Kodiak Echoes – Hide Me - Julia Pauss - E-Book

Kodiak Echoes – Hide Me E-Book

Julia Pauss

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Beschreibung

GÜNSTIGER EINFÜHRUNGSPREIS. NUR FÜR KURZE ZEIT!  Große Gefühle treffen auf einen spannenden Cold Case vor der traumhaften Kulisse Kanadas Nachdem Brynn Callahan bei ihrer Arbeit als Entwicklerin für den Techmogul Dane Conway entdeckt, dass ihr Chef in organisiertes Verbrechen verwickelt ist und dies der Polizei meldet, landet sie durch ein Zeugenschutzprogramm in der abgelegenen Kleinstadt Echo Cove auf Kodiak Island in Alaska. Dabei macht ihr nicht nur die Umstellung das Leben schwer – sie muss sich auch noch mit ihrem Nachbarn, dem brummigen Wildhüter Archer Flint herumschlagen. Bald erfährt sie, dass das ganze Dorf Archer meidet, denn vor zehn Jahren wurde eine junge Frau auf der Insel ermordet – und der Hauptverdächtige war ausgerechnet Archers älterer Bruder, der jedoch seither als verschwunden gilt. Als Brynn Archer trotz aller Warnungen immer näher kommt, beginnt sie, den alten Fall nachzuverfolgen und stößt dabei auf eine Verbindung zur ihrem Ex-Chef Conway. Als dieser zu allem Überfluss freigesprochen wird, steht plötzlich Brynns Zukunft auf dem Spiel – und um diese zu retten, muss sie die Antworten in Archers Vergangenheit finden.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2025

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Redaktion: Michaela Retetzki

Korrektorat: Manfred Sommer

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Triggerwarnung

Playlist

1 Brynn

HARD RESET

2 Brynn

HOME SWEET HOME

3 Brynn

ALASKA GIRL SUMMER

4 Brynn

NORTHERN ATTITUDE

5 Brynn

MISSION: RESTART

6 Brynn

THE BEAR NECESSITIES

7 Brynn

A CLOSET FULL OF SKELETONS

8 Brynn

THERE’S NOTHING LIKE A SMALL TOWN TRAGEDY

9 Brynn

STRANGER IN A STRANGE TOWN

10 Brynn

CURIOSITY KILLED THE CAT

11 Brynn

SMALL TOWN NIGHTMARES

12 Brynn

LEFT BEHIND

13 Brynn

THE LAST FRONTIER

14 Brynn

NOT ALL THOSE WHO WANDER ARE LOST

15 Brynn

BEAR WITH ME

16 Archer

HUNTING SEASON IS OPEN

17 Brynn

GIRLS JUST WANNA HAVE ENEMIES

18 Brynn

DARK SIGNS

19 Brynn

YOU GOT MAIL

20 Brynn

NOWHERE TO GO

21 Brynn

WHAT LURKS IN THE SHADOWS

22   Brynn

CAT AND MOUSE

23 Archer

ARE YOU REALLY OKAY?

24 Brynn

SAFE POINT

25  Brynn

WITCH HUNT

26 Brynn

THE WOLVES AMONG US

27 Brynn

VISITORS

28  Brynn

THINGS THAT GO BUMP IN THE NIGHT

29 Brynn

LIKE ANIMALS

30 Archer

RIGHT HERE IN MY ARMS

31 Brynn

VERSIONS OF YOU

32 Brynn

TRADING DEVILS

33 Brynn

KEEP YOU SAVE

34 Brynn

CODE MISTAKE

35 Brynn

WOUNDS WE CANNOT HEAL

36 Archer

US AGAINST THE WORLD

37 Brynn

ECHO BAY

38 Brynn

PAINT IT BLACK

39 Brynn

WORST CASE SCENARIO

40 Brynn

ALL THE DEVILS ARE HERE

41 Brynn

BACK AGAINST THE WALL

42 Archer

IF I’M THERE

43 Brynn

WHAT’S LEFT UNSAID

44 Archer

ALL OUR BROKEN PARTS

45 Brynn

BURN WITH YOU

46 Brynn

INTO THE FIRE

47 Brynn

JUDGEMENT DAY

48 Archer

WHO ARE YOU REALLY?

49  Brynn

CAREFUL WHAT YOU WISH FOR

50 Brynn

CAT GOT YOUR TONGUE?

51 Brynn

THE END OF THE ROPE

52 Archer

AGAINST THE CLOCK

53 Brynn

THE DEVIL AND THE DEEP BLUE SEA

54 Brynn

EYE FOR AN EYE

55 Archer

KARMA IS A BITCH

56 Brynn

YOU REAP WHAT YOU SOW

57  Brynn

YOUR HAND IN MINE

58 Archer

MAY ANGELS LEAD YOU IN

6 Wochen später

Nachwort

Danksagung

Content Note

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für alle, die den Bären wählen.

Liebe Lesende,

Dieses Buch beinhaltet Themen, die potenziell triggernd wirken können. Auf der letzten Seite findet ihr daher eine Auflistung, die jedoch erhebliche Spoiler für das gesamte Buch enthält. Ob ihr diese Warnung lesen möchtet, ist euch überlassen.

Wir wünschen euch ein bestmögliches Leseerlebnis und viel Spaß mit Kodiak Echoes: Hide Me

Julia und das Everlove-Team

Playlist

Northern Attitude – Noah Kahan, Hozier

Too Sweet – Hozier

Homesick – Noah Kahan

Daylight – David Kushner

Witch Hunt – Rain City Drive

Night Channels – Foxing

I Wanna Be Yours – Arctic Monkeys

Love Is Blindness – Jack White

Walk This World With Me – The Home Team

New Perspective – Noah Kahan

Calcutta – Sleep Token

Everywhere, Everything – Noah Kahan

Hear You Me – Jimmy Eat World

1Brynn

HARD RESET

Ich gehöre nicht hierher.

Hinter dem zerklüfteten Bergpanorama verschmilzt die rosafarbene Dämmerung mit den sanften Orangetönen der aufsteigenden Sonne. Dünne Wolken ziehen am Himmel über dem Dach des schwarzen SUV vorbei, so tief, dass es aussieht, als könnten die Spitzen der dunklen Fichten und Tannen sie berühren.

In meinem Kopf dreht sich nur ein Gedanke wie in einem Karussell um sich selbst, immer und immer wieder.

Ich gehöre nicht hierher.

Marshall Leslie Andrews, die hinter dem Steuer sitzt, wendet sich mir zu. Sie ist eine dünne Frau in ihren späten Dreißigern, und obwohl die Sonne auf Kodiak im Sommer nie ganz untergeht, ist sie blass, mit ein paar hellen Sommersprossen auf den Wangen. »Wusstest du, dass Kodiak Island die zweitgrößte Insel der Vereinigten Staaten ist?«, versucht sie zum wiederholten Mal ein Gespräch zu beginnen. Ihr Lächeln ist freundlich, warmherzig und vertrauenswürdig. Als sie mich vom Flughafen in Kodiak, der gleichnamigen Hauptstadt der Insel, abgeholt hat, hat sie mir sofort das Du angeboten und behandelt mich seither, als wären wir alte Freundinnen.

Ihr muss klar sein, dass ich weiß, dass all das nur gespielt ist.

Mit kalten Klauen greift das Monster in meiner Brust nach meinem Herz, aber ich lächle und gebe mein Bestes, den Albtraum zu ignorieren, zu dem mein Leben geworden ist. »Ja.«

Immerhin ist es keine Lüge. Natürlich habe ich die Insel gegoogelt. Habe alles gegoogelt, gegoogelt, gegoogelt, bis mein Gehirn vor lauter Tourismus-Artikel, Forendiskussionen und Reddit-Einträgen beinahe aus den Nähten geplatzt wäre.

Antworten habe ich nicht gefunden.

Hey, Siri. Wie soll ich damit klarkommen, dass mir mein Job, meine Freunde, meine Identität, mein ganzes verdammtes Leben genommen wurde und ich von einem Tag auf den anderen ins Zeugenschutzprogramm muss?

Ich wünschte, es wäre ein Scherz.

Zeugenschutzprogramm.

Bis vor Kurzem kannte ich so etwas nur aus TV-Krimis. Jetzt ist es meine Realität.

Unter anderen Umständen könnte ich Leslie den Gefallen tun und die Schönheit ihrer malerischen Heimat auf der Insel im Süden Alaskas ausreichend würdigen, aber wenn ich aus dem Fenster starre, ist da nur Leere; Leere und eine nagende Prise Hoffnung, dass ich jeden Moment die Augen aufschlage, in meinem gemütlichen Bett in Washington D. C. erwache und nichts von alldem hier jemals echt gewesen ist.

Es ist, als würde ich einen Film ansehen; eine ästhetische Collage aus herzergreifend schönen Naturaufnahmen, und ich dazwischen wie ein schwarzer Fleck; ein Bildfehler.

Ich gehöre nicht hierher.

Nicht einmal freiwillig hätte ich jemals daran gedacht, in Alaska Urlaub zu machen. In meinen Venen fließt überteuerter Iced Coffee, und ich brauche die lebendige Geräuschkulisse der Großstadt, um abends einzuschlafen.

