Küssen ist Macht - Bente Clod - E-Book + Hörbuch

Küssen ist Macht E-Book und Hörbuch

Bente Clod

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  • Herausgeber: LUST
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: LUST
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Heiße Küsse und andere Erotik-Abenteuer... In "Küssen ist Macht" entführen uns 17 erotische Kurzgeschichten unter anderem nach Griechenland, in den Zirkus, zur Kupferhochzeit, ins Jugendzimmer, ins Theater und auf die kanarischen Inseln. Es wird wild, feucht, schnell und ehrlich – echte Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Land, begehren sich, brennen vor Verlangen und stürzen sich in teils hemmungslosen Sex. Wenn einem da mal nicht heiß wird...-

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Seitenzahl: 244

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Zeit:5 Std. 32 min

Sprecher:Lea Moor
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Bente Clod

Küssen ist Macht

Übersezt von Kirsten Evers

Saga

Küssen ist Macht

 

Übersezt von Kirsten Evers

 

Titel der Originalausgabe: Kyssekraft

 

Originalsprache: Dänisch

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2016, 2021 Bente Clod und LUST

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726760637

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Da Capo

Ich kenne seinen Namen nicht. Ich kenne keinen ihrer Namen. Vor Kurzem kam eine SMS von einem Lars, der sich für die schöne Zeit bedankte und fragte, ob wir uns nicht bald wiedersehen wollten? Ich habe keinen blassen Schimmer, wer er ist. Die frühmorgendliche Eroberung hinter der Bar, während der Barkeeper damit beschäftigt gewesen war, sich mit den letzten Gästen die Kante zu geben? Vielleicht. Oder der Kerl, den ich eines Morgens am Strand Bellevue gefickt hatte? Solange ich Sex kriege, sind mir die Umstände generell ziemlich egal.

Heute Abend steht Speed-Dating auf dem Programm. Drei Gruppen. Vorspeise, Hauptgang, Dessert. Das Dessert wird im Tivoli eingenommen, im Divan 2. Abends, wenn die Touristen und Familien nach Hause gegangen sind, wird der Park zur edlen Flaniermeile. Das muss man sich leisten können. Falls man es denn überhaupt bis zum Dessert schafft. Aber dafür schafft man ja sonst vielleicht etwas anderes, was gut tut, was dem Körper schmeckt, während das all-abendliche Feuerwerk unsere begeisterten Gesichter erleuchtet.

Die Schuhe sind neu, extrem hoch und leuchtend rot, das Haar glänzt und hat zur Feier des Tages frische blonde Strähnen bekommen, das Kleid gehörte mal meiner Model-Mama: Roter Satin mit zartrosa Seidenspitze. Darüber eine hüftlange Jacke und der neue Duft von Dolce&Gabbana. Sponsored by Opas Kreditkarte. Danke, lieber reicher Opa.

„Hauptsache, du lebst dein Leben und hast Spaß, Idalein. Hauptsache, du vergisst mich nicht, und meine Zigarren, dann kannst du die Karte ruhig nehmen. Ich brauch sie ja nicht mehr.“

Ich besuche meinen Opa einmal in der Woche im Heim und inspiziere seine Kleidung, seine Akte, seine Pillendose, halte seine Hand, während er mir sentimentale Geschichten von Mama erzählt oder wir gemeinsam fernsehen. Bevor ich gehe, stelle ich sicher, dass alles ist, wie es sein soll, dass die Pillen da liegen, wo sie liegen sollen. Das Pflegepersonal kriegt was unter der Hand zugesteckt, dann mischen die sich nicht ein. Meine größte Sorge ist, dass das Wohlergehen meines Opas vom Staat und seinen unterbezahlten, gestressten Angestellten abhängen sollte. Dann ist alles aus. Ich spreche regelmäßig mit dem Arzt und weiß genau, was Opa wann bekommen soll. Ich sorge für Gesundheitschecks und neue, gute Kleidung. Die bringe ich immer unangemeldet. Keiner der alten Knacker in dem Laden lebt ein besseres Leben als mein Opa.

Nächste Woche fängt ein neuer Pfleger an. Mit dem muss ich dann noch ein Wörtchen reden, bevor der mein System verpfuscht. Der kriegt direkt ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann.

