Kulturentwicklung von Unternehmerfamilien - Simon Caspary - E-Book

Kulturentwicklung von Unternehmerfamilien E-Book

Simon Caspary

0,0
28,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Ein Grundlagenwerk, das eine anspruchsvolle Kulturtheorie der Unternehmerfamilie entwirft und praxistauglich so vermittelt, dass sie in alltäglichen Arbeitskontexten genutzt werden kann." Prof. Dr. Heiko Kleve, Wittener Institut für Familienunternehmen Kommunikation als Unternehmenskunst Unternehmerfamilien unterscheiden sich in mancherlei Hinsicht von anderen Familien. Nicht nur, dass "die Firma" meistens mit am Tisch sitzt – wenn Konflikte innerhalb der Familie auftreten, kann das gravierende Auswirkungen auf das Unternehmen haben, auch wirtschaftliche. Einen wichtigen und noch weitgehend unbeachteten Schlüssel für den Erfolg eines Familienunternehmens stellt deshalb die Kultur dar, die innerhalb der Familie herrscht. Sie gibt vor, wie die Familienmitglieder den Umgang miteinander und mit dem Unternehmen gestalten, wie sie mit externen Einflüssen umgehen und letztlich auch ob das Unternehmen für kommende Generationen erhalten bleibt. Simon Caspary stellt in dieser Einführung Erkenntnisse bereit, die speziell die Kultur(-Entwicklung) von Unternehmerfamilien betrachten. Angereichert werden sie durch einen Methodenkoffer mit Übungen und Reflexionen, die sich in zahlreichen Beratungsprozessen bewährt haben. Er gibt den Familien, aber auch Berater:innen, Coachs und Organisationsentwickler:innen, wichtige Impulse, um den langfristigen Bestand der Unternehmerfamilie und des Familienunternehmens über die Generationen hinweg sicherzustellen und beide erfolgreich in die Zukunft zu führen. Der Autor: Simon Caspary, Dr.; Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler; Berater, Coach und Trainer für Familienunternehmen und deren Familien; Ausbildungen und Weiterbildungen: Systemischer Familien- & Organisationsaufsteller, Wertorientierter systemischer Coach, Hypnosystemische Beratung, Konflikt- & Mobbingberatung in Betrieben, Trauerbegleiter, Lebens- & Sozialberater. Arbeitsschwerpunkte: On-/Offboarding und Entwicklung von Nachfolgern in (Familien-)Unternehmen; Begleitung/Beratung von Übergebern; Beratung von (Familien-)Unternehmen im Spannungsfeld Kultur, Struktur und Strategie; Teamentwicklung von Führungskräften; Trainings für Führungskräfte zu General-Management-Themen; Moderation.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 234

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Reihe Management / Organisationsberatung

Die heutige Gesellschaft ist eine organisierte Gesellschaft. Man muss schon lange suchen, um überhaupt noch Bereiche zu finden, die nicht von Organisationen geprägt sind. Unternehmen jedweder Größe und Eigentumsform, Verwaltungen, Schulen, Gerichte, Krankenhäuser, Universitäten, Kirchen, Verbände, Parteien, Vereine etc. – allesamt übernehmen sie gesellschaftliche Funktionen und bestimmen unser Leben. Die Fülle an Aufgaben, die unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung und Digitalisierung gleichzeitig zu erfüllen sind, wie auch die Bandbreite an Organisationskonzepten und Führungsansätzen, mit denen der komplexe Alltag bewältigt werden soll, stecken das Feld ab, in dem Management und Beratung mehr oder weniger wirksam werden.

Die Zeiten, in denen es einfache Antworten auf die vielfältigen Fragen zur Überlebenssicherung einer Organisation und auch zur Steuerung tagtäglicher Entscheidungsprozesse gab, sind seit Langem vorüber. Der Komplexität, mit der heute alle konfrontiert sind, die in verantwortlichen Funktionen in und mit Organisationen arbeiten – Führungskräfte, Manager und Organisationsberater etc. –, wird man mit Rezeptwissen nicht mehr gerecht. Hier setzen die neuere Systemtheorie und mit ihr die Reihe Management/Organisationsberatung im Carl-Auer Verlag an. Beide liefern Konzepte und »Landkarten«, die auch im unübersichtlichen Terrain von Wirtschaft und Organisation Orientierung ermöglichen und Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Das Ziel der Reihe ist es, empirisch gehaltvolle Forschungen über die Prozesse des Organisierens wie auch theoretisch angemessene Führungs- und Beratungsansätze zu präsentieren. Zugleich sollen bewährte Methoden einer system- und lösungsorientierten Praxis im Kontext von Organisationen überprüft und neue Ansätze entwickelt werden.

Torsten Groth

Herausgeber der Reihe

Management/Organisationsberatung

Simon Caspary

Kulturentwicklung von Unternehmerfamilien

Eine Einführung

Mit einem Vorwort von Heiko Kleve

2024

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe: »Management und Organisationsberatung«

hrsg. von Torsten Groth

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv: © EcoView – stock.adobe.com

Grafikdesign: Victor Alberti d‘Enno

Redaktion: Markus Pohlmann

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2024

ISBN 978-3-8497-0546-6 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8495-9 (ePUB)

© 2024 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/.

Dort können Sie auch unseren Newsletter abonnieren.

Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Vorwort von Heiko Kleve

1Unternehmerfamilien als besonderer Familientypus

2Heranführung an den Kulturbegriff

2.1 Kernmerkmale von Kultur

2.2 Funktionen von Kultur

2.3 Qualität von Kultur

2.4 Ausformung von Kultur

2.4.1 Sachebene

2.4.2 Beziehungsebene

2.4.3 Strukturebene

2.5 Entstehung und Charakteristika von Subkulturen

3Kulturelle Besonderheiten von Unternehmerfamilien

3.1 Der Einfluss der Subsysteme auf die Unternehmerfamilie

3.1.1 Subsystem Familie

3.1.2 Subsystem Unternehmen

3.1.3 Subsystem Eigentümerkreis

3.1.4 Kontexte und Logiken innerhalb der Unternehmerfamilie

3.1.5 Die Bedeutung der Kultur für Ausgleichsprozesse und Austauschbeziehungen

3.2 Die Unternehmerfamilie als ambivalente Lebenswelt

3.2.1 Konsequenzen der unterschiedlichen Logiken

3.2.2 Ambivalenzen während der Nachfolge

3.2.3 Auflösung ambivalenter Kommunikation

3.2.4 Etablierung einer Familienverfassung

3.2.5 Fazit

3.3 Wechselwirkung zwischen Umwelt, Kultur, Strategie und Struktur

3.3.1 Funktion der Umwelt

3.3.2 Funktion der Strategie

3.3.3 Funktion der Struktur

3.3.4 Fazit

3.4 Strukturelles Risiko in Unternehmerfamilien

3.5 Kultur als Resilienzressource für Unternehmerfamilien

3.5.1 Resilienzfaktor Optimismus

3.5.2 Resilienzfaktor Verantwortung

3.5.3 Resilienzfaktor Zukunftsorientierung

3.5.4 Resilienzfaktor Lösungsorientierung

3.5.5 Resilienzfaktor Selbstwirksamkeit

3.5.6 Resilienzfaktor Netzwerkorientierung

3.5.7 Resilienzfaktor Akzeptanz

3.5.8 Resilienzfaktor Bewusstsein

3.5.9 Resilienzfaktor Systemklarheit

3.6 Wertekultur zur Sicherung der Identität und Transgenerationalität

3.6.1 Funktion von Werten

3.6.2 Konsequenzen des Wertewandels

3.6.3 Werte als Orientierungsrahmen

3.6.4 Wertepluralität in Unternehmerfamilien

3.6.5 Fazit

4Interludium: Kulturevolution in Unternehmerfamilien

4.1 Evolution von Kultur durch Meme

4.2 Verbreitung von Memen

4.3 Meme als Kulturtreiber

5Methodenkoffer – Praktische Kulturentwicklung in Unternehmerfamilien

5.1 Reflexion der Kulturmanifestationen

5.1.1 Reflexion der Kulturfunktionen

5.1.2 Reflexion der Qualität von Kultur

5.1.3 Reflexion von Wachstumsdynamiken

5.1.4 Reflexion der Kulturebenen

5.1.5 Reflexion subkultureller Eigenheiten und deren Integration

5.2 Wertekultur leben

5.2.1 Werte finden – Design eines Kurzworkshops

5.2.2 Werte entwickeln

5.2.3 Werte spezifizieren

5.3 Kultur des richtigen Funktionierens

5.4 Umgang mit Ambivalenzen

5.5 Management des strukturellen Risikos

5.6 Kultur als Resilienzressource

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der Reflexionen

Über den Autor

Vorwort von Heiko Kleve

Simon Caspary ist ein Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, der in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen ist, der also den Kontext, den er mit seinen Forschungen durchschreitet und mit seinen handlungsmethodischen Anregungen konstruktiv zu gestalten vorschlägt, aus der eigenen Sozialisationserfahrung kennt. Die persönliche, insbesondere emotionale Beziehung zu einem Thema, mit dem eine systematische Auseinandersetzung erfolgt, birgt sowohl Gefahren als auch Möglichkeiten: So könnte etwa die Distanz zum Untersuchungsgegenstand verloren gehen oder überhaupt nicht erst entstehen, wenn dieser Gegenstand so eng mit dem eigenen Leben verknüpft ist. Wenn es aber gelingt, diese thematische Nähe durch intensive Reflexionsprozesse so zu bearbeiten, dass daraus Erkenntnisgewinne entstehen, die einerseits auf der persönlichen Verwobenheit basieren und sich andererseits davon zugleich distanzieren, etwa mit praktikablen Modellen, Methoden und Techniken, dann ist extrem viel gewonnen.

In dieser Weise hat Simon Caspary die wissenschaftliche Beschäftigung mit Unternehmerfamilien bereits bereichert: mit seiner umfangreichen Auseinandersetzung mit den Sozialisationsbedingungen innerhalb dieser Familienform (Caspary 2018a; 2023) und – in einem ersten Anlauf – hinsichtlich praktischer Vorschläge, wie diese Familien ihre Kultur reflektieren und entwickeln können (Caspary u. Kleve 2023). Denn Unternehmerfamilien sind unternehmerische Familien, Familien also, deren Mitglieder mindestens ein Unternehmen besitzen und erfolgreich zu gestalten versuchen, um es nicht nur für die eigene Gegenwart, sondern auch für die Zukunft der Nachkommen, der Kinder, Enkel und Urenkel zu sichern. Diese als transgenerationale Intention der Unternehmerfamilie bezeichnete Perspektive verweist auf ein Thema, das in den letzten Jahren insbesondere in ökologischer Hinsicht äußerst wichtig geworden ist, nämlich auf den Aspekt der Nachhaltigkeit.

