Korrektur - Thomas Bernhard - E-Book

Korrektur E-Book

Thomas Bernhard

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Beschreibung

»Zur stabilen Stützung eines Körpers«, so das Motto des 1975 erstmals erschienenen Romanes Korrektur, »ist notwendig, daß er mindestens drei Auflagepunkte hat, die nicht in einer Geraden liegen, so Roithamer.« Der Roman Korrektur hat ebenfalls drei »Auflagepunkte«. Der erste ist Roithamer, Österreicher, 42 Jahre alt, er lehrte Naturwissenschaft in Cambridge. In dreijähriger Planung und ebenso langer Bauzeit hatte er für seine Schwester ein ihr vollkommen entsprechendes Bauwerk geschaffen, einen sogenannten »Kegel«. Der Anblick dieses vollkommenen Bauwerks brachte ihr den Tod. Roithamer mußte »korrigieren«, er ließ den Kegel dem Staat zufallen, freilich mit der Auflage, ihn der Natur zu überlassen. Dann vollzog Roithamer die letzte Korrektur, den Freitod.

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Thomas Bernhard

Korrektur

Roman

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2023

Der vorliegende Text folgt der 10. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 1533.

© 1975, Suhrkamp Verlag AG, Berlin

Erstveröffentlichung Frankfurt am Main 1975.

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Umschlaggestaltung nach Entwürfen von hißmann, heilmann, hamburg

eISBN 978-3-518-77839-5

www.suhrkamp.de

Zur stabilen Stützung eines Körpers ist es notwendig, daß er mindestens drei Auflagepunkte hat, die nicht in einer Geraden liegen, so Roithamer.