 

Die Vorspeise wird in einem vietnamesischen Restaurant im Stadtteil Østerbro eingenommen. Das kann sich wirklich jeder leisten. Als ich ankomme, sind die anderen drei Teilnehmer bereits vor Ort. Wir stellen uns vor. Die andere Frau ist Lehrerin und lacht offenbar gern. Die Männer sind jeweils Ingenieur und Elektriker. Der Elektriker hat sich in seine schicke Markenmontur geworfen. Typisch, dass der Ingenieur das nicht für nötig hält. Wir erforschen die Karte, suchen uns exotisch klingende Gerichte aus, und köpfen ein paar Flaschen, noch ehe das Essen kommt. Ich habe mir den Elektriker ausgesucht, strecke meine Hand aus und streiche ihm zart über die Wange. Die anderen beiden starren herüber. Er errötet. Es wird kurz still, dann wird auf der anderen Seite des Tisches hektisch weiter konversiert. Ich schaue dem elektrischen Mann direkt in die Augen, und er hat keine Probleme, meinen Blick zu erwidern. Heiß. Aber vielleicht hat er es ebenso eilig wie ich. Speed-Dating ist nichts für Romantiker. Ich zwinkere ihm zu. Er schenkt mir ein schiefes Grinsen. Die anderen tun so, als würden sie nichts bemerken. Selbst haben sie keine Unze Chemie, und ihre ziellose Aufmerksamkeit sickert langsam aber sicher zu uns herüber. Ich erhebe mich und flüstere etwas in das elektrische Ohr. Er wird wieder rot und räuspert sich verlegen, während ich zur Toilette gehe. In mir spitzt ein kleines Pferd die aufmerksamen Ohren und spannt die Muskeln an. Es ist bereit zur Flucht, falls das nötig sein sollte. Aber es hat keine Angst. Nie Angst.

Kurz darauf klopft er an die Tür, fünfmal. Ich sitze auf dem Toilettensitz, nur in meinen BH und ein großes Lächeln gekleidet, und strecke meine Hand nach ihm aus. Sekunden später habe ich ihn verschlungen. Seine Hände sind überall auf meinem sonnengebräunten Körper und in meinen Haaren. Ich dirigiere seine Hand zwischen meine Beine. Die kann ein paar Tricks, sodass ich direkt ein wenig außer Atem gerate. Beinahe verliere ich das Gleichgewicht vor lauter Überraschung. Positiver Überraschung. Eine Mischung aus Kälte und Hitze macht sich in mir breit. Als er kurz davor ist, zu kommen, stehe ich auf und drehe ihm meinen Hintern zu, während ich mich mit den Händen auf dem Klodeckel abstütze. Er stößt zu. Bis zum Anschlag. Fast komm ich bis ganz nach oben, bis zu den Sternen, aber eben nur fast. Er kommt, und wir küssen uns innig und heiß, ehe er das Biest wieder in seinen Käfig sperrt.

„Du schuldest mir eine Revanche“, flüstere ich, und er nickt voller Eifer: „Jederzeit!“

Das Pferd steht still, schnaubt, der Staub legt sich.

Der Hauptgang wird im Copenhagen Corner eingenommen, direkt am Tivoli. Schon eine etwas edlere Adresse. Die fünf anderen Teilnehmer - ach, die Frauen hab ich vergessen, aber die eine hat eindeutig noch nie was von Botox gehört. Die Männer sind allesamt sportlich, einer davon ein wenig älter als er es gern wäre, das wahrscheinlich schütter werdende Haupthaar wurde vorsorglich abrasiert, das Hemd trägt er jugendlich rebellisch über der Hose. Der zweite ist ein robust aussehender Klempner mit knarrenden Muskeln unter der eng anliegenden Jacke. Der dritte ist Lehrer, und so sieht er auch aus. Hier krieg ich Konkurrenz, denn die anderen beiden Damen sind auch scharf auf Handwerkersex. Sie umzingeln den Klempner und gurren und gackern, bis er ganz verwirrt ist - bis ich meine Hand ausstrecke und seine Wange streichle. Überrumpelt sieht er mich an, aber sein Blick ist wach, und seine Lippen spitzen sich zu einem Luftkuss. Wenn Blicke töten könnten, hätten die anderen beiden Frauen uns erlegt - und mich kurzerhand gevierteilt. Ich stehe auf und flüstere ihm etwas ins Ohr, sodass er sich mit einem Ruck zu mir umdreht. Das halb gegessene Steak ist vergessen.

“Jetzt…?”, formen seine Lippen stumm. Ich nicke und rausche Richtung Toilette an ihm vorbei, sodass das wirbelnde Kleid ihn in eine verführerische Dolce&Gabbana-Wolke hüllt.