Bis vor einer Woche bestand mein Leben aus Brunch-Dates mit Mimosas, Pistaziencreme-Croissants und dem konstanten Summen der drei Hightechbildschirme, hinter denen ich den Großteil meines Tages als Softwareentwicklerin für das IT-Unternehmen Conway Tech verbracht habe.

Aber das ist Vergangenheit.

Brynn Callahan ist Vergangenheit.

Mein Name ist nun Blair.

Blair Gallagher.

Resigniert lasse ich den Kopf hängen. Eine dunkle Haarsträhne fällt mir ins Gesicht und kitzelt mich an der Nase. Ich presse die Finger fester um den warmen Pappbecher in meiner Hand.

Übersäuerter, bitterer Filterkaffee von der Tankstelle in Kodiak.

»Du hast das Richtige getan.«

Leslies Stimme reißt mich aus den Gedanken.

Blinzelnd hebe ich den Kopf, und meine Fahrerin wirft mir erneut einen schnellen Blick zu, ehe sie sich wieder auf die leere Landstraße vor uns konzentriert. »Es gibt schlimme Dinge auf dieser Welt. Schlimme Menschen. Und du hast dafür gesorgt, dass einer davon bald niemandem mehr wehtun kann.«

Schweigend beiße ich mir auf die Unterlippe und drehe mich wieder zum Seitenfenster, damit sie nicht sieht, wie sich meine Wangen rot verfärben.

Ich fühle mich nicht wie eine Heldin.

Im Gegenteil: Ich will einfach nur nach Hause.

Weder die Sitcoms noch die Podcasts, die ich auf dem Flug nach Alaska gebinged habe, konnten mir Trost spenden. Wie ein Damoklesschwert schwebt das Ausmaß meiner Situation über mir, kurz davor, auf mich herabzustürzen.

Ich wohne nicht mehr in meiner Wohnung, meiner Stadt, nicht einmal mehr in meinem Bundesstaat. Ich bin jetzt hier, am absoluten Arsch der Welt: in Alaska.

»Sieh mal.« Eines muss man Leslie lassen: Sie gibt sich wirklich Mühe, aufmunternd zu klingen.

Ich folge ihrer ausgestreckten Hand zu einem Schild am Straßenrand vor der Windschutzscheibe, gerade noch rechtzeitig, ehe wir daran vorbeisausen:

Willkommen in Echo Cove

Einwohner: 620

In Dupont Circle, dem Stadtteil von D. C., in dem ich bis letzte Woche gewohnt habe, leben allein etwa fünfzehntausend Menschen. Arsch der Welt ist eine Untertreibung.

»Echo Cove«, murmle ich, klemme mir den Kaffeebecher zwischen die Knie und ziehe meinen dunkelbraunen Pferdeschwanz fest. Während der Fahrt hat sich das Haargummi gelockert, und mein Zopf ist zu einer unvorteilhaften Pilgervater-Frisur in den Nacken gerutscht, doch vermutlich macht es keinen Unterschied mehr, wie ich aussehe.

»Es ist klein, aber wirklich süß, wenn man es näher kennenlernt«, verspricht Leslie, während an der Straße die ersten Häuschen an der rauen Küste erscheinen.

Echo Cove sieht aus, als wäre es einer Fernsehserie entsprungen. Kaum eines der Gebäude ist höher als zwei Stockwerke, und bei den meisten handelt es sich um Holzhäuser, die in unterschiedlichen Farben gestrichen und teils mit ebenso bunten Markisen ausgestattet sind. Kleine Farbkleckse, die aus der rauen Landschaft hervorstechen und dem winzigen Dorf einen beinahe tröstlichen Touch verleihen.

Leslie lächelt. »Ich weiß, es ist eine große Umstellung für dich. Das Kleinstadtleben hat allerdings auch Vorteile. Es gibt eigentlich nur zwei Straßen, die du dir einprägen musst. Die Main Road fahren wir gerade entlang. Hier findest du die wichtigsten Läden, wie den Supermarkt, die Bank, die Apotheke, das Postamt, die Polizeistation und die Schule, auch wenn die dich vermutlich weniger interessiert.« Sie deutet über die Dächer hinweg. »Dahinter liegt die Shore Road, die führt am Meer entlang. Dort gibt es Restaurants, Cafés, ein paar Bekleidungsgeschäfte und einen Friseursalon. Oh, und natürlich auch dein Haus.«

Zögerlich richte ich mich auf. »Mein Haus liegt am Meer?«

Fragend dreht sich Leslie zu mir. »Hat man dir das nicht erzählt?«

Ich schüttle den Kopf. Ein Haus am Meer? So was habe ich mir immer gewünscht. Nur definitiv nicht unter diesen Umständen.

Wir fahren die Main Road entlang, und ich versuche mir die Häuser und Läden einzuprägen, bis Leslie den Wagen in die deutlich ansehnlichere Shore Road lenkt.

Hinter den Häusern mit den bunten Fensterläden entlang der Hafenpromenade führt eine Kurve ins Landesinnere. Leslie biegt ab, und am Ende der Straße kommt ein Häuschen in Sicht.

Es ist hübsch. Zwei Stockwerke hoch, mit Solarpanelen auf dem Dach und einem kleinen Balkon am oberen Stockwerk. Die Fassade ist in einem dunklen Rot gestrichen, die Fensterläden aus naturbelassenem Holz. Eine flache Treppe führt zur Veranda, auf der eine Holzbank steht, die regelrecht dazu einlädt, es sich dort mit einer Tasse Kaffee und einem Roman gemütlich zu machen. Hinter dem Haus liegt eine kleine Hütte, und in der Einfahrt steht ein rotes Motorrad.

Ich halte inne.

Von einem Motorrad hat mir niemand etwas erzählt. Soll das etwa mein Fortbewegungsmittel auf der Insel werden? Ich kann nicht Motorrad fahren, und ich habe keine Lust, es zu lernen.

Scheiße.

Mein Atem wird schwerer, aber ich versuche, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich darf mir die Überforderung nicht ansehen lassen, nicht vor Leslie, die, nachdem sie mich abgesetzt hat, vermutlich einen Bericht über meinen Geisteszustand verfassen muss. Bestimmt würde sie …

»Verdammter Köter!«, entkommt es Leslie so scharf, dass ich zusammenzucke. Gleichzeitig rammt sie den Fuß auf die Bremse und reißt das Lenkrad herum. Panik flammt in mir auf, und ich klammere mich mit einem heiseren Japsen an der Tür des SUV fest. Mit rasendem Herz zwinge ich mich, tief einzuatmen, und als ich mich aufrichte, hämmert mein Puls in einem aufgeregten Tremolo gegen meine Schläfen.

Alles ist gut. Es war nur eine Vollbremsung.

Objektiv ist mir das bewusst, aber ich befinde mich seit Wochen im Fluchtmodus, und jede kleine Unregelmäßigkeit reicht aus, um meinen Körper unter Strom zu setzen.

Neben mir flucht Leslie leise und sieht aus dem Fenster. Nun erkenne auch ich den Übeltäter: Wolf, schreit mein Unterbewusstsein, auch wenn ich weiß, dass das Unfug ist. Es ist kein Wolf, sondern ein grauer Husky, soweit ich das beurteilen kann. Mit gespitzten Ohren und wedelndem Schwanz steht er auf der Straße und starrt uns entgegen.

Energisch lässt Leslie das Seitenfenster nach unten fahren. »Hey!«

Der Schwanz des Hundes wedelt schneller.

»Verdammter Flint«, murmelt Leslie halb zu sich selbst und presst die Finger um das Lenkrad.

Flint? Ist das der Name des Hundes?

»Hey!«, wiederholt sie, dieses Mal ein wenig ungehaltener. Im selben Moment öffnet sich die Tür des Häuschens.

Ich schlucke.

Der Mann, der aus dem Haus tritt, ist mindestens einen Kopf größer als ich – wahrscheinlich sogar mehr. Er hat gebräunte Haut, dunkle Haare und sieht mit seinen dunklen Bartstoppeln ein bisschen aus wie Henry Cavills verschollener jüngerer Holzfäller-Bruder. Als müsste er wirklich jedem Klischee entsprechen, trägt er sogar ein rot-schwarz kariertes Hemd und schwere Arbeitsstiefel.

Als er Leslies Wagen sieht, legt er die Stirn in Falten, schiebt sich Daumen und Zeigefinger zwischen die Lippen und stößt einen kurzen, schrillen Pfiff aus. Sofort spitzt der Hund die Ohren und kehrt mit resigniertem Blick zu seinem Herrchen zurück.

»Passen Sie auf, wo Ihr Hund hinläuft!« Leslie verzieht das Gesicht.

Ich kann nicht anders, als den Kerl anzustarren.

Langsam beginnen die Synapsen hinter meiner Stirn zu arbeiten. Er ist aus dem Haus gekommen. Bedeutet das etwa, dass ich einen Mitbewohner habe?

Vielleicht ein Bodyguard.

Ein erleichtertes Prickeln breitet sich in meiner Brust aus.

Jemand, der mich beschützen kann.

