Kreativität in Theorie und Praxis - Daniela Braun - E-Book

Kreativität in Theorie und Praxis E-Book

Daniela Braun

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Beschreibung

Kindliche Kreativität zu stärken und fördern ist für eine erfolgreiche Bildungsarbeit im Kindergarten unverzichtbar. Die Autorin führt in die Grundzüge der Kreativitätsforschung ein, verdeutlicht die Bedeutung der Kreativitätsförderung in der Elementarpädagogik und beschreibt, wie Erwachsene die kindliche Kreativität als eine der wichtigsten Lebenskompetenzen stärken können.

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Daniela Braun

Kreativität in Theorie und Praxis

Bildungsförderung in Kita und Kindergarten

Impressum

Titel der Originalausgabe: Kreativität in Theorie und Praxis

Bildungsförderung in Kita und Kindergarten

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption und -gestaltung: Schwarzwaldmädel, Simonswald

Umschlagfoto: © Debi Bishop – iStock.com

Fotos im Innenteil: Hartmut W. Schmidt, Freiburg

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-804700

ISBN (Buch): 978-3-451-32455-0

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Einleitung

1. Vom Sputnik-Schock bis heute – eine kleine Geschichte der Kreativitätsforschung

2. Was ist Kreativität?

2.1 Der Mensch: von Natur aus kreativ

2.2 Kreativität als Schlüsselkompetenz für die Zukunft

2.3 Der kreative Prozess

2.4 Der Begriff »Flow«

2.5 Ästhetische und pragmatische Kreativität

2.6 Kreativität und Resilienz

3. Kreativität, Bildung und Erziehung

3.1 Bildung und Selbst-Bildung

3.2 Das Verständnis von Bildung und Erziehung

3.3 Kreativität und kindliches Lernen

4. Kreativität in pädagogischen Konzepten

4.1 Kreativität in der Reggio-Pädagogik

4.2 Kreativität in der Montessori-Pädagogik

4.3 Kreativität im Situations- und Situationsorientierten Ansatz

5. Kreativitätsförderung in der Praxis

5.1 Kreativität in den Bildungsplänen der Bundesländer

5.2 Didaktisch-methodische Aspekte der Kreativitätsförderung

5.3 Kreativitätsförderung in der Kita-Konzeption

5.4 Die Rolle der pädagogischen Fachkräfte

5.5 Kreative Erziehungspartnerschaft mit Eltern

5.6 Beobachtung und Dokumentation

6. Überblick über neuere Studien zum Thema Kreativität

6.1 Studien zur marktwirtschaftlichen Bedeutung von Kreativität

6.2 Studien zur kulturellen und bildungsfördernden Bedeutung von Kreativität

7. Fazit

Literatur

Links

Einleitung

Ästhetik und Kreativität gelten in der aktuellen pädagogischen Diskussion als ein Bildungsbereich unter vielen und stehen im Vergleich zu den ebenfalls geforderten mehr kognitiven Bildungsinhalten (z.B. mathematisch-logisches und naturwissenschaftliches Denken sowie Sprachentwicklung) eher im Hintergrund oder werden oberflächlich mit Bastelaktivitäten in Verbindung gebracht. »[…] zumeist wird Ästhetik als eine Angelegenheit der Kunst betrachtet und mit der Produktion schöner Gegenstände verbunden. Abgeschoben in den Kunstbereich wird ästhetische Bildung leicht zu einer schönen Zutat, auf die man tendenziell verzichten zu können meint, je mehr das Lernpotenzial der Kinder auch auf Sprache, Mathematik oder Natur ausgerichtet werden soll.« (Schäfer 2006, S.184)

