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Ein chirurgischer Eingriff stellt neben der Herausforderung für Ärzte auch eine besondere Herausforderung für Patienten dar. Sie sehen sich einer schwer einzuschätzenden neuen Situation gegenübergestellt, sorgen sich um ihre körperliche Unversehrtheit und stellen sich eine Fülle von Fragen. Nicht selten fühlen sie sich dem, was auf sie zukommt, hilflos ausgeliefert. Dem aufklärenden, verständnisvollen und Orientierung gebenden Gespräch zwischen Arzt und Patient kommt eine immer größere Bedeutung zu. Eine gelingende Kommunikation mit Patienten will daher ebenso gelernt sein wie der geschickte Umgang mit dem Skalpell. Mit Facettenvielfalt, in der Praxis bewährten Empfehlungen für den chirurgischen Alltag und mit dem Appell, in der Kommunikation neue Wege zu gehen, leistet dieses Buch einen wichtigen Beitrag zu mehr Klarheit, Sicherheit, Zufriedenheit und auch Menschlichkeit in der mitunter wegen ihrer hohen Anonymität gefürchteten Krankenhauswelt. Mit Geleitworten von Prof. Dr. D. Rixen (Duisburg) und Dr. B. Hontschik (Frankfurt/M.).Das Werk wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung der Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung, Hamburg.
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Seitenzahl: 463
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Ein chirurgischer Eingriff stellt neben der Herausforderung für Ärzte auch eine besondere Herausforderung für Patienten dar. Sie sehen sich einer schwer einzuschätzenden neuen Situation gegenübergestellt, sorgen sich um ihre körperliche Unversehrtheit und stellen sich eine Fülle von Fragen. Nicht selten fühlen sie sich dem, was auf sie zukommt, hilflos ausgeliefert. Dem aufklärenden, verständnisvollen und Orientierung gebenden Gespräch zwischen Arzt und Patient kommt eine immer größere Bedeutung zu. Eine gelingende Kommunikation mit Patienten will daher ebenso gelernt sein wie der geschickte Umgang mit dem Skalpell. Mit Facettenvielfalt, in der Praxis bewährten Empfehlungen für den chirurgischen Alltag und mit dem Appell, in der Kommunikation neue Wege zu gehen, leistet dieses Buch einen wichtigen Beitrag zu mehr Klarheit, Sicherheit, Zufriedenheit und auch Menschlichkeit in der mitunter wegen ihrer hohen Anonymität gefürchteten Krankenhauswelt. Mit Geleitworten von Prof. Dr. D. Rixen (Duisburg) und Dr. B. Hontschik (Frankfurt/M.).Das Werk wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung der Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung, Hamburg.
Dr. med. Peter-Michael Hax, Stellv. Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg. Thomas Hax-Schoppenhorst, pädagogischer Mitarbeiter der LVR-Klinik Düren, Dozent für Rhetorik.
Peter-Michael Hax Thomas Hax-Schoppenhorst (Hrsg.)