 

Feine Toiletten in feinen Restaurants können problematisch sein. Feine Damen stehen vor der Spiegelwand gegenüber der Kabinen und machen sich noch feiner als sie ohnehin schon sind. Die Kabine ist besetzt. Gibt es noch andere Möglichkeiten, vielleicht außerhalb der Toilette? Direkt nebenan gibt es einen kleinen Raum mit nur wenigen Tischen und Stühlen, die zusammengeklappt an der Wand lehnen. Bestimmt für kleine private Gesellschaften. Als mein Klempner auftaucht und durch die wartenden Frauen kurz verunsichert wird, stehe ich schon bereit und nehme ihn vertrauensvoll bei der Hand. Mit übertriebenen Bewegungen wie zwei Einbrecher schleichen wir uns in den kleinen Raum und sehen uns um. Wir haben freie Bahn, es gibt nur den einen Eingang. Ich schließe die Tür hinter uns und lächle ihm entgegen. Meine Handtasche lasse ich auf einen Stuhl fallen.

„Ich fürchte, ich schmecke ein wenig nach Steak…“, murmelt er entschuldigend, als ich ihm einen dicken, feuchten Kuss gebe.

„Das ist mein Lieblingsgeschmack“, seufze ich und bin dabei schon mit den Knöpfen seines Hemds beschäftigt. Meine Finger gleiten unter den Stoff, ertasten seinen behaarten Rücken. Er ist sofort geil, aber als er bemerkt, dass ich kein Höschen anhabe, explodiert er förmlich vor Lust. Er weiß, was er will, und nickt fragend in Richtung der Tische an der Wand. Zwei runde Designerstücke aus Mahagoni. Er umfasst einen davon mit seinen großen Händen und stellt ihn mitten in den Raum, als wäre das gar nichts. Ich lache begeistert auf, als er als Nächstes mich mit noch größerer Leichtigkeit vom Boden pflückt. Wie schön, schwerelos in der Luft zu schweben, wie schön, aus den Schuhen zu gleiten und sie aus der Höhe auf den Boden fallen zu lassen, sodass sie laut klackern. Schön zu spüren, wie mir das Kleid über den Kopf gezogen wird. Dann richtet er sich auf und löst den Schlips, wirft die Jacke über einen Stuhl und öffnet auch die letzten Hemdknöpfe. Und natürlich die Hose. Ich löse den Frontverschluss meines BHs und mache es mir auf der kühlen Tischplatte bequem, einen Finger schon ungeduldig in der Muschi. Es ist ein wenig unfair, dass er noch seine Hose anhat, während ich hier mit nacktem Hintern rumliege, aber ich verstehe es: Wir können nicht ahnen, ob gleich jemand hereinkommt, und wie sieht das denn aus? Das kann schließlich Folgen haben. Er knetet meine Brüste und stöhnt: „Oh mann, du bist so geil, du bist so…“, und küsst das Muttermal auf meinem Bauch.

„Wie bin ich denn?“, frage ich neckend, und stecke ihm meinen feuchten Finger in den Mund. Ich ziehe ihn zu mir herab, als sei er ein Fisch und mein Finger der Haken, während meine andere Hand nach ihm sucht - und ihn findet. Mein Mund wird ganz trocken, wie er mich da auf dem Tisch vor und zurück wiegt, meine Füße auf seinen Schultern, sanft schnaubend, bis das Schnauben plötzlich zu einem lauten Stöhnen wird. Seine Klempneraugen werden ganz rot, kurz fürchte ich, er könnte einen Herzanfall kriegen - aber nein, es ist nur ein Handwerkerorgasmus.

„Oh, das tut mir leid, echt, sorry, ich konnte es nicht mehr zurückhalten...“

„Mach dir keine Sorgen, ist doch schön!“, flüstere ich ihm ins Ohr, als er über mir zusammensackt, sodass der Tisch einige Zentimeter über den Boden schlittert. Ich streiche mit der Hand über sein zerzaustes Haar und küsse seine Stirn. Das Pferd schabt ungeduldig mit den Hufen im Staub, es braucht jetzt eine feste Hand und kurze Zügel, damit es nicht davongaloppiert. Mit einem nervösen Blick über die Schulter richtet er sich auf, sucht seine Klamotten zusammen und reicht mir mein Kleid.

„War’s das?“, frage ich mit einem Zwinkern und fahre mit einem kitzelnden Finger durch das dunkel gekräuselte Haar auf seiner Brust.

„Äh…“

„Ich glaube nicht!“, flüstere ich und greife nach ihm. Mein Hals ist staubtrocken.

„Du verrückte Nudel!“, entfährt es ihm. Er wirkt sowohl erschrocken als auch begeistert.

„Ja, das kann sein…“, wispere ich, während meine Finger mit ihm spielen. Da gibt es genug zum Spielen. Er macht mit, und vergisst die Klamotten. Das Pferd in mir schnaubt und tänzelt und steigt vor Ungeduld auf die Hinterbeine. Es will rennen.

