P.S. Ich vögel Dich - Estelle Onard - E-Book

P.S. Ich vögel Dich E-Book

Estelle Onard

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Beschreibung

Südlicher Himmel, Palmen, Meeresrauschen und das Flimmern der Sonne auf der Haut - nur allzu gerne lässt sich die junge Französin Estelle von der Berauschenden Atmosphäre Mourandavas verführen. Oft allein in ihrem Appartement auf der geheimnisvollen Insel, ist sie zahlreichen Versuchungen ausgesetzt. Sie lässt sich dahintreiben im Jet-Set-Leben, lernt neue Facetten der Erotik kennen und genießt sie in vollen Zügen. Als sie jedoch plötzliche Briefe von einem Unbekannten erhält, der ihr seinen Hang zum Voyeurismus und seine Begierde gesteht, stellt sie erschreckt fest: Ihre intimen Erlebnisse sind scheinbar nicht unentdeckt geblieben! Der Fremde wird nach und nach zum "heimlichen Auge" und Estelles Abneigung wandelt sich zu einem erotischen Reiz, der sie ganz und gar gefangennimmt …

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Das Titelbild steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches.

eBook-Ausgabe 02/2016 © Carl Stephenson Verlag GmbH & Co. KG, Schäferweg 14, 24941 Flensburg Alle Rechte vorbehalten einschließlich der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien E-Mail: [email protected] Internet: www.stephenson.de Besuchen Sie uns auf www.stephenson.de Ein großes erotisches Verlagsprogramm erwartet Sie dort. eISBN 9783798607873

P.S. Ich vögel Dich!

Auf den ersten Blick hat Mourandava eine gewisse Ähnlichkeit mit New York, in viel geringerem Umfang natürlich und mit einer viel weniger imposanten Skyline. Aber die monumentalen Bauwerke, die im südlichen Teil der Stadt auf dem zusammengeballten Raum der Halbinsel in den Himmel ragen, bestimmen das Bild und sind das auffallendste Wahrzeichen.

Viel mehr als von diesem modernen Teil bin ich von der Altstadt beeindruckt, von ihrem idyllischen Charakter, den sie sich trotz aller äußeren Zivilisationseinflüsse zu bewahren vermocht hat. In den engen Gassen herrscht ein unaufhörliches Treiben, und das laute Stimmengewirr der Händler und Trödler und Marktbesucher verstummt bis weit in die Abendstunden nicht. Nur selten verirrt sich ein Motorfahrzeug in diese verwinkelte Region. Der Markt, der täglich stattfindet und eine der Attraktionen Mourandavas ist, gleicht einem bunten Wirrwarr von Sprachen, Farben und Rassen. Die Gesichter der Menschen tragen Züge der Vermischung, die hier schon seit Generationen zwischen den Völkern stattfindet, aber gerade diese Verbindung erzeugt unvergleichbare Ergebnisse, faszinierende Söhne und Töchter, die ihre Unvergleichbarkeit wieder an ihre eigenen Söhne und Töchter weitergeben, und ich bin überzeugt, daß viele der jungen Frauen den Modelschönheiten, die in Europa die Titelseiten der Magazine und Zeitschriften füllen, eine ernsthafte Konkurrenz wären, ja sie an Ausstrahlung und in ihren Bewegungen noch überflügeln. Mir fallen Jünglinge auf, die jeden Konkurrenten in Paris oder London mit ihrer Männlichkeit und mit ihrem Charme in den Schatten stellen, und sie sind sich ihrer Vorzüge nicht einmal bewußt.

Welch ein glückliches Land!

Neben der überwiegenden Mehrheit von Mulatten und Eingeborenen wohnen auch Familienangehörige französischer Soldaten hier, die in den Kasernen bei Aurraissac ihren militärischen Dienst verrichten; vor allem sie machen den geringen Anteil der Europäer aus, und dazu noch eine Handvoll nicht militärischer Mitarbeiter, die dem Begriff des zivilen Gefolges zuzurechnen sind.

Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich lebe erst seit kurzem in einem Appartement des Gebäudes Nr.10 in der Rue Lantheron.