Und doch sind Kreativität, ästhetische Bildung und bildnerisches Gestalten Begriffe, die in allen Bildungsempfehlungen der Länder vorkommen und laut diesen in Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsinstitutionen gefördert werden sollen. In vielen Kindertageseinrichtungen gehört Malen und Gestalten zum Alltag. Es ist ein Aktivitätsfeld, das Kindern besonders entspricht, denn alle Kinder beginnen zu malen, zu zeichnen und kreativ zu gestalten, sobald das Material dazu erreichbar für sie ist. Aber Kinder entwickeln auch Ideen und erfinden originelle Lösungen in ihren Alltagsanforderungen und Spielkontexten. Durch ihre Neugier, Wissbegier, Experimentierfreude und Weltoffenheit wenden sie sich voller Begeisterung neuen Dingen zu. Hier wird der pragmatische Aspekt von Kreativität als einer übergreifenden Kompetenz deutlich, die in Alltagsherausforderungen neue Problemlösungen entwickelt und in ästhetischen Kontexten neue Ausdrucksformen entstehen lässt. Denn offensichtlich entspricht gerade die Förderung der Kreativität den speziellen Bedingungen kindlicher Bildungsprozesse und erfüllt die Forderung nach Bildung von Anfang an in besonderer Hinsicht.

Mit diesem Buch werden die zentralen Grundlagen zum Verständnis von Kreativität und Kreativitätsförderung zusammengetragen und in Beziehung zu aktuellen pädagogischen Aufgaben gesetzt.

Nach einer Einleitung folgt im ersten Kapitel ein kurzer historischer Zugang zum Thema. Das zweite Kapitel versucht den vielschichtigen Begriff der Kreativität aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu greifen. Das dritte Kapitel befasst sich damit, welche Bedeutung der Kreativität in der Bildungstheorie seit Humboldt und im modernen Verständnis von Bildungs- und Lernprozessen, auch unter neurobiologischer Perspektive, zukommt. Das vierte Kapitel fragt nach der Berücksichtigung von Kreativität in ausgewählten pädagogischen Ansätzen. Im fünften Kapitel, einem Praxiskapitel, wird ausführlich auf die Kreativitätsförderung in Kindertagesstätten eingegangen und erläutert, wie sie sich auf die Konzeptionsentwicklung, die Rolle der pädagogischen Fachkräfte, die Erziehungspartnerschaft mit Eltern und die Beobachtung und Dokumentation auswirken sollte. Das sechste Kapitel bietet schließlich einen Exkurs in aktuelle Studien, die sich mit Kreativität und ihren Effekten beschäftigen. Ein abschließendes Fazit fasst die in allen Kapiteln angesprochenen Aspekte noch einmal kurz zusammen.

Das vorliegende Buch richtet sich an alle, die beruflich mit Kindern in Kita und Kindergarten zu tun haben. Konzipiert wurde es als Begleiter in Ausbildung und Studium von angehenden pädagogischen Fachkräften und behandelt daher auch erweiterte Aspekte der pädagogischen Praxis (wie z.

1

Vom Sputnik-Schock bis heute – eine kleine Geschichte der Kreativitätsforschung

Welche Umstände haben die Kreativitätsforschung ausgelöst?Welche Hoffnungen waren in den Anfängen dieser Forschung mit dem Phänomen Kreativität verbunden?Wie hat sich das Verständnis von Kreativität bis heute entwickelt?

Kreativität wird im Volksmund oft mit Fantasie gleichgesetzt und Künstlern und ihrer Schaffenskraft zugeordnet. Zur ersten Annäherung an den Begriff Kreativität hilft die Betrachtung der lateinischen Wurzel creare, was »schaffen, erschaffen, hervorbringen, erzeugen, gebären« bedeutet. In Verbindung mit diesen Wortbedeutungen drängt sich das Wort »neu« auf. Etwas neu zu erschaffen, scheint also offensichtlich ein wesentliches Merkmal von Kreativität zu sein.

Das Phänomen Kreativität blieb bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein von den Wissenschaften relativ wenig beachtetes Phänomen. Auch in der Pädagogik gab es keine Überlegungen zur Förderung der Kreativität. Dagegen spielte die ästhetische Bildung hier eine große Rolle, weil sie sinnliche Erkenntnis als Grundlage rationaler Erkenntnis ermöglicht.

1949 wurde Joy Paul Guilford Präsident der American Psychological Association, der wichtigsten Psychologenorganisation in den USA, und 1950 befasste er sich in einem Vortrag mit dem Begriff der »creativity« (vgl. Ulmann 1973). Dieser Vortrag wird oft als Startschuss für die darauf folgende Erforschung des Phänomens der Kreativität benannt.