„Scheiß aufs Steak“, murmelt er.

„Ja, scheiß aufs Steak. Du hast hier ein ganzes Buffet vor dir. Und du schuldest mir noch eine Revanche.“

„Ha ha. Bist du immer so direkt?“

Er will reden. Das kann er sich sparen. Ich will frei sein, galoppieren, und dann weiter zum Dessert. Mit einem tiefen, langen Blick in das frisch rasierte Gesicht nicke ich, und atme den Duft seines Aftershaves ein. Er ist schon heiß, seine Armmuskeln vibrieren unter meiner Berührung. Wir küssen uns innig, lassen unsere Zungen auf Abenteuer gehen, ich gleite seinen Hals herab. Er lutscht an meinen Brüsten, sodass in mir ein Feuer entfacht, und der Tisch unter mir feucht wird. Der Schreck meldet sich wieder, die Überraschung, die Erregung, der Schreck über mich selbst, dass ich das wirklich gerade mache. Jede Sekunde kann jemand hereinkommen. Der Handwerker könnte ein Psycho-Killer sein. Er könnte mich mit irgendwas anstecken. Innerlich bin ich eiskalt, und doch brennt da dieses Feuer. Höchstens eine Stunde. Mehr nicht. Dann muss ich weiter, zum nächsten Gang. Etwas noch Süßeres finden. Ups, sein Schwanz steckt plötzlich bis zum Anschlag. Er hält mich fest, ohne sich zu rühren, und sucht meinen Blick.

„Machst du sowas oft?“

„Was? Sex auf Tischen?“

Ich lege meine Hand ganz sanft um seine Eier und streichle das empfindliche Fleisch, sodass er tief einatmen muss. Wenn jetzt jemand hereinkommt, ist das erste, was man sieht, sein nackter Hintern und ein paar behaarter Oberschenkel. Und dann bin da noch ich, den BH um den Hals. Auch nicht sonderlich elegant, aber doch besser, auf jeden Fall lustiger, als vorher. Ah, jetzt lutscht er wieder an meinen Brüsten, er saugt sie auf, als wolle er sie verschlingen, erst die eine, dann die andere. Ob sie das überleben? Ob ich das überlebe? Ich zweifle… Ich lebe, überlebe, lebe und sterbe ein kleines Bisschen. Vor Schreck, und vor Genuss, die perfekte Mischung. Das Pferd setzt in Galopp, und dann geht alles ganz schnell. Es durchzuckt mich. Einmal, zweimal, dreimal. Erst klitzekleine Mäusetrippelchen, dann schon größere Schritte, zuletzt ein paar lange Sprünge. 1000 PS! WOW!

 

„Haaah!“

Er liegt über mir, schlapp und leer, aber findet auf dem runden Tisch nicht genug Stützkraft und richtet sich auf. Etwas nasses, klebriges läuft zwischen meinen Beinen hervor. Plötzlich klingen von draußen laute Stimmen herein. Wir springen auseinander und ziehen uns hektisch an. Beziehungsweise, er zieht sich hektisch an. Ich bleibe zuerst ein wenig liegen, ehe ich über die Tischkante gleite und festen Boden unter den Füßen finde. Er streicht mit großen Händen sein Hemd glatt.

„Du siehst gut aus!“, sage ich mit einem anerkennenden Blick, und meine es ernst.

„Findest du?“, kommt die Antwort, verletzlich und warm.

„Ja!“, erwidere ich, denn ich habe ja nichts zu verlieren. Gleich bin ich weg, auf dem Weg zum Nächsten. Ich ziehe eine Serviette aus der Tasche, trockne mich hier und da notdürftig ab, schließe den BH, greife nach meinem Kleid. Er ist jetzt sichtlich nervös. Die Stimmen werden lauter.

„Geh du ruhig, ich komm nach!“, flüstere ich vertrauensvoll. Er zögert kurz, die Hand schon auf dem Türgriff. Ich nicke ermutigend. Die Stimmen kommen näher. Er schwitzt. Ich mache mich fertig und gehe doch mit raus. Wir sehen wohl etwas zerknittert aus, aber im Großen und Ganzen sind wir zwei gut und gepflegt aussehende Menschen, die da auf ehrbare Weise aus dem Zimmer kommen.