In Mourandava ist es allerdings üblich, die hohen Bauwerke nicht nach bestimmten Straßen und Nummern zu bezeichnen. Vielmehr hat fast jedes Bauwerk einen eigenen Namen, den irgendeiner bei einer Gelegenheit irgendwann einmal erfunden und der sich dann allgemein eingebürgert hat. Meist vermag niemand mehr zu erklären, wie und warum gerade dieser Name entstanden ist. So heißt das Appartementhaus in der Rue Lantheron, in dem ich wohne, merkwürdigerweise David, vielleicht deswegen, weil es mit seinen zwölf Stockwerken zu den kleineren Gebäuden im modernen Viertel von Mourandava zählt. Einige der ringsum stehenden Bauwerke sind jedenfalls bedeutend höher und überragen den David in seinen Ausmaßen noch beträchtlich. So reckt sich gegenüber auf der anderen Seite ein gigantisches Bauwerk mit über dreißig Etagen in die Höhe, das die Einwohner aus unerfindlichen Gründen Herakles getauft haben (und das noch eine besondere Bedeutung für mich erlangen sollte), und es scheint überhaupt, als wolle jedes neue Monument in Mourandava die bereits vorhandenen an Größe und Berühmtheit noch übertreffen.

Die hohen Gebäude waren nicht mein Geschmack. Ich hatte diesen architektonischen Höchstleistungen im wahrsten Sinne des Wortes noch nie etwas abzugewinnen vermocht, obwohl ich inzwischen zugestehen muß, daß ich über die innere Einrichtung der Appartements, zumindest soweit es meines betraf, überrascht gewesen war. Bevor ich in dieses Hochhaus in der Rue Lantheron eingezogen war, hatte ich immer angenommen, daß die kühle Sachlichkeit der Fassaden und das Fehlen ansprechender Individualität sich auch im Innern der Gebäude fortsetzen müßten. Tatsächlich waren die Appartements indessen gemütlicher, als man von außen vermuten konnte, und die Aussicht aus dem Wohn und dem Schlafraum gestattete sogar zwischen den riesenhaften Nachbargebäuden hindurch einen kleinen Blick hinunter auf die herrliche Bucht Cape Saint Dauphin.

Selbstverständlich hätte selbst das schönste Appartement das kleine Haus nahe bei Paris nicht ersetzen können, in dem ich bisher mein Leben verbrachte. Ich hatte es nur ungern aufgegeben, doch Jean Paul hatte darauf bestanden und erklärt, daß er in der nahen Umgebung von Mourandava einen Bungalow zur Verfügung haben werde. Nachher war es doch nicht so, und er hatte sich entschuldigt, daß der Vorgänger, der den ihn bewohnte, noch keine andere Unterkunft gefunden habe; bis dahin müßten wir eben (es sei ja nur eine vorübergehende Notlösung) das Appartement beziehen. Für mich war es zuerst eine große Enttäuschung gewesen. Aber dann hatte ich mich eben in das Unvermeidliche gefügt, und ich wollte durch ständige Beschwerden Jean Paul auch nicht das Gefühl einer Schuld geben.

Jean Paul hatte ich übrigens auf einem Ball der UNICEF in Paris kennengelernt. Nur berühmte oder sehr wohlhabende Leute erhielten dorthin eine Einladung, und ich hatte einem hohen Diplomaten, der mit einer attraktiven Begleitung an seiner Seite aufwarten wollte, den gebührenden Glanz verschafft. Jean Paul war umrahmt von zwei auffallend hübschen Gespielinnen gekommen. Der Zufall wollte es, daß seine Eintrittskarte ihn mir als Tischnachbarn auserkor. Während des Abends unterhielten wir uns ausgezeichnet. Wir kamen uns in Gesprächen über die unmöglichsten Themen näher (seine galanten Komplimente waren nicht zu überhören), und am nächsten Tag rief er an, um mich zum Essen einzuladen.

Seither war fast ein ganzes Jahr vergangen, und wir haben uns nie mehr aus den Augen verloren.

Was soll ich über Jean Paul erzählen?