Von Hentig benennt zwei weitere Ereignisse, welche den Beginn der Kreativitätsforschung markiert haben: Erstens zeigten viele Rekruten in den USA, die in Intelligenztests gut abgeschnitten hatten, keine befriedigenden Ergebnisse bei Aufgabenstellungen, welche mit Problemlösung zu tun haben. Erstaunlicherweise verfügten jedoch viele Rekruten, bei denen die Intelligenztests nicht zufrieden stellend ausgefallen waren, über Problemlösungskompetenz. Diese Ergebnisse führten zur Relativierung der Bedeutung von Intelligenztests als Grundlage für die Auswahl von Bewerbern. Es musste also ein anderer Faktor her, der mindestens genauso bedeutsam war wie der der Intelligenz. Diesen Faktor glaubte man in der Kreativität gefunden zu haben.

Das zweite Ereignis ist der nach dem zweiten Weltkrieg stattfindende Wettbewerb zwischen den USA und der UdSSR. Dieser Wettstreit gipfelte im Jahre 1957 in der sowjetischen Entsendung des Erdsatelliten Sputnik ins All. Der durch dieses Ereignis demonstrierte wissenschaftlich-technische Vorsprung der UdSSR schockierte die westliche Welt zutiefst und man sann auf Möglichkeiten, dieser Entwicklung nachzuziehen bzw. sie zu überholen. So wurde durch den Sputnik-Schock die Suche nach neuen Formen der Begabung intensiviert und das Phänomen der Kreativität neu entdeckt (vgl. v. Hentig 2000).

J. P. Guilford gilt als Begründer der Kreativitätsforschung

Diese zwei Ereignisse trieben die Erforschung der Kreativität wesentlich voran, bzw. gaben sie einem wissenschaftlichen Konstrukt namens Kreativität Sinn und Zweck. Denn das, was Guilford in seinem Vortrag im Jahre 1950 beschrieb, war zunächst eine Erfindung, ein gedankliches Konstrukt, welches erst noch der exakten Definition bedurfte. »Denn Kreativität ist wie das Wissen oder eine Emotion nicht ein Ding, das man objektiv neben Steinen, Straßen oder Äpfeln vorfindet.« (Brodbeck 2006, S.248) Aus dieser Tatsache heraus, dass Kreativität eben kein empirisch klar zu fassender Gegenstand ist, ergab sich eine Vielfalt theoretischer Erklärungsansätze. Mit der Entsendung des ersten Sputnik-Erdsatelliten gelang der UDSSR, was den Amerikanern in den Zeiten des Kalten Krieges und des Ost-West-Konfliktes nicht gelang: Die Russen waren die Ersten im Weltall, und der Wettlauf um die Vormachtstellung im All hatte begonnen. In diesem politischen Kontext erhielt Guilford von der NASA Forschungsmittel, um die Kreativität des Menschen zu erforschen. Die Hoffnungen, die mit diesem Phänomen verbunden waren, bezogen sich auf das Moment der Neuheit und der schöpferischen Produktivität im Denken und Handeln. Die Annahme war folgende: Wenn man wüsste, was die Kreativität eines Menschen ausmacht, dann könnte man sie in Bildungs- und Erziehungsprozessen gezielt so fördern, dass eine Gesellschaft viele kreative Persönlichkeiten hervorbringen würde, welche ihr in der Folge dann eine Vorrangstellung in Wissenschaft und Kunst ermöglichen könnten. Außerdem wollte man geeignete Tests entwickeln, um potenziell kreative Individuen entdecken und fördern zu können. Es wurden daher in den 60er-Jahren Tests entwickelt, die das kreative Potenzial eines Individuums messen sollten.

Die psychologisch orientierte Kreativitätsforschung ist also eine recht junge Wissenschaftsdisziplin, die in den USA ihren Anfang nahm und nicht aus pädagogischen oder humanistischen, sondern eher aus politischen Motiven heraus große finanzielle Unterstützung fand.

