Komm und nimm mich endlich! - Estelle Onard - E-Book

Komm und nimm mich endlich! E-Book

Estelle Onard

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Beschreibung

Als der Verleger Maurice Chabrois der Autorin Francoise sein Ferienhaus in Mandalaire zur Verfügung stellt, hat er auch einen Hintergedanken: Das exotische Paradies der Südsee soll ihr Anregung und Inspiration für einen neuen Roman sein. Tatsächlich erlebt Francoise einen unvergeßlichen Sommer der Sinnesfreuden, und als sie nach Paris zurückkehrt, liegt nicht nur ein einzigartiger Urlaub hinter ihr. In ihrem Gepäck hat sie auch ein Manuskript voller Sex, Lust und Leidenschaft …

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Das Titelbild steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches.

eBook-Ausgabe 02/2016 © Carl Stephenson Verlag GmbH & Co. KG, Schäferweg 14, 24941 Flensburg Alle Rechte vorbehalten einschließlich der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien E-Mail: [email protected] Internet: www.stephenson.de Besuchen Sie uns auf www.stephenson.de Ein großes erotisches Verlagsprogramm erwartet Sie dort. eISBN 9783798607880

Vorwort

Als der Verleger Maurice Chabrois der Autorin Francoise sein Ferienhaus in Mandalaire zur Verfügung stellt, hat er auch einen Hintergedanken:

Das exotische Paradies der Südsee soll ihr Anregung und Inspiration für einen neuen Roman sein.

Tatsächlich erlebt Francoise einen unvergeßlichen Sommer der Sinnenfreuden, und als sie nach Paris zurückkehrt, liegt nicht nur ein einzigartiger Urlaub hinter ihr. In ihrem Gepäck hat sie auch ein Manuskript voller Poesie, Zärtlichkeit und Leidenschaft ...

Komm und nimm mich endich!

Um diese Zeit, kurz nach sechzehn Uhr, erlebt der Berufsverkehr in Paris seinen täglichen Kollaps. Blechkarawanen drängen sich vom Stadtzentrum hinaus in Richtung der Außenbezirke, und nirgendwo scheint es noch eine Lücke, geschweige denn ein ungehindertes Durchkommen zu geben. Wie durch ein Wunder löst sich einige Stunde später das ganze Chaos regelmäßig wieder auf.

Um dem ärgsten Gedränge zu entkommen, scherte Francoise aus dem endlosen Strom der Fahrzeuge aus und wählte einige weniger frequentierte Seitenstraßen. Sie fuhr ein Stück am Ufer der Seine entlang und bog schließlich in die Avenue de Lapasse ein. Als sie das altehrwürdige Gebäude des Verlags Editions Leversitaires erreichte, steuerte sie den Wagen durch das hohe monumentale Durchfahrtstor und parkte in dem engen, von Bäumen umsäumten Hinterhof.

Es war merkwürdig, daß sie so aufgeregt war. Normalerweise war sie, jedenfalls was ihre beruflichen Dinge anbelangte, außerordentlich selbstsicher. Nun, es war gewiß nicht üblich, daß der allmächtige Verleger Maurice Chabrois eine Schriftstellerin seines Verlags zu einem persönlichen Gespräch bat. Insoweit handelte es sich bei der Einladung zweifelsfrei um ein Ereignis von hausragender Bedeutung. Doch wäre diese Tatsache allein noch keineswegs geeignet gewesen, viel mehr als eine Spur Herzklopfen bei ihr hervorzurufen. Immerhin hatte sie sich bereits einen Namen als Autorin von Romanen erschrieben, der kaum weniger renommiert war als jener des Verlags Leversitaires, insoweit hatte sie Minderwertigkeitskomplexe also wahrhaftig nicht nötig. Außerdem fühlte sie sich auch nicht mehr wie in den Anfängen ihrer Karriere dem Wohlwollen von Verlegern oder Lektoren ausgeliefert oder mit Haut und Haaren von ihnen abhängig. Trotzdem war natürlich auch sie wie alle Autorinnen darauf angewiesen, daß ein möglichst bekannter und traditionsreicher Verlag ihre Werke veröffentlichte, und als Maurice Chabrois ihr ohne nähere Angaben mitteilen ließ, daß es mit ihrem letzten Roman gewisse Schwierigkeiten gegeben habe, war sie doch ein wenig aus der Fassung geraten. Hatte er vor einigen Wochen, als sie das Manuskript abgeliefert hatte, nicht höchstpersönlich noch in heller Begeisterung geschwelgt? Und hatte er sie zum Weiterschreiben nicht geradezu ermuntert?