Kommunikation mit Patienten in der Chirurgie
Praxisempfehlungen für Ärzte aller operativen Fächer
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © 2012 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Umschlagabbildung: © Dirk Kleinefeldt Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany
Print: 978-3-17-021613-6
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978-3-17-027454-9
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978-3-17-027455-6
Für unsere Mutter
Geleitwort von Prof. Dr. D. Rixen
Geleitwort von Dr. B. Hontschik
Vorwort der Herausgeber
1 Der „Gute Arzt“ – Über einen ethisch begründeten ärztlichen Umgang mit chirurgischen PatientenDieter Theuer, Rolf Verres, Eike Martin und Markus W. Büchler
2 Systembedingungen für erfolgreiche PatientengesprächeJens Hager van der Laan und Ulrike Schlein
3 Ärzte und Patienten – zwei Welten begegnen sichClaudia Tödtmann
4 Was bedeutet ein chirurgischer Eingriff für das Seelenleben eines Patienten?Christoph Mattern und Ruperta Mattern
5 Das Gespräch – Herz der MedizinThomas Hax-Schoppenhorst
6 Kommunikation in der ChirurgieWolf Langewitz
7 Sicherheit durch Klarheit – Kommunikation in Unfallchirurgie und OrthopädiePeter-Michael Hax
8 Kommunikation von Behandlungsfehlern in der ChirurgieMartin Hansis
9 Komplikationen in der ChirurgieMichael A. Scherer
10 Das Überbringen schlechter Nachrichten in der Chirurgie1Jan Schildmann und Eva Schildmann
11 Gesprächsführung in der NeurochirurgieHorst Poimann
12 Kommunikation mit urologischen PatientenRobin Epplen und Axel Heidenreich
13 Arzt-Patientin-Kommunikation in der Gynäkologie und GeburtshilfeGerhard Gebauer und Holger Maul
14 Kommunikation mit KrebskrankenMonika Keller und Jelena Zwingmann
15 Gesprächsführung mit Kindern und deren Eltern unter besonderer Berücksichtigung der Eingriffsaufklärung zu medizinischen MaßnahmenFelicitas Eckoldt
16 Ein Kommunikationskonzept im Interesse kranker Kinder – der Verein Li-La e. V.Lutz von Laer, Ralf Kraus und Wolfgang E. Linhart
17 Das Gespräch mit dem alten Patienten der ChirurgieLinus S. Geisler
18 Kommunikation mit älteren MenschenStefanie Becker
19 Kommunikation mit Angehörigen. Aufklären – hinhören – mitfühlenClaudia Sciborski
20 Viele Lebensformen – Migranten/innen im GesundheitswesenMonika Eicke
21 Qualitätsmerkmal KommunikationDörte Lemmer
Verzeichnis der Autoren und Autorinnen
Stichwortverzeichnis
„Ich will ein guter Arzt sein! Ich möchte auf meinen Patienten eingehen, ihm zuhören, Zeit für ihn haben und ihm das Gefühl geben, dass er bei mir gut aufgehoben ist. Meine Anamnese lässt keine Fragen offen, und aufgrund der Schilderungen der Symptome liegt die Diagnose klar auf der Hand und braucht nur der Vollständigkeit wegen noch mit einigen wenigen Untersuchungsmethoden verifiziert werden. Dann operiere ich den Patienten nach allen Regeln der Kunst, und wenn ich ihn nach der Operation wiedersehe, ist da ein erfolgreicher Heilungsverlauf und ein auf ewig dankbarer Patient, und ich bin ganz stolz darauf, so ein guter Arzt und Chirurg zu sein.“ Davon träumt sicherlich jeder von uns – die Realität sieht manchmal anders aus. Aber warum?
In unserem Kontakt mit den Patienten sind wir sowohl Sender als auch Empfänger von Botschaften. Von der ärztlichen Seite gilt es, das Problem zu verstehen (Sachinhalt), dem Patienten das Gefühl zu geben, ihn ernst zu nehmen (Beziehungsaspekt), als Experte zu überzeugen (Selbstdarstellung) und eine konkrete Therapie vorzuschlagen, die einen Heilungsverlauf verspricht (Appellfunktion). Unser Patient möchte sein Problem schildern (Sachaspekt), er möchte uns in die Lage versetzen, eine klare Diagnose stellen zu können (Beziehungsaspekt), er möchte darstellen, wie er unter der momentanen Ist-Situation leidet (Selbstdarstellung), und sein Besuch beinhaltet den Appell „Helfen Sie mir!“.
Dies ist die Theorie – die Praxis ist ein Kaleidoskop an unterschiedlichsten Interpretationsmöglichkeiten zwischen dem Sender und dem Empfänger. Was ich frage und was der Patient hört, was der Patient antwortet und was ich verstehe, ergibt bereits viele verschiedene Facetten. Bei einem ganzen Gespräch ist die Variantenbreite bereits unermesslich.