Wenn eine Unternehmensform Nachhaltigkeit im Kern ihrer Existenz verankert hat, dann ist es das Familienunternehmen. Denn hier wird das, was Familien auszeichnet, nämlich die Weitergabe des Lebens von einer an die nächste Generation, auf das Unternehmenseigentum ausgeweitet. Erfolgreiche Familienunternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihnen in jeder Generation erneut die familiäre Nachfolge gelingt. Das bedeutet, dass sich immer wieder Menschen finden, die gewillt und hinsichtlich ihrer Kompetenzen in der Lage sind, die Verantwortung für das Familienunternehmen zu tragen. Damit einher geht die Arbeit an der langfristigen Zukunftsfähigkeit des Unternehmens in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht.

Bei der Betrachtung erfolgreicher Familienunternehmen fällt auf, dass sich die regelmäßige Realisierung der Nachfolge, also die nachhaltige Zukunftsorientierung, nicht von selbst versteht. Im Gegenteil: Das Konfliktrisiko ist besonders in der Phase des Übergangs von der einen an die nächste Generation groß. Denn spätestens in diesen Übergangsphasen müssen nicht nur neue Personen gefunden werden, die das Unternehmen verantworten wollen und in die Zukunft tragen. Zudem muss der Generationsübergang so gestaltet werden, dass Bewährtes der vergangenen Generationen tradiert und Problematisches verändert bzw. innoviert werden kann. Und das gelingt solchen Unternehmerfamilien besonders gut, die dafür Strukturen etabliert haben sowie in entsprechenden Kulturen leben und arbeiten.

In den letzten Jahren lag der Fokus der wissenschaftlichen wie praxisorientierten Betrachtung insbesondere auf der Strukturentwicklung. Die sog. Governance erfolgreicher Unternehmerfamilien war von Interesse, also die Art und Weise, wie diese Familien sich selbst und ihre Verkopplung mit dem Unternehmen sowie ihr entsprechendes Verantwortungsmanagement organisieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Zunahme der Komplexität des Unternehmens (etwa hinsichtlich Mitarbeiterzahl,1 Umsatzhöhe, Standorte oder Internationalisierung etc.) und die Zunahme der Familienkomplexität (etwa durch das Anwachsen der Gesellschafterzahl, insbesondere durch die Einführung egalitärer Vererbungsmuster) durch die Implementierung von Strukturen bearbeitet werden müssen. Je höher diese Komplexität wird, desto wichtiger ist es, dass Strukturen für deren passende Reduktion entwickelt und implementiert werden. Dadurch zeigen sich unterschiedliche Formen von Regeln, Gremien und Positionen, die innerhalb der Familie kreiert und realisiert werden, um die Entscheidungsfähigkeit der Unternehmerfamilie hinsichtlich des Unternehmens zu sichern. Dieses Set von strukturierten Prozessen und Regeln wird als Family Governance bezeichnet.

Was jedoch bisher eher marginal betrachtet wird, ist der Kulturaspekt der Unternehmerfamilie. Während wir die Struktur – metaphorisch – als die Hardware der Unternehmerfamilie bezeichnen könnten, lässt sich die Kultur als die Software verstehen. Die Kultur subsumiert also die Programme der Unternehmerfamilie, in welche die Mitglieder hineinsozialisiert werden, die sie wie die Fische das Wasser (zunächst) nicht wahrnehmen können. Dass Menschen von einer spezifischen Kultur geprägt sind, die ihr Handeln, Fühlen und Denken bestimmt, merken sie erst durch die Konfrontation mit Kontexten oder Menschen, die in anderen Kulturen eingebettet sind, bzw. durch die methodische Reflexion solcher Erfahrungen in Distanz zur eigenen Familiensozialisation. Diese Differenzerfahrung ermöglicht die Wahrnehmung dessen, was zuvor als selbstverständlich vorausgesetzt wurde.

Das große Verdienst von Simon Caspary ist es nun, dass er mit dem vorliegenden Buch Unternehmerfamilien zum einen für die Bedeutung ihrer jeweiligen Kultur sensibilisiert. Zum anderen lädt er dazu ein, diese spezifische Kultur sichtbar zu machen, sie in vielfältiger Weise zu reflektieren. Genau das ist die Voraussetzung für eine bewusste Kulturentwicklung. Was zumeist dem Selbstlauf überlassen wird, kann so einer expliziten Beschäftigung innerhalb der Unternehmerfamilie zugeführt werden. Genau dafür bietet Simon Caspary eine Vielfalt von Werkzeugen, Systematiken, Fragen und Beobachtungsraster, sprich: einen umfassenden Methodenkoffer an. Dieser kann in Unternehmerfamilien für Einzelreflexionen sowie in Gruppen oder Arbeitskreisen genutzt werden, um sich der eigenen kulturellen Voraussetzungen zu versichern. Damit ist dieses Buch ein Grundlagenwerk, das eine anspruchsvolle Kulturtheorie der Unternehmerfamilie entwirft und praxistauglich so vermittelt, dass sie tatsächlich in alltäglichen Arbeitskontexten zur Entwicklung und Organisation dieser Familien genutzt werden kann. Weil das Buch hinsichtlich dieser Vermittlung von Theorie und Praxis geradezu vorbildlich ist, wünsche ich ihm eine weite Verbreitung!

