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Hinweis: Dieser Band erscheint im September 2023 in überarbeiteter Form: »Kyoto entdecken. 30 Tagestouren in und um Kyoto«. Neu sind dabei die Aufteilung in Tagestouren, Karten zu diesen Tagestouren, aber auch eine Reihe von weiteren Sehenswürdigkeiten. Die alte Kaiserstadt Kyoto ist das kulturelle und spirituelle Herz Japans. Mit 1600 buddhistischen Tempeln, 400 Shinto-Schreinen, dazu Palästen und Gärten ist Kyoto so reich an Sehenswürdigkeiten wie keine andere Stadt der Welt. Dieser Band erschließt Kyoto durch Bild und Text. Kyoto war von 794 bis 1868 Sitz des japanischen Kaisers. Hier entwickelten sich die Grundlagen Japans, hier wurden der Shinto als ursprüngliche japanische Religion und die vielfältigen Schulen des japanischen Buddhismus geformt, hier entstanden Ikebana und Teezeremonie, Zen-Meditation, Steingärten und vieles andere mehr. Auf die benachbarten Orte Nara, Uji und Otsu wird ebenfalls eingegangen. In Kyoto gibt es siebzehn Weltkulturerbestätten der UNESCO, in Nara noch einmal sieben weitere. Dieser Band ist kein Reiseführer im üblichen Sinn, Hotelempfehlungen und Hinweise zu Verkehrsmitteln sind darin nicht zu finden. Wohl aber bietet der Band Hintergrundinformationen, wie sie sonst von keinem Reiseführer zu Japan eingebracht werden. Das Buch ist eine verständliche und dennoch fachlich differenzierte Einführung in diese Stadt. Ein klares Layout ermöglicht eine gute Lesbarkeit. Ein großer Bildanteil (233 Farbbilder und 243 s/w-Bilder) mit bis auf wenige Ausnahmen noch unveröffentlichten Bildern des Autors illustrieren die einzelnen Sehenswürdigkeiten. Extra-Seiten mit speziellen Themen ergänzen dies: japanischer Buddhismus, Shinto, Ikebana, Teezeremonie ... Der Band ist eine Brücke zum Verständnis Japans und seiner langen Geschichte, Kultur und Religion. Für Japanreisende und für diejenigen, die an Ostasien, Japan, Buddhismus und Shinto interessiert sind, ist dieses Buch eine wichtige Hilfe: Kyoto - das Herz Japans
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Seitenzahl: 146
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Einführung
Japan – Land der aufgehenden Sonne
Kyoto – Residenz der Kaiser und Götter
Kyoto – Stadt der Tempel, Schreine, Gärten
Kyoto – das Herz Japans
Im Umkreis von Kyoto – Nara, Uji, Otsu
Kyoto – Paläste
Kaiserpalast – Kyoto Gosho
Burg und Schloss Nijo – Residenz der Shogune
Kaiserliche Villa Katsura
Kaiserliche Villa Shugakuin
Kyoto – Tempel
EXTRA: Japanischer Buddhismus – ein Überblick
To-ji – der Osttempel
Higashi- und Nishi-Hongan-ji – Zentren des Jodo-Shinshu
EXTRA: Buddhas, Bodhisattvas, Myoos, Götter
Rokkaku-do – Tendai, Jodo-Shinshu und Saigoku
EXTRA: Kado (Ikebana), Chado, Shodo
Ninna-ji – Shingon-shu und Kobo Daishi
Omuro-88-Tempel-Pilgerweg – Pilgern wie auf Shikoku
Ryoan-ji – Zen in Reinform
Tofuku-ji – Zen-Gärten im Südosten
Sennyu-ji – Esoterischer Buddhismus
Imakumano-Kannon-ji – der Bodhisattva Kannon
EXTRA: Der Bodhisattva Kannon
Ginkaku-ji – der Silberne Pavillon
Honen-in, Anraku-ji, Reikan-ji – verträumte Tempel
Eikan-do – der Buddha, der zurückblickt
Nanzen-ji – Tempeldorf des Zen-Buddhismus
Enryaku-ji – Hiei, der Heilige Berg
Jojakko-ji und Nison-in – Bergtempel in Arashiyama