»Passen Sie lieber auf, wohin Sie fahren.« Am Straßenrand senkt der Hüne den Arm und krault den Hund, der an seine Seite zurückgekehrt ist, hinter den Ohren. »Das hier ist privat. Was haben Sie hier zu suchen?«

»Das geht Sie nichts an.« Leslie fährt das Fenster nach oben, doch es ist bereits zu spät – der stechende Blick des Mannes wandert von ihr zu mir.

Ein Schauer erfüllt mich.

Die alte Brynn hätte gelacht, gescherzt, sich vielleicht sogar mit einem kurzen Winken vorgestellt.

Blair weiß nicht, wie sie reagieren soll.

Regungslos starre ich ihn an und versuche die Situation zu verstehen, während Leslie losfährt und auf das Haus auf der anderen Straßenseite zuhält.

Natürlich. Der mürrische Hundebesitzer ist nicht mein Mitbewohner und schon gar nicht mein Bodyguard; ich wohne gegenüber.

Mein Herz sinkt mir in die Kniekehlen.

Die Fassade des Hauses muss vor vielen Jahren einmal weiß gewesen sein, aber die raue Meeresbrise hat dem Holz deutlich zugesetzt. Auch dieses Gebäude verfügt über eine Veranda, doch sie sieht aus, als wäre sie seit zehn Jahren nicht mehr geputzt worden, und die kleine Holzbank ist bestenfalls Futter für die Borkenkäfer. Der Garten ist völlig überwuchert, und die verdunkelten, staubigen Fenster erinnern mich an eine Geisterbahn.

»Ignorier ihn einfach.« Leslie parkt in der Einfahrt, stellt den Motor ab und öffnet die Tür. Ein kühler Windhauch schlägt mir den unverkennbaren Geruch von Fichte entgegen. Es war mein erster Eindruck von Alaska, als ich vor ein paar Stunden in Kodiak aus dem kleinen Flugzeug gestiegen bin: Alles riecht wie eine Mischung aus Wunder-Baum-Lufterfrischer und Insektenspray.

Ich klettere aus dem Wagen, und einen Augenblick lang befürchte ich, meine halb eingeschlafenen Beine würden nachgeben, doch ich kann mich im letzten Moment an der Autotür festhalten.

Leslie ist bereits damit beschäftigt, meine Koffer auszuladen, und ich drehe mich in Richtung Meer. Natürlich versperrt mir das rote Haus die Aussicht auf das Wasser. Was allerdings noch viel schlimmer ist: Sein griesgrämiger Bewohner steht noch immer am Zaun, und als ich ihn ansehe, hält er meinen Blick für die Dauer eines Herzschlags. Dann wendet er sich ab und verschwindet mitsamt Hund in sein Haus.

Ich lege mir die Arme um den Körper.

»Mach dir wegen ihm keinen Kopf.« Leslie hievt einen weiteren Koffer auf den erdigen Boden der Einfahrt.

Ich gehe ihr zur Hand. »Kennst du ihn?«

Einen Augenblick lang hält sie inne, als müsste sie ihre Worte mit Bedacht wählen. »Die meisten Leute hier gehen ihm aus dem Weg, und es wäre das Beste, wenn du das auch tun würdest.«

Wieder drehe ich mich zu dem roten Haus. »Wieso?«

»Archer Flint ist kein guter Mann«, erklärt Leslie knapp.

Archer Flint.

Das ist also sein Name.

»Ist er gefährlich?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Der Name Flint hat in Echo Cove Geschichte und Archer einen gewissen Ruf. Er hasst Menschen, vor allem Touristen. Wenn es nach ihm ginge, würde er ganz allein auf Kodiak Island leben. Er und seine Bären.«

Ich bin eigentlich zu müde, um ihr alles aus der Nase zu ziehen, doch als Leslie keine weitere Information anbietet, frage ich schließlich doch nach. »Bären …?«

»Flint ist Ranger im Kodiak National Wildlife Refuge, dem Schutzgebiet, an dem wir auf dem Weg hierher vorbeigefahren sind.«

»Ah …« Bei meiner Google-Recherche bin ich auf das Schutzgebiet gestoßen, denn es macht einen Großteil der Insel aus. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass ich den Unterschied zwischen dem Wildlife Refuge und dem Rest der Insel mit bloßem Auge erkannt habe. »Also ist er so eine Art Tierschützer?«

»Kann man so sagen. Er mag Tiere lieber als Menschen.« Sie lacht. »Ich weiß, es gibt viele Leute, die so was sagen. Und ich verstehe es ja auch. Manchmal sind Tiere besser als Menschen, versteh mich nicht falsch, es gibt wirklich üble Typen auf der Welt. Aber bei Flint … Nun, bei ihm ist es wirklich ernst gemeint. Wenn du kein Bär bist, hast du bei ihm keine Chance.«

Sie zieht einen schlichten Schlüsselbund aus der Tasche, geht die kleine Holztreppe der Veranda empor und entriegelt die Eingangstür. »Die meisten Menschen in Echo Cove gehen ihm aus dem Weg, und dir empfehle ich, das ebenfalls zu tun.«

Ich halte an der Haustür inne und drehe mich ein letztes Mal zu dem roten Haus. Die alte Brynn hätte bestimmt nichts gegen einen Flirt mit einem gut aussehenden, wenn auch mürrischen Ranger gehabt.

Blair möchte sich am liebsten unter einer Decke verkriechen und hofft, diesen seltsamen Mann nie wiederzusehen.

»So, dann wollen wir mal.« Leslie tritt einen Schritt nach hinten und bedeutet mir mit einer Geste, mein neues Zuhause zu betreten. »Willkommen im Cottage, Blair Gallagher. Hier bist du in Sicherheit.«

2Brynn

HOME SWEET HOME

Das Positive zuerst: Es gibt im Cottage alle wichtigen Dinge, die man zum Leben braucht. Ein Dach über dem Kopf. Fließendes Wasser. Glühbirnen. Ein Bett. Eine funktionierende Küche. Eine Haustür, die man verschließen kann. Verdunklungsvorhänge an allen Fenstern, denn die sind nötig, wenn man an einem Ort, an dem die Sonne nicht untergeht, schlafen will.

Es gibt auch hier zwei Stockwerke: Unten befinden sich Küche und Wohnzimmer, oben Schlafzimmer und Bad. Vor einem Jahrhundert wäre das kleine Häuschen an der Shore Road bestimmt sogar luxuriös gewesen.

»Der Strom kommt aus dem Generator im Garten«, erklärt Leslie und deutet aus dem verstaubten Fenster zu einem kleinen grünen Kasten hinter dem Haus. »Wenn du damit Probleme hast, rufst du Ralph an. Er ist der Elektrotechniker der Stadt, seine Nummer steht auf der Liste neben dem Telefon. Auf keinen Fall selbst darangehen, das Ding hat schon einige Jahre auf dem Buckel, und ich hab keine Lust, deine verkohlten Überreste aus dem Garten zu bergen.«

Früher hätte ich vielleicht über ihre Aussage gelacht, aber gerade kann ich nichts daran witzig finden. Das entgeht auch Leslie nicht. »Tut mir leid. Schlechter Scherz.«

Ich schüttle den Kopf. »Schon okay, ich habe verstanden. Keine Alleingänge. Hoffen wir einfach mal, dass es keine Probleme gibt.«

Leslies Gesichtsausdruck verrät, dass sie dieses Szenario für äußerst unwahrscheinlich hält.

»Und wenn doch, rufe ich Ralph an.« Ich löse mich vom Küchenfenster und drehe den Wasserhahn auf. Einen Moment lang tropft bloß eine braune Plörre aus der Leitung, dann, nach einer Weile, wird das Wasser sauber. Ein starker Schwimmbad-Geruch steigt mir in die Nase, und ich verziehe das Gesicht.

»Trinkwasser ist in Kanistern unter der Spüle«, erklärt Leslie, ehe ich die Situation kommentieren kann. »Oder du kochst das Leitungswasser einfach ab. Im Regal müsste außerdem eine Brita-Filterkanne sein.«

Ich zeige mit dem Daumen nach oben, weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll. Mit einem Schlag vermisse ich meine helle, saubere Wohnung in D. C. so sehr, dass es wehtut. Meine cremefarbene Couch, meine pastellfarbenen Le Creuset-Kochtöpfe, die ich mir zur Feier des Tages geleistet habe, als die Zusage von Conway Tech ins Haus geflattert kam, meine Zierkissen und meine Duftkerzen. Aber allem voran vermisse ich die Sicherheit, die ich so lange für selbstverständlich gehalten habe. Das Gefühl, nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause zu kommen und in seiner eigenen kleinen, gemütlichen Bubble zu sein.

Nun, diese Blase ist geplatzt. Als ich direkt nach meinem Bachelorabschluss eine Stelle in einem der größten Techunternehmen Nordamerikas bekommen habe, dachte ich, ich hätte ausgesorgt. Ich hatte keine Ahnung, dass es der Anfang vom Ende war.