Witten und Potsdam, im Sommer 2024

Heiko Kleve

1 Wegen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch meist darauf verzichtet, geschlechterspezifische Formulierungen zu verwenden. Personenbezogene Bezeichnungen in der männlichen grammatischen Form beziehen sich in der Regel auf alle Geschlechter.

1 Unternehmerfamilien als besonderer Familientypus

Auch wenn Unternehmerfamilien als Familien bezeichnet werden, unterscheiden sich diese doch beträchtlich von den in unserer Gesellschaft vorherrschenden familiären Formen. Durch das Eigentum einer Familie an einem Unternehmen entsteht eine wechselseitige Verbindung, eine strukturelle Kopplung (kurz: Kopplung) beider Systeme. Unternehmerfamilien eint daher eine besondere Form des Wirtschaftens, indem sie überwiegend ihre Berufung darin sehen, ihr Unternehmen gesund zu halten und erfolgreich an die nächste Generation zu übergeben.

Die transgenerationale Intention und ein Unternehmen, welches sich mehrheitlich im Eigentum der Familie befindet, charakterisieren diese besondere Form des Wirtschaftens (Rüsen et al. 2022, S. 12). Unternehmerfamilien kann folglich eine »unternehmerische Intention« (Kleve 2020a, S. 11) unterstellt werden. Darunter sind marktorientierte Entscheidungen der Unternehmerfamilie in Bezug auf das Unternehmen zu verstehen, wie z. B. Entscheidungen bezüglich Innovationen und Investitionen (ebd.). Aufgrund dieser Besonderheiten muss die Unternehmerfamilie in Abgrenzung zu den anderen familiären Formen als ein besonderer Familientypus aufgefasst werden.

Aber Unternehmerfamilien sind nicht nur ein besonderer Familientypus, sie müssen sich auch ab einem bestimmten Lebenszyklus, d. h. ab einer bestimmten Größenordnung, formal organisieren. Dies resultiert u. a. aus dem familiären Wachstum sowie sich verändernden Eigentümer- und Führungsstrukturen innerhalb des Familienunternehmens (Klein 2004, S. 274). Wird daher die Familie hinter einem Familienunternehmen betrachtet, so treten hier unterschiedliche Formen auf: Es existieren sowohl Familienunternehmen mit einer Kleinfamilie als Eigentümerin als auch solche mit Mehrgenerationenfamilien und mehreren Hundert Mitgliedern, die sich alle auf gemeinsame Wurzeln berufen können. Alle diese Variationen werden ihre Mitglieder als Familienmitglieder bezeichnen (Simon 2005c, S. 57).

Besonders die familiären Entwicklungen können den Alltag innerhalb eines Familienunternehmens erschweren. Dabei kann nicht nur der Geschäftsbetrieb in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern ebenso das Wachstum oder notwendige Veränderungen. Die auftretenden Dysfunktionen im Unternehmen bewirken dann – aufgrund der Kopplung – eine Rückkopplung auf die Familie und deren Wohlergehen (Heck a. Scannell Trent 1999).

Ab einer bestimmten Größe müssen die für Familien typischen informellen Kommunikationskanäle daher aufgegeben werden und formalen Strukturen weichen, damit der Kontakt sowie die Bindung zwischen den Familienmitgliedern aufrechterhalten werden kann und die Aufgaben erledigt werden können. Diese Formalisierung dient der Funktionsfähigkeit der Unternehmerfamilie. Beschleunigt wird sie durch die geografische Verteilung der Mitglieder und kann deshalb bereits in bezüglich der Mitgliederzahl kleineren Unternehmerfamilien erforderlich sein (Frank u. Keßler 2018, S. 257).

Wenngleich die Mitglieder in Unternehmerfamilien durch ein verwandtschaftliches Verhältnis verbunden sind, reicht dieses Band als Bindungskraft ab einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern irgendwann nicht mehr aus, die zentrifugalen Kräfte im Hinblick auf die emotionale Bindung zum Familienunternehmen und zur Unternehmerfamilie zu kompensieren. Denn je schwächer die verwandtschaftlichen Bindungen aufgrund des familiären Wachstums werden, desto größer ist die Gefahr, dass das Interesse am gemeinsamen Familienunternehmen, an der transgenerationalen Intention, abnimmt (Habig u. Berninghaus 2004, S. 13). Hier bedarf es daher der formalen Organisation von Kommunikationspunkten/-möglichkeiten und eines aktiven Familienmanagements, damit möglichst alle Mitglieder die Unternehmerfamilie als Familie erleben können (Rüsen, Kleve u. von Schlippe 2021, S. 134), die Entscheidungsfähigkeit nicht gehemmt bzw. blockiert wird und eine Weiterentwicklung möglich ist (von Schlippe, Groth u. Rüsen 2017, S. 71).

Auf die formal organisierte Unternehmerfamilie treffen dann – ähnlich wie bei einer Organisation2 – die in Tabelle 1 ausgeführten Charakteristika zu (Schein 1980, S. 151 f.).