Tenryu-ji – der himmlische Drache
EXTRA: Der Bodhisattva Jizo
Sanjusangen-do – 1001-mal Kannon
Rokuharamitsu-ji – elfköpfiger Kannon
Kennin-ji – Eisai und der erste Zen-Tempel
Shoren-in – der Palast wird zum Tempel
Kiyomizu-dera – Tempel der drei Quellen
Shokuku-ji – Meditation und Kunstschätze
Chion-ji – eine Million Mal Nembutsu
Kurodani – Verehrung des Amida
Kodai-ji – Tempel der Witwe Nene
Yasaka-no-to – älteste Pagode in Kyoto
Yasaka Koshin-do – drei weise Affen und Stoffbälle
Daitoku-ji – ein Klosterdorf
Kurama-dera und Yuki-Schrein – synkretistischer Tempelberg
Kinkaku-ji – der Goldene Pavillon
EXTRA: Goshuin – Segen empfangen
Kyoto – Schreine
EXTRA: Shinto – ein Überblick
Kibune-Schrein – drei Schreine für die Wasser-Kamis
Fushimi Inari-Taisha – 10 000 Torii
Schreine im Kaiserpalast – Shirakumo und Munakata
EXTRA: Ema – Votivtäfelchen
Shimogoryo – Trageschreine für die Kami
Otoyo-Schrein – Mäuse als Boten und Wächter
Kumano-Nyakuoji-Schrein – Yatagarasu, der dreibeinige Rabe
Okono-in – Schrein am Wasserfall
Nonomiya-Schrein – die Sonnengöttin Amaterasu
Heian-Schrein – 1100 Jahre Kyoto
Toyokumi-Schrein – Erinnerung an Toyotomi Hideyoshi
Yasuikonpira-gu – der Zettelberg der en-musubi
Yasaka-Schrein – Zentrum von Gion
Awata-Schrein – Familienschrein des Awata-Clans
Yoshida-Schrein – Ordination der Shinto-Priester
Shimogamo-Schrein – der mythische Kaiser Jimmu
Kamigamo-Schrein – Schwester des Shimogamo
Aoi Matsuri – Prozession zum Stockrosenfest
Kyoto – Gärten
Shosei-en – eine Oase in der Großstadt
Toji-in – Garten in Zen-Tradition
Chishaku-in – der Meisho-Garten
Nanzen-ji – Subtempel Nanzen-in und Tenjuan
Bambuswald – Highlight in Arashiyama
Tenryu-ji und Hogon-in – buddhistische Wandelgärten
Heian-Schrein – Shin-en, der Göttergarten
Chion-in – Yuzen-en und Hojo-en
Mimuroto-ji (Uji) – 20 000 Azaleen
Daitoku-ji – viele Klöster und viele Gärten
Botanischer Garten Kyoto – westlicher Gartenstil
Außerhalb von Kyoto
Todai-ji (Nara) – der große Buddha
Kasuga-Taisha (Nara) – der Kami auf dem Hirsch
Kofuku-ji (Nara) – alles nur Bewusstsein
Horyu-ji (Nara) – Tempel der Lehre Buddhas
Byodo-in (Uji) – die Phönixhalle
Uji- und Ujigami-Schrein (Uji) – Schutzschreine am Berg
Mimuroto-ji (Uji) – Kannon hilft
Mampuku-ji (Uji) – Zentrum des Obaku-Zen
Ishiyama-dera (Otsu) – der Felsberg-Tempel
Hiyoshi-Taisha (Otsu) – Mutter der 3800 Hiyoshi-Schreine
Saikyo-ji (Otsu) – Zentrum des Tendai-shu
Omi-jingu (Otsu) – 2600 Jahre Japan
Mii-dera (Otsu) – der Drei-Quellen-Tempel
Kyoto – das Herz Japans
Register Sehenswürdigkeiten, Personen, Stichworte
Bildnachweis
»Eine Reise nach Japan ist wie eine Reise zu einem anderen Planeten«, so lautet ein Spruch und er erscheint mehr als zutreffend. Denn in Japan ist nahezu jeder zuerst einmal Analphabet; nicht nur die chinesischen Schriftzeichen und die beiden Silbenschriften sind eine Barriere, sondern auch die geringen Sprachkenntnisse der Japaner. Auf den ersten Blick erscheint Japan unzugänglich und fremd: die Blumensteckkunst Ikebana und das Sumo-Ringen adipöser Männer, Steingärten und die Teezeremonie, extrem heiße Onsen-Bäder und roher Fisch, eine völlig andere Wohnkultur und eine Fülle traditioneller Verhaltensregeln, die für den Fremden jede Menge Fettnäpfchen bereithalten.