Auch die ersten Verkaufszahlen waren doch geradezu imposant gewesen!

Nach alledem konnte sie sich selbst bei gründlichem Nachdenken nicht vorstellen, wo die Probleme, die Chabrois in seinem Brief angedeutet hatte, liegen mochten. Der Ton seiner Einladung, insoweit beruhigte sie sich, hatte jedenfalls trotz der negativen Nachricht weder unfreundlich noch ungehalten geklungen, und in diesem Augenblick, während sie das Gebäude betrat, war sie nur gespannt, auf welchen Inhalt das Gespräch wohl hinauslaufen würde.

Sie nahm den Fahrstuhl, der in den letzten Jahren im Zuge von Renovierungen in das altehrwürdige Gebäude eingebaut worden war, und fuhr in die achte Etage hinauf. Dort war das Cheflektorat untergebracht, und dort bewohnte auch der Verleger seine feudale Residenz.

Maurice Chabrois erwartete sie bereits. Er führte sie mit der ausgesuchten Höflichkeit des geborenen Aristokraten von der holzgetäfelten Tür bis zu dem ledernen Besuchersessel vor seinem Schreibtisch. Überall an den Wänden, auf dem Boden und in den Regalen zeugten Skulpturen und Gemälde, Teppiche und exotische Kostbarkeiten davon, daß der Verlag mit zahlreichen Ländern in Verbindung und Chabrois nicht gerade auf der Schattenseite des Lebens stand. Seit langem gehörten die unter dem Dach der Editions Leversitaires zusammengefaßten Verlage zu den größten und traditionsreichsten im Land, und die meisten Autoren träumten davon, irgendwann einmal mit einem Bestseller auf den halbjährlich erscheinenden Glanzprospekten dieses Buchgiganten erwähnt zu werden.

Francoise Beaumont (manchmal verwendete sie für ihre literarischen Arbeiten auch ein Pseudonym, aber so hieß sie tatsächlich) hatte genau diesen Erfolg schon seit einigen Jahren geschafft. Ganz konkret, seit ihr Erstlingswerk „Lemones“ monatelang für Wirbel und Furore gesorgt hatte. Vor wenigen Wochen hatte der Verlag bereits ihr zweites Buch „Mandelblüte in Lavignon“ herausgebracht, und seither schickte es sich an, das vorangegangene, jedenfalls was die ersten spektakulären Absatzmeldungen betraf, sogar noch weit zu überflügeln.

Aber bestimmt hatte Maurice Chabrois sie nicht eingeladen, um ihr lediglich diesen Erfolg zu eröffnen. Die neuesten Zahlen wurden ihr von der Honorarabteilung des Verlags mit regelmäßig mitgeteilt. Über den Erfolg oder Mißerfolg ihrer Bücher war sie also bestens im Bilde.

Welches Anliegen mochte ihn aber dann veranlaßt haben, sie zu sich zu rufen?

Als sie Platz genommen hatte, kam er sofort und ohne große Umschweife zur Sache.

„Ihr neuer Roman hat alle unsere Erwartungen ganz hervorragend erfüllt, oder richtiger ausgedrückt, er hat sie noch bei weitem übertroffen”, begann er mit einem Lächeln, das Rückschlüsse auf seine Beweggründe freilich noch nicht zuließ. „Wenn ein Buch schon in den ersten drei Wochen nahezu dreißigtausend mal verkauft worden ist, so ist das wirklich ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis.“ Er schien zufrieden, und er lehnte sich hinter seinem mit Ornamenten verzierten Schreibtisch zurück.

Francoise nickte. Na also! Die Druckkosten und sonstigen Aufwendungen für den Verlag waren damit ganz sicher gedeckt. Aber war diese Feststellung der einzige Grund, weswegen er sie in sein feudales Büro bestellt hatte?

Bestimmt nicht.

Tatsächlich brachten schon seine nächsten Worte zumindest eine teilweise Aufklärung:

„Leider ist die Doppelmoral in unserem Land nicht auszurotten, und noch schlimmer, sie ist ein ganz entscheidendes Kriterium“, stellte er fest, und die Zufriedenheit in seinem Gesicht wich einer Miene der Entrüstung. „Obwohl die Verkaufszahlen ganz unbestechlich und eindeutig das hohe und allgemeine Interesse an erotischer Literatur beweisen, ist das Buch von ein paar selbstherrlichen Sittenwächtern auf die neueste Indizierungsliste gesetzt worden. Das heißt, daß die restliche Auflage nicht mehr an Buchhandlungen ausgeliefert werden darf, und die noch auf dem Markt vorhandenen Exemplare müssen zurückgenommen werden.“

Er schüttelte verständnislos den Kopf.