Charakteristikum

Beschreibung

Offenheit des Systems

Unternehmerfamilien müssen als offene Systeme3 aufgefasst werden, da sie andauernd mit ihrer inneren/äußeren Umwelt interagieren: Von dieser erhalten sie Informationen, Energie, Rohstoffe usw., die die Unternehmerfamilien transformieren und via Produkte, Dienstleistungen und Sinn an die Umwelt zurückgeben.

Unternehmerfamilien verändern sich somit unweigerlich andauernd durch Anpassung ihrer Mitglieder im Inneren und im Außen, sei es z. B. an gesellschaftliche oder marktwirtschaftliche Veränderungen.

Vielfalt an Zwecken und Funktionen

Bedingt durch die Kopplung der beiden Systeme Familie und Unternehmen weisen Unternehmerfamilien vielfältige Zwecke und Funktionen auf, die wiederum zahlreiche Interaktionen zwischen der Unternehmerfamilie und ihrer inneren/äußeren Umwelt umfassen. Viele Aktivitäten lassen sich nur verstehen, wenn man die Interaktionen und Funktionen zwischen den Systemen mitberücksichtigt.

Subsystembildung

Unternehmerfamilien bestehen ab einer gewissen Größe aus drei Subsystemen (Familie, Unternehmen und Eigentümerkreis), die sich ihrerseits im Inneren differenzieren können. Um Organisationsphänomene zu verstehen, müssen die Verhaltensweisen der Subsysteme analysiert werden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man anhand von Gruppen oder Rollen(sets) usw. analysiert.

Wechselseitige Abhängigkeit der Subsysteme

Die einzelnen Subsysteme sind wechselseitig voneinander abhängig. Veränderungen in einem Subsystem provozieren daher Anpassungen in den anderen bzw. machen diese notwendig.

Umweltbezug

Um die Funktionsweise von Unternehmerfamilien zu verstehen, müssen diese immer in Relation zu ihrer inneren/äußeren Umwelt betrachtet werden. Die Umwelt stellt Forderungen an die Unternehmerfamilie und zwingt sie zu (kulturellen) Anpassungsleistungen.

Problem der Abgrenzung

Aufgrund der vielfältigen Schnittstellen ist es schwierig, eine präzise Grenze zwischen Unternehmerfamilie und Umwelt zu ziehen, besonders mit Begrifflichkeiten wie Größe, Gestalt, Funktion oder Struktur.

Tab. 1: Charakteristika zur Bestimmung einer Organisation

Im Vergleich zu wirtschaftlich ausgerichteten Organisationen schafft die in Unternehmerfamilien vorherrschende transgenerationale Intention eine besondere Kultur mit einer vordergründig nicht rein ökonomischen Perspektive, die stattdessen den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens fokussiert. Mögliche Investitionschancen, die in der Logik des Unternehmens oder des Eigentümerkreises sinnvoll erscheinen (würden), werden oftmals zugunsten der Familie zurückgestellt, um den nachhaltigen transgenerationalen Bestand nicht zu gefährden (Kleve 2020a, S. 30 f.). Auf der anderen Seite können aber auch Investitionen getätigt werden, die erst langfristig Gewinne generieren, vielleicht sogar erst in der nächsten Generation. Kurzfristige Gewinnerwartungen des Unternehmens können zugunsten der Familie zurückgestellt werden.

Die für Unternehmerfamilien typische Kultur formt sich durch das wechselseitige Zusammenspiel der drei Subsysteme Familie, Unternehmen und Eigentümerkreis heraus. Dabei entsteht der Eigentümerkreis erst ab einer gewissen Anzahl von Mitgliedern. Denn aufgrund des Größenwachstums der Familie können irgendwann nicht mehr alle Mitglieder eine operative Funktion im Unternehmen ausüben, bzw. wird dies nicht mehr von ihnen erwartet. Unternehmerfamilien sind daher erst ab einer bestimmten familiären Größe durch die Herausbildung des Eigentümerkreises charakterisiert. Um als Unternehmerfamilie zu gelten, ist die Herausbildung des Eigentümersystems also kein zwingendes Erfordernis.

Ebenfalls wichtig zu verstehen ist an dieser Stelle: Nicht alle Mitglieder des Familiensystems werden Mitglieder der Unternehmerfamilie oder müssen dies sein. Im Hinblick auf die Zugehörigkeit bestehen je nach Unternehmerfamilie unterschiedliche Selektionskriterien. Die Mitglieder der Unternehmerfamilie können als Teilmenge der Familie angesehen werden. Wer zur Unternehmerfamilie gehört und wer nicht, ist eine Entscheidungsfrage, die kulturell verankert ist. Die Zusammenhänge sind in Abbildung 1 dargestellt (Caspary 2022, S. 166).

Wie in Abbildung 1 ersichtlich, kann die Unternehmerfamilie als »mehrdimensionales ›soziales System‹« (Königswieser u. Hillebrand 2009, S. 30) bzw. als emergentes Phänomen aufgefasst werden, das sich als Gesamtsystem aus den drei Systemen Familie, Unternehmen und Eigentümerkreis zusammensetzt bzw. erst zumindest durch die Kopplung der Systeme Familie und Unternehmen entsteht (Frank et al. 2023, S. 2; Wimmer u. Simon 2019, S. 146 ff.).