Ich lasse ihn zu den Anderen zurückgehen, und sehe mich um. Ein Kellner schaut uns überrascht an. Aber das übrige Personal ist zu beschäftigt, um etwas zu bemerken, es ist Freitag. Ich schlüpfe durch die Tür zur Toilette, und versuche, so viel Sperma wie möglich wegzuwischen, während ich meine Handtasche öffne. Eine klitzekleine Line wird beim nächsten Galopp wahre Wunder wirken. Nicht viel, nicht für jedes Nasenloch, nur eine einzige Line. Opas Kreditkarte zerhackt und formt das Pulver auf dem Rand des Waschbeckens. Vielleicht hätte ich mit dem Handwerker teilen sollen, denke ich kurz, dann wäre das ganze vielleicht noch geiler gewesen, aber egal, zu spät, und dann surrt es im Schädel, als ich scharf die Nase hochziehe. Das Licht blitzt heller, die Geräusche klingen lauter. Jemand furzt in der Kabine neben mir, jemand wäscht sich die Hände. Das ist genug für mich, mehr brauche ich nicht. Ich bin nicht abhängig. Nur hungrig nach Leben. Opa und ich, wir wissen, wie man lebt.

Wenige Minuten später stehe ich in der Schlange vorm Eingang des Tivoli. Meine Laune ist trotz des langen Anstehens blendend. Es wird eine Weile dauern, bis ich drinnen bin. Ob die Anderen wohl schon da sind? Vielleicht stehe ich schon neben meiner nächsten Eroberung, ohne es zu wissen? Die Touristen warten brav, bewundern die Dekorationen und studieren das alte Holzschild mit den Ticketpreisen.

„So schnell sieht man sich wieder!“

Es ist der Elektriker von der Vorspeise. Er steht schon näher am Ticketschalter, aber er gibt seinen guten Platz auf und kommt zu mir nach hinten. Er umarmt mich.

„Ach was, du hier!“, rufe ich. „Wie schön, dich zu sehen!“

Ich gebe ihm einen Begrüßungskuss, den er so schnell nicht vergessen wird. Er schnappt nach Luft und betrachtet mich im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Wie gut, dass ich mich eben noch schnell frischgemacht habe. Auf der feinen Toilette.

„Divan 2?“, frage ich und drücke ihm einen Finger auf die Brust.

„Ganz genau!“, erwidert er. Wir lachen, wie zwei Kumpanen. Dann nimmt er meine Hand, und ich lasse ihn. Drücke ihn nochmal an mich. Schnell verschaffen wir uns einen Überblick über die endlose Schlange. Dann zieht er mit der freien Hand sein Handy aus der Tasche. Drückt mit dem Daumen auf die Tasten und kriegt Verbindung.

„Ja - ist da das Pantomimen-Theater? Hier ist der Elektriker. Ich habe vorhin mein Werkzeug bei euch abgelegt und gesagt, dass ich versuchen würde, abends nochmal wiederzukommen, und jetzt bin ich hier, auf dem Weg ins Divan 2. Ich könnte mich jetzt noch schnell um den kaputten Scheinwerfer kümmern, ja, vor der nächsten Vorstellung. Aber die Schlange ist sehr lang.“, sagt er, sehr überzeugend, ohne mich anzusehen.

Für einige Sekunden bin ich fassungslos. Das hier ist besser als alles, was ich zu hoffen gewagt hatte. Mein Elektriker ist kein Nobody. Der hat Hintereingänge und Installationen. Der hat Köpfchen.

Ich gebe ihm einen dicken Kuss. „Du bist so heiß!“

„Hmm“, lacht er und errötet. Ein herrlicher Duft von Rotwein und Aftershave umschwebt ihn. Er zieht mich mit sich zum Ticketkontrolleur am Eingang. Hält nach jemandem Ausschau. Ein Mann in Park-Uniform eilt heran, bedankt sich für den tollen Einsatz, und das nach Feierabend! Der Ticketkontrolleur nickt zustimmend und mein Elektriker sagt, wir wollten ja eigentlich essen gehen, aber er wolle sich das doch nochmal anschauen. Wo das Werkzeug doch schon da sei.

Man führt uns zu einem kleinen Hintereingang, einer romantisch aussehenden Holztür, hinter der sich eine schwere Sicherheitstür aus Metall verbirgt. Der Wachmann hört gar nicht mehr auf, sich zu bedanken, und ich fühle mich wie ein Stück Dekoration, als wir uns durch den dunklen Korridor unter der Theaterbühne drücken. Vorbei an winzigen Garderobenräumen, wo sich die Tänzer gerade umziehen und sich und einander schminken. Die gepuderte Perücke des Kasanders fällt von ihrem Stativ herunter, Pierrot drückt sich geschmeidig an zwei zwitschernd lachenden Tänzerinnen vorbei und der Harlekin hat bislang nur die Hose angezogen, was für ein Oberkörper, den muss ich unbedingt nochmal besuchen kommen, bevor hier heute Nacht die Lichter ausgehen. Dunkles, altes Holz, der Duft von Staub, Schminke und Körpern. Die Vorbereitung für die letzte Show des Abends sind in vollem Gange.