Hinzu kommen die jeweiligen Persönlichkeiten des miteinander in Kommunikation tretenden individuellen Patienten und Arztes. So gibt es Patienten, die nur hören, was sie hören möchten oder sich überhört fühlen, Patienten, die ihr medizinisches Wissen an einem Experten messen möchten, bis zu Patienten, die nicht in der Lage sind, den Arzt vor der Operation zu sprechen. Ebenso gibt es Ärzte, welche nur die Sachebene hören und sachlich richtig, aber menschlich daneben treten. Und Ärzte, welche die Sachebene überbewerten aus der Unsicherheit heraus, sich auf den anderen Kommunikationsebenen nicht ausgebildet genug zu fühlen sowie Ärzte, die mehr Sicherheit auf der Gefühlsebene vermitteln, als die Natur leisten kann.
Die Vielschichtigkeit der Ausdrucksformen und Wahrnehmungen birgt bereits eine leise Vorahnung der unterschiedlichen Möglichkeiten von Missverständnissen. Hinzu kommen noch besondere Herausforderungen, dort wo Arzt und Patient eine unterschiedliche Muttersprache und kulturellen Hintergrund haben.
Wie kann Kommunikation gelingen? Wie lässt sich Kommunikation gestalten? Wie können wir eine tragfähige Patienten-Arzt Beziehung aufbauen, die auch bei besonders schwerwiegenden Erkrankungen oder Komplikationen stabil bleibt?
Kommunikationstheorie ist bis dato leider nur selten Gegenstand des Medizinstudiums. Hier geht es streng um Fakten, Theorien und Strategien zur Funktionalität des Körpers.
Den Herausgebern ist hier ein fakten- und facettenreicher Brückenschlag zwischen Kommunikationstheorien und dem Umgang mit Patienten in Klinik und Praxis gelungen. Zahlreiche Beiträge aus dem Alltag der medizinischen Kommunikationswelt möchten Ihre Wahrnehmung schärfen, Ihnen Orientierung geben, Ihnen Mut machen, Kommunikation aktiv zu gestalten und ihre positiven Wirkungsmöglichkeiten kennenzulernen.
Verbesserung beruht auf der Reflexion, warum Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, und auf der Kreativität, Altbekanntes in solcher Weise neu zu kombinieren, dass daraus eine neue positive Wirkung entsteht. Eine Verbesserung mit großem Potential verspricht einen Entwicklungsschritt. Dieses Buch von Thomas Hax-Schoppenhorst und Dr. med. Peter-Michael Hax erfüllt sicherlich die Voraussetzung, einen solchen Entwicklungsschritt zu initiieren. Eine Entwicklung zu einem authentischen, menschlichen Umgang auf Augenhöhe mit der Betroffenheit des Patienten, den Grenzen der Medizin und dem eigenen Anspruch. Eine Entwicklung zu mehr Zufriedenheit, Transparenz und Erfolg bei der medizinischen Arbeit.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie von diesem Buch inspiriert werden und viele dankbare Patienten, die Sie als engagierten, offenen und guten Arzt schätzen.