Aus dem Blickwinkel der Unternehmerfamilie stellen die drei Systeme drei (sehr) relevante Subsysteme dar, die sich durch Systemdifferenzierung, d. h. durch die Wiederholung der System-Umwelt-Differenz im Inneren, herausbilden (Luhmann 1994, S. 37). Die Unternehmerfamilie stellt als Gesamtsystem eine bedeutungsvolle Umwelt für die drei Subsysteme dar. Doch auch die Subsysteme stellen ihrerseits innere Umwelten für die Unternehmerfamilie bereit, die diese berücksichtigen muss. Jedes System fungiert für das jeweils andere als sinnstiftende Umwelt (Weismeier-Sammer et al. 2012, S. 183). Allerdings verschmelzen Gesamtsystem und Subsysteme nicht miteinander; die jeweiligen Funktionslogiken existieren in Unternehmerfamilien parallel. Durch die Kopplung stehen die Subsysteme jedoch in wechselseitigem Austausch miteinander und mit der Unternehmerfamilie als Gesamtsystem. Die Subsysteme entwickeln sich koevolutionär, d. h., sie nutzen sich zum wechselseitigen Strukturaufbau, wobei sie ihre Autonomie, Wirklichkeit und Logik nicht aufgeben (Wimmer u. Simon 2019, S. 157). Trotz seiner Wechselbeziehungen agiert jedes Subsystem autonom. Die Intensität der Kopplung zwischen Gesamtsystem und Subsystemen variiert, ist also je nach Unternehmerfamilie systemspezifisch und wird wesentlich durch die kulturelle Prägung der Subsysteme beeinflusst (Caspary u. Kleve 2023, S. 8 f.).

Abb. 1: Wechselbeziehungen innerhalb einer Unternehmerfamilie

Damit die Unternehmerfamilie handlungsfähig wird oder bleibt und den Umgang mit Wachstumsdynamiken gestalten, den transgenerationalen Bestand sichern und die drei Subsysteme koordinieren kann, muss sie aber auch organisationsähnliche Strategien entwickeln und (formalisierte) Strukturen zur Verfügung stellen. Diese Strategien und Strukturen tragen zur Koordination und Herstellung von Gleichgewichten zwischen Subsystemen und Umwelt bei und stellen die Funktionsfähigkeit der Subsysteme sicher. Dabei sorgt der kulturelle Einfluss für die Entwicklung einer spezifischen Strategie, mit deren Unterstützung sich die Herausforderungen in Chancen transformieren lassen, um dann mit den entsprechenden Strukturen und Prozessen Ergebnisse zu erzielen (Caspary 2022, S. 165).

Wie ersichtlich wird, ist eine Unternehmerfamilie ein komplexes und dynamisches Gebilde, das nicht nur Veränderungen ausgesetzt ist, sondern dem selbst eine enorme Veränderungskraft innewohnt (Pümpin u. Koller 1990, S. 307). Besonders die transgenerationale Intention einer jeden Unternehmerfamilie ist davon abhängig, dass diese handlungs- und entscheidungsfähig bleibt, um die gemeinsame Entwicklung zu gewährleisten. Dazu müssen nicht nur Strategien zur Konfliktlösung und -vermeidung etabliert werden, sondern vor allem muss die Komplexität reduziert werden (Simon 2017, S. 91). Nach Luhmann (1994, S. 46) kann Komplexität zunächst wie folgt aufgefasst werden:

»Als komplex wollen wir eine zusammenhängende Menge von Elementen bezeichnen, wenn aufgrund immanenter Beschränkungen der Verknüpfungskapazität der Elemente nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen verknüpft sein kann.«

In Unternehmerfamilien wächst die Komplexität durch das Wachstum der drei Subsysteme, wodurch der direkte Austausch der Familienmitglieder nicht mehr ohne Weiteres möglich ist. Auf der Ebene der Unternehmerfamilien müssen dadurch zunehmend mehr Mitglieder berücksichtigt werden. Zudem steigt die Zahl der Prozesse, die gleichzeitig ablaufen, sowie die Zahl der Kommunikationen und der notwendigen Schritte zur Koordination, letztere sogar exponentiell. Ein weiterer Komplexitätstreiber sind die unterschiedlichen Wachstumsdynamiken der drei Subsysteme. Dabei ruft das schnellere Wachstum eines Subsystems Irritationen und Anpassungsleistungen in den anderen Subsystemen hervor (Gimeno, Baulenas u. Coma-Cros 2010, S. 12 f.).

Ein wesentlicher Schlüssel, um Komplexität zu reduzieren, ist die Kultur, indem

die Interpretation und Beurteilung von Situationen erleichtert werden,

Entscheidungen eine Legitimierung und Stabilisierung erfahren und

sich gewisse Verhaltensweisen standardisieren lassen, z. B. indem in konfliktären Situationen allgemeingültige Lösungsansätze bereitgestellt werden.