Mein Elektriker geht zielgerichtet zu einer Sicherungsbox unter einer niedrigen Decke, das muss die Bühne sein, er findet die richtige Sicherung und dreht sie raus, dann schickt er den dankbaren Wachmann auf die Bühne, damit er ihm ein Signal geben kann, wenn der Scheinwerfer wieder geht. Er greift nach einer Taschenlampe und drückt sie mir in die Hand: „Hier, halt mal, hier sieht man ja sonst gar nix!“

Er nimmt sein Werkzeug und zieht damit behände eine Leitung aus dem Panel hervor. Es ist warm und stickig unter der Bühne, er zieht sich mit einer Hand geistesabwesend die Jacke aus. Seine Muskeln unter dem Hemd sind fast so beeindruckend wie die von meinem anderen Handwerker vorhin. Starr wie eine Salzsäule stehe ich hinter ihm und halte ihm den Lichtstrahl der Taschenlampe auf die Hände. Ich bewundere seine Fingerfertigkeit, wie er den winzigen Schraubendreher in den großen Händen hin und her jongliert und die Leitungen sortiert, während ihm der Schweiß auf der elektrischen Stirn steht.

„JA!“, ertönt eine Stimme von der Bühne, gefolgt von hastigen, sich nähernden Schritten auf der Treppe. „Jetzt ist wieder Licht, wo Licht sein soll! Ach, fantastisch, jetzt muss der Harlekin die Columbine nicht ganz bis rechts tragen, das macht doch einiges leichter! Tausend Dank, du bist unser Retter - wie war nochmal der Name?“

Ich will mir die Ohren zuhalten, aber ich schaffe es nicht, ehe mein Handwerker die Hand des Wachmannes ergreift, und sie herzlich schüttelt, während wir alle drei schwitzen wie Rennpferde, und die Tänzer um uns herum summen und zwitschern wie Paradiesvögel.

„Rasmus“, sagt der Elektriker. „Ach, das war doch kein Ding. Wo ich doch sowieso da bin.“

Sie verfallen in höflichen Small-Talk, also begebe ich mich auf die Suche nach dem Harlekin, aber seine Garderobe ist inzwischen leer. Daneben finde ich eine geschlossene Tür. Ich kann nicht widerstehen. Mein ganzes Leben besteht aus geschlossenen Türen, die nur darauf warten, geöffnet zu werden. Das alte Holz knarrt, als die Tür aufschwingt. Eine leere, unbenutzte Theatergarderobe, so alt wie das Theater selbst. Ein winziger Raum mit Spiegel und Schminktisch und dekorativ-schmalem Diwan in verblassten Farben. Der Staub dringt in meine Nase, in meinen Hals, ich muss nach Luft schnappen. Dann steht mein Elektriker plötzlich hinter mir, die Jacke wieder über dem Hemd, und räuspert sich: „Na, wir müssen dann wohl auch mal, oder? Das Dessert wartet… Wie heißt du eigentlich?“

Mit einer dramatischen Bewegung wirble ich zu ihm herum und küsse ihn tief und innerlich und unvergesslich, während ich ihn langsam in Richtung des Diwans dirigiere. Er sträubt sich zuerst, es ist so alt, stickig und staubig wie der Dachboden einer alten Gruselvilla, nicht sonderlich sexy - aber das kann es ja noch werden. Wir stolpern hinein in den kleinen Raum, der nicht viel größer als ein geräumiger Schrank ist, und ich reiße ihm schon die Kleidung herunter, während ich im Geheimen hoffe, dass es hier irgendwo eine Dusche gibt, damit wir uns hinterher den Staub herunterwaschen können. Ist doch ein Theater. Mit Garderoben. Und wo Garderoben sind, muss es auch eine Dusche geben.

 

Etwas später erwachen wir. Er liegt auf dem knarzigen Holzfußboden zwischen Schminktisch und Diwan und schnarcht leise, mit offenem Mund. Er trägt noch immer sein inzwischen völlig verschwitztes Hemd, und seine Socken. Ich habe nur meinen Nagellack an. Unsere Kleidung liegt auf dem Boden verstreut. Unförmige Haufen, wie tote Vögel. Ich starre ihn an und greife nach meinem Kleid. Über uns ertönt ein Brausen und Summen vom Rasen vor der Bühne:

„PIERROT, PIERROT,

KOMM SCHON RAUS!