Professor Dr. med. Dieter Rixen, Duisburg
Ich war am Ziel – dachte ich jedenfalls. Vor über dreißig Jahre lag das Medizinstudium hinter mir und ich hatte eine chirurgische Assistentenstelle ergattert. Endlich war ich Chirurg. Mein Traumberuf! Als Zeichen, dass ich „dazugehörte“, kaufte ich mir bald den achtbändigen „Baumgartl“ – das Standardwerk der Chirurgie – und platzierte ihn auffällig im Bücherregal meines Arztzimmers. Nach etwa einem Jahr durfte ich erstmals selbstständig einen Eingriff durchführen: eine Appendektomie! Noch heute weiß ich die Namen der Patientin, meiner Mitoperateure und der Narkoseärztin. In der Nacht nach der OP schlief ich unruhig, und in den folgenden Tagen erkundigte ich mich immer wieder, wie es der Patientin ging. Die älteren Kollegen grinsten. Das Gefühl, eine Operation erfolgreich durchgeführt zu haben, war genau so, wie ich es mir erträumt hatte. Aber irgendetwas fehlte. War die handwerkliche Kunst, die ich da gezeigt hatte, alles, was einen guten Chirurgen ausmachte? Was mich zudem irritierte: Der Wurmfortsatz war gar nicht entzündet gewesen. Das hatte sicher zum Gelingen der OP beigetragen. Ich hatte die Sache war zwar gut gemacht, aber was hatte ich da eigentlich gemacht?
Mit der Zeit durfte ich immer anspruchsvollere Eingriffe durchführen. Einmal war ich für die Entfernung einer Gallenblase eingeteilt. Schon bald nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigte sich, dass dieser vermeintliche Routineeingriff komplizierter war als gedacht. Die ganze Region war verwachsen, die Anatomie nur noch zu ahnen. Es fanden sich Gallensteine nicht nur in der Gallenblase, sondern auch im Gallengang. Mein Oberarzt ließ mich trotzdem den Eingriff zu Ende führen. Alles ging gut! Ich blieb immer in der richtigen Schicht, es kam zu keinen Blutungen, Verzögerungen oder Zwischenfällen. Die Gallengangsteine entfernte ich beim ersten Versuch, die Drainage saß sofort, meine OP-Zeit konnte sich sehen lassen. Ich fühlte mich großartig! Doch da sagte mein Oberarzt: „Das haben Sie zwar sehr gut gemacht. Aber jetzt heben Sie bloß nicht ab: Das bringe ich jedem Pförtner bei, wenn er nicht zwei linke Hände hat.“ Ich fühlte mich wie ein begossener Pudel. Erst viel später verstand ich, was er gemeint hatte. Durfte ich mich schon als guter Chirurg fühlen, nur weil ich jetzt mit dem Skalpell umgehen konnte? Wahrscheinlich nicht. Aber was war dann ein guter Chirurg? Ich wusste keine Antwort. Ich wusste nur eines: Ich war nicht der Chirurg, der ich eigentlich hatte werden wollen. Ich war kein guter Arzt geworden, wohl aber ein guter Techniker.
Aus dieser Enttäuschung heraus machte ich mich auf die Suche und stieß dabei auf ein Zitat des großen Arztes und Philosophen Thure von Uexküll: „Die Medizin ist streng getrennt in eine Medizin für Körper ohne Seelen und eine Medizin für Seelen ohne Körper.“ Sofort hatte ich das Gefühl, dass dieser Satz das Unbehagen mit meiner ärztlichen Arbeit auf den Punkt brachte. Unsere Medizin leidet an einem fatalen Dualismus: Die Medizin für Körper ohne Seelen sucht im Körper eines Menschen nach Defekten, die mit Medikamenten, Ersatzteilen oder Operationstechniken repariert werden sollen. Die Medizin für Seelen ohne Körper dagegen findet immer neue Formen der Psychotherapie, mit denen seelische Konflikte und Erkrankungen bewältigt werden können, losgelöst von der körperlichen Situation.