»Und hier …« Leslie öffnet einen Schrank und deutet auf etwas, das auf den ersten Blick nach einem altmodischen Staubsauger aussieht. »Hier haben wir den Boiler. Er fasst dreizehn Gallonen, also musst du ein wenig sparsam damit umgehen.« Leslie betätigt einen Schalter, und das Monstrum setzt sich mit einem bedrohlichen Brummen in Betrieb. »Er braucht in etwa eine Stunde, bis er sich aufgewärmt hat, dann kannst du das Wasser zum Duschen verwenden. Aber warte nicht zu lang, sonst wird es wieder kalt.«

Im Fernsehen sah das Kleinstadtleben viel idyllischer aus. »Und wie lang kann man damit duschen?«

»Och«, meint Leslie und winkt ab. »Locker fünf Minuten, vielleicht sogar sieben.«

»Ah.« Meine Stimme bricht, und ich räuspere mich, um meinen Schock zu verbergen.

»Ich dusche morgens immer kalt.« Leslie schließt den Boiler-Schrank wieder und dreht sich zu mir. »Das ist gut für das Immunsystem und weckt einen zuverlässiger als jeder Kaffee!«

Kalte Duschen statt Iced Macadamia Milk Caramel Latte? Die Gilmore Girls haben mir wirklich eine falsche Vorstellung vom Kleinstadtleben vermittelt.

Ich will nach Hause.

»Ach, und nicht vergessen. Der Müll muss immer in die verschlossenen Tonnen vor dem Haus.« Leslie schlägt den Weg zurück in den engen Flur ein, und ich folge ihr verloren, denn ich habe keine Ahnung, was ich sonst tun soll. Sie ist gerade mein einziger Anker zwischen der Realität und dem Albtraum, der immer mehr von meinem Leben verschlingt.

»Auf keinen Fall die Müllsäcke vor dem Haus abstellen«, fährt sie fort. »Das lockt die Bären an.«

Ein heiseres Lachen bricht aus meiner Kehle. »Bären. Ja klar. Die Bären.« Schluckend sehe ich zum Fenster. »Die kommen bis in die Stadt?«

Leslie zuckt unbeeindruckt mit den Schultern. »Nicht häufig. Es kommt nur ab und zu vor, vor allem wenn sie Hunger haben. Keine Angst, das ist in der Regel erst in ein paar Monaten der Fall, wenn sich der Herbst dem Ende zuneigt und sich die Tiere auf den Winterschlaf vorbereiten.«

Falls Leslies Worte beruhigend gemeint waren, verfehlen sie ihre Wirkung. Ich schlucke. »Gut, dann werde ich wohl ohnehin nicht mehr hier sein.«

Leslie hält inne – es ist nur ein winzig kleiner Moment, doch als sie ihren Blick senkt, zieht sich mein Magen zusammen. »Jedenfalls«, wechselt sie wenig elegant das Thema und deutet auf das Festnetztelefon, das auf einem kleinen Beistelltisch aus Holz steht. »Ich weiß, dass du ein neues Handy bekommen hast, aber der Empfang hier ist miserabel, und im Zweifelsfall ist die Festnetzleitung oft die beste Möglichkeit, jemanden zu erreichen.« Sie zeigt auf ein kleines gelbes Notizheft neben dem Gerät. »Da stehen alle wichtigen Nummern drin. Auch meine. Wenn etwas ist, kannst du dich jederzeit melden. Und wenn es Probleme gibt und du mich nicht erreichen kannst, wende dich am besten an Matthew Wells, das ist der Chief of Police von Echo Cove. Er ist zwar nicht eingeweiht, aber im Notfall sollte dich selbst ein Provinzpolizist mit den U. S. Marshalls verbinden können, und wir sind für deine Betreuung zuständig. Ich habe dir seine Nummer unterstrichen. Du weißt, wie das Telefon funktioniert?«

Ich nicke. Das Festnetztelefon weckt eine seltsame Nostalgie in mir. Ich habe so ein Ding zuletzt gesehen, als mein Bruder Finnegan und ich das Haus, in dem uns unsere Grandma großgezogen hat, nach ihrem Tod verkauft haben. Es ist ein Relikt aus einer anderen Zeit und fühlt sich mit seinem altmodischen Flair beinahe vertraut an. Nach Familie. Oder zumindest nach meiner Definition davon.

»Danke.« Mit einem Räuspern vertreibe ich den Gedanken. »Und das Internet läuft über denselben Anschluss?«

Leslie sieht mich verständnislos an. »Oh. Nein, so was gibt es hier nicht.«

»Was?«

»Internet ist hier nicht installiert.« Sie lacht, als würde sie die Vorstellung absurd finden. »Wenn du so was möchtest, dann musst du dich mal in der Stadt umsehen. Neben dem Post Office ist ein kleiner Laden, in dem es SIM-Karten und so einen Kram gibt, ich glaube, da können sie dir weiterhelfen.«

Mein Hals zieht sich zusammen. Es ist nur eine verdammte Kleinigkeit, aber die Vorstellung, hier ohne Internet festzusitzen, ist der letzte Tropfen, der das Fass in mir zum Überlaufen bringt. Vielleicht ist es lächerlich, vielleicht bin ich ein verwöhntes Großstadtmädchen, doch meine Netflixserien und Podcasts, die Youtube-Kanäle, die ich abonniert habe, und die Zeitschriften, die ich gern lese, sind der einzige Funke Normalität, der mir geblieben ist. »Okay.« Ich zwinge mich zu einem höflichen Lächeln. »Werde ich machen. Danke.«

Sorge schleicht sich in Leslies Miene. »Alles in Ordnung?«

Nein. Absolut nichts ist in Ordnung. Ein Teil von mir will sich an ihr Bein klammern und sie anflehen, mich hier nicht alleinzulassen. »Wunderbärchen«, presse ich hervor und würde mir am liebsten auf die Zunge beißen. Wunderbärchen? Wer sagt so was? Ich muss sofort wieder an die hungrigen Bären im Wald denken.

Ich will hier weg.

Bitte lass mich nicht allein.

»Wunderbärchen«, wiederholt Leslie fasziniert. »Süß. Das muss ich mir merken.« Sie schmunzelt. »Na komm, ich zeige dir noch dein Auto, und dann sind wir hier erst mal fertig.«

Eine Welle der Erleichterung bricht durch mein Gedankenchaos. »Ich habe ein Auto?«

Sie lacht. »Klar. Hier ist man ohne Fahrzeug wirklich aufgeschmissen. Komm mit.«

Mit weichen Knien folge ich ihr zurück nach draußen, wo mich Leslie geradewegs hinters Haus führt. Dort steht er, unter einer halbherzigen Überdachung: Ein Subaru Pick-up mit ausgebleichtem senffarbenem Lack, der aussieht, als wäre er geradewegs aus den Achtzigern hierhergebeamt worden.

Obwohl ich noch nie ein derartig hässliches Auto gesehen habe, würde ich Leslie am liebsten um den Hals fallen.

Ein kleines bisschen Freiheit. Ein kleines bisschen Kontrolle in einer Welt, in der ich sogar meinen eigenen Namen verloren habe.

»Hier, bitte schön.« Leslie drückt mir den Schlüssel in die Hand. »An der Tankstelle sind wir vorhin vorbeigefahren, sie ist weiter die Main Road rauf.«

Ich nicke. »Ich erinnere mich.«

»Ach.« Sie macht wieder kehrt und steuert auf ihren eigenen Wagen zu. »Und du kommst damit natürlich zum Honeycomb.«

Sie spricht den Namen aus, als müsste er mir etwas sagen. Vielleicht hat sie ihn auch schon erwähnt – mein scharfer Verstand war immer mein bestes Feature, aber seit ein paar Tagen ist mein Gedächtnis wie ein Sieb: Neue Informationen rutschen geradewegs hindurch. »Was war das noch mal?«

Leslie legt den Kopf schief. »Hat dir Marshall Stevens nichts gesagt? Das Honeycomb ist ein Café am Hafen und deine neue Arbeitsstelle. Nun, zumindest an den Wochenenden.«

»Oh.« Mit eiskalten Fingern richte ich meinen Pferdeschwanz. »Doch, ja, ich erinnere mich.« Von der Softwareentwicklerin in einem der renommiertesten Techunternehmen Nordamerikas zur Aushilfe im Kleinstadtcafé.

Leslie kramt ihren Autoschlüssel aus ihrer Jacke. »Mach dir keine Sorgen, es ist ein einfacher Job, hier ist kaum was los.«

Zögernd nicke ich. Das ist nicht das Problem. »Ich habe in meiner Studienzeit nebenbei in einem Coffeeshop gejobbt. Ich werde das schon hinkriegen.«

Mit einem warmen Schmunzeln wendet sich Leslie dem Auto zu. »Ich weiß, du bist gut mit Computern, aber so was gibt es hier einfach nicht. Es ist wichtig, dass deine Tarnung glaubwürdig ist. Deshalb bist du ab jetzt Blair, die Geologie-Studentin, die hier für ihre Masterarbeit Gesteinsvorkommen untersucht und am Wochenende im Honeycomb jobbt. Dadurch verdienst du nicht nur Geld, das dir zur freien Verfügung steht, du hast auch eine Gelegenheit, dich den Einwohnern vorzustellen und dich in die Gesellschaft einzugliedern. Vielleicht findest du ja auch ein paar neue Freunde.«

Ich schlucke meine Antwort, ehe ich sie aussprechen kann. Was helfen mir Freunde, wenn ich sowieso nicht ehrlich mit ihnen sein darf? Wenn ich sie in ein paar Wochen wohl oder übel wieder verlassen muss und sie meinen echten Namen nie erfahren werden? »Klar.« Das Lächeln kostet mich Überwindung. »Klingt gut.«

»Wunderbar.« Leslie zwinkert. »Ich meine: wunderbärchen.«

O nein, hoffentlich denkt sie nicht, das wäre wirklich etwas, das man sagt. Das ich sage.