Das war es also.

Das Schlimmste, was einem erfolgreichen Buch jemals passieren kann.

Das absolute Verbreitungsverbot.

Francoise war ebenso überrascht wie konsterniert. Mit vielen Mitteilungen hatte sie gerechnet. Mit dieser Nachricht wirklich nicht. Es gab mit Sicherheit eine Menge Romane, die viel eindeutiger und frivoler waren und trotzdem noch immer unangetastet und unbehelligt in den Regalen der Buchläden standen. Niemand kümmerte sich darum.

„Wo bleibt da die Gerechtigkeit oder wenigstens die Gleichbehandlung?“ fragte sie aufgebracht.

Die Grundlagen für irgendwelche Beanstandungen erschienen ihr ebenso undurchschaubar wie willkürlich.

„Ja, dieses Mal haben sie sich auf Ihren Roman gestürzt“, klagte Chabrois, „und so wie ich es sehe, gibt es dafür tatsächlich keinen einzigen vernünftigen Grund.“

Er war offenkundig schwer erzürnt. Aber das war noch nicht alles.

„Außerdem haben sie sich bei dieser Gelegenheit nicht nur Ihren neuesten, sondern auch gleich noch den früheren Roman ausgesucht“, fuhr er fort. „Schon daran ist die Ungerechtigkeit der Beschlagnahme zu erkennen. Zwei Jahre lang haben sie trotz unzähliger Besprechungen und Publikationen in der gesamten Öffentlichkeit nicht den geringsten Anlaß gesehen, irgend einen Anstoß zu nehmen, und plötzlich bewerten sie beide Romane als zu zügellos. Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen Pornographie und Kunst? Wo liegen die Grenzen? Und gibt es nicht innerhalb der Pornographie auch wieder erhebliche Unterschiede? Zärtliche, anregende Pornographie? Lektüre, die durchaus auch die eheliche Gemeinschaft und ihr Band, ihre Phantasie zu beflügeln vermag? Natürlich könnten wir uns zur Wehr setzen, es gibt die Möglichkeiten des Widerspruchs und der Klage vor Gericht, doch die Verfahren würden viele Jahre dauern, und natürlich wissen die scheinheiligen Moralisten ganz genau, daß ein Verlag sich diesen zeitlichen und finanziellen Aufwand nur selten leisten wird. Es ist eine Schande, daß allein das Gutdünken und die Tageslaune einiger Pharisäer den Wert und den Erfolg eines literarischen Werkes bestimmen können.“

„Und was geschieht jetzt?“ fragte Francoise. Sie war ein wenig ratlos, und im Grunde war es auch lediglich eine rhetorische Frage. Selbstverständlich konnte sie sich das Ergebnis ausmalen.

„Wir werden der Anordnung erst einmal Folge leisten und sämtliche noch vorhandenen Romanexemplare aus den Buchläden zurückrufen“, sagte Chabrois. „Auch wenn die Moralhüter das Buch vermutlich zu Hause unter ihrem Kopfkissen aufbewahren und mit Begeisterung darin lesen werden, so müssen wir uns ihrem offiziellen Verbot doch beugen. Jeder Verlag hat mit diesen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Heute trifft es diesen und morgen jenen. Eine Schande ist es trotzdem, von den wirtschaftlichen Konsequenzen ganz abgesehen.“

„Manche Leute haben von Erotik keine Ahnung“, bemerkte Francoise kopfschüttelnd und betrübt.

Chabrois stimmte ihr vehement zu.

„Ja! Die Natürlichkeit unserer Zivilisation scheint wirklich dort zu enden, wo die Faszination der Erotik beginnt!“ Er hob ärgerlich die Schultern. „Niemand wird doch behaupten wollen, daß Phantasie anstößig ist. Aber manche benehmen sich entsprechend, und leider sind es gerade diejenigen, die völlig subjektiv über den Wert von Literatur nach ihren eigenen kleinkarierten und korrupten Maßstäben entscheiden dürfen. Die Phantasie ist schon seit Menschengedenken die Schwester der Erotik und der Sinnlichkeit, aber das will in ihre Schädel nicht hinein, oder sie wollen es einfach nicht anerkennen.“ Er stand aus seinem Sessel auf und schritt hinüber an das wandhohe Fenster. Der Ausblick auf die Seine und die gegenüberliegende Uferseite war grandios. Die Nachmittagssonne tauchte die Kupferdächer der Häuserreihen in ein goldenes Licht, in ein faszinierendes und ständig wechselndes Farbenspiel.

