jeden Fall zu einem trockenen Hals und einer heiseren Stimme führen, während man versucht, seine eigenen Wissenslücken tapfer zu verbergen.
Was aber, wenn es ihnen bei ihrer Fragerei gar nicht um sie selbst geht? Wenn es sich nur um einen selbstlosen Akt handelt, um uns zu zeigen, wie wenig wir wissen? Wie viele Ideen falsch sind? Wie viele Annahmen unbewiesen? In vielen Fällen imitieren sie mit ihren unendlichen Fragen, die sie anschließend zur Sicherheit noch einige Male wiederholen, lediglich den Fragestil eines der größten Philosophen aller Zeiten: Sokrates.
tl;dr: Fragen zu stellen ist einfacher, als sie zu beantworten, und wenn man glaubt, etwas kapiert zu haben, liegt man erwiesenermaßen falsch. Außerdem sind Kinder klüger und oft hinterhältiger, als man denkt.
Oft denken Menschen, sie wüssten etwas, aber wenn man unschuldig nachfragt, kommt man schnell darauf, dass dies gar nicht der Fall ist. Dieses Nichtwissen fühlt sich für den anderen oft blamabel an, wenngleich Sokrates dies überhaupt nicht so sah. Sein Ausspruch »Ich weiß, dass ich nichts weiß« ist berühmt geworden. Seine Technik, andere Leute wie Columbo auszufragen und ihnen damit zu zeigen, wie wenig sie in Wirklichkeit wissen, nennt man die sokratische Methode. Sie funktioniert etwa so:
1. Suche nach einem Satz, mit dem du das Argument deines Gesprächspartners zusammenfasst: »Du meinst also, die Antwort sei X?«
2. Schätze die Auswirkungen dieses Satzes genau ein, und achte auf Ausnahmen und Hintertürchen.
3. Anschließend überträgst du die Beweislast auf deinen Gesprächspartner, indem du das Hintertürchen als Frage verpackst: »Gut, ich nehme also an … was du gesagt hast … wenn ich es richtig verstanden habe … und vermutlich ist mir das nicht gelungen, weil ich dumm bin … die Antwort ist X, wenn sie nicht ausnahmsweise Y lautet, oder?«
4. Gib ihm die Chance, einen Ausweg zu finden. Fast immer wird eine spontane Erklärung dazu führen, dass sich dein Gegenüber noch tiefer in das Problem verstrickt. Verheiratete Paare erheben dies teilweise zur Kunstform.
5. Wiederhole diese Schritte, bis du an den Punkt gekommen bist, an dem dein Gegner seinem ursprünglichen Argument widerspricht oder zugibt, dass es keinen Sinn ergibt.
6. Schaue verdutzt und harmlos wie jemand, der nicht weiß, warum der andere jetzt so dumm aus der Wäsche guckt. Sollte dein Gegenüber jedoch versuchen, offenkundige Widersprüche zu ignorieren, darfst du gerne darauf herumreiten.
Dies ist eine Technik, bei der ein Lehrer keine Informationen preisgibt, sondern lediglich ein paar Fragen stellt, die den Schüler entweder zur richtigen Antwort, oder – was viel wahrscheinlicher ist – dazu führt, ihm die Grenzen seines Wissens aufzeigen.
Vor allem wenn der Lehrer wie Sokrates so tut, als wüsste er nicht mehr als der Schüler, fühlt sich diese Technik für denjenigen, an dem sie erprobt wird, vermutlich nicht besonders angenehm an. Dabei wird aber ein hehres Ziel verfolgt, für das sich der Aufwand lohnt. Die Technik bringt den Schüler dazu, sich von falschen Annahmen zu lösen und sich der Wahrheit anzunähern. Leider brachte sie Sokrates aber vor allem immer wieder Ärger.
tl;dr: Mit Fakten kann man andere Leute und deren Meinungen leicht verwirren. Die sokratische Methode ist eine einfache Fragetechnik, mit der man gut herauskitzeln kann, was andere denken. Gelingt dies nicht, bringt man sie wenigstens komplett durcheinander.
SITZUNG05
Der Weg zur Antwort
tl;dr: Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Dies gilt nicht für Philosophen, denn die nehmen den schönsten Weg ins Nirgendwo.
SITZUNG06
Nationalität: GriechenlandZeitraum: 469 bis 399 v. Chr.Einfluss: Groupies: Platon, Aristoteles, Xenophon, kleine Kinder, Talkshow-Moderatoren
Beste Idee Die sokratische Methode, bei der man jemandem klarmacht, dass sein Wissen meist nur Meinung ohne Fundament ist und man Fragen wie Abrissbirnen schwenken kann. Es gilt als relativ sicher, dass Sokrates der Erfinder der falschen Bescheidenheit war.