Inhaltsverzeichnis

Die Höllersche Dachkammer

Sichten und Ordnen

DIE HÖLLERSCHE DACHKAMMER

Nach einer anfänglich leichten, durch Verschleppung und Verschlampung aber plötzlich zu einer schweren gewordenen Lungenentzündung, die meinen ganzen Körper in Mitleidenschaft gezogen und die mich nicht weniger als drei Monate in dem bei meinem Heimatort gelegenen, auf dem Gebiete der sogenannten Inneren Krankheiten berühmten Welser Spital festgehalten hatte, war ich, nicht Ende Oktober, wie mir von den Ärzten angeraten, sondern schon Anfang Oktober, wie ich unbedingt wollte und in sogenannter Eigenverantwortung, einer Einladung des sogenannten Tierpräparators Höller im Aurachtal Folge leistend, gleich in das Aurachtal und in das Höllerhaus, ohne Umweg nach Stocket zu meinen Eltern, gleich in die sogenannte höllersche Dachkammer, um den mir nach dem Selbstmord meines Freundes Roithamer, der auch mit dem Tierpräparator Höller befreundet gewesen war, durch eine sogenannte letztwillige Verfügung zugefallenen, aus Tausenden von Roithamer beschriebenen Zetteln, aber auch aus dem umfangreichen Manuskript mit dem Titel Über Altensam und alles, das mit Altensam zusammenhängt, unter besonderer Berücksichtigung des Kegels, zusammengesetzten Nachlaß zu sichten, möglicherweise auch gleich zu ordnen. Die Atmosphäre im Höllerhaus war noch ganz unter dem Eindruck vor allem der Umstände des Selbstmordes Roithamers gestanden und schien gleich bei meiner Ankunft meinem Vorhaben, mich im Höllerhaus, genauer, in der höllerschen Dachkammer mit den mir von Roithamer überlassenen Schriften zu beschäftigen, dieses Schriftmaterial zu sichten und zu ordnen, nützlich, ich hatte aufeinmal den Gedanken gehabt, mich nicht nur mit dem Nachlaß Roithamers zu beschäftigen, sondern auch gleich über diese Beschäftigung zu schreiben, was hier angefangen ist, dazu war mir der Umstand, daß ich ohne Vorbehalte des Höller gleich in die höllersche Dachkammer einziehen habe können, günstig gewesen, ich sollte, obwohl sich im Höllerhaus noch andere Räumlichkeiten für meinen Zweck angeboten hatten, ganz bewußt in jene genau viermalfünf Meter große, von Roithamer immer geliebte und vor allem in seiner letzten Lebenszeit ihm für seine Zwecke ideale höllersche Dachkammer einziehen, auf wielange, sei dem Höller gleich, in jene Dachkammer in dem von dem eigenwilligen Höller gegen alle Regeln der Vernunft und der Baukunst gerade an der Aurachengstelle gebauten Hause, die von Höller wie für Roithamers Zwecke konstruiert und gebaut worden war, in welcher sich Roithamer, der sechzehn Jahre mit mir in England gewesen war, in den letzten Jahren beinahe ununterbrochen aufgehalten hatte und schon vorher, vor allem während der Bauzeit des Kegels für seine Schwester im Kobernaußerwald, wenigstens immer zweckentsprechend genächtigt hatte, denn während der ganzen Bauzeit des Kegels hatte er nicht mehr in Altensam, wo er zuhause gewesen war, genächtigt, immer nur, weil diese für ihn in jeder Beziehung die ideale gewesen war in den letzten Jahren, in der höllerschen Dachkammer, er, Roithamer, war in den letzten Jahren nie von England aus direkt nach Altensam, immer gleich in die höllersche Dachkammer gegangen, in dem Einfachen (Höllerhaus) sich zu stärken für das Komplizierte (Kegel), hatte er nicht mehr von England aus, wo wir beide, jeder in seiner Wissenschaft und für sich, immer in Cambridge gewesen waren in den letzten Jahren, direkt nach Altensam gehen dürfen, er mußte direkt in die höllersche Dachkammer gehen, befolgte er diese ihm zur liebsten Gewohnheit gewordene Regel nicht, war ihm der Besuch in Altensam gleich von Anfang der fürchterlichste, er konnte es sich gar nicht erlauben, von England aus gleich nach Altensam und in alles, das mit Altensam zusammenhängt, hineinzugehen, er hatte mehrere Male den Umweg über das Höllerhaus nicht gemacht, aus Zeitgründen, wie er selbst zugegeben hat, das war ein Fehler gewesen, die letzten Jahre experimentierte er nicht mehr in der Weise, daß er ohne das höllersche Haus und den Höller und die Höllerschen aufzusuchen, nach Altensam ging, er ging niemals mehr ohne zuerst den Höller und die Höllerschen im höllerschen Hause aufzusuchen, ohne vorher in der höllerschen Dachkammer Quartier zu nehmen, sich zwei oder drei Tage einer nur in der höllerschen Dachkammer möglichen, ihn nicht schädigenden, sondern stärkenden Lektüre zu widmen, in der höllerschen Dachkammer die Bücher und die Schriften zu lesen, die zu lesen ihm weder in England, noch in Altensam möglich gewesen war, das zu denken und zu schreiben, was zu denken und zu schreiben ihm weder in England, noch in Altensam möglich gewesen war, hier hatte ich Hegel entdeckt, sagte er immer wieder, hier hatte ich mich zum erstenmal wirklich mit Schopenhauer beschäftigt, hier hatte ich zum erstenmal die Wahlverwandtschaften und die Empfindsame Reise bei klarem Bewußtsein störungsfrei lesen können, hier, in der höllerschen Dachkammer hatte ich plötzlich Zugang zu jenen Gedanken gefunden, die mir die ganzen Jahrzehnte vor der Dachkammer versperrt gewesen waren und tatsächlich, wie er schreibt, zu den wesentlichsten Gedanken, zu den für mich wichtigsten, ja lebensnotwendigsten Gedanken, hier in der höllerschen Dachkammer, schreibt er, ist mir alles möglich gewesen, was mir außerhalb der höllerschen Dachkammer immer unmöglich gewesen war, meinen Geistesgaben nachzugeben und dadurch meine Geistesfähigkeiten zu entwickeln und meine Arbeit vorwärts zu bringen, denn war ich außerhalb der höllerschen Dachkammer immer gehindert gewesen, meine Geistesfähigkeiten zu entwickeln, so konnte ich sie in der folgerichtigsten Weise in der höllerschen Dachkammer entwickeln, alles in der höllerschen Dachkammer ist meinem Denken entgegengekommen, in der höllerschen Dachkammer durfte ich mir immer alle Möglichkeiten meines Geistesvermögens erlauben und ich war aufeinmal in der höllerschen Dachkammer immer von der Unterdrückung der Außenwelt gegen meinen Kopf und gegen mein Denken und also gegen meine ganze Konstitution ausgenommen, das Unglaublichste war in der höllerschen Dachkammer aufeinmal nicht mehr unglaublich, das Unmöglichste (Denken!) nicht mehr unmöglich. Es waren die für sein Denken notwendigen und ihm förderlichsten Verhältnisse, die er immer in der höllerschen Dachkammer vorgefunden hatte, um den Mechanismus seines Denkens ungeniert und vollkommen störungsfrei in Gang zu setzen, mußte er, von wo auch immer, nur in die höllersche Dachkammer gehen und dieser Mechanismus funktionierte. War ich in England, so er, dachte ich immerfort nur daran und immer und gleich in was für einer Geistesverfassung, wäre ich doch in der höllerschen Dachkammer, immer an den Endpunkten seines Denkens wie seines Fühlens, wenn ich nur in der höllerschen Dachkammer wäre, andererseits war ihm klar, daß die höllersche Dachkammer für immer aufzusuchen nicht gleichbedeutend war, für immer frei und ungestört denken zu können, tatsächlich hätte der, wie er sagt, unendliche Aufenthalt in der höllerschen Dachkammer, wenn ein solcher unendlicher Aufenthalt in der höllerschen Dachkammer überhaupt möglich gewesen wäre, zu nichts anderem geführt, als in seine vollkommene Vernichtung, bleibe ich länger als notwendig in der höllerschen Dachkammer, so er, gehe ich in der kürzesten Zeit zugrunde, dann höre ich ganz auf, war sein Gedanke gewesen, weshalb er sich immer nur eine bestimmte, von ihm selbst nicht vorhersehbare, aber doch genau bemessene Zeit in der höllerschen Dachkammer aufgehalten hatte, die ideale Zeit für den Aufenthalt in der höllerschen Dachkammer muß ihm die Zeit von vierzehn oder fünfzehn Tagen gewesen sein, wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, immer wieder nur vierzehn oder fünfzehn Tage, am vierzehnten oder fünfzehnten Tag, so Höller, habe Roithamer immer blitzartig zusammengepackt und sei nach Altensam, aber oft nicht, um dann längere Zeit in Altensam zu bleiben, sondern nur die kürzeste Zeit, wie er ja immer nur die kürzeste, die notwendigste Zeit in Altensam geblieben ist, er hielt es in Altensam nicht länger als die kürzeste oder die allerkürzeste Zeit aus und es war vorgekommen, daß er wohl in der Absicht in dem höllerschen Hause Quartier genommen hatte, dann nach vierzehn Tagen, nach Altensam zu gehn, nach vierzehn oder fünfzehn Tagen, anstatt nach Altensam, wo er angemeldet und erwartet gewesen war, direkt aus der höllerschen Behausung an der Aurachengstelle zurück nach England gefahren war, weil ihm der Aufenthalt im höllerschen Hause nicht nur genügt hatte, weil er im höllerschen Haus und in der höllerschen Gegenwart in seinem Denken bereits so weit gekommen war, um ohne Umweg über Altensam, wieder nach England, genauer nach Cambridge zurückzukehren, wo er einerseits immer studierte, andererseits gleichzeitig immer unterrichtete und, wie er selbst immer wieder sagte, ohne selbst immer genau zu wissen, ob er jetzt studierte oder