„Niemand ist daran gelegen, die Phantasie durch die Wirklichkeit zu zerstören“, sprach er weiter, „aber komischerweise gebärden sich die Moralapostel, als sei es so. Sie unterstellen einfach, daß Phantasie eine obligatorische Anleitung sei, und begründen damit ihre Theorien.“ Er schüttelte den Kopf. „Natürlich kenne ich den Inhalt der beiden diskriminierten Bücher von der ersten bis zur letzten Seite, sie sind voller Sinnlichkeit, voller Zärtlichkeit und voller Poesie. Was, so frage ich mich ernsthaft, könnte darin die Moral unserer Gesellschaft und unserer Jugend gefährden?“

„Manchmal lieben sich zwei Frauen, oder die Geschichten entsprechen in anderer Weise nicht der herkömmlichen Vorstellung“, gab Francoise zu bedenken.

„Wie herrlich!“ rief Chabrois. „Das ist es doch gerade, was den Leserinnen und Lesern Vergnügen bereitet und sie aus ihrem oft eintönigen Liebesleben entführt! Wer käme denn auf den Gedanken, die erotischen Träume zu realisieren! Wie viele vermögen sich beispielsweise an Kriminalfällen zu entzücken, ohne je mit dem Gedanken zu spielen, alle diese Verbrechen auch tatsächlich zu begehen! Wie viele geben sich phantasievollen Träumen hin, ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, sie in die Tat umzusetzen! Jeder Mensch lebt doch in gewisser Weise in Träumen, und das ist auch gut so. Was soll daran verderblich sein? Die Wirklichkeit lebt von Träumen!“

Chabrois wandte sich vom Fenster ab und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.

„In einer Zeit, in der sich sämtliche Grenzen öffnen und die Jugend sich vereint, sind Maßnahmen dieser Art doch nur noch Schikane. Oder ist es verständlich, daß ein Werk den Lesern des einen Landes vorenthalten bleibt, während die anderen es ohne jede Einschränkung erhalten dürfen? Ist die Jugend in Schweden verdorbener, nur weil dort die Zensur viel liberaler gehandhabt wird? Aber diese Diskussion führt zu nichts, und Sie wollen selbstverständlich wissen, weshalb ich Sie zu mir gebeten habe ...“

„Ja, nach dieser schlechten Mitteilung würde mich das schon sehr interessieren“, erwiderte Francoise. Ihre Neugier hatte sich noch verstärkt. „Soll ich jetzt nur noch Thriller schreiben oder ein Familiendrama in historischer Staffage?“

„Aber nein, welch eine schreckliche Vision!“ lachte Chabrois. „Genau deshalb wollte ich ja mit Ihnen reden.“ Er zog eine Schublade seines Schreibtisches auf und brachte eine Mappe zum Vorschein.

„Man sollte ein Talent nicht deshalb verkümmern lassen, weil ein paar in ihrem Geist und Amt senile Moralisten es nicht anerkennen wollen ...“

Francoise zuckte die Schultern.

„Aber wenn von vornherein abzusehen ist, daß ein Manuskript ohnehin auf der Indizierungsliste landen wird...?“

„ ...kann es dennoch ein sehr gutes sein“, widersprach Chabrois. „Und um ihm zu dem verdienten Erfolg zu verhelfen, darf man nicht warten, bis sich die Zeiten oder die Gesinnung ändern. Ich will, daß Sie einen neuen Roman schreiben, genauso sinnlich, genauso zärtlich und genauso gefühlvoll wie die anderen, und ich werde dieses Buch wieder verlegen, notfalls außerhalb unseres Landes, in dem weniger starre Moralisten am Werk sind. Wir werden einen neuen Vertrag abschließen, jetzt sofort und im voraus, und dann will ich, daß Sie erneut an die Arbeit gehen ...“

„Der Verlag wird nur Aufwendungen und Verluste haben, und die Autorin wird ihre Freizeit opfern und nichts verdienen“, lachte Francoise. „Ein schlechtes Geschäft für beide Seiten!“

„Oh nein“, dozierte Chabrois. „Sie unterschätzen mich: Von Rückschlägen habe ich mich noch nie beeindrucken lassen. Wenn Sie überzeugt sind, daß Sie Ihren Leserinnen und Lesern mit Ihren Büchern eine Freude bereiten, dann dürfen Sie sie jetzt nicht im Stich lassen. Ich werde Ihnen jedenfalls jede Unterstützung geben, die nötig ist. Selbstverständlich werden Sie ein Garantiehonorar im voraus erhalten ...“

„Ist das Risiko nicht viel zu groß?“

Francoise fragte sich, was einen Verleger wohl bestimmen mochte, dieses Risiko einzugehen.