Anekdote Oft wird Sokrates als intellektueller Superheld dargestellt, dem weder psychisch noch physisch etwas aus der Fassung bringen konnte. Selbst als er im Gefängnis auf die Vollstreckung der Todesstrafe wartete, war Sokrates quietschfidel und positiv gestimmt. Als er den Schierlingsbecher an seinen Mund führte, brach seine Frau Xanthippe in Tränen aus und beklagte bitter die Grausamkeit, dass er unschuldig sterben müsse. Sokrates schaute sie an und antwortete launig: »Wäre es dir lieber, ich würde zu Recht verurteilt?«
Zitate
»Die einzig wahre Weisheit besteht darin, zu wissen, dass man nichts weiß.«
– Und sich nicht weiter darum zu scheren.
»Der Anfang aller Weisheit ist die Verwunderung.«
– Und das Ende Desillusionierung.
»Ein ungeprüftes Leben ist nicht lebenswert.«
– Aber das gut überprüfte Leben führt zu hohen Arztrechnungen.
① Stock: Sokrates nahm häufig einen Stock auf seine Spaziergänge mit, um andere einzuschüchtern.
② Schierlingsbecher: Wegen seiner radikalen Gedanken und seines streitsüchtigen Verhaltens kam Sokrates vor Gericht. Zur Strafe musste er aus dem Schierlingsbecher trinken.
③ Voller Nachttopf
④ Niedrige Armaturen: Sokrates war klein und untersetzt, und er hatte unterlaufene Augen und eine Himmelfahrtsnase.
⑤ Stein: Bevor er sein Einkommen als Lehrer hatte, verdiente Sokrates seinen Lebensunterhalt als Steinmetz.
⑥ Stoßlanze: Sokrates diente als sogenannter Hoplit bei der bewaffneten Infanterie und trug während dreier Feldzüge Schild, Stoßlanze und Helm.
⑦ Fragezeichen-Poster: Er liebte Fragen.
⑧ Figur in der Popkultur: Columbo. Wie Sokrates ist auch der legendäre Ermittler aus L.A. klein, trägt schäbige Klamotten und macht einen ungepflegten Eindruck. Beide hatten eine ähnlich brilliante und wissbegierige Art, den Leuten Fragen zu stellen. Anstatt ihre Intelligenz zu betonen, stellten sie sich gerne dumm.
SITZUNG07
Wie, ihr wollt, dass ich die Kummerkastentante spiele? Ich? Der berühmte Sokrates? Das ist schon ein wenig ironisch, da von mir Sätze stammen wie »Ich kann niemandem etwas beibringen, ich kann ihn nur zum Nachdenken bringen«. Versuchen wir es halt. Da ich aus Prinzip kein Geld für meine Arbeit nehme, passt das ja perfekt zu den Hungerlöhnen, die Autoren heutzutage bekommen.
tl;dr: Wegen seiner völlig unvoreingenommenen Art wäre Sokrates eine optimale Kummerkastentante gewesen. Zumindest für die Leser, wohl weniger für die Ratsuchenden.
SITZUNG08
Meistens legen wir unseren Fokus nur auf Antworten, aber tatsächlich offenbaren Fragen oft mehr als die dazu gehörigen Antworten. Händler, Politiker und Diplomaten sind darin geübt, grundsätzlich keine Antworten zu geben bzw. ihre Antworten an die Erwartungen ihrer Zuhörer anzupassen. Die meisten Menschen bluffen aber tatsächlich nur mit Antworten und vergessen, dass sie ihre echten Interessen über ihre Fragen verraten. Ein guter Klo-Philosoph sollte sich daher nicht nur auf die Antworten konzentrieren, sondern auch darauf achten, welche Fragen gestellt wurden und vor allem welche nicht gestellt wurden!
Im Idealfall ist eine Frage der Ausgangspunkt für neues Wissen. Wissen ist aber nicht gleich Wissen. Vielmehr gibt es vier Kategorien von Wissen:
1. Bekanntes Wissen. Wird traditionell für Wissen gehalten. »Ich weiß, dass ich weiß, wie alt ich bin, und wünschte mir, meine Partnerin wäre zehn Jahre jünger.«
2. Bekanntes Nichtwissen. Negatives Wissen war der Aspekt des Wissens, auf den Sokrates am meisten stolz war. »Ich weiß, dass ich die Hauptstadt von Uganda nicht kenne.«
3. Unbekanntes Wissen. Vermutungen, von denen wir entweder behaupten, dass wir sie nicht wissen, oder die noch nicht überprüft wurden. »Natürlich wäre ich ein genauso guter Schauspieler wie Brad Pitt.« In diese Kategorie fallen auch Glaube und Aberglaube.