Kreativitätsförderung wurde lange mit ästhetischer Bildung gleichgesetzt

Die Erkenntnisse der Kreativitätsforschung konnten in den folgenden Jahren bis heute verfeinert und differenziert werden. Sie wurden besonders in den Wirtschaftswissenschaften und bei Unternehmen nutzbar gemacht. Die Pädagogik hingegen ist noch lange Jahre bei dem Konzept der ästhetischen Bildung geblieben, bis in den letzten zehn Jahren der Wert der Kreativitätsförderung auch für Bildungs- und Lernprozesse in der Kindheit zunehmend entdeckt wurde.

Von den ersten Erkenntnissen der Kreativitätsforschung bis heute geblieben ist jedoch das grundlegende Verständnis von Kreativität als Problemlösungskompetenz, welche neue Ideen, neue Konzepte, neue Handlungsstrategien, neue Erkenntnisse, neue Verhaltensweisen, neue Produkte – neue Kreationen eben – hervorbringt.

Kreativität ist kein Phänomen, das auf Grund eines pädagogischen Interesses ins Zentrum von Forschungsbemühungen gerückt ist, sondern der Beginn der Kreativitätsforschung entstand aufgrund eines Machtwettbewerbs der Weltmächte.

Die Bedeutung der Kreativität wurde im Laufe der Zeit nicht nur für wirtschaftswissenschaftliche Bereiche, sondern auch für die Bereiche von Bildung und Erziehung erkannt.

Das grundlegende Verständnis von Kreativität liegt in ihrer Bedeutung als Problemlösungsfähigkeit, bei der neue Lösungswege beschritten werden.

2

Was ist Kreativität?

Welche Bedeutungsfacetten hat der komplexe Begriff Kreativität?Was unterscheidet menschliche von tierischen Lösungsstrategien?Stimmt es, dass jeder Mensch über kreatives Potenzial verfügt?Warum ist Kreativität für die Herausforderungen des zukünftigen Lebens so wichtig?Welche Phasen durchlaufen kreative Prozesse, was fördert bzw. hemmt sie?Was bedeutet der Begriff »Flow«?Welchen Bezug hat die Ästhetik zur Kreativität?Wie hängen Kreativität und Resilienz zusammen?

Da der Begriff der Kreativität in seiner Vielschichtigkeit so schwierig zu fassen ist wie ein Stück Seife in der Badewanne, sollen in diesem Kapitel seine Bedeutungsfacetten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.

2.1 Der Mensch: von Natur aus kreativ

Dilts ist der Auffassung, dass jeder Mensch von Geburt an kreativ ist (vgl. Dilts 1994). Das leuchtet unmittelbar ein, wenn man die Entwicklungsgeschichte der Menschheit mit all ihren Kreationen – wie z.B. die Herstellung von Werkzeugen in den Anfängen – betrachtet, die zum großen Teil überlebensnotwendig waren und auch heute noch sind, etwa wenn es um die Frage regenerativer Energien geht. Doch auch Tiere, und hier speziell die Affen, nutzen Werkzeuge, um an Nahrung zu gelangen. Die Frage allerdings ist, ob Affen komplexere Herausforderungen mit aufeinander aufbauenden Problemlösungsstrategien beantworten können. Der qualitative Unterschied zwischen Mensch und Tier hinsichtlich der Kreativität mag vielleicht in den Reflexionsprozessen über das Problem, seine Lösung und die Angemessenheit der Handlung liegen. Die Kreativität des Menschen ist als komplexe geistige Dimension zu verstehen, welche unterschiedliche kognitive Fähigkeiten voraussetzt und in Handlung mündet (vgl. Brodbeck 1999). Im Vergleich zur Fantasie ist Kreativität immer mit Handlung verbunden und sie verharrt nicht in der Vorstellungskraft, sondern mündet in Ergebnisse ein.