DENN SONST GEH’N WIR NICHT NACH HAUS!“

Wie kann man auf Speed schlafen? Hat mir jemand was ins Getränk gemischt, das ich nicht getrunken habe? Das bin eigentlich gar nicht ich, so mitten in der Vorstellung einzuschlafen.

Auf der anderen Seite der dünnen Holzwand ziehen sich die Schauspieler und Bühnenarbeiter um. Fröhlich wird durcheinandergerufen: „Das war doch gar nicht schlecht!“ – „Dein Kleid sitzt so gut!“ – „Morgen probiere ich es mit der anderen Perücke!“ – „Wer hat meinen Föhn?“

Ein Föhn. Dann muss es eine Dusche geben.

Wir müssen warten. So können wir uns nicht zeigen, so bedeckt von Schweiß und Staub.

Ich versuche, ihn sanft zu wecken, indem ich ihm mit einem Finger über die verschwitzte Wange streiche. Langsam kommt er zu sich, seufzt und schmatzt. Hustet. Unter der Bühne wird es nun leiser. Die letzte Person, die geht, scheint das Licht auszumachen, denn wir hören ein Klicken, die Tür, dann Stille.

„Mist, wie kommen wir denn jetzt hier raus?“, hustet er.

„Also erstmal brauchen wir sowieso eine Dusche!“, sage ich bestimmt, und er nickt zustimmend. Diese Attraktion scheint ihn in keinster Weise zu stören. Wie oft sieht man schon das Pantomimen-Theater von innen? Und zudem ganz umsonst?

Wir bleiben einen Augenblick lang liegen und lauschen in die Dunkelheit hinein.

Nichts. Immer noch alles still.

Vorsichtig suchen wir unsere Klamotten zusammen und öffnen die Tür einen Spalt breit. Dunkelheit.

„Wir brauchen Licht!“

„Ja, okay. Moment!“, und er tastet sich vor, bis er die Sicherungsbox am Ende des Flurs mit den Garderoben gefunden hat, wo er beinahe über seinen eigenen Werkzeugkoffer stolpert. Dann erleuchtet seine Taschenlampe die historischen Räume. Der Lichtstrahl gleitet über Theaterplakate, alte Zeitungsausschnitte in Rahmen, einen staubigen Schnurrbart, der mit Reißzwecken unter dem Bühnenboden befestigt ist, eine vergilbte Schleife neben ebenso alten Fotos, schwarzweiß und in verblasster Farbe. Hinter uns erkenne ich die Stufen, die zur Bühne führen.

„Komm, lass uns mal schauen“, murmle ich, nehme ihm die Taschenlampe aus der Hand und richte sie auf die abgenutzten Stufen. Wie oft habe ich mit Opa zusammen draußen auf dem Rasen, vor dem Pfauenrad, gesessen und die eleganten Ballett-Tänzer bewundert. Der Gedanke, so nah an der Bühne zu stehen, wo sie in lauen Sommernächten die Dunkelheit wegtanzen, berührt mich auf seltsame Weise.

„Hey, warte mal, wo willst du hin? Was mit der Dusche? Wasser? Ich bin echt durstig!“

„Guck mal!“, flüstere ich. Der Lichtstrahl gleitet nun über die Kulisse einer Straße im alten Kopenhagen. “Guck, hier passiert es! Hier tanzen und spielen sie für die ganze Welt. Komm!“

Ich strecke eine Hand nach ihm aus, ziehe ihn mit auf die Bühne. Vorsichtig schleichen wir uns näher an die alten, handgemalten Kulissen und Theatermöbel heran. Über einem Stuhl hängt ein Halstuch. Mit zwei Fingern hebe ich es auf und lasse es vor uns auf den Boden fallen. Mit dem großen Zeh verteile ich es auf dem Boden.

„Was machst du denn? Lass uns abhauen!“

„Willst du nicht wissen, wie es ist, es hier zu tun?“, frage ich und drücke mich an ihn.

„Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!“

„Nee, wofür braucht man die auch?“

Unsere feuchten, staubigen Körper drücken sich aneinander. Er ist angefixt. Er ist nicht nur irritiert, er ist auch neugierig. Ich lasse mich auf das Tuch am Boden fallen, und ziehe ihn mit mir in die Tiefe. In diesem großen, leeren, endlosen Raum. Er hat recht, der Durst beginnt sich zu melden. Aber zuerst müssen wir die alte Bühne ausprobieren. Das Pferd braucht Auslauf, will müde geritten werden. Ich spüre die uralten Holzbretter unter den Schulterblättern, während er mich sanft und langsam und innig liebt, wie man das vielleicht damals gemacht hat, als das Theater noch ganz neu war. Schnell finden wir einen gemeinsamen Rhythmus: Müde und satt und sanft. Dann beginnt sein Körper zu summen und zu brummen, so fühlt es sich zumindest an, und ich muss leise lachen, während mein Pferd in einen Galopp verfällt, immer schneller wird, bis wir beide ganz oben ankommen, ganz oben unter den Sternen. Und dann ertönt direkt neben uns ein lautes Knarren. Der Fußboden bebt.