unterrichtete, denn unterrichtete ich, studierte ich im Grunde, studierte ich, unterrichtete ich im Grunde. Tatsächlich ist die Atmosphäre, die ich im höllerschen Hause vorgefunden hatte, auch für mich die ideale gewesen, ich richtete mich sofort in der Dachkammer, die Roithamers Dachkammer gewesen ist und auch immer Roithamers Dachkammer bleiben wird, ein und ich hatte von Anfang an die Absicht, über mein Studium der Papiere Roithamers und über den ganzen damit zusammenhängenden Vorgang Notizen zu machen und mir ist bald klar gewesen, daß für Roithamer die höllersche Dachkammer die ideale gewesen ist, er lebte sich in der höllerschen Dachkammer, von welcher man gegen Westen und also gegen die Finsternis auf die reißende Aurach, gegen Norden und also auch gegen die Finsternis auf das ständig und immer laut auf die Felswand schlagende und klatschende Wasser und also auf nasses und glänzendes Gestein schaute, ein, »Einübung in Altensam im höllerschen Hause« nannte er diese Aufenthalte im höllerschen Hause und insbesondere in der höllerschen Dachkammer in rascher Aufeinanderfolge in den letzten Jahren, vor allem in den letzten drei Jahren, in welchen er wenigstens fünf- oder sechsmal auf vier oder fünf Monate von England nach Altensam und im Grunde doch nur in die höllersche Dachkammer gekommen war, es ist klar, daß ihn auch die Arbeit Höllers, seine sorgfältigen Tierpräparationen angezogen haben, überhaupt der ganze merkwürdige ganz eng mit den Lichtverhältnissen in dem Aurachtale zusammenhängende Zustand, dieser zwar einfache, aber doch ganz in der an dieser Stelle ununterbrochen fühlbaren und meistens sehr schmerzhaften Natur sich vollziehende Tagesablauf mit allen seinen an diesen Tagesablauf angebundenen Menschen, mit den Eltern und Schwiegereltern Höllers und mit seiner Frau und mit seinen noch schulpflichtigen Kindern, wo sich alles um geschossenes und ausgenommenes Wild und um geschossenes und ausgenommenes Geflügel und die damit zusammenhängenden Beschäftigungen und naturangebundenen Lebensumstände handelte, daß er, Roithamer, gerade hier an der Aurachengstelle die Ideale vor allem für sein Hauptwerk, den Bau des Kegels voranzutreiben, gefunden hatte, für jenes Bauwerk als Kunstwerk, welches er in drei Jahren ununterbrochener Geistesarbeit für seine Schwester entworfen und in den daraufgefolgten drei weiteren Jahren mit der größten, von ihm selbst einmal als beinahe unmenschliche Energie bezeichnet, und zwar in der Mitte des Kobernaußerwaldes, gebaut hat. In der höllerschen Dachkammer, in welcher ich jetzt mit den Schriften Roithamers, die sich größtenteils mit dem Bau des Kegels beschäftigten, eingezogen war und diese Beschäftigung mit Roithamer und mit seinem Nachlaß mußte ich als die geradezu ideale therapeutische Beschäftigung nach meiner langen Krankheit einschätzen und gerade so ideal empfinden, hat Roithamer die Idee zum Bau des Kegels gehabt und die wichtigsten Pläne zum Bau des Kegels sind in dieser Dachkammer von ihm entworfen worden und die Tatsache, daß sich jetzt, Monate nach dem Tod Roithamers und ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Schwester, für die er den inzwischen dem Verfall preisgegebenen Kegel gebaut hatte, daß sich jetzt in der höllerschen Dachkammer noch immer sämtliche und zum Großteil gar nicht verwendeten aber doch immer nur auf den Kegelbau bezogenen Pläne, sowie alle darauf bezogenen Bücher und Schriften, die Roithamer alle in den letzten Jahren zum Bau des Kegels herangezogen hatte, Bücher und Schriften in allen möglichen Sprachen, auch in solchen, die er nicht sprechen konnte, die er sich aber von seinem viele Sprachen sprechenden und überhaupt wie kein zweiter mir bekannter Mensch sprachenbegabten Bruder Johann übersetzen hatte lassen, auch diese Übersetzungen waren in der höllerschen Dachkammer und schon bei dem ersten Überblick sah ich, daß es sich um Hunderte solcher Übersetzungen handeln müsse, ganze Stöße von Übersetzungen aus dem Portugiesischen und aus dem Spanischen hatte ich gleich bei meinem Eintreten in die höllersche Kammer entdeckt, diese Hunderte und Tausende von mühevollen Entzifferungen wahrscheinlich aber doch für sein Vorhaben, den Kegel zu bauen und zu vollenden, wichtigen Gedankengänge von mir nicht bekannten, ihm aber wahrscheinlich hochvertrauten, sich mit der Baukunst beschäftigenden Wissenschaftlern, das Wort Architekt oder Architektur haßte er, er sagte niemals Architekt oder Architektur und wenn ich es sagte oder ein anderer Architekt oder Architektur sagte, entgegnete er sofort, daß er das Wort Architekt oder Architektur nicht hören könne, diese beiden Wörter seien nichts als Verunstaltungen, Verbalmißgeburten, die sich ein Denkender nicht gestatten dürfe und ich gebrauchte auch niemals in seiner Gegenwart, dann auch sonst nicht mehr das Wort Architekt oder Architektur, auch Höller hatte sich angewöhnt, die Wörter Architekt und Architektur nicht zu gebrauchen, wir sagten, wie Roithamer selbst, immer nur Baumeister oder Bauwerk oder Baukunst, daß das Wort Bauen eines der schönsten sei, wußten wir seit Roithamer darüber gesprochen hat, in eben der Dachkammer, in welcher ich jetzt Quartier bezogen hatte, an einem trüben, regnerischen Abend, an welchem wir tatsächlich ein wie schon so oft an der Aurachenge aufgetretenes und sich möglicherweise verheerend auf die ganze Aurachenge auswirkendes, aber dann doch aufeinmal zurückgegangenes Hochwasser gefürchtet hatten, immer hatte das Hochwasser an der Aurachenge größten Schaden angerichtet, aber das höllersche Haus verschont, überall die ganze Aurach herunter und hinunter den größten Schaden verursacht, aber das höllersche Haus genau an der Aurachenge verschont, weil es aus dem klaren Verstande Höllers gebaut war, immer waren alle, die sahen, daß den ganzen Aurachlauf entlang alles vermurt und verheert und zerstört worden, aber das höllersche Haus als das einzige verschont geblieben war, über diesen unglaublichen Umstand erstaunt gewesen, an diesem trüben und regnerischen Abend, an welchem wir wieder ein solches alles vermurendes und verheerendes Hochwasser befürchteten, das dann aber doch nicht eingetreten war, hatte uns Roithamer die Schönheit des Wortes Bau und die Schönheit des Wortes Bauen und die Schönheit des Wortes Baukunstwerk erklärt. Wie er immer von Zeit zu Zeit ein Wort, das ihm plötzlich zu solcher Bedeutung geworden war, aus allen anderen Wörtern herausgenommen und erklärt hat, gleich welchem, meistens waren aber wir, die wir uns zu einem Abend im höllerschen Hause sehr oft und immer regelmäßig an den Wochenenden getroffen haben, wenn Roithamer aus England zurückgekommen war, die Zuhörer gewesen. Ich erinnere mich, daß er uns einmal die ganze Nacht das Wort Umstand erklärt hat, das Wort Zustand und das Wort folgerichtig. Daß sich in der höllerschen Dachkammer und zwar unverändert noch alle von Roithamers Büchern und Schriften und Plänen und Schreib- und Denkgegenständen befunden haben, berührte mich. Die höllersche Dachkammer war das Ideen- und Konstruktionszimmer für den Bau des Kegels gewesen, hier waren alle Ideen zuerst aufgekommen und alle Pläne entworfen und alle für den Bau des Kegels notwendigen Entscheidungen getroffen worden, von hier aus hatte Roithamer die Bauleitung geführt. Die an den Kalkwänden mit Hunderten und Tausenden von Büchern und Schriften über Bauwerke und überhaupt über Bauen und über alles, was mit dem Bauen zusammenhängt, über die ganze Natur und über die ganze Natur- und vor allem mit dem Bauen zusammenhängende Gesteinsgeschichte, über die Statik vor allem und über die Möglichkeiten in einer Natur wie der Natur des Kobernaußerwaldes einen Kegel zu bauen, vollgestopften Weichholzregale, ganz gewöhnliche Weichholzbretter, die mit Achtzentimeterstahlstiften zusammengenagelt gewesen waren, hatten mich sofort bei meinem Eintreten in die höllersche Dachkammer, in welcher ich bis zu diesem Augenblick niemals allein gewesen war, immer nur in Gesellschaft Roithamers oder in Gesellschaft Höllers oder in beider Gesellschaft, aufeinmal war es mir, schon in den ersten Augenblicken des Eintretens in die höllersche Dachkammer möglich gewesen, ungeniert mich in der höllerschen Dachkammer meinen Gedanken über die höllersche Dachkammer auszuliefern, alle diese plötzlich mir zur Verfügung stehenden, naturgemäß meinem Vorhaben, mich mit den roithamerschen Schriften zu befassen und vor allem mich mit seinem Hauptwerk, mit der Entstehung des Kegels, auseinanderzusetzen, es zu sichten und zu durchdenken und möglicherweise da und dort, wo es vielleicht gar nicht zusammengehörte, zusammenzubringen, seinen ursprünglichen, von Roithamer vorgesehenen Zusammenhalt wiederherzustellen, denn das war mir schon bei erster Durchsicht des roithamerschen Hauptmanuskripts klar gewesen, daß durch die Umstände seiner Arbeitsunterbrechung, durch den Tod der Schwester und die damit verbundenen Unregelmäßigkeiten seiner Arbeitsvorgänge, seiner