Die Fähigkeit zu analytischem Denken und Problemlösungsverhalten ist aber noch keine hinreichende Erklärung für das Phänomen Kreativität. Eine plötzliche Eingebung, eine ungeplante und unerklärliche Inspiration, durch die unbewusste Erkenntnisse unvermutet und plötzlich an die Oberfläche gelangen, sind ebenfalls Spielarten der Kreativität, die zu neuen Lösungen führen, ohne dass Strategie oder Analyse im Vordergrund gestanden hätten. So führen plötzliche Eingebungen und Geistesblitze, auch unter Einbeziehung des Zufalls, oft zu kreativen Lösungen, welche plötzlich und unerwartet auftauchen. Um sich von Zufällen, Eingebungen und Beobachtungen inspirieren lassen zu können, bedarf es einer neugierigen Offenheit und Empfänglichkeit des Menschen für seine Mit- und Umwelt, verbunden mit der Bereitschaft, Zufälle konstruktiv in mögliche Lösungswege einzubeziehen.

Kreatives Denken ist divergentes oder laterales Denken

Kreatives oder schöpferisches Denken ist divergentes Denken, womit ein in verschiedene Richtungen gehendes Denken gemeint ist, das nach mehreren unterschiedlichen Lösungsansätzen sucht. (Im Gegensatz dazu steht das das konvergente Denken, welches sich auf das Hervorbringen einer einzigen Idee oder Lösung konzentriert.) Die Fülle und Verschiedenheit der Denkprozesse muss jedoch stets kombiniert, zusammengefasst und mit neuen Erkenntnissen verbunden werden. De Bono bezeichnet das originelle, unkonventionelle und offene Denken sowie die damit verbundenen Möglichkeiten des Perspektivwechsels als laterales Denken (vgl. de Bono 1996).

Zwar bieten die verschiedenen Perspektiven des Phänomens Kreativität ein differenziertes Bild. Trotzdem gibt es aber in der wissenschaftlichen Diskussion folgende gemeinsame Grundauffassungen:

Kreativität produziert Neues.Kreativität basiert auf Problemsensitivität.Kreativität wird durch die Offenheit und Flexibilität von Denkformen ermöglicht.Kreativität bezieht auch den Zufall und die Inspiration mit ein.Kreativität ist ein kognitives Phänomen, das in Handeln umgesetzt wird.Kreativität hat eine individuelle und gesellschaftliche Bedeutung.

(Vgl. Braun 2005)

Kreativität lässt sich als ein Findungsverfahren bescheiben, welches systematisch und inspirativ, auch unter Einbeziehung von Zufällen, in allen Lebenskontexten eine große Rolle spielen kann. Bei der Hervorbringung kreativer Leistungen steht kein probates Routineverfahren zur Verfügung, das nachgeahmt und – einmal erfolgreich – immer wieder angewandt werden kann. Das Individuum muss das jeweils für eine neue Herausforderung angemessene Problemlösungsverfahren stets neu selbst erfinden und konstruieren. Offenheit, Neugier und eine suchende Haltung gehen dem Findungsvorgang sowohl auf kognitiver als auch auf sozialer und emotionaler Ebene voraus. Das Findungsverhalten führt zu eigenständigen und originellen, also ursprünglichen Ergebnissen. Eine Haltung des gezielten Suchens ist oft verbunden mit einer inneren geistigen Zensur, denn beim Suchen wird schnell selektiert und kategorisiert im Sinne von »brauchbar« oder »nicht brauchbar«. Indem das Suchen aber ein bestimmtes Ziel hat, wird alles, was dem gesuchten Objekt oder Gedanken nicht entspricht, aussortiert.

Zufälliges Finden führt zu kreativen Ergebnissen

Daher sprechen wir im Zusammenhang mit Kreativität besser von einem Findungsverhalten, um die Bereitschaft des Aufgreifens von Zufälligem und eine Offenheit zu betonen, welche bei der reinen Suche nach etwas Speziellem durchaus verloren gehen kann. Es ist wie die Situation beim Einkaufen von Kleidungsstücken: Braucht man ein bestimmtes Kleidungsstück, macht man oft die frustrierende Erfahrung, dass die gezielte Suche danach erfolglos bleibt. Auf der Suche nach etwas Bestimmtem kann sich nämlich die eigene Perspektive derart verengen, dass keine möglichen Alternativen mehr wahrgenommen werden. Bricht man die gezielte Suche nach diesem bestimmten Kleidungsstück ab und versucht es ein anderes Mal noch einmal, lassen sich manchmal sehr schnell befriedigende Lösungen finden, die auch Alternativen einbeziehen.