„Ich kämpfe eben gern“, erklärte Chabrois, „manchmal — wenn ich herausgefordert werde und von der Richtigkeit einer Sache überzeugt bin — kann ich reagieren wie ein trotziger Junge.“

Er entfaltete eine Landkarte und legte sie so vor Francoise, daß sie einen vollständigen Überblick hatte.

„Ich besitze ein kleines Haus in Mandalaire. Keine luxuriöse Villa, nur ein bescheidenes Ferienhäuschen. Aber es steht in der wohl schönsten Gegend, die unsere Erde zu bieten hat.“ Er zeigte mit seinem Finger auf eine kleine Inselgruppe. „Ich brauche das Domizil erst wieder in einigen Monaten. Bis dahin stelle ich es Ihnen zum Schreiben zur Verfügung.“

Er legte eine Pause ein und lachte.

„Ich biete Ihnen diesen Traumurlaub ja nicht ohne Eigennutz an. Schließlich möchte ich, daß Sie nebenbei eine gute Arbeit leisten. Es gibt dafür keine bessere Anregung. Was halten Sie davon?“

Francoise war ebenso überrascht wie überwältigt. Eigentlich brauchte sie nicht lange zu überlegen: Sie war ungebunden, und Jean war ganz sicher einverstanden. Einige Monate im Zauber des Südens — es gab sicher keine idealere Stimulans zum Schreiben.

„Gern“, sagte sie noch immer fassungslos und um Worte verlegen.

Chabrois verließ sofort das Büro. Als er zurückkehrte, übergab er Francoise mehrere Ausfertigungen eines Verlagsvertrags zur Unterschrift.

„Sie können natürlich einige Tage darüber nachdenken, wenn Sie wollen“, sagte er. Sie überflog den Entwurf und stellte fest, daß er nahezu das Doppelte ihres bisherigen Garantiehonorars enthielt.

„Zufrieden?“ fragte Chabrois.

Francoise nickte. „Ja, selbstverständlich.“

Eine so günstige Regelung war ihr noch nie angeboten worden, und sie unterschrieb sofort die Vereinbarung.

Nun gut, in diesem Augenblick hatte sie noch keine Ahnung, in welches Abenteuer sie sich eingelassen hatte. Sie hatte noch nicht den geringsten Einfall. Irgend eine Geschichte unter Palmen, vermutlich in einer exotischen Landschaft und unter einer andauernd strahlenden Sonne, vermutete sie, irgend etwas würde sich schon ergeben. Die Aussicht, einen ganzen Sommer fernab jeder Hektik und Betriebsamkeit zu verbringen, beschäftigte ihre Phantasie schon jetzt.

Chabrois holte einige Fotos, die sein Ferienhaus und die Insel zeigten. Er hatte enorm untertrieben. Es gab Tennisplätze und mehrere Swimmingpools, einen weißen, schier endlosen Strand unter Palmen und ein smaragdfarbenes Meer. Bereits diese Bilder vermittelten eine Idylle, die einzigartig schien.

„Sind Sie zufrieden?“ fragte er.

Francoise zeigte ihre Begeisterung offen und ohne jede Verstellung.

.„Aber ja! Es sieht phantastisch aus! Fast unwirklich und traumhaft schön.“

Sie freute sich mit einer fast kindlichen Begeisterung, und Chabrois übergab ihr die Schlüssel zum Haus und weitere zu den Tennisplätzen.

„Für alles andere“, versicherte er, „sorgt ein Hausmeister. Es gibt einen Verwalter, der sich um alle Angelegenheiten kümmert. Sie brauchen nur noch Ihre Koffer zu packen.“

Er erhob sich mit einem Lächeln.

„Oh, fast hätte ich etwas Wichtiges noch vergessen — selbstverständlich gehen die Flugtickets auf meine Kosten. Das sind sozusagen Vorausinvestitionen des Verlags!“

Er steckte die Fotos zurück und faltete die Karte wieder zusammen.