plötzlich gerade da, wo sie nicht unterbrochen werden hätte dürfen, unterbrochenen Arbeit an dem Hauptmanuskript über den Kegel und also über Altensam und über das höllersche Haus, über den Aurachverlauf und die Aurachenge insbesondere, über Baumaterialien und immer wieder über alles mit dem Bau des Kegels zusammenhängende, aber auf die höllersche Dachkammer bezogene, schließlich aber doch aus Verehrung für sie, für seine Schwester, geplante und durchstudierte und schließlich vorangetriebene und tatsächlich vollendete Bauwerk, daß durch alle diese Umstände das Manuskript, an welchem er, wie ich weiß, das letzte halbe Jahr mit der größten Energie in England und zwar in seinem gerade für diese Arbeit in Cambridge gemieteten Zimmer, arbeitete, wie er mir mitgeteilt hat, rücksichtslos eine Rechtfertigung und gleichzeitig Analyse seiner Arbeit an dem Kegel zu schreiben, was ihm neben seiner wissenschaftlichen Arbeit im Grunde nicht gestattet gewesen sei, worüber er sich aber nicht kümmerte, denn es muß ihm klar gewesen sein, daß er das Manuskript über den Kegel und seine Umstände und Zusammenhänge jetzt und zwar sofort nach dem Tode der Schwester zuende zu führen habe, will er es überhaupt zuende führen, wahrscheinlich fühlte er, daß er keine Zeit mehr hatte, daß seine Lebenszeit bedroht und mehr und mehr und Tag für Tag immer noch mehr (von ihm selbst) bedroht und in Kürze zuende sei, so daß er mit unglaublicher Rücksichtslosigkeit vor allem gegen sich selbst und seinen wie ich weiß, vor allem in Geistesverfassungen empfindlichen Kopf an die Verwirklichung seines Vorhabens gehen mußte, das Manuskript über den Bau des Kegels fertig zu bringen; zuerst hatte er die größte Energie aufgebracht, den Kegel zu planen und zu konstruieren und zu verwirklichen und zu vollenden, dann die gleiche, wenn nicht noch größere Energie darauf, den Bau des Kegels in einer, wie ich jetzt sehe, doch größeren, sehr umfangreichen Schrift zu erklären und vor allem zu rechtfertigen, denn es waren ihm von allen Seiten Vorwürfe gemacht worden, daß er überhaupt in einer Zeit gegen solche Ideen eine solche Idee habe, in einer solchen, gegen solche Vorstellungen und Verwirklichungen eingestellten Zeit, eine solche Vorstellung realisierte und verwirklichte und schließlich sogar vollendete, daß er in einer Zeit, welche ja überhaupt gegen solche Menschen und Köpfe und Charaktere und Geister wie Roithamer (und andere!) sei, ein solcher Mensch und ein solcher Kopf und ein solcher Charakter und ein solcher Geist sei, ein solcher widersprüchlicher Charakter und Geist und Mensch noch dazu, welcher sein ihm aufeinmal zugefallenes Erbe dazu benützte, einer, wie alle sagten, verrückten Idee zu gehorchen, die aufeinmal in seinem verrückten Kopfe aufgekommen sei, um ihn nicht mehr auszulassen, der Idee, von dem ihm aufeinmal zugefallenen Geld, seiner Schwester einen Kegel zu bauen, einen Wohnkegel und noch dazu, diese Idee war die allerunverständlichste, den Kegel nicht an einem für jeden als normal ersichtlichen Platze zu errichten, sondern den Kegel in der Mitte des Kobernaußerwaldes zu planen und auch zu bauen und zu vollenden, zuerst hatten sie alle geglaubt, er werde nicht wahrmachen, was er geplant habe, aber er machte nach und nach und aufeinmal nicht nur in seinem Kopfe und für jeden in der Intensität seines Studiums klar erkennbaren Weise mit seinem Vorhaben ernst, er ließ aufeinmal in Wirklichkeit die Straße durch den Kobernaußerwald anlegen, genau von einem von ihm in monatelanger Nachtarbeit berechneten Winkel sollte diese Straße genau in den Mittelpunkt des Kobernaußerwaldes führen, denn genau auf den Mittelpunkt des Kobernaußerwaldes gedachte er den Kegel zu bauen und er baute ihn auch genau in den Mittelpunkt des Kobernaußerwaldes, alle Berechnungen machte er selbst, denn er haßte die, jetzt muß ich es aussprechen, Architekten und er haßte alle professionellen Bauleute, mit Ausnahme der Handwerker, er gab nicht eher Ruhe, als bis er seine Berechnung des Mittelpunktes des Kobernaußerwaldes errechnet und mit dem Ausheben der Baugrube hatte beginnen können, da waren die Leute, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht an die Verwirklichung des verrückten Vorhabens Roithamers geglaubt hatten, plötzlich vor den Kopf gestoßen, als die Straße auf den Mittelpunkt des Kobernaußerwaldes tatsächlich angelegt worden ist und er mit dem Ausheben der Baugrube angefangen hatte, er war, am Ende seiner Berechnungen, aus England zurückgekommen und hatte sich in der höllerschen Dachkammer eingerichtet und das Anlegen der Straße und das Ausheben der Baugrube durch höchstpersönliche Überwachung so schnell vorantreiben können, daß es den Fachleuten ein Rätsel gewesen ist, wie ein Einzelner einen Plan verwirklichen könne mit solcher Geschwindigkeit, daß die Straße in der halben Zeit, in welcher sie normal angelegt gewesen wäre, angelegt war, daß die Baugrube in einem Drittel der Zeit, die normalerweise zum Ausheben einer solchen Baugrube berechnet ist, angelegt worden war. Die Baugrube war die tiefste Baugrube, die jemals gegraben worden ist und die Straße zur Baugrube mußte die bestfundierte Straße sein, alles mußte das beste sein. Ja, die Leute hatten niemals geglaubt, daß es ihm, Roithamer, gelingen werde, überhaupt das Grundstück für den Kegel in der Mitte des Kobernaußerwaldes zu erwerben und vor allem nicht, für einen solchen verrückten Zweck zu erwerben, denn der Bau eines solchen Bauwerks wie der Kegel, ist von allen, vor allem von den Fachleuten, als völlig verrückt bezeichnet worden und wird auch heute als völlig verrückt bezeichnet und wird immer nur als völlig verrückt bezeichnet werden, denn das Grundstück, auf welchem Roithamer den Kegel baute, gehörte nach der Enteignung des aristokratischen Vorbesitzers, eines Habsburgers, dem Staate und schon die Idee, ein solches Grundstück in der Mitte des Kobernaußerwaldes aus dem Besitze des Staates in eine, gleich welche private Hand, zurückzubekommen, war schon ein absurder und tatsächlich höchst verrückter Gedanke, ganz zu schweigen davon, die Grundstücke, auf welchen die Straße, die zum Kegel führen sollte, angelegt werden mußte, aus dem Staatsbesitze in die private Hand und gleich wieder, gleich welche Hand, zurückkaufen zu können, aber Roithamer hatte in der kürzesten Zeit und unter völliger, abgemachter Geheimhaltung, alle die Grundstücke aus dem Staatsbesitz erwerben können, auf welchen er die Straße zum Bauplatz des Kegels anlegen hatte wollen und dann auch sofort das große Grundstück in der Mitte des Kobernaußerwaldes, auf welchem er den Kegel für seine Schwester errichten wollte und schon kurz nach dem Erwerb der Grundstücke und nicht ohne die Formalitäten grundbücherlich komplett abzuschließen, hatte er mit dem Anlegen der Straße und mit dem Bau der Straße und mit dem Bau des Kegels begonnen, da war die Umwelt, wie ich weiß, entsetzt gewesen und waren vor allem die Geschwister Roithamers wie vor den Kopf geschlagen, das hatten sie sich nicht träumen lassen, daß die verrückte Idee ihres Bruders Wirklichkeit, von dem verrückten Roithamer verwirklicht werden könnte, aber sie mußten die Tatsache der gültigen Kaufverträge akzeptieren und den Beginn des Baues der Straße und schließlich den Baubeginn des Kegels zur Kenntnis nehmen, noch zu diesem Zeitpunkt hatten sie versucht, Roithamer zu entmündigen und sie hatten ein Verfahren einleiten lassen für seine vollständige Entmündigung, aber ein Ärzteteam hatte seine völlige Normalität nachgewiesen, jedenfalls waren die Gutachter, die gegen den Geisteszustand Roithamers ausgesagt hatten und die von den Geschwistern Roithamers angeworben und bezahlt worden waren, gegen die Gutachter, die Roithamer als normal bezeichneten, in der Minderheit geblieben. Daß ein Mensch, der eine solche Idee, wie die Idee des Baus des Kegels in seinem Kopfe sich entwickeln läßt und dann tatsächlich sein Erbe, mit welchem er sonst nichts hatte anfangen wollen, an die Verwirklichung seiner Idee und also an die Realisierung seines Projekts, an den Bau des Kegels und mit größter Energie und Schaffensfreude herangeht, das beweist ja noch nicht, daß dieser Mensch verrückt ist, auch wenn der Großteil der Beobachter und der Verwandtschaft glaubt, ein solcher Mensch sei verrückt, er müsse ganz einfach verrückt sein, denn ein normaler Mensch könne nicht für eine solche verrückte Idee wie die Idee, einen solchen Kegel zu bauen, einen solchen noch niemals gebauten Kegel zu bauen, die Unsumme, die er geerbt hat und die in die Millionen und zwar in die Hunderte von Millionen gehe, für eine solche Idee ausgeben, und tatsächlich hat Roithamer, wie ich weiß, die ganze Erbsumme in den Kegelbau hineingesteckt, abgesehen von einem Millionenbetrag, dessen Höhe mir nicht bekannt ist, den Roithamer seiner Schwester für den Rest ihres Lebens zur Verfügung zu stellen gedacht hatte, genau um diese Summe streiten sich im Augenblick