Bereits Pablo Picasso soll im Hinblick auf seine Kunst aus Fundstücken formuliert haben: »Ich suche nicht, ich finde.«

Die Annahme, Kreativität sei eine angeborene Begabung nur weniger Menschen, hat sich nie bestätigt. Ebenso wenig hat sich bestätigt, dass kreative Persönlichkeiten über ein besonders hohes Intelligenzpotenzial verfügen würden. Zwar bedarf es grundlegender Intelligenzleistungen im Sinne von Denkoperationen, Gedächtnis, Urteilsvermögen und Kombinationsleistungen, damit Kreativität sich entfalten kann, aber ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Kreativität und der Höhe des gemessenen Intelligenzquotienten konnte nicht bewiesen werden. Kreativität ist vielmehr eine Grunddimension der kognitiven Fähigkeiten aller Menschen.

2.2 Kreativität als Schlüsselkompetenz für die Zukunft

Wer in der Zukunft bestehen will, muss die Bereitschaft und Fähigkeit zum lebenslangen Lernen, zur mehrsprachigen kommunikativen Kompetenz, zur Kreativität und zur Teamarbeit besitzen und sich als ein Weltbürger verstehen, der sich souverän in verschiedenen kulturellen Kontexten bewegen kann. Je rasanter der technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel wird, umso wichtiger ist die Vorbereitung auf die Zukunft. Deshalb müssen sich Eltern, Erzieher/​innen und auch Lehrer/​innen verstärkt bemühen, durch ihre erzieherische und bildende Tätigkeit Kinder »zukunftsfähig« zu machen.

Schlüsselkompetenzen dienen der Erschließung von Wissen

In den 1970er-Jahren wurde von dem Arbeits- und Bildungsforscher Dieter Mertens der Begriff Schlüsselqualifikationen geprägt. Er bezeichnete damit Qualifikationen, die wie ein »Schlüssel« zur Erschließung von Wissen verwendet werden können. Heute sprechen wir eher von Schlüsselkompetenzen, weil damit nicht eine bestimmte Qualifikation, sondern die Fähigkeit zur Aufnahme, Verarbeitung und Übertragung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint ist (vgl. Mertens 1974). Sein Konzept der Schlüsselkompetenzen bezog sich auf die Kategorien Methoden-, Sach-, Sozial- und Personalkompetenzen. Innerhalb dieser Kategorien ist die Kreativität als ein wichtiges Element der Methoden- und Personalkompetenzen zu verstehen. Menschen mit solchen Schlüsselkompetenzen gehen mit Änderungen und Krisen anders bzw. kreativer um, denn sie neigen dazu, Lösungsansätze zu suchen und zu finden, ohne sich allzu sehr von Problemlösungsvorgaben Dritter abhängig zu machen.

Der Zukunftsforscher Matthias Horx spricht von »Kreazipation« im Zusammenhang mit soziokulturellen Schlüsseltrends für die Märkte von morgen (vgl. Horx 2009a). Er vertritt die Meinung, dass Kreativität eine der Schlüsselkompetenzen von morgen ist, weil Wissensbestände immer schnelleren Veränderungen unterworfen sind. In Zukunft wird privater, beruflicher und auch unternehmerischer Erfolg zunehmend mehr von kreativem Denken und Handeln abhängig sein. Er nimmt an, dass deutsche Firmen ihre Stellung auf den Weltmärkten künftig durch Kreativitätsexporte, d.h. kreative bzw. die Kreativität unterstützende Dienstleistungen aus den Feldern Forschung, Entwicklung oder Design behaupten werden (vgl. Horx 2009b, S.98).