4. Unbekanntes Nichtwissen. Wahre Ignoranz bedeutet nicht nur, etwas nicht zu wissen, sondern nicht zu wissen, dass man etwas nicht weiß. Diesen Teil des Wissens kann man sich nicht aneignen, da einem gar nicht bewusst ist, dass er einem fehlt. »Ich wusste nicht, dass meine Frau mit unserem Steuerberater durchbrennt. Hätte ich es gewusst, hätte ich meine Steuererklärung selbst gemacht.«
Es gibt aber nicht nur diese vier Kategorien des Wissens, sondern obendrein zwei verschiedene Arten, wie man wissen kann:
A. Wissen, dass (Fakten): »Ich weiß, dass steile Treppen gefährlich für Betrunkene sind.«
B. Wissen, wie (Methoden): »Ich weiß, wie ich einen Arzt rufen kann, der meine schmerzenden Prellungen behandeln kann.«
Die Debatte darüber, ob »Wissen, dass« wichtiger als »Wissen, wie« ist oder andersrum und ob es sich wirklich um verschiedene Arten oder nur um dasselbe Wissen in leicht unterschiedlicher Ausführung handelt, hält an.
tl;dr: Das gefährlichste Wissen ist unbekanntes Nichtwissen, da es sich um kognitive Blindflüge handelt. Man kann sich auch nicht herausreden, wenn es um Schwerkraft geht, der Fall über die Treppen ist unabhängig von einem Dass oder Wie und der Aufprall absolut sicher.
SITZUNG09
Es kann schlimme Folgen haben, wenn man von der Richtigkeit einer Antwort oder Lösung so überzeugt ist, dass man gar nicht mehr darauf achtet, ob sie überhaupt noch zur Frage oder Aufgabe passt. Denkt an WALL-E aus dem gleichnamigen Pixar Film. WALL-E ist ein kleiner Roboter, dessen Aufgabe darin bestand, die Erde aufzuräumen. Er machte auch noch sauber, als die Erde schon längst verlassen und außer ihm (und seinem einzigen Freund, einer Kakerlake) keiner mehr da war. Außerdem gab es so viel Müll, dass er seine Aufgabe unmöglich erfüllen konnte. Dennoch konzentrierte er sich weiterhin voll und ganz auf seine Aufgabe und merkte dabei gar nicht, dass die Schlacht längst verloren war. Wie WALL-E kann auch eine Gesellschaft wie die unsere so mit ihren eigenen Antworten beschäftigt sein, dass sie sich gar nicht mehr die ursprüngliche Frage stellt oder den Sinn der Aufgabe anzweifelt. In dem Fall handelt es sich nur mehr um eine leere Doktrin.
Diese Lektion kann man in E.F. Schumachers einflussreichem Buch »Small is beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß« lernen.1 Danach ist es ein Fehler, beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt zum Zentrum der Gesellschaft zu erklären. Unser Glaube an das Wirtschaftswachstum (oder Gigantismus, wie er es nannte) ist das perfekte Beispiel einer außer Kontrolle geratenen, sich verselbständigenden Antwort. Sie führt dazu, dass wir meinen, wir könnten unsere natürlichen Ressourcen hemmungslos verschwenden, obwohl sie unser wichtigstes Kapital sind. Ressourcen sind einmalige Geschenke. Sind sie weg, sind sie wirklich weg, und man kann sich bei keinem Manager darüber beklagen. Schaut man sich die Natur an, gibt es laut Schumacher gar nicht so viel Wachstum. Stattdessen findet man umso mehr Balance und Einklang. Mit unserem Gigantismus zerstören wir vermutlich das natürliche Gleichgewicht. Wenn wir bei unseren Antworten nur kleine Risiken eingehen, können wir uns auch mal einen Irrtum erlauben. Setzen wir aber alles auf eine Antwort, eine einzige Lösung, einen Weg, indem wir unsere gesamten Ressourcen auf Rot setzen, heißt es Game over, wenn die Kugel auf Schwarz gerollt ist.
»Small is beautiful« ist ein tapferer Versuch, eine von der Gesellschaft bereits akzeptierte Antwort aufs Neue zu hinterfragen. Allerdings hören die meisten Menschen leider nicht richtig zu. Nun denn: Die Bereitschaft, sich dem Spott, der sozialen Ausgrenzung und sogar den Einschüchterungen der Gesellschaft auszusetzen, stand schon immer im Zentrum großer Philosophie.
tl;dr: Der Philosoph E.F. Schumacher wollte mit seiner Idee »Small is beautiful« zeigen, dass es gefährlich sein kann, eine Antwort zu akzeptieren, wenn die ihr zugrundeliegende Frage schon lange nicht mehr sinnvoll ist. Genau das trifft auf Sätze wie »Je größer desto besser« oder »Wachstum ist gut« zu. Im Zentrum der Philosophie steht das ständige Hinterfragen von Antworten.
SITZUNG10
Welchen Zweck hat die Philosophie …
SITZUNG11
Warum ist der Ruf der Wahrheit so lange makellos geblieben, obwohl es so viele Enttäuschungen gab? Heutzutage lachen wir über Leute, die die Erde für eine Scheibe hielten oder glaubten, ein Porträt oder ein Foto würde ihnen ihre Seele rauben. Was sie für Wahrheit hielten, sind aus heutiger Sicht nur noch lächerliche Vorstellungen und Irrtümer. Die Frage lautet daher, warum tun wir immer noch so, als wüssten wir etwas, obwohl wir aus der Erfahrung lernen könnten, dass heutige Wahrheiten die schenkelklopfenden Witze zukünftiger Generationen sein werden?
Möchten Sie gerne weiterlesen? Dann laden Sie jetzt das E-Book.