Bisher hatte ich also in einem vereinfachten Modell der Medizin gearbeitet, das den Menschen zu einem zweigliedrigen System degradiert, in dem auf eine bestimmte Ursache immer die gleiche Wirkung folgt. Dieses „pragmatische“ Ursache-Wirkung-Prinzip mag für technische Maschinen gültig sein, aber nicht für Menschen! Bei allen Lebewesen ist in diesem Prozess aus Ursache und Wirkung ein aktiver Prozess eingeschaltet. Wenn einer hungrigen Katze ein Schmetterling vor die Nase fliegt, wird sie ihn jagen und fressen. Ist die gleiche Katze aber satt, wird sie dem Schmetterling nur dösend zuschauen oder ihn gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Auf die Medizin übertragen bedeutet dies, dass man in einem nicht-trivialen Modell neben dem Prinzip „Ursache“ (z. B. Arthrose) und „Wirkung“ (z. B. Schmerzen) noch ein drittes Glied berücksichtigen muss – nämlich welche Bedeutung der Patient seiner Situation erteilt. Der Unterschied zwischen einem kranken Menschen beim Arzt und einer defekten Maschine in der Werkstatt ist fundamental. Wenn die Chirurgie das ignoriert, ist sie keine.
Die Bedeutungserteilung zu erkennen, die eigene und die des Patienten, ist also die zentrale Aufgabe eines jeden Arztes. Das trifft auch für die chirurgische Tätigkeit zu, obwohl die Chirurgie eigentlich ein seltsames Fach ist: Sie definiert sich ausschließlich durch die Möglichkeit der chirurgischen Therapie einer Krankheit, nicht nach Organsystemen wie z. B. die Neurologie, die Gynäkologie, die Urologie, die Dermatologie usw., nicht nach der angewandten Technik wie z. B. die Radiologie oder die Labormedizin, auch nicht nach bestimmten Lebensabschnitten wie etwa die Pädiatrie oder die Geriatrie. Die Chirurgie bezieht ihre Identität allein aus ihrer Tätigkeit, aus ihrem Handeln. Wenn es für eine Krankheit eine angemessene operative Therapie gibt, ist die Krankheit eine chirurgische Krankheit und der Patient ein chirurgischer Patient. Wenn nicht, dann nicht. Nimmt man aber z. B. eine komplizierte Radiusfraktur, die mit einer Osteosynthese zu versorgen ist, so kann die gleiche Fraktur durch einen Verkehrsunfall, einen epileptischen Anfall, eine Tätlichkeit, eine psychogene Ohnmacht, eine „Unfallpersönlichkeit“, eine hormonell bedingte Osteoporose, durch Glatteis oder durch einen Selbstmordversuch verursacht worden sein. Dieses vielgestaltige ätiologische Muster, das bei praktisch allen „chirurgischen“ Erkrankungen zu finden ist, verbietet es, dem Chirurgen erkrankungsbezogene psychosomatische Kategorien an die Hand zu geben.
Wenn sich Chirurgen also mit Kommunikation, mit Empathie, mit Bedeutungserteilung befassen, müssen sie sich auf den Rhythmus ihrer Tätigkeit besinnen. Dieser Rhythmus lautet stereotyp, immer wieder, aber in jedem Fall individuell und neu: Indikation – Operation – Restitution. Eine chirurgische Behandlung kann nur gelingen, wenn alle drei Schritte in ihrer allgemeinen und individuellen Besonderheit verstanden werden. Dazu brauchen Chirurgen Kenntnisse, die sie (leider) weder im Studium noch in der Facharztausbildung erlernen konnten. Sie müssen sich diese Fähigkeiten nachträglich aneignen.
Von diesen Fähigkeiten ist in diesem Buch die Rede, aus vielen verschiedenen Perspektiven. Ein neues chirurgisches Curriculum wäre vonnöten. Aus all diesen Gründen wünsche ich diesem Buch eine weite Verbreitung.
Dr. Bernd Hontschik, Frankfurt
„Wer das erste Knopfloch verfehlt,
kommt mit dem Zuknöpfen kaum mehr zu Rande.“ (Goethe)
Ein gutes Wort, so heißt es, schafft Vertrauen; mit einem gelungenen Gespräch gelingt es, Brücken zu bauen. Schenkt man aktuellen kritischen Berichterstattungen Glauben, so gehört gerade das Krankenhaus bei anhaltender Ökonomisierung des Gesundheitswesens zu jenen Orten, an denen bei zunehmender Verknappung der kostbaren Ressource Zeit nur noch das Nötigste gesprochen wird.