Er ist Mitte vierzig und genau zwanzig Jahre älter als ich. Der Altersunterschied hat mich nie gestört. Seine grauen Schläfen sind gerade ein Zeichen der Reife, und trotz andauernder beruflicher Verpflichtungen geht er vielen sportlichen Aktivitäten nach. Reiten ist seine besondere Leidenschaft. In den Monaten unserer Bekanntschaft habe ich unter seiner sachkundigen Regentschaft unzählige Reitturniere und Rennplätze in Frankreich besucht.

Außerdem gehört Jean Paul dem Vorstand einer großen französischen Sportartikelfirma an. In der Pariser Zentrale war er für den Vertrieb der Produkte im Ausland verantwortlich, bis vor einigen Wochen der Vorstand plötzlich beschloß, ihn mit dem Aufbau der neuen Vertriebsniederlassung in Mourandava zu betrauen. Es war eine ehren und verantwortungsvolle Aufgabe. Doch zunächst war er unschlüssig gewesen, ob er den Auftrag annehmen sollte.

Schließlich hatte er den Posten dann doch angenommen, freilich nur unter der Bedingung, daß ich ihn begleiten würde.

Obwohl ich in keiner Beziehung gebunden war, fiel es mir schwer, Paris und meine kleine Wohnung zu verlassen. Nach einigem Zögern hatte ich Jean Paul zuliebe zugestimmt. Ich gab meinen gutbezahlten Job als Lektorin bei dem juristischen Fachverlag Messigues auf und verkaufte alle überflüssigen Möbel. Andererseits muß ich zugeben, daß die Fremde und das ungewisse Abenteuer auch einen Reiz auf mich ausübten. Nun wird die Zukunft erweisen müssen, ob Jean Paul wirklich zu mir paßt.

In Paris hatten wir uns immer nur an Wochenenden gesehen, oder dann, wenn er zufällig zwischen seinen Besprechungen und Terminen einen freien Abend fand. Dann hatten wir uns aufeinander gefreut und kaum Gedanken für Probleme gehabt. Jetzt, in unserem gemeinsamen Appartement hier in Mourandava, im Alltag, im ständigen Beisammensein lagen Glück und Risiko zugleich. Dieses neue Leben war mit unserer Liaison in Paris nicht mehr im entferntesten zu vergleichen.

Schon in den ersten vier Wochen nach unserer Ankunft hatte ich neben der Enttäuschung, die mit der Unterbringung in diesem Hochhaus verbunden war, noch eine weitere festgestellt: In der ersten euphorischen Phase der langersehnten Gemeinsamkeit unterlag ich dem Irrtum, daß Jean Paul jetzt viel mehr Zeit als früher für mich übrig haben würde. In Wirklichkeit aber stellte sich heraus, daß er in seiner vielen Arbeit noch viel weniger Zeit für mich aufbrachte. In Paris hatte ich seine Sachlichkeit und sein realistisches Urteilsvermögen, seine Distanz zu vielen Dingen des Lebens und seine Souveränität, Probleme zu lösen, seine Selbstsicherheit und seine Geschäftstüchtigkeit noch bewundert. Jetzt plötzlich fiel mir auf, daß er sein realitätsbezogenes Denken und Handeln manchmal auch im Reich der Gefühle nicht abzulegen vermochte; mein Sinn für romantische Gedankenausflüge oder träumerische Phantasien waren ihm entweder nicht zugänglich oder sogar unwichtig. Manchmal belächelte er meine Vorschläge als die Träumereien eines kleinen Mädchens. Er hatte kein Verständnis dafür, oder ihm fehlte das Gespür, auf meine Sehnsüchte einzugehen. Ich liebe Jean Paul sehr, aber diese Erkenntnis betrübte mich manchmal zutiefst.