2.3 Der kreative Prozess

Der kreative Prozess und kreatives Denken waren schon Gegenstand wissenschaftlichen Interesses, bevor explizit von Kreativitätsforschung die Rede war. Graham Wallas hat schon 1926 von einem kreativen Denken gesprochen, dessen Prozess er in vier Phasen beschrieben hat: 1. Vorbereitungsphase, 2. Inkubationsphase, 3. Illuminationsphase, 4. Verifikationsphase. Bei der Vorbereitungsphase handelt es sich nach Wallas um eine Phase der Problemsensitivität, in der Neugier geweckt ist und Informationen oder Material gesammelt werden. Die Inkubationsphase ist gekennzeichnet von einem mehr oder weniger unbewussten Bearbeiten des Problems, in der Illuminationsphase erfolgt die plötzliche Einsicht für eine mögliche Lösung und in der Verifikationsphase findet die Überprüfung dieser Lösung statt (vgl. Wallas in Landau 1974).

Fünf Phasen des kreativen Prozesses

Dewey hat den schöpferischen Prozess mit einem Problemlösungsprozess verglichen und in fünf Phasen differenziert: 1. Die empfundene Schwierigkeit, 2. Die Phase der Erfassung und Definition des Problems, 3. Die Phase des Sammelns von Lösungen, 4. Die Phase der hypothetischen Erwägungen dieser Lösungen, 5. Das Testen der Lösungen (vgl. Dewey 1988).

Der kreative Prozess wird also in Phasen eingeteilt, die das kreative Denken und Handeln beschreiben und strukturieren (vgl. Braun 2005, S.144–146):

VorbereitungsphaseInkubationsphaseIlluminationsphaseProduktionsphaseVerifikationsphase

Bei der Illuminationsphase spricht man auch vom sogenannten »Heureka-Effekt« nach der alten Legende von dem Mathematiker und Philosophen Archimedes, der »Heureka!« (»Ich hab’s!«) gerufen haben soll, als er in einen Badezuber stieg und beobachtete, wie sein Körper das Wasser verdrängte, und auf Basis dieser Erkenntnis die Formel zum Errechnen der Dichte von Körpern entwickelte. Solche Erkenntnisse tauchen oft spontan und ungeplant in den verschiedensten Situationen auf, weil sich das Gehirn auch dann noch unterhalb der Bewusstseinsschwelle mit einem Problem befasst, wenn wir gar nicht mehr konkret daran denken oder die Suche nach der Lösung vermeintlich schon aufgegeben haben. Nach der Illuminationsphase folgen die Produktions- und die Verifikationsphase, in denen die Lösung zunächst umgesetzt und schließlich ihre Angemessenheit auch in Kommunikation mit anderen geprüft und erprobt wird (vgl. Braun 2005, S.144–149).

Beobachten Sie wenn möglich immer wieder einmal Kinder bei ihrem alltäglichen Spielverhalten, wie z.B. dem Umgang mit Bauklötzen, um sich die unterschiedlichen Phasen des kreativen Prozesses bewusst zu machen.

Die Kreativität von Kindern kann durch ihre Umwelt oder durch persönliche Faktoren gehemmt werden

Die kreative Kompetenz von Kindern entwickelt sich im erfolgreichen Durchlaufen kreativer Prozesse, die sowohl intuitiv als auch organisiert ablaufen können. Kreative Prozesse beginnen grundsätzlich mit einer Aufgabe bzw. einer Problemstellung, die das Individuum lösen will. Gerade bei Kindern können wir den Ablauf der verschiedenen Phasen gemäß der vorgenannten Einteilung oft von Beginn einer Aktivität bis zu ihrem Ende beobachten. Ein erfolgreicher Ablauf kreativer Prozesse kann aber durch vorschnelle Bewertung anderer Menschen (»Was soll das denn werden?«, »Das wird aber nicht schön!«) oder eigene gedankliche Zensur (»Ich kann das nicht.«), Autoritätsfurcht (»Mache ich das so, wie die Erzieherin es erwartet?«), Ergebnisorientiertheit (»Mein Ergebnis soll genau so ausfallen wie in dem Beispiel.«), Konformitätsdruck (»Mein Ergebnis soll den Erwartungen der anderen entsprechen.«), Rollenfixierung (»Als Mädchen/​Junge macht man das nicht.«) und Sanktionen (»Bekomme ich dadurch Schwierigkeiten?«) von innen und außen gestört werden.