Doch dann bezaubert das Land: Die schon beeindruckende Natur von tropischen Stränden im Süden bis hin zu alpinen Bergen in der Mitte und im Norden wird ergänzt durch eine großartige Gartenwelt, die einen ob der Vielfalt und der Präzision ihrer Gestaltung staunen lässt: Landschaftsgärten, Wandelgärten, Wassergärten, Steingärten ... Hinzu kommt die Fülle historischer Bauten in der japanischen Holzständerbauweise mit rot gestrichenen Säulen, die die weit geschwungenen Dächer tragen; dazwischen nicht tragende Wände aus Holz oder Reispapier. Solche Bauten wurden oft vor mehr als tausend Jahren errichtet, dann immer wieder unverändert erneuert, sodass sie die alte Geschichte Japans aufzeigen. Dies sind Paläste, buddhistische Tempel, Shinto-Schreine, traditionelle Stadtviertel und Dörfer, dazu Villen des Adels und über die Landschaft verstreute religiöse Bauten, Denkmäler für die Großen des Volkes und vieles andere mehr.
In Japan gibt es so viel zu bestaunen, dass ein Reisender immer wieder unendlich viel Neues entdecken kann. Dieses Buch eröffnet einen Einblick in das Herz Japans, die kaiserliche Stadt Kyoto mit ihren profanen und religiösen Bauten und ihren Gärten.
Zur Sakura, der japanischen Kirschblüte, wird japanweit das Hanami ge feiert, das Kirschblütenfest.
Japan schließt Asien im Osten ab, es hat deshalb nur die beiden Koreas und Russland, im Süden auch China als Nachbarn. Aus China über Korea kamen vielfältige Einflüsse: Schriftzeichen, Buddhismus, Teezeremonie und Bauweise von Tempeln und Palästen. Doch hat Japan diese Einflüsse weitergeführt zu eigenständigen Formen von Gesellschaft, Kultur und Religion.
Mit 378 000 km2 ist Japan unwesentlich größer als Deutschland (357 000 km2), aber geografisch komplexer aufgestellt: Vier Hauptinseln (Honshu mit Tokyo und Kyoto, Hokkaido, Kyushu und Shikoku) gibt es, dazu fast 7000 kleinere Inseln. Japan ist ein Bergland am Rand einer Bruchzone zwischen der nordamerikanischen, eurasischen, philippinischen und pazifischen Platte; Erdbeben gehören in Japan zum Alltag; auch der höchste und heiligste Berg Japans, der Fujiyama (3776 m), ist ein Vulkan.
Aus diesem Grund ist die Bevölkerungsdichte sehr unterschiedlich: in den Städten hoch (Tokyo mehr als 15 000 Einwohner pro km2,, Berlin 4000, Köln 2700), in den Berggebieten niedrig. Insgesamt leben in Japan etwa 126 Millionen Einwohner (Deutschland 82,5 Millionen). Der Ursprung des japanischen Volkes ist nicht geklärt; der Hauptteil kam wohl vom ostasiatischen Norden (Sibirien, Altai), Teile aber auch von der pazifischen Inselwelt im Süden. Die Geschichte Japans verliert sich im Rückblick in Mythen; von der Jomon-Periode (10 000–300 v. Chr.) ist kaum etwas bekannt, auch vom legendären ersten Kaiser Jimmu (vermutet 660–585) nicht. In der Yayoi-Periode (300 v. Chr. – 300 n. Chr.), der Kofun-Periode (300–552) und in der Asuka-Zeit (552–710) entwickelt sich eine staatliche Ordnung mit Kaiserhaus und Adel, dazu der Shinto (vgl. Seite →). Auch kommt der Buddhismus ins Land. Die Nara-Zeit (710–794) ist ein erster kultureller Höhepunkt (vgl. Seite →ff.), gefolgt von der Heian-Periode mit Kyoto (alter Name Heian-kyo) von 794–1185. Kyoto bleibt auch danach Hauptstadt, aber die politische Macht wechselt zwischen Kaiser, Shogun (Militärregent) und Adel in den Perioden Kamakura (1192–1333), Muromachi (1333–1573), Sengoku (1477–1568), Momoyama (1568–1600). Ab 1603 wechselt der Shogun (vgl. Seite →) nach Edo, dem heutigen Tokyo. 1868 wird das Shogunat durch die Meiji-Reform beendet, auch der Kaiser residiert nun in Tokyo. Kyoto aber bleibt vor allem wegen seiner Tempel und Schreine das spirituelle Zentrum Japans.