Der Bühnenvorhang, das große, hölzerne Pfauenrad, das die Bühne verdeckt, knarrt und klickt und lässt die Federn fallen. Dann erstarrt es, halb geöffnet. Erschrocken und blind starren wir hinaus auf den dunklen Rasen. Sollten wir ein Publikum haben? Dann gibt es auf jeden Fall was zu sehen. Aber der Park ist geschlossen. Alles ist dunkel.

„Was… was passiert hier?“, flüstere ich und drücke mich an ihn. Eine weitere riesige Feder aus Holz fällt herab.

Er rollt sich herum, auf den Rücken, und schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn:

„Ach, verdammt! Die Sicherung!“ – „Was?“

„Ich muss an die Sicherung des Pfauenrads gekommen sein, als ich den Scheinwerfer repariert habe. Bei den alten Sicherungen kann das manchmal vorkommen… und dann passiert sowas! Mist!“

Vom dunklen Rasen ertönt ein Klatschen. Zwei Hände schlagen langsam aufeinander.

Blitzschnell rollt er sich zur Treppe und stolpert hinunter. Ich folge ihm mit etwas mehr Würde, wie ich mir einbilde, in den halb zerrissenen Schal eingewickelt, der unter unserer kleinen „Vorstellung“ gelitten hat. Ein Requisit, nicht für das echte Leben gemacht.

Während er noch am Sicherungskasten zu Gange ist, mache ich mich auf die Suche nach einer Dusche. Hinter einer unscheinbar aussehenden Tür werde ich fündig. Es gibt kein Licht, aber das Wasser läuft, als ich am Hahn drehe. Es ist eiskalt. Einmal überwunden, dann läuft das Wasser in erfrischenden, großen Schlücken die Kehle hinunter. Er flucht über den Strahl, der nicht so will wie er. Ich eile auf Zehenspitzen zurück in die Garderobe, wo unsere Klamotten warten. Das Kleid ist noch ganz, staubig zwar, aber das ist egal. Mich erwartet noch ein Mitternachtssnack, ein Stück Zucker für das hungrige Pferdchen: mein guter Freund, der Barkeeper in der Bar um die Ecke. Der macht erst morgens den Laden dicht. Jetzt heißt es nur, mich zu verdünnisieren, ehe ich mir weitere elektrische Stöße zuziehe. Hinter seinem Rücken schleiche ich zur metallenen Sicherheitstür. Schlüpfe hindurch, schließe die Holztür hinter mir. Leise, leise. Schnell, schnell.

„Da Capo“ erklingt es da, hinter mir, in der Dunkelheit.

Habe ich Lust? Dann muss es wirklich gut sein. So gut, dass es sich lohnt, stehenzubleiben. So gut, dass das Pferd rennen will. Ein Pyrotechniker mit Kawumm. Ein Harlekin ohne Hose, bitte. Ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst. Aber das habe ich ja gerade hinter mir. Vielleicht lieber nicht.

Eine Hand legt sich über meine Lippen, eine heisere Stimme flüstert mir ins Ohr: „Da Capo.“

Der Wachmann. In meinem Bauch zieht sich alles zusammen.

Ich drehe mich um, blitzschnell, und pflanze ihm gezielt ein Knie zwischen die Beine. Dabei suche ich in der Handtasche nach dem Pfefferspray. Sprühe es ihm ins Gesicht und nehme die Beine in die Hand, während sein lautes Heulen hinter mir durch den leeren Park gellt. Ich erreiche den Ausgang. Zu.

Natürlich ist jetzt alles zu. Aber es muss einen Hinterausgang geben. Mit den Schuhen in der Hand renne ich zurück, an den Souvenirständen und Buden, den Attraktionen und erloschenen Laternen, an Schießständen und Restaurants vorbei, alles zu, und habe dabei die ganze Zeit das Gefühl, dass jemand hinter mir her ist. Jemand, der näher kommt, keucht und stöhnt. Jemand, der ruft:

„Warte doch mal, verdammt! Ich bin’s doch! Rasmus!“

Pompeij