»Na gut.« Sie wirft einen Blick auf die Uhr. »Ich muss mich wieder auf den Weg nach Kodiak machen. Halt die Ohren steif. Ich melde mich in einer Woche bei dir und werde dich zu den Entwicklungen im Prozess updaten.«

Sie steigt in den Wagen und sieht durch die offene Tür noch einmal zu mir. »Ach, und du kennst die Regeln, oder? Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass du dich von allem fernhältst, was mit dem Fall zu tun hat. Keine Gespräche darüber, keine Internetsuchen, am besten nicht mal Zeitungsartikel lesen. Vergiss einfach, dass Dane Conway jemals existiert hat.«

Sein Name schießt wie ein Blitz durch meinen Körper und hinterlässt eine Welle der Verwüstung.

Ich öffne den Mund, möchte ihr zustimmen, aber die Lüge will nicht über meine Lippen kommen. Nie im Leben werde ich Dane Conway vergessen. Nie im Leben werde ich auch nur eine Sekunde aufhören, darüber nachzudenken, was er getan hat.

Was er mir genommen hat.

Leslie schließt die Autotür, lässt das Fenster allerdings noch einmal hinunter und beugt sich zu mir. »Nimm es positiv: Hier kann man wunderbar die Natur genießen, lesen, spazieren gehen, fotografieren und so weiter. Du findest bestimmt einen guten Zeitvertreib. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, hast du meine Nummer. Ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst. Ansonsten hören wir uns nächsten Sonntag.«

Ich lächle, doch die Panik kocht in mir hoch. Auf einmal bin ich wieder das kleine Mädchen, das nicht im Kindergarten zurückgelassen werden will und nach seiner Grandma schreit.

Nein, will ich rufen. Das ist falsch. Lass mich nicht zurück, ich gehöre nicht hierher!

Der Motor ertönt.

Wie zu Eis erstarrt, verharre ich in meiner Position, bis Leslies Wagen hinter der Kurve am Ende der Straße verschwunden ist.

Ich bin allein.

Dreitausendfünfhundert Meilen zwischen mir und meiner Heimat.

Dreitausendfünfhundert Meilen zwischen mir und dem Mann, der mich töten will.

3Brynn

ALASKA GIRL SUMMER

Stille in Alaska ist anders als Stille in D. C.

Selbst wenn ich spätnachts zu Hause die Augen schließe, gibt es immer etwas zu hören: Autos, das Summen von elektronischen Geräten, das Brummen von Flugzeugen oder die Gesprächsfetzen meiner ständig streitenden Nachbarn.

Hier ist es einfach still.

Kein Summen.

Kein Brummen.

Nur alles verschlingende, ohrenbetäubende Stille.

Seit ich zurück im Haus bin, bin ich ständig in Bewegung, nur um meine Schritte auf den morschen Holzdielen zu hören.

Ziellos irre ich von einem Raum in den anderen, unfähig zu verstehen, dass ich wirklich hier bin.

Seit Wochen war alles temporär; ich wurde von A nach B gebracht, von B nach C und so weiter, durch das ganze Alphabet. Ich war in Polizeistationen, Gerichtssälen, Anwaltskanzleien und Hotels. Durfte meine Freunde nicht mehr sehen, meinen Bruder Finn nicht mehr anrufen und mich nicht einmal verabschieden. Ich habe mich in Flughafenwaschräumen geschminkt, einen neuen Pass bekommen, wurde gebrieft und vorbereitet, alles für diesen Moment.

Und er fühlt sich so verdammt unbedeutend an.

Alles an diesem Haus ist fremd. Die Einrichtung ist altmodisch, und es riecht – wie erwartet – stark nach Insektenspray und alten Holzmöbeln. Es ist nicht einmal dieser frische, würzige Waldgeruch, sondern abgestandene Luft und alte Erinnerungen, die nicht mir gehören.

Weder Leslie noch Alexander Stevens, der Marshall in D. C., haben mir erzählt, was für ein Haus das Cottage überhaupt ist. Gehört es den U. S. Marshalls, oder wurde es einfach angemietet? Wessen Möbel sind das, und seit wann stehen sie hier?

In den Regalen hat sich teilweise eine dicke Staubschicht angesammelt, und der braungrüne Stoff des Sofas ist verblasst. Die Dielen sind von unzähligen Schritten in schweren Schuhen gezeichnet, an den Wänden befindet sich allerlei Tand, der gleichzeitig altmodisch und aussagelos wirkt: der Print eines Bergpanoramas, auf dem ALASKA steht, hölzerne Elchfiguren, alte Lampen und ein paar Pflanzen, die sich bei näherer Inspektion als verstaubte Plastikteile herausstellen. Es gibt leere Boxen und Kisten, ein Puzzle mit Wasserfall-Motiv und leere Vasen – nichts, was auf eine Persönlichkeit des Vorbesitzers hindeuten würde. In der Küche sind Geschirr und Tassen, eine Mikrowelle, ein Wasserkocher und ein kleiner Gasherd.

Es ist in Ordnung.

Das Haus ist mir so fremd, als wäre ich ein Glitch in der Matrix dieses Gebäudes, aber es ist in Ordnung. Es muss in Ordnung sein. Eine andere Option gibt es nicht.

Vor dem Spülbecken fahre ich mir übers Gesicht, doch Bilder schießen mir in den Kopf, und ich zwinge mich, tief einzuatmen und die Erinnerungen abzuschütteln.

Ich kann diese verdammte Stille nicht ertragen.

Intuitiv greife ich nach meiner Hosentasche, um mein Handy hervorzuziehen, doch statt meines schmalen iPhones bekomme ich nur das klobige Ersatzhandy zu fassen, das ich von Marshall Stevens bekommen habe.

Es ist nur eine Kleinigkeit, ein lächerliches, winziges Detail, doch mir steigen die Tränen in die Augen. Ich will mein Handy zurück, will die mit Zitronen verzierte Schutzhülle und mein Hintergrundbild mit einem pastellfarbenen Abendhimmel, auf dem mit weißer Schrift Hot Girl Summer steht. Ich will meine Whatsapp-Chats und meine Spotify-Playlisten, aber ich kann hier nicht einmal Musik anmachen, da auf dem Handy keine Lieder gespeichert sind und ich mich auch nicht in meine alten Accounts einloggen darf, damit niemand meine IP-Adresse zurückverfolgen kann.

Ich bin mit dem Leben davongekommen, doch er hat mir alles andere genommen, was mich ausgemacht hat. Brynn Callahan existiert nicht mehr – von heute auf morgen ausgelöscht.

Ich bin nie so gewesen.

Hoffnungslos.

Ausgeliefert.

Schwach.

Ich war eine Kämpferin, eine Person, die immer einen Plan B hat, die immer eine Lösung findet.

Bis ich es nicht mehr tat.

Kein Ausweg, keine Alternativen. Kein Trouble Shooting und Problem Solving.

Alles, wofür ich so hart gearbeitet habe, ist ein einziger großer Scherbenhaufen.

Kein Weg nach vorn, kein Weg zurück. Ich erkenne die Frau nicht mehr, die mir aus dem Spiegel entgegenblickt. Nicht, weil ich Blair Gallagher sein muss, sondern weil ich verloren habe, was mich ausmacht, wer ich bin.

Ich reibe mir die Augen, bis ich Sternchen sehe. Zu viel Ruhe hat mir noch nie gutgetan. Und obwohl sich ein Teil von mir am liebsten einfach im Bett verkriechen würde, weiß ich, dass ich etwas anderes brauche – ich brauche ein Ziel. Etwas, das mich beschäftigt, bis mein Gedankensturm vorüber ist.

***

Das sanfte Rauschen der Wellen ist Balsam für meine Seele.

Meine Nerven sind zu aufgewühlt, und ich bin ohnehin keine besonders gute Autofahrerin, also habe ich mich entschieden, Echo Cove zu Fuß zu erkunden.

Hinter der Kurve der Shore Road zurück am Meer führt ein hölzerner Boardwalk das Ufer entlang zu einem kleinen Hafen, an dem eine ausgebleichte USA-Flagge in der Meeresbrise flattert. Ein paar Boote sind am Pier vertäut, andere treiben auf dem offenen Wasser, allerdings so weit weg, dass sie wie Spielzeuge aussehen.

Am Himmel weicht die Morgendämmerung einem sanften cremefarbenen Weiß, doch ein dünnes Nebelfeld liegt über dem rauen Meer, und eine frische Brise lässt mich meine Jeansjacke ein wenig enger ziehen.