Durch die kulturvermittelte Komplexitätsreduktion wird den Mitgliedern gewissermaßen soziale Sicherheit geboten (Wien u. Franzke 2014, S. 17). So kann z. B. eine Kultur Firma vor Familie für die Unternehmerfamilie stark komplexitätsreduzierend wirken, da Bedürfnissen und Anforderungen des Unternehmens immer Vorrang eingeräumt wird; es bedarf also keiner Diskussion. Aber natürlich hat diese Vorrangstellung der Familie u. U. einen hohen emotionalen Preis (von Schlippe u. Klein 2017, S. 120) und kann nicht nur zu Dysfunktionen und Konflikten in der Familie führen, sondern auch dazu, dass diese daran zerbricht. Es würde deswegen zu kurz greifen, nur die Komplexität eines (Sub-)Systems reduzieren zu wollen. Hier besteht die Gefahr, wichtige Funktionen oder Eigenschaften des Systems zu zerstören. Systeme benötigen ein Mindestmaß an Komplexität, damit Lernfähigkeit, Wahrnehmung und Kommunikation überhaupt möglich sind. Aus dem Blickwinkel der Kybernetik4 ergeben sich folgende Fragen zum Umgang mit der Komplexität eines Systems (Malik 2013, S. 53 f.):

Wie kann diese unter Kontrolle gebracht werden?

Welche Steuerungs- und Regulierungsmöglichkeiten bestehen für komplexe Systeme?

Wie muss die Struktur eines Systems beschaffen sein, damit sie den Umgang mit Komplexität fördert?

An diesen Fragestellungen wird ersichtlich, dass die Kultur und die Beschäftigung mit dieser keine Allheilmittel darstellen. Die Kultur fügt sich als ein – wenn auch zentraler – Aspekt in die verschiedenen Elemente ein, die für das Management wichtig sind (Malik 1990, S. 31). Kulturen weisen aber nicht nur eine Innenausrichtung auf, sondern entfalten zugleich eine Außenwirkung; insbesondere wie der Umgang mit externen Anspruchsgruppen gestaltet wird. Für eine ganzheitliche Betrachtung muss Kultur daher eine Innen- und Außenperspektive aufweisen (Wien u. Franzke 2014, S. 108).

Die Kultur, aber auch die von ihr abgeleiteten Strategien sowie Strukturen und deren Subkulturen sind daher bedeutsame Bestandteile einer jeden Unternehmerfamilie. Sie prägen diesen besonderen Familientypus und sind notwendig für dessen Funktionsfähigkeit. Die Kultur durchdringt die Unternehmerfamilie, d. h., sie ist allgegenwärtig und prägt die Denk- und Handlungsweisen ihrer Mitglieder. Ob und, wenn ja, wie die Kultur auf die Systemaktivitäten wirkt, hängt erheblich von der inhaltlichen Ausgestaltung der Kultur ab (Sackmann 2017, S. 169). Da die Familienmitglieder sowohl Mitglieder des Gesamtsystems als auch der Subsysteme sein können, ergeben sich für sie folgende Herausforderungen (Schreyögg 2008, S. 379):

Einzelne Mitglieder geraten in Loyalitätskonflikte zwischen Gesamt- und Subsystem.

Bedingt durch die Überschneidungen und Doppelmitgliedschaften der Mitglieder öffnen sich unweigerlich die Systemgrenzen der Subsysteme, wodurch Subkulturen die Gesamtkultur überformen können.

Nachdem in diesem Kapitel die Unternehmerfamilie als ein besonderer Familientypus charakterisiert worden ist, widmet sich Kapitel 2 dem Kulturbegriff: Es wird ein grundlegendes Verständnis geschaffen, was die Kultur ausmacht und wie sie entsteht. Kapitel 3 beleuchtet dann die kulturellen Besonderheiten sowie Herausforderungen von Unternehmerfamilien, und Kapitel 4 betrachtet als eine Art Exkurs Kultur unter einem evolutionären Aspekt. Abschließend stellt Kapitel 5 einen umfangreichen Methodenkoffer bereit, mit dem sich die Kulturentwicklung in Unternehmerfamilien aufbauend auf den vorherigen Kapiteln praktisch vollziehen lässt.

2 Die Begriffe Organisation und Unternehmen werden in diesem Buch synonym verwendet. Organisation ist als Oberbegriff anzusehen, unter den u. a. Unternehmen fallen.

3 Luhmann (1994) begreift alle autopoietischen Systeme als operational geschlossene Systeme. Beispielsweise sind Unternehmerfamilien im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft als geschlossene Systeme zu begreifen. Das Recht auf Zugehörigkeit wird mittels Geburt, Adoption, Heirat, Partnerschaft (Gimeno, Baulenas u. Coma-Cros 2010, S. 52) und/oder Eigentum am Unternehmen gewährt. Offenheit wird in diesem Buch als interaktive und sinnhafte Offenheit gegenüber der Umwelt verstanden.

4 Kybernetik bezeichnet die Wissenschaft »zur Beschreibung der Regelung und Steuerung komplexer Systeme« (von Schlippe u. Schweitzer 1999, S. 53).

2 Heranführung an den Kulturbegriff

Der Kulturbegriff ist nicht neu. Er hat seinen Ursprung in der Anthropologie bzw. Ethnologie, wo er seit dem Ende des 18. Jahrhunderts als ein zentrales Konzept im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht (Sackmann 2017, S. 35). Das, was Kultur beschreibt, existiert allerdings schon, seitdem sich Menschen in Gruppen zusammengefunden haben, oder, im Hinblick auf Organisationen, seitdem diese »als ein soziales, produktives und autonomes System« (Krulis-Randa 1990, S. 1) entstanden sind. Ähnliches gilt für die Unternehmerfamilie als ein besonderer Typus einer Organisation. Als eine Gemeinschaft von Menschen weist diese schon immer eine Kultur auf, nur wurde das Phänomen Kultur im Zusammenhang mit Unternehmerfamilien in dieser Form noch nicht beleuchtet.