Seit Längerem aber wird den kommunikativen Aspekten in Bezug auf organisatorische Abläufe und im Besonderen in der Arzt-Patient-Beziehung die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihnen gebührt. Das umfassend informierende, Klarheit und Zuversicht vermittelnde, sowohl Perspektiven als auch mögliche Veränderungen bzw. Gefahren aufzeigende Gespräch gilt zurecht als tragende Säule einer guten Behandlung von Patientinnen und Patienten, die sich angenommen fühlen und in guten Händen wissen wollen.
In den chirurgischen Disziplinen wird vermehrt der Wunsch laut, kommunikative Kompetenzen bzw. das Bewusstsein für Beziehungsaspekte in den Fokus zu rücken. Dies mag u. a. darauf zurückzuführen sein, dass zu lang davon ausgegangen wurde, die Fähigkeit zur Pflege eines guten Arzt-Patient-Kontakts sei eine selbstverständlich vorhandene Gabe. Mittlerweile ist jedoch unbestritten: Gelingende Kommunikation will ebenso geübt sein wie der geschickte Umgang mit dem Skalpell!
Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stellen in diesem Buch unter hohem Praxisbezug ihre Konzepte vor und geben damit Studierenden wie Praktikern hilfreiche Impulse für eine zukünftige, zu größerer Sicherheit und Zufriedenheit auf beiden Seiten führenden Kommunikation.
Grundlegenden, für eine gelingende Kommunikation essentielle Ausführungen über den „guten Arzt“ schließen sich Texte zur Kommunikation im Zusammenhang mit Fragen der Führung, zu Kommunikationstheorien, Patientenperspektiven und zur Kommunikation in der Chirurgie im Allgemeinen an. Darauf folgen Einschätzungen und Empfehlungen aus den einzelnen Fachbereichen. Wichtige Informationen zur Gesprächsführung mit bestimmten Patientengruppen, mit Angehörigen sowie zum Umgang mit der Überbringung schlechter Nachrichten haben vertiefende Funktion. Den Abschluss bildet ein Beitrag zur Kommunikation im Krankenhaus aus der Perspektive des Qualitätsmanagements.
Mit beeindruckender Begeisterungsfähigkeit und hohem Engagement haben die Autorinnen und Autoren dazu beigetragen, eine Publikation anzubieten, die es ermöglicht, sich einer faszinierenden Thematik umfassend zu nähern. Ihnen sowie Frau Dagmar Kühnle vom Verlag W. Kohlhammer gilt unser Dank für die geleistete Unterstützung bzw. hervorragende Begleitung dieses Projektes.
Leserinnen und Lesern wünschen wir eine gewinnbringende Lektüre und gutes Gelingen im Gespräch mit den Patienten.
Sie werden es Ihnen danken!
Duisburg/Düren, August 2011
Dr. med. Peter-Michael Hax
Thomas Hax-Schoppenhorst
Dieter Theuer, Rolf Verres, Eike Martin und Markus W. Büchler
Bereits vor der Sesshaftwerdung der Hominiden vor 800.000 bis 600.000 Jahren in der Urfom der Jäger- und Sammlergemeinschaft ist die soziale Verantwortung einer pflegerisch-ärztlichen Tätigkeit erkennbar. Ausgrabungen von Skelettteilen des Homo sapiens neandertalensis haben die Ausheilungszustände von Oberarmfrakturen mit knöcherner Konsolidierung bei im fortgeschrittenen Lebensalter verstorbenen Urmenschen nachweisen können. Man darf annehmen, dass diese Heilungen wohl kaum möglich gewesen wären, wenn nicht andere Individuen durch pflegende Zuwendung geholfen hätten.