Auch jetzt wieder steht er auf und geht hinüber ans Fenster. Wir haben miteinander geschlafen, und ich hätte mich gern noch eine Weile geborgen gefühlt, im zärtlichen Ausklang meiner Gefühle in seinen Armen verweilt. Statt dessen verläßt er mich; wahrscheinlich denkt er gar nicht daran, daß er mich damit verletzen könnte, ganz sicher will er es auch nicht (aber er hätte daran denken können), und dehnt seinen nackten Oberkörper am offenstehenden Fenster. Ich sehe auf seinen breiten Rücken und beobachte das Muskelspiel unter seiner gebräunten Haut, während er Atemübungen macht. Bei dem Gedanken, daß sicher viele Frauen mich um Jean Paul beneiden, muß ich lächeln. Er sieht wirklich gut aus, mein geliebter Jean Paul, mit seinen angegrauten kurzgeschnittenen Haaren, seinem schlanken und trotzdem muskulösen Körper. Schon in Paris ist er ein allseits begehrter Junggeselle gewesen. Doch ich lächle auch nachsichtig, weil ich seine Schwächen kenne.

Jean Paul ahnt nichts von meinen Gedanken. Konzentriert setzt er seine Übungen mit Kniebeugen fort. Sein Körper ist trotz der überschrittenen vierzig Jahre geschmeidig und sportlich ausgezeichnet trainiert.

Ich habe mich in den Kissen aufgerichtet und meine Arme um die Knie geschlungen. Während ich Jean Paul beobachte, habe ich meinen Kopf leicht geneigt und auf die Knie gesenkt. Der laue Abendwind eines zu Ende gehenden Hitzetages erfüllt den Raum.

Unten auf der Rue Lantheron beginnen die Geschäfte, ihre Kostbarkeiten zu beleuchten. Die Straße ist eine bekannte Flanierpromenade, die bis hinunter zum Meer führt. Bald werden unzählige Passanten die breiten Gehsteige bevölkern, die Schaufenster erobern und die wertvollen Auslagen bewundern. Die Geräusche des um diese Zeit nachlassenden Autoverkehrs dringen nur gedämpft bis in das Appartement in der zehnten Etage herauf.

Jean Paul schloß das Fenster und ging, ohne ein Hemd überzuziehen, hinüber zum Schreibtisch. Dort entzündete er die Lampe und begann sich unvermittelt in eine Mappe Geschäftsunterlagen zu vertiefen. Der Schein der kleinen Tischleuchte umrahmte seine Figur im sanften Gegenlicht. Ich hatte mich inzwischen, die Füße auf dem Boden, auf den Rand der Liege gesetzt und war (wenn auch nach kurzem Zögern) fest entschlossen, Jean Paul in seinem Studium zu stören. Es konnte doch nicht wahr sein, daß er nach dieser letzten Viertelstunde einfach abschalten und sich mit beruflichen Dingen beschäftigen konnte! Also erhob ich mich, und als ich ihn erreicht hatte, legte ich mein Gesicht zärtlich in seinen Nacken. Seine Hand glitt sofort zwischen meine Schenkel, aber er unterließ es nicht einmal eine Sekunde, in seinen Unterlagen weiterzulesen.

„Wo er jetzt wohl mit seinen Gedanken weilt?“ fragte ich mich ernsthaft. War es möglich, daß sein Geist sich mit Bilanzen beschäftigte und seine Hand gleichzeitig fähig war, Sehnsüchte in mir zu wecken? Waren alle Männer so? Die Hand streichelte meine warme Haut, suchte behutsam einen Weg nach oben, aber Jean Paul machte nicht den Eindruck, als ob er dabei sonderlich abgelenkt war; wahrscheinlich war seine Hand nur auf einer gedankenlosen Reise, und ich war ein wenig beleidigt. Ich wehrte mich gegen die Berührung, die mich so leicht aus der Fassung hätte bringen können, und zog mich wieder zurück.

„Hast du wirklich beschlossen, den weiteren Abend mit deinen Geschäftsbüchern zu verbringen?“ fragte ich eine Spur anklagend.

Vermutlich bemerkte Jean Paul die Enttäuschung in meiner Stimme, denn er faltete seine Unterlagen zusammen und drehte sich um.

„Entschuldige bitte, ich habe dir noch nicht mitgeteilt, daß ich in den nächsten Tagen verreisen muß“, sagte er schuldbewußt.