Als ich vom Washington Dulles International Airport losgeflogen bin, stand das Thermometer bei knapp neunzig Grad Fahrenheit – hier können es maximal fünfundsechzig sein.

So viel zu meinem Hot Girl Summer.

Der Wind lässt meine Haare flattern. Als ich nach meinem Zopf greife, um ihn festzuziehen, entdecke ich das erste Gesicht – ein etwa fünfzigjähriger Mann, der in einem blau gestrichenen Haus, das meinem in der Bauart ziemlich ähnlich sieht, am Fenster steht und mich beobachtet.

Ein kühler Schauer schießt durch meine Eingeweide, und ich zwinge mich, den Blick abzuwenden.

Es ist einfach nur ein Stadtbewohner, erinnere ich mich in Gedanken. Niemand hier weiß, wer ich bin; die Leute sehen wohl nur selten neue Gesichter in ihrer Stadt. Dabei bin ich nicht einmal besonders auffällig gekleidet: dunkle Leggins, weiße Sneakers und ein weites, graues T-Shirt unter der Jacke, das meine Kurven so gut wie vollständig verschlingt. In Echo Cove sorge ich damit dennoch für Aufmerksamkeit: Ein älteres Pärchen tuschelt, als es an mir vorbeigeht, ein Fischer glotzt mir ein wenig zu lange und zu intensiv hinterher, und ein Radfahrer gerät bei meinem Anblick beinahe auf Kollisionskurs mit einem Laternenpfahl, ehe er in einer großen Kurve zurück auf die Straße schlingert.

Das Gefühl des Beobachtetwerdens verfolgt mich auf jedem Schritt. Es ist das Gegenteil von Washington D. C., wo ich nicht einmal die Nachbarn in meinem Apartmentkomplex kannte. Dort hätte ich in einem bunten Pfauenkostüm auf die Straße gehen können, und mich hätten weniger Leute angestarrt als hier. Wieso, zur Hölle, musste sich Marshall Stevens ausgerechnet eine Kleinstadt für mich aussuchen?

Immerhin hat Leslie recht: Auf der Shore Road ist es einfach, sich zurechtzufinden.

Ich spaziere vorbei an einem Restaurant namens The Jolly Herring, das ausschließlich Fischgerichte anbietet, einer Kleiderboutique, deren Schaufenster aus Regenstiefeln und Latzhosen besteht, einem Friseursalon und einer kleinen weiß-blauen Kirche mit einem Türmchen, in dem eine goldene Glocke befestigt ist. Nur von dem Post Office fehlt bislang jede Spur.

Ich ziehe mein Handy aus der Jacke. Obwohl ich nur einen Strich Empfang habe, öffne ich Google Maps und versuche, die Karte von Echo Cove aufzurufen. Das Display wird weiß – und bleibt auch so.

»Ist ja wieder typisch«, murmelt es neben mir.

Sofort schaltet sich mein Körper in Alarmmodus: Mein Herz macht einen abrupten Sprung, mein Magen zieht sich krampfartig zusammen und das Blut rauscht in meinen Ohren. Doch es ist nur eine kleine ältere Frau mit einer vollen Einkaufstüte, zwei langen, dünnen Zöpfen und strähnigen Stirnfransen, die leicht gebeugt hinter mir steht und mich mit einem bitterbösen Blick mustert. Der vage Geruch von Deet-Insektenspray steigt mir in die Nase.

»Entschuldigung?« Unsicher trete ich einen Schritt zur Seite, jedoch macht sie keine Anstalten, an mir vorbeizugehen.

»Typisch Touristen. Kommen hierher, an den schönsten Ort der Welt, und kleben sofort wieder an ihren kleinen Bildschirmen.«

Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. »Ähm, ich suche nur …« Ich atme tief ein. Ich komme aus der Großstadt. Leute wie sie trifft man dort täglich an jeder U-Bahn-Station, also werde ich mich bestimmt nicht einschüchtern lassen. »Ich suche das Post Office. Können Sie mir sagen, in welche Richtung ich muss?«

»Und was wollen Sie da?« Sie kneift die Augen noch enger zusammen.

Wenn ich ihr den wahren Grund sage, wird das bestimmt nicht gut für mich ausgehen.

»Hah!« Sie zeigt mit einem verkrümmten Finger auf mich. »Wusste ich’s doch! Sie sind wegen den Bären hier, nicht wahr? Aber ich sage Ihnen etwas, wenn Sie nicht …«

»Marnie.« Eine angenehm weiche Männerstimme unterbricht ihre Tirade. Ich hebe den Kopf, und ohne dass ich es bewusst möchte, landet mein erster Gedanke bei meinem Nachbarn. Allerdings ist es nicht das grimmige Gesicht des Rangers, das mir entgegensieht.

Der Mann, der hinter der Frau – Marnie – auf dem Boardwalk gehalten hat, ist das komplette Gegenteil von Archer Flint. Attraktiv ist er dennoch, wenn auch auf eine völlig andere Art: Er trägt eine schwarze Polizeiuniform, seine hellbraunen Haare sind ordentlich zurückgekämmt und sein Kinn glatt rasiert. An seiner linken Augenbraue zeugt eine blasse Narbe von einer alten Verletzung, und sein Körper ist breit, die Art von Muskeln, die man durch harte Arbeit bekommt.

Als sich unsere Blicke treffen, erhellen sich seine grauen Augen.

»Matty, Gott sei Dank bist du da!«, japst Marnie, ehe ich etwas sagen kann. »Diese, diese Touristin ist hier, um die Bären …«

»Schon gut, schon gut«, unterbricht er sie in einem milden Tonfall. »Wie wäre es, wenn du erst mal deine Einkäufe nach Hause bringst? Ich kümmere mich um die Angelegenheit.«

Marnie seufzt erleichtert, wirft mir einen letzten, strafenden Blick zu und drückt sich mit ihrer Einkaufstüte an mir vorbei.

»Mach dir keinen Kopf.« Grinsend sieht mein Retter ihr nach und dreht sich dann wieder zu mir. »Unsere Marnie ist einfach um die Nachbarschaft besorgt.«

»Danke.« Vorsichtig streiche ich mir eine Strähne hinters Ohr. »Ich versichere Ihnen, dass ich nicht hier bin, um Bären zu stehlen.«

»Würde ich dir auch nicht raten. Die sind äußerst schwer und unhandlich, und die meisten Airlines erlauben sie nicht im Handgepäck.« Neugierig sieht er mir in die Augen und hält mir die Hand hin. »Matthew Wells, die meisten hier nennen mich allerdings einfach Matt.«

Das ist nicht wahr. Die Frau hat ihn Matty genannt. Dennoch klingelt etwas bei mir. »Sie sind der Chief of Police?«

»Stets zu Diensten.«

»Sie sehen sehr jung für einen Chief aus, Mr Wells.«

Er winkt ab. »O bitte, spar dir die Förmlichkeiten, wir sind hier in Alaska. Aber ja, ich habe das Amt erst letztes Jahr von meinem Dad übernommen.«

»Ah.« Ich nicke. »Verstehe.« Eigentlich nicht ganz. Der Job eines Chiefs ist da, wo ich herkomme, keine Frage der Erbfolge, doch hier in Echo Cove laufen die Dinge vermutlich anders. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es in diesem Ort eine besonders hohe Kriminalitätsrate gibt.

Matthew mustert mich neugierig. »Und wenn du nicht hier bist, um Bären zu klauen, was treibt dich dann auf unsere schöne Insel?«

Ich zögere. Anfängerfehler; während seine Frage zunächst einfach nur Small Talk war, leuchtet jetzt wahres Interesse in seinen grauen Augen auf.

Wie erleichternd wäre es, ihm einfach die Wahrheit zu sagen?

Mein Name ist Brynn Callahan, und ich bin im Zeugenschutzprogramm.

Ich schlucke das Geständnis hinunter. Niemand darf die Wahrheit wissen, nicht einmal der Chief. Brynn existiert nicht mehr.

»Ich bin Blair.« Ich ergreife seine Hand. Der falsche Name brennt auf meiner Zunge, und am liebsten hätte ich mir den Mund mit Listerine ausgespült. Doch Matthew erwidert die Geste mit einem festen Händedruck, und ich fahre fort. »Blair Gallagher. Ich bin hier, weil ich für meine Masterarbeit Feldforschung betreibe, und ich jobbe im Café.« Die Worte klingen falsch und steif. Ich bin mir sicher, dass jeder sie sofort als Lüge enttarnen muss, allerdings scheint Matthew nichts zu bemerken. »Eine Naturwissenschaftlerin?«

Ich nicke. »Geologie. Ich bin hier, um die Felsstruktur der Klippen zu erforschen.«

»Oh.« Er hebt die Brauen. »Das klingt … spannend.«

Ich habe nichts dagegen vorzubringen. Hätte man mir nicht wenigstens eine Tarnung geben können, mit der ich mich auskenne? »So was ist wirklich wichtig«, presse ich schließlich hervor.