Nach Niederlassung der Hominiden als Ackerbauern und Viehzüchter in größeren Gemeinschaften setzte alsbald eine Aufgaben- und Arbeitsteilung ein. Bestimmte Personen gewannen dadurch Erfahrung in verschiedenen speziellen Tätigkeiten, dazu gehörte auch ein zunehmender Erfahrungsschatz an Möglichkeiten der Krankenbehandlung, Behandlung von arbeitsbedingten Verletzungsfolgen, Wundversorgung, Hilfeleistung durch Gebärtechniken und andere. Diese Spezialisierungen konnten von Historikern z. B. in den Siedlungsgebieten des sogenannten „Fruchtbaren Halbmonds“ aufgedeckt werden, im geographischen Bereich zwischen Ägypten, Sinai-Halbsinsel, Jordan-Land bis an die Gebiete zwischen Euphrat und Tigris, etwa seit 60.000 bis 40.000 Jahren vor Christus. Neben zunehmender Spezialisierung arbeitsmäßiger Tätigkeiten in den Gemeinschaften der sesshaften Jetztmenschen (Homines sapientes sapientes) war bei arztähnlichen, gesundheitsfördernden Tätigkeiten insbesondere der Zugewinn der Erfahrung bei Verletzungsbehandlungen maßgeblich. Jedoch war es noch ein historisch langer Weg bis zu einem definierten Arztberuf des Jetztmenschen (Theuer 1966).
Eine Kodifizierung ärztlicher Handlungen und Verhaltensgrundsätze erfolgte als „Eid des Hippokrates“ (460 bis 370 v. Chr.). Dabei wurden Grundsätze herausgestellt, welche noch heute eine universelle Gültigkeit beanspruchen, in den ärztlichen Standesregeln weitergeführt, in staatlichen Gesundheitsgesetzen rechtsgültig formuliert und von ärztlichen Berufsgesellschaften fortlaufend der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung angepasst werden. Die grundsätzlichen beruflich-ethischen Verpflichtungen eines Arztes beinhalten seit mehr als 2.000 Jahren
ärztliche Verordnungen zum Nutzen der Kranken,
niemals ein tödliches Mittel zu verabreichen,
einen kollegialen ärztlichen Umgang (auch mit Söhnen und Töchtern) des ärztlichen Lehrers sowie mit den Medizinstudenten.
Einige dem Eid des Hippokrates zugeordnete Grundsätze haben sich im Verlauf der Jahrtausende entsprechend einer medizinisch-technischen und sozialgesellschaftlichen Entwicklung verändert, z. B. durch eine eigenständige Abgrenzung der Tätigkeit eines Chirurgen, durch die selbstständige Fachrichtung der Augenheilkunde und Ähnliches.
Eine sozial ausgerichtete und beruflich zugeordnete Stellung erreichte die ärztliche Tätigkeit mit zunehmender Erfolgssammlung und Wissensweitergabe an Nachfolgegenerationen. Dabei kam es zunächst zu verschiedenen eigenständigen Berufsbildern, beispielsweise Schamanentum, Wundarzt, Barbier und Knochenspezialist, Steinschneider und Zahnbehandler.
Für die moderne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts und insbesondere für die Ärzteschaft in einem demokratisch verfassten Staatssystem gilt der Grundsatz, ein persönliches Maß an Empathie und Mitgefühl für den Patienten aus eigenem Gewissensentscheid als Grundlage der ärztlichen Tätigkeit zu erkennen (Hahn 1988; Dörner 2001). Die persönliche, beruflich-ethische Verpflichtung eines Arztes gilt lebenslang. Daher sollte sich der Arzt verpflichtet fühlen, wenn sein persönliches Maß an Empathie und Mitgefühl für den Patienten aus eigenständigen Gründen, persönlichen Problemen, Erkrankung oder Ähnlichem erschöpft ist, aus dem Berufsleben mit direktem Patientenkontakt auszuscheiden.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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