„Du wirst verreisen?“

Bevor ich mich von meiner Überraschung über diese unerwartete Eröffnung erholen konnte, fuhr er fort:

„Ja, ich habe es selbst erst sehr kurzfristig erfahren. Ich weiß, daß du jetzt sehr betrübt sein wirst, aber meine Gesellschaft erwartet nun einmal, daß ich erfolgreich tätig bin. Und das setzt manchmal unabänderlich geschäftliche Reisen voraus.“

Er verkündete, daß seine Abwesenheit ungefähr zwei Wochen betragen werde.

„Leider kann ich dich auch nicht mitnehmen“, sagte er.

„Ich würde es gern tun, aber ich muß alle Geschäftspartner in Asien besuchen, und dabei wird kaum Zeit für Unternehmungen bleiben. Es wäre dir nur furchtbar langweilig.“

Als er sah, wie bekümmert ich auf die Ankündigung seiner Abwesenheit reagierte, nahm er mich wie ein kleines Kind tröstend in seine Arme. Dann sagte er wie aus heiterem Himmel und ohne große Umschweife:

„Nach meiner Rückkehr werden wir heiraten. Hast du gehört? Wenn ich zurückkomme, werden wir heiraten.“

Ich war völlig vor den Kopf geschlagen.

Hatte er ein so schlechtes Gewissen, daß er mich mit diesem Versprechen zu entschädigen versuchte?

Weder in Paris noch bei irgendeiner sonstigen Gelegenheit hatte Jean Paul bisher auch nur die Andeutung eines Heiratsantrags gemacht. Nun gab er plötzlich wie beiläufig diese Erklärung von sich, die wichtigste Erklärung, die er überhaupt jemals in seinem Leben von sich geben konnte, und er sprach diese Worte aus, als seien sie das Selbstverständlichste der Welt. Ich lachte wie närrisch, aber im nächsten Augenblick hatte ich mich schon wieder gefangen.

„Du hast nicht einmal gefragt, ob ich damit einverstanden bin“, sagte ich boshaft. Inzwischen hatte sich mein Puls wieder beruhigt. Ich wollte kein Eheversprechen nur als Trost für seine Abwesenheit!

„Würde die Ehe etwas ändern?“ fragte ich nachdenklich.

„Du wirst genau so oft verreisen wie bisher, und statt einer einsamen Geliebten wäre ich eine einsame Ehefrau. Ist das ein so erstrebenswerter Unterschied?“

Jean Paul war über meine Reaktion leicht verwirrt. Offensichtlich hatte er mit Einwendungen nicht gerechnet.

„Ich dachte, du würdest dich freuen! Du weißt, daß ich noch nie um die Hand einer Frau angehalten habe. Natürlich werde ich mich, wenn du willst, sofort mit deinen Eltern in Verbindung setzen ...“

Mein souveräner, selbstbewußter Jean Paul! Er war unsicher wie ein Kandidat, der mit ungewissem Ausgang im Examen steht.

Angesichts dieser Unsicherheit wurde ich sentimental, und ich schmiegte mich in seine Arme.

„Oh ja, natürlich ist es eine aufregende Vorstellung, deine Ehefrau zu sein“, erklärte ich. „Aber es hat mich nie gestört, als deine Mätresse zu gelten.“ Dann mußte ich lachen. „Meine Eltern würden es auch bestimmt für ganz natürlich halten, daß wir heiraten. Schließlich haben sie mir genug Vorhaltungen gemacht, als ich ohne die Sicherheit eines Trauscheines mit dir nach Mourandava ging, und ich würde sie nur allzu gern überzeugen, daß ihre Skepsis unbegründet war. Aber ich bin nicht darauf versessen, deine Ehefrau zu werden. Laß uns noch einmal darüber reden, wenn du von deiner Reise zurückgekehrt bist. Dann kannst du frei und ohne jede Belastung deine Frage noch einmal stellen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du nur auf den Gedanken gekommen wärst, um mich zu beschwichtigen. Du weißt, daß ich mit Begeisterung deine Geliebte bin. Oder willst du mich etwa nur anbinden, während du dich auf deinen Reisen hinter meinem Rücken als Liebhaber gebärdest?“

Plötzlich war ich sehr vergnügt. Meine Traurigkeit über die bevorstehende Trennung verflog, und wir kamen überein, in einem der zahlreichen Pubs am Meer noch ein kleines Dinner einzunehmen.