Als Francoise eine Viertelstunde später das Verlagsgebäude verließ und sich erneut in den Verkehr einreihte, überstürzten sich ihre Gedanken und Gefühle. Ein Traumurlaub in Mandalaire — damit hatte sie nun wirklich nicht im entferntesten gerechnet. Die Freude darüber und über den neuen Vertrag gewann die Oberhand, und die anfängliche Enttäuschung, die sich wegen der Indizierung der beiden Romane ergeben hatte, war bald überwunden.

Es drängte sie, die nächste Telefonzelle aufzusuchen und Jean über den überraschenden Verlauf des Nachmittags zu unterrichten. Eine unterzeichnete Ausfertigung des Vertrags lag auf dem Beifahrersitz. Sie blickte hinüber. Es war keine Illusion. Sie brauchte nur die Hand auszustrecken. Und der Schlüsselbund zu ihrem Traumurlaub lag obenauf.

Francoise fand einen Parkplatz unmittelbar am Place de Montalle nur wenige Straßen entfernt. Während sie zu einem der zahlreichen Fernsprechhäuschen hinübereilte, überlegte sie, daß es vermutlich besser sei, Jean nicht gleich mit allen Neuigkeiten zu erdrücken.

Vielleicht reagierte er ganz anders, als sie dachte?

So beschränkte sie sich erst einmal auf einige Andeutungen (was seine Neugier freilich nur erst recht entfachte), und sie verabredeten sich auf den Abend in ein gemütliches Restaurant nahe der Promenade Ardennac.

Jean Dubonnet war Mitte Vierzig. Er hatte eine führende Position in der Stabsverwaltung eines bedeutenden Automobilkonzerns, und wahrscheinlich war er einer der begehrtesten Junggesellen nicht nur in Paris. In den Klatschspalten vieler Zeitungen und Zeitschriften wurde über ihn berichtet, und Francoise (die in diesem Zusammenhang stets mitgenannt wurde) hatte eigentlich noch nie zu ergründen vermocht, warum das Schicksal ausgerechnet sie beide zusammengeführt hatte. Ihre Beziehung dauerte nun schon fast ein ganzes Jahr.

Obwohl Jean sie in seinem Lebensalter um nahezu zwanzig Jahre übertraf, hatte sie diesen Altersunterschied noch nie als Makel oder Nachteil empfunden. Ganz im Gegenteil — sie bewunderte seine Reife und Souveränität in allen Dingen des Lebens, seine Ruhe und innere Ausgeglichenheit; einen jüngeren Liebhaber hätte sie wahrscheinlich nur schwerlich auf Dauer ertragen können.

Francoise dachte vergnügt an den Anfang zurück: Jean Dubonnet war ihr auf ganz unkonventionelle Weise über den Weg gelaufen. Als freie Autorin war sie für verschiedene Frauenzeitschriften tätig, und um eine Reportage über Go-Carts zu schreiben, mußte sie an irgend einem Sonntag ein Rennen in St. Etienne besuchen. Die Zuschauer an der Bahn bestanden überwiegend aus ehrgeizigen Eltern, deren Kinder erste Lorbeeren als Rennfahrer anvisierten. Jean begleitete einen Freund, dessen Sohn in einer jüngeren Altersklasse an den Start gegangen war. Ohne ihn zunächst zu bemerken, hielt sie ihre Eindrücke in einem kleinen Taschendiktiergerät fest. Sie berücksichtigte dabei auch die Kommentare, die ihr rein zufällig von den Zuschauern in ihrer unmittelbaren Nähe zu Ohren kamen. Plötzlich waren Sätze darunter, die sich von den sonst üblichen Äußerungen unterschieden: „Eine wirklich reizende Reporterin, findest du nicht? Und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert!“ Es war keine Schwierigkeit, den Urheber der spöttischen Bemerkungen ausfindig zu machen. Er stand nur ein paar Schritte entfernt, und als er neben sie trat und sich vorgestellt hatte, gestand er, daß er sie bereits die ganze Zeit beobachtet hatte. Es entwickelte sich ein amüsantes und sehr unterhaltsames Gespräch, und als er vorschlug, die Unterhaltung nach dem Ende der Veranstaltung doch in einem kleinen Café fortzusetzen, hatte sie dagegen keine Einwände. Jean verabschiedete sich von seinem Freund, und sie verbrachten den ganzen restlichen Tag erst in einem kleinen Bistro, dann bei einem Abendessen in einem luxuriösen Restaurant.

Schließlich entführte er sie als Höhepunkt des Abends in ein sündhaft teures Varieté. Seither waren sie unzertrennlich. Jean war aufgrund seiner beruflichen Stellung häufig auf Geschäftsreisen, aber wann immer er in Paris war, rief er an, und in den letzten zehn Monaten hatten sie schon die abenteuerlichsten Unternehmungen hinter sich gebracht.