die Geschwister Roithamers untereinander, die in Altensam leben, denn die Summe ist nach dem Tode der Schwester Roithamers wieder Roithamer selbst zugefallen und nach dem Tode Roithamers seinen Geschwistern. An dieser Stelle kann gesagt sein, daß der Kegel selbst und alles ihm zugehörige Areal, gänzliche mit dem Kegel zusammenhängenden Liegenschaften also, wieder dem Staat, dem er sie so teuer, aber korrekt abgekauft hatte, zugefallen sind, mit der Auflage, den Kegel selbst verfallen zu lassen, niemals und durch niemanden mehr berühren zu lassen und also gänzlich der Natur, in die Roithamer ihn hineingestellt hat, zu überlassen. Aber über diese Tatsachen werde ich jetzt nicht ausführlich sprechen. Die nicht von solchen mit Büchern und Schriften über das Bauen vollgestopften Weichholzbretter waren von Wänden abgelöst in der höllerschen Dachkammer, die von Hunderten und Tausenden von Plänen, die alle den Kegelbau betreffen, zugedeckt, Millionen von Linien und Zahlen und Ziffern bedeckten diese Wände und zuerst glaubte ich, verrückt oder wenigstens krank zu werden, wenn ich diese Millionen von Linien und Zahlen und Ziffern anschaute, aber dann gewöhnte ich mich an den Anblick dieser Linien und Zahlen und Ziffern, und hatte ich einen gewissen, mich nicht mehr verrückt machenden Grad der Beruhigung in der Anschauung dieser Kegelberechnungen erreicht, durfte ich an das Studium dieser Aufzeichnungen herangehen, denn zuerst hatte ich vor, mich mit den Berechnungen und Entwürfen an den Wänden der höllerschen Dachkammer zu beschäftigen, dann erst die in den Regalen stehenden Bücher und Schriften heranzuziehen, mir das in den Laden liegende Material vorzunehmen, ich mußte mich ja zuerst vertraut machen überhaupt mit der Tatsache, daß es sich hier in der höllerschen Dachkammer um alles mir bis jetzt unbekannt gewesene Geistesmaterial handelte, aus welchem Roithamer den Kegel und alles, was mit dem Kegel zusammenhängt, konstruiert und gebaut hat. Es war also am Anfang, in den ersten Stunden jedenfalls noch nicht daran zu denken gewesen, ein konkretes Studium aller dieser Papiere zu betreiben, ich richtete mich erst einmal in der höllerschen Dachkammer ein, packte meine Tasche aus, verstaute die mitgebrachten Notwendigkeiten, begutachtete mein Bett, welches frisch überzogen war und wie alle frischüberzogenen Betten auf dem Land einen wunderbaren Geruch der Natur der Umgebung ausströmte. Daß das Bett gut war, stellte ich fest, indem ich mich daraufsetzte, dann hängte ich meinen Mantel in den Kasten, allein in der Dachkammer Roithamers, als solche kann ich diese Dachkammer ruhig bezeichnen, die höllersche Dachkammer ist die roithamerische Dachkammer, weil auch Höller diese Dachkammer als die Dachkammer Roithamers bezeichnete, hatte ich sofort den Eindruck, mich in einer Denkkammer zu befinden, alles in dieser Kammer war nur auf das Denken bezogen, der hier Eingetretene war zum Denken gezwungen, ununterbrochenes Denken war die Voraussetzung, kein Mensch ohne ununterbrochenes Denken hätte es hier ausgehalten, nicht die kürzeste Zeit ausgehalten, wer in die höllersche Dachkammer eintritt, muß in das Denken und zwar in das auf die höllersche Dachkammer bezogene Denken eintreten, gleichzeitig in das Denken Roithamers eintreten und er muß dieses Denken denken, solange er sich in der Dachkammer aufhält, bricht er dieses Denken ab, ist er im Augenblick verrückt oder tot, denke ich. Der hier Eingetretene ist gezwungen, alles, was er vorher, bis zu dem Augenblick seines Eintretens in die höllersche Dachkammer gedacht hat, aufzugeben, abzubrechen, um von diesem Augenblick an nurmehr das in der höllerschen Dachkammer zulässige Denken zu denken, denn denken allein genügte nicht, um in der höllerschen Dachkammer auch nur die kürzeste Zeit überleben zu können, es mußte das Denken der höllerschen Dachkammer sein, das Denken, welches sich ausschließlich auf alles mit der höllerschen Dachkammer und mit Roithamer und mit dem Kegel Zusammenhängende bezieht. Diese Tatsache, daß ich jetzt zu denken habe in der höllerschen Dachkammer, wie in der höllerschen Dachkammer zu denken ist, war mir sofort bewußt gewesen, wie ich mich in der höllerschen Dachkammer umgeschaut habe, daß es gar keine andere Möglichkeit zu denken gibt in der höllerschen Dachkammer, als das Denken der höllerschen Dachkammer, habe ich gedacht, während ich den Entschluß gefaßt habe, mich nach und nach mit den hier herrschenden Denkvorschriften vertraut zu machen, sie zu studieren, um in diesen Denkvorschriften denken zu können, daß es nicht einfach sei für einen unmittelbar und ohne die geringste Vorbereitung auf diese Umstellung hier in die höllersche Dachkammer Hereingekommenen, sich diesen Vorschriften anzuvertrauen und zu unterwerfen und vorwärtszukommen in diesen Denkvorschriften. Alles hier in der höllerschen Dachkammer war von Roithamer und ich ging sogar soweit, zu sagen, daß die Dachkammer Roithamer ist, während der Kopf doch vorsichtig sein muß in solchen Urteilen, lieferte ich schon im ersten Augenblick meines Eintretens meine ganze Existenz diesem Urteil aus. Der Höller hatte hier, seit dem letzten Aufenthalt Roithamers in der höllerschen Dachkammer, nichts verändert, er war, wie ich von Höller inzwischen weiß, nach dem Begräbnis seiner Schwester in Altensam, auf welches er, wie ich jetzt auch weiß, nur widerwillig gegangen war, naturgemäß nicht wegen seiner Schwester, sondern wegen seiner anderen Geschwister widerwillig, schwarz gekleidet, wie der Höller sagt, wie er noch niemals gekleidet gewesen war, denn Roithamer, so Höller, war zeitlebens nur ein einzigesmal schwarz gekleidet gewesen, wer immer auch begraben worden war, Roithamer hatte sich nicht und niemals schwarz gekleidet, nur auf dem Begräbnis der Schwester war er in schwarzer Kleidung erschienen, daß diese schwarze Kleidung ihn sehr elegant gekleidet habe, sagt der Höller, da war er also in dieser eleganten schwarzen Kleidung im höllerschen Hause erschienen und hatte in der höllerschen Stube geschwiegen, sich ausgeschwiegen, wie der Höller sagt, er hatte nichts essen und nichts trinken wollen und er, Höller, hatte den Eindruck gehabt, Roithamer sei jetzt, wo seine Schwester tot und begraben sei, selbst am Ende, nur lebte er noch, er lebte noch, während er in Wirklichkeit fühlte, daß er schon tot sei, denn die Schwester, für die er den Kegel gebaut hatte, war ihm alles gewesen neben seiner Wissenschaft, neben seiner Naturwissenschaft, die er in Cambridge, wie gesagt, unterrichtete, gleichzeitig studierte, wie ein studierter Mensch, so Höller, aufeinmal tödlich getroffen ausschauen kann, so Höller, der von Roithamer sagte, daß er nicht nur einen erschöpften Eindruck gemacht hatte nach dem Begräbnis seiner Schwester, sondern einen tödlichen, Roithamer war schon als tot, nicht nur als erschöpft oder völlig erschöpft in das höllersche Haus hereingekommen, zwei Stunden sei er in der Stube unten gesessen und habe sich auch nicht von seiner, also Höllers Frau, von welcher er immer etwas angenommen habe, etwas zum Essen oder Trinken geben lassen, nach drei Stunden ein Glas Wasser, das er in einem Satz ausgetrunken habe, sonst nichts, dann sei er weiter und bis in die Nacht schweigend in der Stube gesessen und er, Höller, habe sich weder etwas zu sagen getraut, noch zu schweigen getraut, in diesem Zustand, so Höller, der mir diesen Zustand zwar gut beschreiben, aber doch nicht erklären hatte können, immer wenn Höller über Roithamer gesprochen hat, hat er zwar alles gut beschreiben, aber doch nicht erklären können, aber er, Höller, brauchte keine Wörter, um sich verständlich zu machen und aufzuklären, was und wo etwas aufzuklären gewesen war, die Art des Höller, etwas deutlich zu machen, gelang ihm immer am besten, wenn er mit Schweigen operierte, der Roithamer sei die ganze Nacht in der Stube gesessen und er habe sich nicht in die Dachkammer zurückziehen wollen, so Höller, wahrscheinlich wollte er von jetzt an nicht mehr zurück in die Welt, die die Dachkammer für ihn bedeutet hatte, nämlich alles. Die Höller habe dem Roithamer gegen Mitternacht, weil es aufeinmal so kalt geworden war, eine Decke um die Beine gewickelt, das habe er, Roithamer, widerspruchslos geschehen lassen, so Höller, dann, gegen vier, sei er aufgestanden und wortlos in die Dachkammer herauf und sei ein paar Augenblicke in der Dachkammer stehengeblieben. Er veränderte in der Dachkammer nichts mehr, so Höller, rührte keinen Gegenstand mehr an. Wie es jetzt ist, war es damals auch. Ich habe auch nichts mehr in der Dachkammer verändert, so Höller. Dann sei er weggegangen und sie hätten nichts mehr von ihm gehört. Sein Tod sei ihm nicht überraschend gekommen, so Höller, alles an Roithamer habe an diesem letzten Abend und in dieser letzten Nacht auf seinen Tod hingedeutet, ihm, Höller, war es in dieser Nacht, während dieser letzten Begegnung mit Roithamer klar gewesen, daß er, Roithamer, nicht mehr