Jean Paul war nur ungern damit einverstanden, daß wir die Entscheidung auf die Zeit nach seiner Reise verlegten.

„Du kannst trotzdem schon alle Vorbereitungen treffen“, beharrte er murrend. „Sobald ich zurückkomme, werde ich meine Frage sofort wiederholen. Und dann werde ich alle Ämter und Behörden belagern und die offiziellen Anträge stellen.“ Wir gerieten in eine ausgelassene, fröhliche Stimmung.

Später bei Quentin, in einem gemütlichen Spezialitätenrestaurant am Meer unmittelbar am Cape Saint Dauphin, kam Jean Paul noch einmal auf die Geschichte zurück.

„Ich hätte wirklich angenommen, daß du mit fliegenden Fahnen zu mir überläufst“, sagte er. „Statt dessen hältst du mich hin. Willst du mich mit deiner Entscheidung tatsächlich bis nach meiner Rückkehr auf die Folter spannen? Ich werde während meiner ganzen Reise nicht schlafen können. Vielleicht hast du einen heimlichen Verehrer, der sich plötzlich zu erkennen gibt, oder bis dahin kommt mir ein Konkurrent zuvor?“

Ich lachte. Meine Überlegungsfrist, die ich mir vorbehalten hatte (ohne daß ich freilich am Ergebnis meiner Überlegungen auch nur irgendeinen Zweifel gehabt hätte), schien ihn sehr beeindruckt zu haben. Äußerst zufrieden behielt ich die Taktik bei. „Auf der anderen Seite wäre es ja auch möglich, daß dir auf deiner Reise eine Märchenfee begegnet, die du nie mehr missen willst. Dann bist du froh, dich nicht vorzeitig gebunden zu haben.“

„Wie könnte ich ein Abenteuer deiner Liebe vorziehen“, sagte Jean Paul, und der Ausdruck seines Gesichts war dabei so ernst, daß ich die spöttische Bemerkung, die ich auf der Zunge trug, lieber unterdrückte.

Während des Abends kümmerte sich Jean Paul rührend um mich. Er benahm sich gerade so, als müßte er mich erneut erobern, wie damals auf dem UNICEF-Ball in Paris, und ich dachte, daß es durchaus auch nützlich sein konnte, nicht nur eine widerspruchslose Geliebte zu sein, vielmehr kleine Zweifel offenzulassen, sich manchmal der Waffen weiblicher Raffinesse zu erinnern.

Jean Paul war der lebende Beweis dafür!

Nach dem Essen führte er mich in ein Laientheater, das im Freien auf einer Bretterbühne unmittelbar am Meer eine Vorstellung gab. Ich nahm kaum wahr, was gespielt wurde. Das Stück und die Leistung der Schauspieler waren sicherlich ausgezeichnet, denn es waren allabendlich viele Leute da und die Vorstellungen seit Wochen ein großer Erfolg, aber ich geriet unversehens und ohne äußeren Anlaß in eine melancholische Stimmung.

„Gefällt es dir nicht?“ fragte Jean Paul während einer Pause besorgt.

„Doch, doch“, antwortete ich, und ich war froh, daß er keine weiteren Fragen stellte.

Später, als wir über die erleuchtete Promenade nach Hause zurückgekehrt waren und ich in seinen Armen lag, beichtete ich, daß der Gedanke, ihm könne auf der Reise etwas zustoßen, mich den ganzen Abend über beschäftigt hatte.

„Ich weiß, daß es blödsinnig ist“, sagte ich, „aber schon allein der Gedanke ist schrecklich.“

Jean Paul versuchte mich zu beruhigen. Das Gesicht in mein Kissen gedrückt, weinte ich mich aus, danach fühlte ich mich ein bißchen freier und erleichtert.