„Na, du wolltest mir doch eine Überraschung erzählen?“ fragte er gespannt.

Francoise zeigte stolz die Vertragsausfertigung des Verlags Editions Leversitaires und das fürstliche Honorar, das Maurice Chabrois ihr darin garantiert hatte.

„Nicht schlecht“, meinte er anerkennend. „Mit deinen Erfolgen und deiner Berühmtheit wirst du mich noch übertreffen.“

Er lachte, und sie hielten sich an den Händen wie ein verliebtes jugendliches Paar. Auf dem gedeckten Tisch stand ein Leuchter mit brennenden Wachskerzen.

Erst nach geraumer Zeit während des Essens getraute sich Francoise zu berichten, daß Maurice Chabrois ihr nicht nur den Vertrag angeboten hatte.

„Er hat mir auch noch den ganzen Sommer lang sein Feriendomizil zum Schreiben des neuen Romans zur Verfügung gestellt!“ berichtete sie nicht ohne Stolz.

„So? Das ist ja herrlich!“ rief Jean spontan.

Zuerst fand die Großzügigkeit des Verlegers seinen ungeteilten Beifall. Er schien sich überschwenglich zu freuen und gratulierte aus ganzem Herzen.

Doch unversehens nahm sein Gesicht betrübte Züge an.

„Und was wird mit uns geschehen?“ fragte er plötzlich gar nicht mehr begeistert. „Du wirst unter der Sonne am Meer leben und ich weit entfernt in Paris. Wir werden uns aus den Augen verlieren ...“

Francoise amüsierte sich über sein mißmutiges Gesicht.

„Auch hier in Paris gibt es doch Zeiten, in denen wir uns wochenlang nicht sehen, und wenn es mir nicht gefällt, kann ich ja jederzeit zurückfliegen“, wand sie ein.

Aber Jeans Gesicht hellte sich nur unwesentlich auf.

„Natürlich wird es dir dort gefallen, und wir werden monatelang getrennt sein“, befürchtete er.

„Meinst du, das hätte ich nicht bedacht?“ fragte sie. „Wenn du nicht einverstanden bist, dann werde ich auf das Angebot verzichten ...“

„Nein!“ widersprach Jean sofort. „Im ersten Augenblick habe ich ohne Überlegung und egoistisch reagiert. Ist das nicht normal? Der Gedanke, daß wir getrennt sein werden, ist schlimm Aber im Grunde wird sich ja nicht viel ändern.“

„Wir können uns sehen, wann immer wir wollen“, behauptete Francoise.

Jean nickte.

„Ja. Vorhin hatte ich das Gefühl, daß wir auseinandergehen, deshalb war ich ein wenig traurig und auch verwirrt, aber so ist es ja gar nicht.“

„Mandalaire wird meine Gedanken bestimmt inspirieren“, überlegte Francoise. „Dort bin ich allein, niemand außer dir und Chabrois kennt meine Adresse, und kein unerwünschter Störenfried wird meine Konzentration unterbrechen können ...“

„Oh doch, ich werde dich belästigen, so oft ich Gelegenheit dazu finden werde“, drohte ihr Jean lachend an.

„Das ist etwas ganz anderes — und außerdem wirst du auch nie unerwünscht sein!“

Plötzlich, nach einigen Sekunden der Überlegung, hatte Jean einen Einfall. „Wenn du möchtest, werde ich dich nach Mandalaire begleiten!“

„Für die ganze Zeit?” freute sich Francoise begeistert.

„Wenn es nach meinen Gefühlen ginge, ja“, erwiderte er, „aber manchmal sind persönliche Gefühle leider nicht entscheidend.“

Er überzog sein Gesicht mit einer so betrübten Miene, daß Francoise ein Lachen nicht zurückhalten konnte.

„Ich möchte gerne sehen, wo und wie du in den nächsten Monaten leben wirst“, sagte Jean.

„Herrlich! Und wann fliegen wir los?“ rief Francoise.

„Du scheinst es ja mächtig eilig zu haben“, erwiderte Jean ein wenig beleidigt.

„Jetzt, wo du mitfliegst? Am liebsten würde ich gleich morgen früh die Koffer packen.“

Ungeachtet der anderen Gäste des Lokals küßte Francoise ihn leicht auf die Nasenspitze.

Jean schlug vor, die Reise in drei Tagen anzutreten. So würde ihnen genügend Zeit verbleiben, dringende berufliche und private Angelegenheiten noch zu regeln.