Matthew runzelt die Stirn. »Hm. Ja gut, kann sein. Es gibt hier ja einige Minenschächte, also gab’s hier wohl früher richtig was zu holen. Vor einigen Jahren ist mal einer eingestürzt, das war ein ziemliches Aufsehen. Aber das weißt du bestimmt bereits.«

Ich nicke, obwohl ich zum ersten Mal davon höre. Ich will nicht über Felsen reden. Will keine Konversationen führen müssen, die von vorn bis hinten auf Lügen basieren.

Als ich nicht antworte, fährt Matthew fort. »Na dann, Blair. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich jederzeit für dich da. Die Klippen liegen im Schutzgebiet, da muss man vorsichtig sein.« Etwas huscht über sein Gesicht; ein kurzer Schatten, den ich nicht recht einordnen kann. Dann seufzt er, atmet einmal tief durch und zuckt mit den Schultern. »Also, du suchst das Post Office?«

»Genau genommen eigentlich den Elektronikladen. Ich brauche unbedingt Internetzugang in meinem Haus. Für meine Forschung.«

»Ah. Wo wohnst du?«

»Am Ende der Shore Road.« Ich deute in die Richtung, aus der ich gekommen bin.

Matthews linke Braue, die mit der Narbe, wandert nach oben. »Doch nicht etwa im Cottage gegenüber dem Flint-Haus?«

»Doch, genau da.« Warum fühlt es sich an wie ein Geständnis? »Wieso?«

Matthew winkt ab. »Ach, nichts, bloß, deinem Nachbarn würde ich lieber aus dem Weg gehen. Der ist gefährlicher als die Bären.«

Ein Kribbeln wandert über meine Kopfhaut, und meine Brust wird eng.

»Gefährlich?«

Matthew zögert kurz, schüttelt dann jedoch den Kopf. »Ach, zerbrich dir deshalb nicht den Kopf. Wenn du ihm aus dem Weg gehst, ist alles gut.« Er zieht einen kleinen Notizblock mit einem Kugelschreiber aus der Jacke seiner schwarzen Uniform und kritzelt etwas darauf. »Ich gebe dir meine Nummer; wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit anrufen.«

Zögernd starre ich auf den Block. »Danke, ich habe deine Nummer schon von meinem …« Fuck. »Hab sie schon rausgefunden.«

Fragend sieht er mich an. »Meine Privatnummer?«

Flirtet er mit mir? »Nein, die berufliche.«

Er reißt den Zettel ab und streckt ihn mir entgegen. »Unter dieser Nummer bin ich besser erreichbar.«

Ich habe nicht vor, ihn anzurufen, aber da er nicht lockerlässt, nehme ich das Blatt zögerlich entgegen. Erst als es in meine Jackentasche wandert, wirkt Matthew zufrieden.

»Na gut. Dann bringe ich dich mal besser zu Lazlo. Der kann sich um dein Internet kümmern.«

4Brynn

NORTHERN ATTITUDE

Matthew Wells ist kein Mann, der ein Nein akzeptiert. Schließlich gebe ich einfach auf und lasse mich von ihm zum Elektronikladen begleiten, vor dem er glücklicherweise einen Anruf von seiner Kollegin erhält und sich verabschiedet.

Der Ladenbesitzer Lazlo, ein freundlicher, hagerer Mann Ende fünfzig mit grau durchwachsenem Schnurrbart, verkauft mir alle nötigen Geräte, die ich brauche, um in meinem neuen Zuhause Internet zu empfangen.

Allerdings gibt es dabei ein kleines Problem – gutes Internet gibt es in Echo Cove nämlich nur über Satellit. Und um da ranzukommen, braucht man eine Satellitenschüssel.

Lazlo bietet mir an, die Installation vorzunehmen, aber ich lehne ab: Ich bin zusammen mit meinem Bruder bei meiner Grandma mit künstlicher Hüfte aufgewachsen und habe Informatik studiert. Ich weiß, wie man Dinge montiert, Kabel anschließt und Lösungen findet. Außerdem möchte ich keinen fremden Mann in meinem Haus haben. Vielleicht hätte ich lügen sollen, behaupten, ich hätte einen Freund, der zu Hause auf mich wartet. Ich hasse es, dass ich diese Gefühle habe, komme mir vor wie eine Verräterin, denn ich will eine starke, emanzipierte Frau sein; und die Brynn, die ich in Washington D. C. zurückgelassen habe, hätte sich nie so gefühlt. Sie hat nie den Schwanz eingezogen, hat sich nie kleiner gemacht, um unter dem Radar zu fliegen und keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber egal, wie sehr ich nach dieser alten Stärke suche, ich finde sie nicht. In mir ist bloß diese grauenhafte, alles verzehrende Leere und die Angst. Plötzlich lauert in jedem Schatten eine Gefahr, hinter jeder Ecke ein Verfolger, und ich bin nicht länger eine Kämpferin, sondern die Beute; ein Reh, das bei jedem unbekannten Geräusch die Flucht ergreift.

So möchte ich nicht leben. Und als ich wieder zu Hause bin, gehe ich sofort ans Werk.

Zumindest ist das der Plan.

Unter mir wackelt die alte Aluleiter, die ich in dem überdachten Bereich hinter dem Auto gefunden habe.

Mit einer Hand halte ich mich an den Sprossen fest, mit der anderen versuche ich, die Halterung für die Montagevorrichtung der Satellitenschüssel an der Hauswand mit einem kleinen Akkuschrauber anzubringen. Leichter gesagt als getan – wenn ich zu viel Druck anwende, gerate ich ins Schwanken, und wenn ich weniger fest drücke, droht die Metallhalterung nach unten zu rutschen.

Frust brodelt in mir hoch, doch ich zwinge mich, tief einzuatmen und es nach jedem fehlgeschlagenen Versuch neu zu versuchen. Ich darf nicht aufgeben.

Ich schaffe das.

»Was, zur Hölle, wird das?«

Die raue Männerstimme durchfährt mich wie ein Blitzeinschlag. Sofort schießt mein Puls in die Höhe.

Er hat mich gefunden.

Nein. Nein, das ist nicht möglich.

Bebend sauge ich einen tiefen Atemzug in die Lunge, klammere mich an der Leiter fest und drehe mich vorsichtig nach hinten.

Nicht Dane Conway.

Natürlich nicht.

Es ist bloß Archer Flint, der an meinem ausgebleichten weißen Holzzaun steht und mich mit skeptischem Blick beobachtet. Er trägt noch immer sein rot-schwarz kariertes Holzfällerhemd, hat die Ärmel jedoch inzwischen hochgekrempelt, sodass seine muskulösen Unterarme zum Vorschein kommen.

Er soll einfach gehen und mich in Ruhe lassen.

»Geht Sie nichts an«, rufe ich zurück. Hoffentlich bemerkt er nicht, wie sehr meine Stimme bebt. »Das ist mein Haus.«

»Das ist mir bewusst«, erwidert er und verschränkt die breiten Arme. »Aber ich habe keinen Bock, dass du dich umbringst und Wells und seine Handlanger die nächsten Tage vor meiner Einfahrt herumlungern.«

Überfordert starre ich zu ihm hinab. Was soll ich ihm sagen? Ich will genauso wenig hier sein, wie er mich hierhaben will, doch das Leben ist kein verdammtes Wunschkonzert.

»Tja«, presse ich hervor. »Das ist leider Ihr Problem.« Mit zitternden Händen wende ich mich wieder von ihm ab und werfe demonstrativ den Akkuschrauber an. Leider ist das leise Summen nicht so eindrucksvoll, wie ich es erhofft habe. Dennoch gehe ich erneut ans Werk, und es gelingt mir tatsächlich, eine Schraube der Halterung in dem morschen Holz zu befestigen.

»Veränderungen an der Hausfassade müssen mit dem Stadtkomitee abgeklärt werden«, ertönt Archers Stimme von unten.

Wieso ist er noch immer da?

»Ich habe die Erlaubnis von Chief Wells.« Das stimmt zwar nicht wirklich, aber Matthew und Archer scheinen nicht die besten Freunde zu sein. Vielleicht kann ich ihn so abschrecken.

Von unten ertönt tatsächlich ein abschätziges Schnauben. »War ja klar.«

In seinem Tonfall schwingt so viel Verachtung mit, dass ich mich doch wieder zu ihm umdrehe. Mein Nachbar lehnt inzwischen am Zaun und sieht herausfordernd zu mir hoch.

»Was?« Mein Tonfall klingt ein bisschen schärfer als beabsichtigt, und mit einem Mal wird mir deutlich bewusst, wie eng sich meine Lululemon Leggins an meinen Po schmiegt. Aus seiner Position hat Flint vermutlich einen ausgezeichneten Ausblick auf meinen Hintern. Mit einem Schlag fühle ich mich wie auf dem Serviertablett.

»Dass Chief Wells«, er betont den Titel, als wäre es eine Beleidigung, »alles tut, um dich in der Community willkommen zu heißen.«

Eine braune Strähne fällt mir in die Stirn, und ich puste sie weg. »Und wieso interessiert Sie das?«

Archer schnaubt. »Ich möchte nur meine Ruhe.«

»Irgendwie ironisch, oder?«

Er legt den Kopf schief. »Wieso?«

»Weil Sie gerade derjenige sind, der meine Ruhe stört.« Ich wende mich demonstrativ ab und will die nächste Schraube in der Halterung befestigen, doch Archers Blick brennt auf meinem Rücken.