„Manchmal kommst du mir vor wie ein liebebedürftiger kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen ist“, sagte Jean Paul, während er mich an sich drückte. „So verletzlich, so empfindsam und nach Zuspruch verlangend.“

Mittlerweile waren bereits die nächtlichen Morgenstunden hereingebrochen. Die Fassade des gegenüberliegenden Herakles wirkte wie ein dunkles Ungeheuer. Nach und nach verlöschten auch die letzten noch vereinzelt beleuchteten Fenster.

„Ich glaube nicht, daß du dich über Langeweile beklagen wirst“, sagte Jean Paul. „Du hast doch Freundinnen genug, oder du kannst in den Club gehen. Überall ist Abwechslung geboten, und du hast unzählige Möglichkeiten, dich zu amüsieren, während ich verreist bin.“ Er lachte. „Eigentlich müßte ich stolz und übermütig sein, daß du nicht einmal zwei Wochen ohne mich leben willst, aber ich mache mir auch Sorgen. Ich habe dich hierher nach Mourandava gebracht, und deshalb fühle ich mich verantwortlich, wenn es dir nicht gefällt.“

Ich unterbrach ihn, streichelte über seine Haare, legte meine Hand auf seine Brust.

Ich entschuldigte mich.

„Verzeih mir, ich war heute abend allzu naiv. Du hast recht, es gibt hier so viele Möglichkeiten der Abwechslung, ich habe wirklich keinen Grund, mich zu beschweren.“ Ich fühlte mich schon wieder besser, und ich hatte meinen Tiefpunkt überwunden.

„Schlaf jetzt“, lächelte Jean Paul. „Ich verspreche dir, alle meine Termine so einzurichten, daß ich vielleicht sogar einige Tage einsparen und früher zurückkommen kann. Schließlich erwartet uns dann ein recht anstrengendes Programm ...“

Zwei Tage später war es soweit. Der Geschäftswagen war pünktlich zur Stelle. Ich brachte Jean Paul zum Fahrstuhl und begleitete ihn hinunter bis zum Ausgang. Dann ging ich noch einige Schritte neben ihm her, als könne ich so die Zeit unserer Trennung noch maßgeblich verkürzen. Ich wartete, bis er das Geschäftstaxi bestiegen hatte, das ihn zum Flughafen bringen sollte, und winkte hinter dem Fahrzeug her, bis es in einer Seitenstraße verschwand.

Dann kehrte ich langsam zurück, durchquerte die riesige gläserne Eingangshalle des Appartementhauses und fuhr gedankenverloren wieder nach oben. Als ich die leere Wohnung betrat, bemächtigte sich ein Gefühl des Verlassenseins meiner Seele, und Tränen stiegen in meine Augen. Wie töricht ich doch war! Wie schnell verflogen zwei Wochen! Ich brauchte nur eine Telefonnummer zu wählen, um mich mit Bea oder Marie-Louise oder einer anderen Bekannten zu verabreden. Doch mir war nicht zumute, irgendeine Verabredung zu treffen. Alle Möglichkeiten, der leeren Wohnung zu entfliehen, vermochten mich nicht aufzumuntern. Das Kinn in die Hände gestützt, auf einem Sessel vor dem Fenster kniend, blickte ich hinunter auf den Verkehr, der von meinem Beobachtungsposten aus auf der Rue Lantheron und darüber hinaus zu sehen war.

Nachher legte sich das Gefühl der Untröstlichkeit wieder. Ich erinnerte mich, daß es auch Zeiten gab, in denen ich gern allein war, meinen Gedanken nachhing und die Gelegenheit nutzte, um persönliche Dinge zu erledigen. So versuchte ich, für die nächsten Tage Pläne zu schmieden. Ich kam zu dem Entschluß, mich erst einmal in das Markttreiben in der Altstadt zu stürzen und am Nachmittag im Club Tennis zu spielen.