„Also gut, fliegen wir in drei Tagen“, stimmte Francoise zu.

Außer einem kleinen Appartement brauchte sie in Paris nichts zurückzulassen. Es gab Bekannte, die sie bitten konnte, gefälligkeitshalber nach dem Rechten zu sehen und die Blumen zu gießen. Mehr war nicht zu tun.

„Vergiß nicht, deine Tennissachen mitzunehmen“, erinnerte sie, „es gibt zwei Tennisplätze, hat Chabrois gesagt, und selbstverständlich werden auch Badesachen notwendig sein.“

Jean lächelte über ihre Ungeduld.

„Badesachen? Seit wann bist du denn prüde? Bisher war eine Badehose nie vonnöten“, spottete er nachsichtig. Francoise schob die Lippen vor, und man sah ihr an, daß sie nach einer schlagfertigen Antwort suchte. Sie überlegte einen Augenblick, aber ihr fiel nichts Passendes ein. „Ich nehme doch an, daß wir nicht allein sein werden, jedenfalls nicht am Swimmingpool, und wahrscheinlich auch nicht am Meer.“

Jean lächelte immer noch.

„Schade“, sagte er hintergründig.

Das Meer unter einem wolkenlosen Himmel. Korallenriffe. Schattenspendende Palmenhaine. Mandalaire — Insel und kleine Stadt zugleich. Eiland inmitten eines einzigartigen Archipels.

Seit Francoise auf dem winzigen Flughafen ihren Fuß auf den Boden dieses Paradieses gesetzt hat, gibt es keinen Ort, für den sie sich mehr begeistern könnte.

Soeben hat sie die Vorhänge der Balkontüren beiseitegezogen, und sofort flutet die Morgensonne ungehindert in den Raum. Sie liebt diese Morgenstunden in den Tag hinein, das langsame Erwachen, die Muße ohne Zeit und Uhr, sie liebt das gemeinsame langsame Erwachen mit Jean und die Zärtlichkeiten, mit denen sie sich und den Tag begrüßen — diese Gesten gehören zu einem gelungenen Morgen wie das unbeschreibliche Panorama der Nachbarinsel Luoma bis hin zum Hafen von Mandalaire im Licht der aufgehenden Sonne.

Auch Jean hat sich dem Zauber der Inseln nicht entziehen können.

Fünfzehn Stunden sind vergangen, seit sie das kleine Ferienhaus ganz oben am Hang Collieres über der Stadt bezogen haben. Die Koffer sind noch nicht einmal vollständig ausgepackt. Müde von der langen Reise haben sie den Mietwagen auf den Parkplatz gestellt. Dann haben sie die Eingangstür geöffnet und die unvermeidbaren Arbeiten wie den Strom- und Wasseranschluß hinter sich gebracht. Danach sind sie sofort in die Betten gefallen und eingeschlafen.

Paris ist eine wunderschöne Stadt, aber allein das südliche Klima hier ist ein unvergleichbarer Vorzug. Vielfalt und Buntheit der Vegetation sind nirgends so leuchtend, so überwältigend, nirgendwo so anzutreffen wie hier.

Francoise ist hinaus auf die Terrasse getreten und atmet die Brise des Ozeans. Ein unsagbares Gefühl der Freiheit nimmt von ihr Besitz. Freiheit der Gedanken, der Worte, des ganzen Seins.

Alle Hektik und Geschäftigkeit hat sie in Paris zurückgelassen, in der Fremdartigkeit ist sie auf erstaunliche Weise fähig, innerhalb kürzester Zeit die Diktate und Zwänge der Zivilisation zu vergessen: die Großstadt und sogar den Verlag Editions Leversitaires, für den sie in den nächsten Monaten ein Buchmanuskript schreiben wird. Beide sind in diesem Augenblick nicht nur räumlich weit entfernt.

Schon häufig hat sie ihre Ferien an der französischen Südküste des Mittelmeeres verbracht. Schon dort sind ihr regelmäßig die Verwandlungen der Menschen aufgefallen, die fernab ihrer Wohnungen und Gewohnheiten viel natürlicher sein konnten als zu Hause, wo sie oft kaum mehr wiederzuerkennen waren. Hier in Mandalaire, so vermutet sie, in dieser sonnenverwöhnten und glücklichen Inselwelt, sind die Ausgelassenheit und die Veränderungen der Menschen noch viel umfassender.

Sie genießt die Stille, die sie hier trotz der Nähe einiger Touristenzentren vorfindet, und atmet den Wohlgeruch der Luft.