lange zu leben habe. Ich habe keine Existenz mehr, soll Roithamer als letztes zum Höller gesagt haben. Mir selbst war Roithamer noch einmal in London begegnet, ich hatte ihn, der mir ein Telegramm geschickt hatte, auf dem Victoriabahnhof abgeholt und in seine Wohnung gebracht gehabt, wo er mir von dem Begräbnis seiner Schwester berichtet hatte, mit seinen kurzen Sätzen, die keinen Widerspruch duldeten. Hier war mir Roithamer wieder gegenwärtig, weil er tatsächlich anwesend gewesen war, ich sah ihn deutlich und ich hörte, was er, wie ich ihn sah, sagte, wenn er auch nicht in Wirklichkeit anwesend gewesen war, so war mir seine Anwesenheit bewußt, in Anschauung seiner Gegenstände, durch die Luft, die er, wie ich jetzt, die letzten Jahre in der Dachkammer eingeatmet, durch die Gedanken, die er hier immer gedacht hatte und die ich jetzt denke, durch die ganze höllersche Atmosphäre, die Roithamer in den Jahren, in welchen er sich von Altensam gelöst und sich mehr und mehr und dann ganz ausschließlich dem Kegel ausgeliefert gehabt hatte, zur Gewohnheit geworden war, denn tatsächlich hatte mir Roithamer oft gesagt, daß ihm die höllersche Atmosphäre und die Umstände der höllerschen Atmosphäre, das mit der höllerschen Atmosphäre und den Umständen der höllerschen Atmosphäre ganz unmittelbar zusammenhängende Denken zur einzigen und zur einzig wichtigen Notwendigkeit geworden war, wo er sich auch in den letzten Jahren, die ihn einerseits an England, wo er zu unterrichten hatte, an die Universität Cambridge fesselten, andererseits an den Kobernaußerwald, den er als Bauplatz für den Kegel bestimmt hatte, wo er sich auch in den letzten Jahren aufgehalten hatte, in England oder in Österreich, in dem einen englischen, mit großer Entschiedenheit und Geistesgegenwart, in dem andern österreichischen, mit großer Anhänglichkeit und Liebe, wenn auch mit genauso großer Verachtung und Abneigung, mit einer Mischung aus Mißtrauen und Enttäuschung, die immer an der Grenze des Hasses gegen dieses sein Heimatland empfunden und von ihm auch sehr oft in ungewöhnlich scharfem Verstande überschritten worden war, denn daß er Österreich einerseits liebte, weil es seine Herkunft war, war ebenso klar, wie daß er es haßte, weil es ihn zeitlebens nur auf den Kopf gestoßen und ihn immer, wenn er es gebraucht hatte, abgestoßen hatte, es ließ einen Menschen wie Roithamer nicht an sich herankommen, Menschen, Leute, Charaktere wie Roithamer haben im Grunde in einem solchen wie seinem und meinem heimatlichen Lande nichts zu suchen, sie sind in einem solchen Lande entwicklungsunfähig und sind sich dieser Entwicklungsunfähigkeit auch fortwährend bewußt, ein solches Land braucht Menschen, die sich nicht auflehnen gegen die Unverschämtheit eines solchen Landes, gegen die Unzurechnungsfähigkeit eines solchen Landes und eines solchen Staates, eines solchen, wie Roithamer immer wieder sagte, gemeingefährlichen, völlig heruntergekommenen Staates, in welchem nurmehr noch die chaotischen, wenn nicht die chaotischesten Zustände herrschten, dieser Staat hat eine Unzahl von Menschen wie Roithamer auf dem Gewissen, eine ganz gemeine und niederträchtige Geschichte auf dem Gewissen, diese permanente Perversität und Prostitution als Staat, wie Roithamer immer wieder und zwar leidenschaftslos sagte, mit der ihm angeborenen Bestimmtheit des Urteils, das sich auf nichts als auf Erfahrung gründete und keinen anderen als den Erfahrungswert hatte Roithamer jemals zugelassen, wie er immer wieder, wenn die Grenze der Erträglichkeit, dieses Land und diesen Staat betreffend, erreicht war, sagte, erklären könne er die Gemeinheit und die Niederträchtigkeit und die Gemeingefährlichkeit dieses Staates nicht mit ein paar hingeworfenen Wörtern, zu einer Analyse und zu einer wissenschaftlichen Arbeit über dieses Thema aber fehle ihm, weil er auf sein Hauptthema, die Naturwissenschaft und den Kegel konzentriert sei, die Zeit, auch sei er nicht der Kopf, der sich in politischen Vorstößen zu erschöpfen habe, er habe sich nie in politischen oder in gemeinpolitischen Vorstößen erschöpft, dazu seien andere, geeignetere Köpfe oder solche Hinter- oder Vorderköpfe der politischen Vorstöße da, er sei aber ab und zu dazu gezwungen, seine Urteilskraft in bezug auf sein Herkunftsland und auf seinen Zugehörigkeitsstaat, also auf Österreich, dieses mißverstandenste Land auf der Welt, dieses Land mit dem größten Schwierigkeitsgrad in der Weltgeschichte, anzuwenden, er setze sich dann und wann doch der Gefahr aus, sich über Österreich und seine Österreicher zu äußern, über diesen wie kein zweiter abgewirtschafteten Staat, über dieses wie kein zweites abgewirtschaftetes Volk, in welchem außer der ihm angeborenen Geistesschwäche, nichts übriggeblieben sei als Heuchelei und zwar Heuchelei auf allen nur möglichen staatlichen und landespolitischen Gebieten, dieser einstige Mittelpunkt Europas sei, nach Roithamer, nichts anderes mehr als ein geistes- und kulturgeschichtlicher Ausverkaufsrest, eine liegengebliebene Staatsware, in welcher der Staatsbürger nurmehr noch die zweite und die dritte und die vierte und in jedem Falle immer nurmehr noch die letzte Wahl habe, schon die ersten Jahre hatten in Roithamer, wie auch in mir selbst, die Unmöglichkeit erkennen lassen, in diesem Staate und in diesem Lande, unter welchen Vorzeichen immer, erwachsen zu werden und sich zu entwickeln, dieses Land und dieser Staat, so Roithamer, sind nichts für die Entwicklung eines Geistesmenschen, hier gehen alle Anzeichen von Geisteskraft sofort über in alle Anzeichen von Geistesschwäche, hier seien alle Bemühungen, weiterzukommen, aufzukommen und fortzukommen, umsonst, überall, wohin man seine Augen und seinen Verstand und seine Bemühungen richte, sehe man nichts als den Untergang aller Bemühungen hier weiterzukommen, aufzukommen und fortzukommen, sich zu entwickeln, der österreichische Mensch sei schon in dem Augenblicke seiner Geburt ein gescheiterter Mensch und er müsse sich klar darüber sein, daß er sich aufzugeben habe, wenn er in diesem Land und in diesem Staat, gleich unter welchen Vorzeichen, bleibe, er müsse sich entscheiden, ob er dageblieben zugrunde gehen will, mühselig älter werdend und nichts erreichend in seinem eigenen Staate und in seinem eigenen Lande zugrunde gehen, diesen fürchterlichen Absterbensprozeß mit offenen Augen an seinem eigenen Geist und an seinem eigenen Körper mitansehen wolle, eine lebenslängliche Abwärtsentwicklung in Kauf nehmen wolle, indem er in diesem Staat und in diesem Lande bleibe, oder ob er so bald als möglich auf- und davongehen und sich durch dieses möglichst baldige Aufunddavongehen retten wolle, seinen Geist retten, seine Persönlichkeit retten, seine Natur retten, denn geht er nicht davon, so Roithamer, geht er in diesem Lande zugrunde, und ist er kein gemeiner Mensch, so wird er in diesem Lande und in diesem Staate zum gemeinen Menschen und ist er keine niederträchtige und keine infame Natur, so wird er in diesem Lande und in diesem Staate zu einer gemeinen und niederträchtigen Natur und gemeinen und niederträchtigen Kreatur, so also gilt es, sich von allem Anfang an, von den ersten Augenblicken des Denkens an, sich aus diesem Lande und aus diesem Staate zu retten und je früher ein Mensch mit geistigen Fähigkeiten diesem Lande und diesem Staate den Rücken kehrt, desto besser, alles, was dieser Staat ist, was dieses Land ausmacht, fliehen, zurücklassen, gleich wohin gehen und sei es an das Ende der Welt, muß sich ein solcher sagen, unter keinen Umständen dableiben, wo für ihn nichts und wenn, dann nur das Erbärmlichste und das Geisteszerstörende und das Kopfaushöhlende und das ihn immerfort in die Kleinheit und in die Gemeinheit Zwingende zu erwarten ist, daß ihn hier alles immerfort niederdrückt, immerfort verleumdet und verleugnet und daß er hier in seinem österreichischen Lande immer dem gemeinen Mißverständnis und der gemeinen Verleumdung ausgesetzt und also zum Niedergang und also zum Tode, und also der Vernichtung seiner Existenz ausgesetzt ist. Wenn wir klar sehen, sehen wir, daß es für Roithamer gar keine andere Möglichkeit gegeben hat, als diesem seinem Heimatland, das diesen Ehrentitel, der noch immer ein Ehrentitel ist, gar nicht verdient, denn das sogenannte Heimatland ist ihm in Wirklichkeit wie so vielen anderen aus ihm gekommenen nichts anderes als die fürchterlichste Bestrafung seiner lebenslänglichen Existenz für die Schuldlosigkeit, überhaupt geboren worden zu sein, gewesen, andauernd empfindet ein solcher wie Roithamer die Bestrafung durch sein Heimatland für etwas, für das er nichts kann, denn kein Mensch kann für seine Geburt, aber Roithamer hat schon sehr früh und zwar schon in der frühesten Kindheit, die er zusammen mit seinen drei Geschwistern in Altensam verbracht hat, verstehen müssen, daß er fort und möglichst rasch und ohne Umschweife weg muß, um nicht zugrunde zu gehen, wie seine Geschwister ja