Das Schwimmbecken, neben dessen blauklarem Wasser ich mich ausgestreckt habe, gehört zum Prince Banyoo Sport und Golf Club. Die weitläufige Anlage liegt ein paar Meilen von Mourandava entfernt in Richtung Aurraissac nahe der Baako-Bay. Es gibt Möglichkeiten für eine ganze Reihe von Sportarten, darunter Tennis und Squash, hinter dem Clubhaus beginnt ein ausgezeichnetes Golfareal, die Grünflächen erstrecken sich bis weit in das Hinterland, und für Reitbesessene gibt es sogar eine eigene Rennbahn. Natürlich sind in dieser vornehmen Welt nur Mitglieder zugelassen, die irgendwelche Referenzen oder sonstige Vorzüge vorzuweisen vermögen. Aristokraten mit berühmten Namen beispielsweise oder Politiker, solange sie noch an der Macht sind und Einfluß haben, Honoratioren mit Geld oder Beziehungen. In den letzten Jahren haben auch ranghohe Offiziere des französischen Militärs vereinzelt die Ehre des Zugangs erhalten, aber es sind meist die Frauen und Mädchen, die an Stelle der Männer den Club bevölkern. Vor allem an Wochentagen sind nur selten Männer zu sehen. Dann bestimmen die Frauen mit ihrer Überzahl die sportlichen und weit mehr noch die gesellschaftlichen Aktivitäten. Ich nahm nicht besonders gern an diesem Clubleben teil. Jean Paul hatte mich hier eingeführt, damit ich ein bißchen Abwechslung während der Zeiten seiner Abwesenheit haben sollte, aber mir schien es, als ob die Frauen sich rund um den Swimmingpool einzig und allein zu dem Zweck versammelten, ihre makellosen Beine und Brüste zu zeigen.

Ich war nicht neugierig darauf, Abenteuer und Seitensprünge zu erfahren, die hier wie an einer Börse gehandelt wurden. So hatte ich mich etwas abseits in den Schatten eines Sonnenschirms gelegt.

Auch jetzt wieder gab eine Sprecherin mit brünettem Haar und wohlgeformten Brüsten, die offenbar an diesem Nachmittag die Führungsrolle übernommen hatte, zur allgemeinen Erheiterung ein paar Neuigkeiten von sich. Das Lachen der Zuhörerinnen hallte über das Wasser hin, und obwohl ich ihre Rede nicht aufmerksam verfolgte, konnte ich den Inhalt, der so belustigend schien, doch mithören.

„ … Erst behauptet mein guter Maurice, daß er vier Wochen eine Übung leiten müsse, und als ich erkläre, daß ich die Zeit seines Manövers dieses Mal außer Haus verbringen werde, findet die Übung angeblich gar nicht mehr statt. Schade — ich hätte mich schon irgendwie schadlos gehalten!“

Ich kannte die Rednerin. Es handelte sich um Florence Boscois, die Ehefrau eines hohen französischen Stabsoffiziers. Sie war schätzungsweise Ende Dreißig und häufig im Club zu Gast. In letzter Zeit hatte ich den Verdacht, daß sie mir unverblümt nachstellte.

„Ich beneide wirklich unsere Estelle“, hörte ich kurz darauf ihre Stimme zu mir herüberwehen, „ihr guter Jean Paul befindet sich ständig auf Reisen, und auch jetzt wieder kann sie das Alleinsein ganz unbemerkt genießen! Aber ich habe den Verdacht, daß sie uns an ihrem Glück gar nicht teilhaben lassen will! Na ja, ich kann sie verstehen: Gibt es etwas Schöneres als ab und zu eine wohlverdiente Phase der Selbstverwirklichung?“

Alle lachten und wendeten sich unvermittelt in meine Richtung.

„Haben Sie schon Pläne geschmiedet, was für Eskapaden Sie jetzt unternehmen werden?” fragte Florence zu mir herüber.

„Darüber wird sie bestimmt schweigen! Ihr seht doch, daß sie uns meidet!“ rief eine mir unbekannte junge Frau, deren rötliches Haar in der Sonne glänzte.

„Auch wenn sie ein Geheimnis daraus macht, so ist es doch leicht zu erraten — sie wird einen Liebhaber erhören! An Bewerbern besteht ja wahrhaftig kein Mangel!“

Andere äußerten nicht weniger eindeutige Mutmaßungen.