An dieser Stelle soll an eine Bemerkung von Krulis-Randa angeschlossen werden: »Begriffe werden erst dann gebraucht, wenn das Phänomen, welches sie bezeichnen, bewusst wird« (Krulis-Randa 1990, S. 1). Bei dem Phänomen Kultur geht es somit nicht darum, ob eine Kultur überhaupt existiert, sondern welche kulturellen Phänomene ein System prägen bzw. welche die Denk- und Handlungsweisen der Mitglieder beeinflussen (Grubendorfer 2016, S. 14). Zwei Fragestellungen sind bei der Beschäftigung mit Kultur demzufolge zentral (Katz, Weissmüller u. Thies 2007, S. 32):

Was sind die Phänomene und Bedingungen einer betrachteten Kultur? Wie kommt/kam es dazu?

Welche Ergebnisse/Konsequenzen werden durch die Kultur produziert?

Bei der Beobachtung oder Beschreibung von Kultur kommt es jedoch zusätzlich darauf an, durch welche Brille Kultur betrachtet wird; denn der Begriff Kultur wird heutzutage von den verschiedenen Disziplinen unterschiedlich verwendet – neben den oben genannten u. a. in der Soziologie und umfassend in der Organisationsforschung sowie -entwicklung. Obwohl es sich um den gleichen Begriff handelt, unterscheiden sich die jeweiligen Bedeutungsinhalte bei den Disziplinen und sogar innerhalb dieser. Jeder Zugang bedingt daher unweigerlich andere Erwartungen darüber, was das Kulturkonzept im jeweiligen Kontext leisten kann und soll (Sackmann 2017, S. 36).

Generell können zwei Blickrichtungen auf das Phänomen Kultur identifiziert werden, die auf unterschiedlichen Annahmen basieren und deshalb unterschiedliche Rückschlüsse auf die Gestaltung von Kultur eröffnen (Grubendorfer 2016, S. 14; Schreyögg u. Geiger 2016, S. 319):

1)

Kultur als Variable:

Organisationen

haben

eine Kultur (analytisch-funktionaler Ansatz).

2)

Kultur als Metapher:

Organisationen

sind

Kulturen (synthetisch-interpretativer Ansatz).

Sackmann (2017, S. 42; 1990) stellt noch eine dritte Sichtweise auf Kultur zur Verfügung, die eine Synthese der beiden ersten Auffassungen darstellt:

3)

Kultur als ein dynamisches Konstrukt:

Organisationen

sind

Kulturen und

haben

gleichzeitig kulturelle Aspekte.

Während die ersten beiden Auffassungen als zwei Endpunkte eines Spektrums angesehen werden können, liegt die dritte bildlich gesprochen in der Mitte. Letztere wird in diesem Buch geteilt. Kultur ist veränderbar, was einem analytisch-funktionalen Ansatz widerspiegelt, und gleichzeitig wird ein synthetisch-interpretativer Ansatz verfolgt, der ein Verständnis bezüglich Kultur fördern möchte (Hofstede u. Hofstede 2011, S. 371; angelehnt an Smircich 1983). Daraus ergibt sich folgender Blickwinkel auf Kultur (Sackmann 1990, S. 162 f.):

Kultur ist ein Konstrukt, welches komplex und dynamisch ist. Dieses entwickelt sich durch die menschlichen Interaktionen und Handlungen gegenüber Problemen und inkludiert unterschiedliche ideelle und materielle Gesichtspunkte.

Nicht alle Facetten werden sichtbar. Die nicht sichtbaren werden allerdings durch ihren Einfluss nachvollziehbar, den sie auf die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Handeln der Kulturträger

5

entfalten.

Es existiert eine komplexe und nicht auf Ursache–Wirkung zurückführende Vernetzung der einzelnen Facetten.

Kultur ist weder gut noch schlecht. Es gibt Funktionen, die in ihrer Wirkung förderlich oder hinderlich wirken können, und andere, die durch ihr Sein, wie z. B. Gestalt, Ausprägung, Subkulturbildung, wahrgenommen werden können.

Aber was ist Kultur nun genau? Kultur beschreibt ein »soziales Phänomen« (Sackmann 2017, S. 98). Dieses kann als eine »unsichtbare Ordnungskraft« (Schreyögg u. Geiger 2016, S. 294) aufgefasst werden, die für Systeme einen gewinnbeeinflussenden und Erfolgsfaktor darstellt (Franken 2010, S. 203). Allerdings ist Kultur beides: »eine Kraftquelle (die daher bewahrt werden soll) und eine Quelle an Hindernissen und Beschränkungen ([die] […] deshalb wahrscheinlich teilweise verändert werden muss)« (Schein u. Schein 2017, S. 100). Als »Phänomen ganz eigener Art« (Hofstede u. Hofstede 2011, S. 46) dient Kultur als ein »übergreifendes System kollektiv geteilter Symbolwelten und Praxen« (Hoffmann 2017, S. 55). Sie stellt das »geistige Zentrum« (Wien u. Franzke 2014, S. 12) eines Systems dar und dient als ein Medium der Kommunikation, vergleichbar mit einer Sprache. Wer diese anders spricht als in dem jeweiligen kulturellen Kontext üblich, fällt auf (Hall 1989).