letztenendes zugrunde gegangen sind, denn darüber, daß seine Geschwister an Österreich zugrunde gegangen sind, besteht nicht der geringste Zweifel, denn der ältere Bruder ist an Altensam verkommen, an den Umständen, aus welchen Altensam ist, aus den Zuständen, die in Altensam herrschen und immer geherrscht haben, und der ältere Bruder hatte auch nicht ein einzigesmal den Versuch gemacht, aus Altensam wegzugehen, er hat die für Altensam charakteristische Entwicklung genommen, dem Absterbensprozeß in Altensam, das nichts anderes ist, als ein Absterbensprozeß, hat er sich schon vom ersten Augenblick an widerspruchslos ausgeliefert, niemals den Versuch gemacht, auszubrechen aus Altensam, Altensam aufzugeben, dazu hatte der nicht die geringste Kraft, an Mut und an Entschiedenheit und also an Geistesentschiedenheit hat es diesem älteren Bruder, den ich von Kindheit an kenne wie auch den jüngeren Bruder, immer gefehlt, die Ordnung als Unordnung, die in Altensam immer alles beherrscht hat, diese exakte Absterbensverwirklichung eines ungeheuren Besitzes hatte dieser ältere Bruder ganz einfach hingenommen, weil es seine Eltern von ihm verlangt haben und er ist in Altensam aufgewachsen, wie sie alle immer in Altensam aufgewachsen sind und es ist aus ihm einer geworden, wie sie alle immer in Altensam geworden sind, ein typischer Altensamer ist aus ihm geworden, einer, der im Grunde nichts anderes kennt und auch nichts anderes akzeptiert als Altensam, der mit Altensam aufgewacht ist und der, nachdem er Altensam durchlebt hat, mit Altensam sterben wird. Und der jüngere Bruder ist dem älteren Bruder immer hörig gewesen, der jüngere war noch schwächlicher und noch schwächer als der ältere Bruder und beide zusammen haben tatsächlich nichts anderes als eine lebenslängliche auf Altensam bezogene Sterbensgemeinschaft gebildet, wenn sie auch Roithamer, den zwischen ihnen beiden stehenden Bruder, überlebt haben und auch die Schwester, die ja am Kegel gestorben ist, überlebt haben, sie haben ihre Schwester und den mittleren Bruder Roithamer überexistiert, übervegetiert, ginge ich nach Altensam hinüber, wozu ich gar keine Lust habe, könnte ich sehen, wie sie auch weiterhin dahinvegetieren, wie sie als die beiden übriggebliebenen Altensamer heute nichts anderes sind, als was sie schon immer gewesen waren, durch und durch Altensam und genau gegen dieses durch und durch Altensam, so Roithamer, hatte sich Roithamer immer gewehrt, sein Leben, seine Existenz, seine Überlebensexistenz war im Grunde immer nur ein Wehren gegen Altensam gewesen, nur nicht Altensam verfallen, nicht an Altensam hängenbleiben, hatte er wahrscheinlich immer und in allem denken müssen, daß ihm wahrscheinlich nicht der geringste Gedanke, nicht die geringste Idee möglich gewesen wäre ohne diesen Gedanken, denke ich, nur nicht Altensam werden, nur nicht durch und durch Altensam sein wie meine Brüder, denn tatsächlich wäre Roithamer niemals zu einer Geistesarbeit befähigt gewesen, wie er sie uns hinterlassen hat, alle diese seine Schriften und zwar schon die kleinste und scheinbar unbedeutendste, beweisen diesen lebenslänglichen Gedanken Roithamers, nicht an Altensam hängenzubleiben, er hatte das ganze Leben und die ganze schwierige Existenz entlang nichts anderes Vordringlicheres in seinem Kopfe gehabt, als sich von Altensam zu lösen, denn von Altensam lösen und zwar bei vollem Bewußtsein und radikal von Altensam lösen, bedeutete, denken zu können, ohne Altensam, was sein Denken war, denn es war schließlich ein Denken ohne Altensam, wenn es auch ohne Altensam nicht möglich gewesen wäre, denn tatsächlich war Altensam und die Herkunft aus Altensam und der immerwährende Zusammenhang seiner Person und Persönlichkeit und Geisteswissenschaft mit Altensam notwendig, umso zu denken, wie er gedacht hatte und gearbeitet hatte, von Altensam weg, über Altensam hinaus und nicht mehr nach Altensam zurück. Die Brüder waren von Anfang an dazu bestimmt gewesen, in Altensam zu bleiben, sich in Altensam einzurichten für ihren Niedergang in Altensam, es erwartete auch niemand von ihnen etwas anderes und niemand bemerkte, daß die beiden, indem sie in Altensam blieben, von Altensam nach und nach und mit immer größerer Intensität vernichtet worden sind, wenn sie auch heute noch existieren, sie sind längst von Altensam vernichtet, wie Roithamer niemals von Altensam vernichtet worden ist, wenn ihn Altensam auch immer geschwächt hat und seine Schwester war eine Ausnahme. An ihr hing Roithamer mit der ganzen Liebe, die einem Menschen wie er möglich ist und als den Höhepunkt dieser Liebe hatte er den Bau des Kegels für sie ins Auge gefaßt und in Angriff genommen und verwirklicht und vollendet. Aber daß ein Mensch wie die Schwester Roithamers einen solchen Zustand als Höhepunkt nicht ertragen kann, hat sich dadurch bewahrheitet, daß sie heute nicht mehr lebt. Aber darüber später mehr. Daß er aus Altensam weg müsse, war Roithamer schon als Kind mit der Klarheit eines erwachsenen Kopfes klar gewesen und er hatte sich schon wie als Vorbereitung für die Entfernung aus Altensam, in Altensam immer abgesondert gehabt von den andern, alles an ihm hatte schon in der frühesten Kindheit darauf verwiesen, daß er aus Altensam weggehen und Altensam tatsächlich gänzlich hinter sich lassen wird, denn ein Denken, wie er dachte, war mit Altensam und ohne Trennung von Altensam nicht möglich. Und diese Trennung muß tatsächlich radikal sein, hatte er sich schon früh gesagt und dann auch, mit seinem Entschluß, nicht nur Altensam, sondern Österreich aufzugeben, die radikalste Trennung von Altensam und Österreich vollzogen. Denn gehe ich einmal wieder zurück und die Versuchungen, wieder einmal zurückzugehen sind die größten, hat er notiert, mache ich alles, was ich erreicht habe, zunichte, dann gebe ich der Schwäche nach, die nichts als eine für mich tödliche Schwäche ist, bin ich von einem Augenblick auf den andern in der Geistesschwäche, der ich bis zum heutigen Tage entkommen bin. Altensam hatte er immer als Geistesschwäche empfunden und die in Altensam lebten, seine Verwandten, als in dieser Geistesschwäche Geistesschwachen und er fürchtete sich vor nichts mehr, als vor einer Rückkehr in diese Geistesschwäche und zu diesen Geistesschwachen. Und ist die Tortur, abwesend zu sein und das Vorgenommene weiterzubringen, voranzutreiben, den Geisteszustand immer noch mehr und mehr verbessern zu wollen, auch die größte und ist die Schwierigkeit in der Ferne, in der sogenannten Fremde, Fuß zu fassen, auch die größte und auch die deprimierendste, ich gehe nicht mehr in diesen Geisteszustand der Geistesschwäche und zu den Geistesschwachen nach Altensam und nach Österreich zurück, notiert er. Schon in den ersten Stunden waren mir viele Notizen von seinerzeit aufgefallen, aber ich ließ mich auf eine konzentrierte Beschäftigung mit dem roithamerschen Geisteszustand gleich nach dem Eintritt in die höllersche Dachkammer noch nicht ein. Die Gefährlichkeit eines vorschnellen Eindringens in den roithamerschen Geisteszustand war mir bewußt, daß ich nur behutsam und sehr sorgfältig und vor allem immer auf meinen eigenen Geisteszustand, der doch auch immer ein zerbrechlicher Schwächezustand ist, achtzugeben habe, dachte ich in diesen ersten Berührungsaugenblicken und ersten Berührungsstunden. Abwartend näherte ich mich zuerst nur zaghaft dem von mir in die höllersche Dachkammer mitgebrachten Papierhaufen aus der Hand und aus der Geistesurheberschaft Roithamers, denn die Gefährlichkeit einer möglicherweise zu schnellen und unsorgfältigen Beschäftigung mit den Schriften Roithamers, mit seinem ganzen Nachlaß, der mir durch einen Urteilsspruch zugefallen war, war mir durchaus bewußt, daß ich mich in acht zu nehmen habe vor dieser Beschäftigung, denn mir war klar, daß die Verletzungsmöglichkeiten der roithamerschen Papiere auf meinen Geisteszustand und auf meine ganze Konstitution die größten waren. Aber ich hatte die Gelegenheit der Lungenentzündung, ganz einfach dieser plötzlichen monatelangen Krankheit des Nachdenkens ergriffen, mich sofort mit dem Nachlaß Roithamers zu beschäftigen, nicht erst später, denn ursprünglich hatte ich Angst gehabt, mich gleich mit der Hinterlassenschaft Roithamers zu beschäftigen, weil ich wußte, daß ich so leicht verletzbar in einem solchen labilen Gesundheitszustand nicht nur meinen Körper betreffend, nicht mit der Geisteswelt Roithamers konfrontiert werden dürfte von mir selbst, weil mir klar war, wie anfällig ich den Ideen und Verwirklichungen Roithamers gegenüber immer gewesen bin, denn tatsächlich hatte ich mich zeitweise diesen roithamerischen Ideen und Verwirklichungen vollkommen ausgeliefert gehabt, was Roithamer dachte, war auch mein Denken, was er verwirklichte, glaubte ich verwirklichen zu müssen, ich war zeitweise vollkommen von seinen Ideen und von seinem ganzen Denken in Anspruch genommen gewesen, hatte mein eigenes Denken, das doch wie jedes