»Du störst meine Ruhe«, erwidert er nach einer Weile.

»Ich wohne hier«, entgegne ich kühl. »Und dagegen kann ich leider nichts tun.« Die Mischung aus Wut, Aufregung und Angst lässt meine Finger erbeben. »Es ist mein Recht«, dringt es kratzig aus meinem Hals. Ich habe so viel verloren. Dane Conway hat mir so viel genommen. Ich will mein Leben nicht von eingebildeten Männern kontrollieren lassen. »Ich kann machen, was ich will.« Kaum habe ich den Satz beendet, bemerke ich meinen Fehler – die kleine Unaufmerksamkeit, der winzige Augenblick, in dem ich mich mehr auf Archer und weniger auf meine Aufgabe konzentriere. Die lange Schraube rutscht aus dem vorgesehenen Loch in der Halterung, und ich versuche sie zu erwischen, doch es ist bereits zu spät. Sie rutscht durch meine schweißnassen Finger, und aus purer Intuition greife ich danach.

Großer Fehler.

Das Zentrum meines Schwerpunkts verschiebt sich, und die Leiter gerät unter mir ins Wanken. Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, doch er fühlt sich unendlich lang an, wie in Zeitlupe. Ein Teil meines Bewusstseins klammert sich an die Hoffnung, dass es mir gelingt, die Balance zurückzugewinnen, dass ich die Kante des Dachs zu greifen bekomme, dass ein Wunder geschieht. Der andere bereitet sich bereits auf den unausweichlichen Fall vor. Mein Blick schwankt nach unten.

Nicht die Treppe, schießt es mir durch den Kopf. Dane Conway wird sich ins Fäustchen lachen, wenn er jemals erfährt, dass ich mich bereits am ersten Tag im Zeugenschutzprogramm beim Versuch, eine Satellitenschüssel an einem morschen Holzdach zu installieren, den Schädel wie ein rohes Ei an der Verandatreppe aufgeschlagen habe.

Ein heftiger Ruck schießt durch meinen Körper, und erst als ich den heiseren Schrei höre, wird mir bewusst, dass er aus meiner Kehle stammt.

Ein Herzschlag verstreicht, dann realisiere ich, dass ich nicht mehr falle.

Ich sehe nach unten, und dort steht er: Archer Flint hat die Leiter mit festem Griff gepackt und drückt mich in Richtung Fassade zurück.

Ich schnappe nach Luft.

Wie ist er so schnell über den Zaun gekommen? Ist er gesprungen? Er muss gesprungen sein.

Je länger ich ihn ansehe, desto deutlicher wird sein schwerer Atem, der Schock in seinen Augen, als könnte er selbst nicht glauben, was gerade passiert ist. Was fast passiert wäre.

»Fuck«, keucht er schließlich.

»Ich …« Meine Brust hebt und senkt sich in einem hektischen Rhythmus.

Fuck, fuck, fuck.

»Komm runter.« Es ist keine Frage, sondern ein Befehl. Mit einer Hand hält Archer die Leiter fest, die andere streckt er mir auffordernd entgegen, und ich glaube, auch bei ihm ein leichtes Zittern in den Fingern zu erkennen.

Ich zögere einen kurzen Augenblick, sauge dann erneut einen tiefen Zug der kühlen Alaska-Luft in meine Lunge und schüttle den Kopf.

Du kannst das, Brynn.

Wenn ich jetzt nachgebe und von der Leiter steige, habe ich kein Internet. Nichts, was die Stille im Haus und den Lärm in meinem Kopf übertönen kann.

Ich brauche das. Auch wenn ich mich am liebsten am Boden in der Fötushaltung einrollen würde.

Cool bleiben.

Ich sehe nach unten. »Können Sie mir bitte die Schraube geben?«

Archer zieht die dunklen Brauen zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir sicher, dass er die Leiter loslassen und mich meinem Schicksal überlassen wird, doch dann zucken seine Mundwinkel nach unten. »Hättest dir fast den Hals gebrochen.« Seine Stimme ist kaum mehr als ein drohendes Grollen.

»Aber ich lebe noch.«

Ja.

Ich lebe noch.

Auch wenn das gerade mein einziger Trost ist.

Mit einem Räuspern strecke ich die Hand nach unten aus. »Bitte geben Sie mir die Schraube.« Meine Stimme klingt fester, selbstbewusster, als ich mich fühle.

Ich habe ein einziges Tattoo: Ein Schriftzug auf der Innenseite meines Oberarms.

Prove them wrong.

Ich bin ohne Eltern bei meiner Grandma aufgewachsen. Als alle meine Klassenkameradinnen die neuesten Schuhe, Taschen und Parfums auf dem Schulhof hergezeigt haben, hatte ich die von meiner Granny selbst genähten Kleider an.

Ich habe Informatik studiert. Die Frauenquote in unserem gesamten Lehrgang lag bei zwanzig Prozent, und in meiner Einführungswoche hat mich einer der Professoren gefragt, ob ich mich im Raum geirrt hätte. Trotzdem bin ich jede Woche dort aufgetaucht, mit geschminkten Lippen, lackierten Fingernägeln und meinem Iced Coffee, immer in der ersten Reihe.

Ich habe mich für einen Job beworben, für den ich als frische Studienabgängerin unterqualifiziert war, weil es genau das war, was meine männlichen Kommilitonen getan hätten.

Und ich habe ihn bekommen.

Habe mein Studium unter den Top Five der Jahrgangsbesten abgeschlossen.

Habe mich mit den wenigen Mädchen in meinem Studiengang angefreundet, um Lerngruppen zu gründen, in denen wir uns gegenseitig unterstützt haben.

Ich bin es nicht nur gewohnt, unterschätzt zu werden – es hat mich immer angespornt. Hat mir Kraft gegeben. Ich habe mein ganzes Leben lang Dinge geschafft, die andere für unmöglich gehalten haben.

Ich werde das hier durchziehen.

Ich werde diese verdammte Satellitenschüssel installieren.

Ich werde die Wochen in Echo Cove überstehen.

Ich werde überleben.

Archer mustert mich zögernd, dann beugt er sich jedoch langsam nach unten, hebt die Schraube auf und reicht sie mir entgegen.

Mit zusammengebissenen Zähnen zwinge ich mich, das Zittern in meiner Hand zu unterdrücken, und greife nach dem kleinen Stück Metall. Mit mehr Glück als Geschick schiebe ich die Schraube zurück in die Halterung und fixiere sie dieses Mal unfallfrei an Ort und Stelle.

Ohne mich zu Archer umzudrehen, beeile ich mich, die restlichen Schrauben zu fixieren, schließe das Kabel an und klettere schließlich mit weichen Knien die Sprossen nach unten.

Erst als ich neben Archer stehe, fällt mir wieder in vollem Ausmaß auf, wie viel größer er ist.

Eine Weile sehen wir uns bloß an. Seine Augen haben ein sanftes Braun, doch nichts von der Wärme spiegelt sich in seinem Blick wider. Im Gegenteil: Als könnte er meine Gedanken lesen, kräuselt Archer die Oberlippe und mustert mich, als wäre ich eine invasive Spezies, die er gerade aus einem Baum geholt hat.

Ich schlucke. »Danke«, presse ich hervor und halte ihm die Hand entgegen.

Er starrt nur darauf. »Wie heißt du?«

Einen Augenblick lang zögere ich. »Blair«, murmle ich schließlich.

Er gibt sich damit nicht zufrieden. »Und weiter?«

Warum will er das so genau wissen? Unsicher lege ich die Arme um meinen Oberkörper. »Blair Gallagher«, sage ich den falschen Namen artig auf wie einen Kinderreim, den man mir eingetrichtert hat.

Ein Herzschlag verstreicht. Dann wird sein Blick hart. »Was hast du hier zu suchen, Blair Gallagher?«

»Ich …« Mit jedem Laut aus meiner Kehle schnürt sich mein Hals fester zusammen.

»Hast du die Zunge verschluckt?«

Sein rauer Tonfall lässt mich zusammenzucken. »Ich mache hier meine Arbeit«, presse ich hervor.

»Welche Arbeit soll das sein?« Vorwurfsvoll sieht er zum Dach, dann wieder zu mir.

Panisch kratze ich die Worte in meinem Bewusstsein zusammen. Eigentlich war ich immer eloquent und furchtlos, aber gerade reicht der geringste Druck aus, um mein Selbstbewusstsein wie eine Seifenblase zum Platzen zu bringen. »An den Klippen …«

»Im Schutzgebiet?«

Verdammt, ich hatte keine Sekunde Zeit, mich über meine Tarnung zu informieren. »Ja, an der Küste, ich bin … Ich studiere Geologie.« Es klingt mehr wie eine Frage, und auch Archer scheint dies nicht zu entgehen, denn er kneift die Augen zusammen.

»Ah? Und wo?«

Fuck, ich habe nicht einmal darüber nachgedacht. »Columbia«, nenne ich die erste Universität, die mir einfällt.

»New York?«

Ich nicke.