Denken ein eigenes, für sich stehendes und für sich bewegendes Denken gewesen war, aufgegeben, lange Perioden meines Lebens und vor allem in England, wohin ich wahrscheinlich nur gegangen war, weil Roithamer dort gewesen war, hatte ich gar nicht mehr mein eigenes Denken denken können, sondern nur das Denken Roithamers, und das war Roithamer selbst sehr oft aufgefallen, daß es ihm unerklärlich und dadurch wieder unerträglich sei, sehen zu müssen, wie ich seinem Denken wenigstens unterworfen, wenn nicht ausgeliefert in allen seinen nur ihm gehörenden Gedankengängen folgte, gleich wohin, daß ich als mein Denken immer da sei, wo er als sein Denken sei und daß ich achtgeben sollte, mich nicht gänzlich aufzugeben, denn ein solcher nicht mehr in sich selbst seine eigenen Gedanken sondern in einem anderen, von ihm beherrschten und bewunderten oder auch nicht bewunderten sondern zwangsweise beherrschten Denken Denkender laufe fortwährend Gefahr, sich durch dieses fortgesetzte Denken des Andern statt des eigenen umzubringen, abzutöten. Die längste Zeit war es mir in England nicht möglich gewesen ein eigenes Denken zu denken, ich habe nur immer in dem Denken Roithamers denken können, wodurch ich in Wirklichkeit in dieser ganzen langen englischen Zeit, das ist die Wahrheit, aufgegeben gewesen war. Da mein Denken in Wirklichkeit das Denken Roithamers gewesen war, war ich in dieser Zeit gar nicht da gewesen, nichts gewesen, ich war von dem Denken Roithamers, in das ich, aufeinmal und für Roithamer selbst unübersehbar, für so lange Zeit einbezogen gewesen war, ausgelöscht gewesen. Wahrscheinlich hatte dieser Zustand des durch das Denken Roithamers Ausgelöschtseins bis zu dem Tode Roithamers gedauert, erst jetzt sehe ich, daß ich wieder zu eigenem Denken fähig bin, durch das Eintreten in die höllersche Dachkammer, denke ich. Jetzt, nach so langer Zeit, denke ich, bin ich wieder in der Lage, mir ein eigenes Bild der Klarheit von den von mir angeschauten Gegenständen zu machen, nicht das Bild, welches sich Roithamer von den von ihm und von mir angeschauten Bildern gemacht hat. Daß ich plötzlich mit dem Betreten der höllerschen Dachkammer aus der langjährigen Gefangenschaft, wenn nicht Kerkerhaft des roithamerschen Gedankengefängnisses oder roithamerschen Gedankenkerkers herausgetreten bin. Jetzt schaue ich Roithamer von mir aus an zum erstenmal nach langer Zeit, gleichzeitig muß ich denken, daß ich wahrscheinlich Roithamer niemals von mir aus angeschaut hatte bis jetzt. Ein solcher Mensch und ein solcher Charakter und eine solche Existenzbegabung wie Roithamer mußte, denke ich, an einem bestimmten Punkte seiner Entwicklung, eben an dem äußersten Punkte, aufhören, er mußte explosionsartig aufhören, zerreißen. Denn mit welcher Größenordnung habe ich es zu tun, wenn ich mich mit Roithamer beschäftige?, frage ich mich, mit einem Kopfe, der alles zum äußersten zu treiben gewillt und gezwungen ist und in dieser Wechselwirkung als Geistesbeziehung zu allem, zu den höchsten Höchstleistungen befähigt ist, der seine eigene Entwicklung, die Entwicklung seines Charakters und seiner ihm vorgegebenen Geistesanlagen bis zu dem äußersten Punkte und an die äußerste Grenze und in höchstem Grade entwikkelt und dazu auch noch seine Wissenschaft ebenso an die äußerste Grenze und zu dem äußersten Punkte und im höchsten Grade und dazu dann auch noch seine Idee des Baues des Kegels für seine Schwester ebenso bis zum äußersten Punkte und in höchstem Maße und an die äußerste Grenze und dazu auch noch die Erklärung zu geben gewillt ist in äußerster Konzentration und in höchstem Maße und bis an die äußerste Grenze seines Geistesvermögens und der alles das, was er schließlich ist, zu einem einzigen äußersten Punkte zusammentreiben und an die äußerste Grenze seines Geistesvermögens und seiner Nervenanspannung führen und tatsächlich an dem höchsten Grade dieser Ausdehnung und Zusammenführung und immer wieder vollkommenen Konzentration zerreißen muß. Er hatte sich und seinen Kopf frei gemacht von Altensam und von Österreich, um diese höchste Konzentration erreichen zu können und immer war ihm der Wille, diese Höchstkonzentration zu erreichen, inne gewesen, in allem und jedem, was er war, war dieser Konzentrationswille, der Wille zum Äußersten, der wie kein anderes sein hervorstechendstes Kennzeichen gewesen ist, er hatte praktisch alles, was er gewesen war, aufgegeben, um alles zu erreichen, was er nicht gewesen war und schließlich geworden ist durch die übermenschliche Überanstrengung. Wir treffen nicht oft und wahrscheinlich nie mehr in unserem Leben, muß ich mir sagen, einen Menschen wie Roithamer, der, weil er die Möglichkeit an sich dazu erkannt hat, alles tut, um die Höchstleistung seines Wesens zu erreichen, der, einmal in eine wissenschaftliche Disziplin eingetreten, diese Disziplin an jedem Tage und in jedem Augenblicke in sich selbst zu der höchstmöglichen Konzentration machen und immer intensiver zu einer solchen höchstmöglichen Konzentration machen muß, er hat plötzlich keine andere Wahl, als die Perfektionierung seiner Möglichkeiten, alles andere ist ihm unmöglich, ein solcher sieht nichts mehr ohne den ununterbrochenen Blick auf seine Höchstmöglichkeit und handelt es sich um ein solches außerordentliches Lebens- und also Naturwissenschaftstalent wie Roithamer eines gewesen ist, bedeutet diese andauernde und lebenslängliche Konzentration andauernde und lebenslängliche Kerkerhaft in einem solchen außerordentlichen Lebens- und Naturwissenschaftstalent, weil ein solcher Mensch von einem bestimmten Augenblick an nichts anderem mehr leben kann als seiner Begabung auf sein Ziel hin, welches ihm, plötzlich klargeworden, vor allem anderen wichtig und einziger Antrieb geworden ist, aufeinmal existiert ein solcher nurmehr noch in der Abwehr alles dessen, was der Entfaltung und schließlichen Vollendung seines Zieles hinderlich oder auch nur im geringsten störend sein kann, alles abwehrend, sich mit nichts anderem als mit diesem seinem Ziel Nützlichen mehr einlassend, geht ein solcher seinen natürlich immer einsamer und schmerzhafter werdenden Weg, der in jedem Falle immer von einem solchen allein und ohne Beistand gegangen werden muß, das ist Roithamer aber schon sehr früh bewußt geworden, aufeinmal hatte er alles, vor allem alles mit Altensam und mit der Umgebung von Altensam und also seine ganze Geistes- und Körperverwandtschaft, welche ihm plötzlich als die hinderlichste in seinem Ziele erkannt gewesen war, hinter sich gelassen, aufgegeben, was die andern, Geschwister, übrige Verwandte, nicht aufzugeben bereit und fähig gewesen waren, die Gewohnheit an die Gewohnheit in Altensam, die Gewohnheit an den österreichischen Gewohnheitsmechanismus, die Gewohnheit an alles Vertraute und Angeborene, aufgegeben alles, was die anderen nicht aufgegeben haben, daß er nur immer daran zu denken habe, aufzugeben, hinter sich zu lassen, was die andern nicht aufgaben und nicht hinter sich ließen, nur zu beobachten brauchte er, was die andern taten oder nicht taten, um es für sich zu tun oder nicht zu tun, die Unterlassungen der andern waren seine Tätigkeiten, seine Tätigkeiten die Unterlassungen der andern, er hatte in diesem Mechanismus schon eine so große Übung in seiner frühesten Kindheit erlangen können, durch ständige Beobachtung alles andern, durch ständige Prüfung und Aufnahme und Verwerfung alles außer seiner Person, außerhalb seines Charakters, seines Geistes, denn war er schon immer anders als alles andere und alle andern gewesen, so war er durch die ständige Beobachtung alles anderen und aller anderen in noch höherem Maße in die Klarheit gekommen, zu sehen, daß er eine andere Richtung als die andern einzuschlagen, einen anderen Weg als die andern zu gehen, ein anderes Leben als die andern, eine andere Existenz als die andern und als andere zu führen habe, wodurch ihm auch ganz andere Möglichkeiten geworden sind als den andern und als dem andern, von welchem er sich mit der Zeit mehr und mehr und in einer ganz besonderen, nur ihm eigenen, einem nur ihm angeborenen und angeschulten Rhythmus unterworfen gewesen war, Roithamer hatte schon früh begriffen, während die andern erst spät begriffen hatten oder überhaupt niemals begriffen hatten und das hervorstechendste Merkmal seiner Verbindung zu den andern ist immer die völlige Verständnislosigkeit und das daraus resultierende ununterbrochene Nichtverstehen gewesen, alle verstanden sich immer wieder untereinander, aber ihn hatten sie niemals verstanden und sie verstehen ihn auch heute, nach seinem Tode, nicht. Im Grunde hatten sie seine Entwicklung überhaupt nicht wirklich wahrgenommen, denn was sie als seinen Entwicklungsweg wahrgenommen hatten, war etwas anderes als sein tatsächlicher Entwicklungsweg, er war immer einen anderen Weg gegangen, wie er auch immer andere Gedanken verfolgt hatte, als sie angenommen hatten, ihnen war die Wesensart Roithamers, die