Frauen in traditioneller Tracht im Kennin-ji
Die Metropolregion Tokyo-Yokohama mit ca. 37,5 Millionen Einwohnern ist das politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes, seit 1868 auch Sitz des Kaisers; doch Kyoto war immer das spirituelle Herz Japans und wird es auch bleiben. Dabei sind die beiden Städte von völlig verschiedenem Charakter: Die dicht gedrängten Hochhausschluchten von Tokyo stehen gegen die nur mit zweigeschossigen Holzhäusern bebauten traditionellen Stadtviertel Kyotos – Steinwüste gegen Park- und Gartenlandschaft, Ökonomie gegen Kultur und Religion, Hektik gegen Verlangsamung, Moderne gegen Tradition, auch Verwestlichung gegen ursprünglich japanisches Leben. Natürlich hat auch Tokyo einige Tempel und Schreine, kulturelle Schätze besonders in den herausragenden Museen, aber in Kyoto lebt die Welt des Buddhismus und des Shinto in einem geradezu überbordenden Reichtum von Anlagen, Gebäuden und liebevoll gestalteten Arealen. Tokyo mag der Kopf Japans sein, Kyoto war und ist sein Herz.
Blick auf Kyoto von Osten aus (Kiyomizu-dera), links neben dem Kyoto Tower ist das gewaltige Gebäude des modernen Bahnhofs Kyoto
Kyoto hat eine Fläche von 828 km2, davon liegen ca. 20 x 10 km im flachen Gebiet, das von den westlichen, nördlichen und östlichen Bergen eingefasst, nach Süden in Richtung des 40 km entfernten Osaka aber offen ist – dies ist das eigentliche Zentrum. In Kyoto leben etwa 1,46 Millionen Menschen, das macht eine Bevölkerungsdichte von etwa 1760 Einwohnern pro km2 aus. Daran zeigt sich, dass Kyoto nicht mit den wuchernden Metropolen Asiens vergleichbar ist. Wegen der siebzehn Weltkulturerbestätten darf nur in wenigen Straßenzügen in Bahnhofsnähe höher gebaut werden. Vor allem in den Vierteln, die zu den Ostbergen (Higashiyama) aufsteigen wie Gion, finden sich schmale Gassen mit niedrigen Holzhäusern – das alte Japan wird gepflegt. Durch die großen Parks und Gärten der Tempel und Schreine, aber auch durch den Park des Kaiserpalastes und andere öffentliche Freiflächen ist Kyoto eine überaus grüne und angenehme Stadt – dies selbst in der schwülen Wärme des Sommers. Die Berge rund um Kyoto ragen bis auf eine Höhe von 848 m (Berg Hiei) auf. Der Kamo-Fluss durchfließt die Stadt im Osten, im Westen begrenzt der Katsura-Fluss das zentrale Siedlungsgebiet. Dazwischen befindet sich – entsprechend der auf die chinesische Geomantie aufbauenden Planung des 8. Jahrhunderte – das schachbrettartige Straßensystem mit Palästen, Tempeln und Schreinen – Sitz der Kaiser und Götter.
Eingangstor zum Gojo-in, einem kleinen Tempel östlich der Mauer des Kaiserpalastes. Verehrt wird hier eine Gottheit, die vor Feuer schützt – angesichts der Holzbauweise von Palast und Tempeln eine wichtige Funktion
Kyoto ist eine Stadt der Tempel, Schreine und Gärten wie wohl keine andere Stadt der Welt. Während Kaiserpalast und Shogunpalast im Zentrum liegen, sind die buddhistischen Tempel und die Shinto-Schreine wie Perlen einer Kette an den östlichen Bergen und im Norden zu finden. Am Eingang von Schreinen sind Torii – zwei Säulen mit zwei Querbalken, der obere geschwungen, naturfarben oder in einem leuchtenden Rot. Tempel dagegen haben oft riesige Eingangstore mit drei Portalen, die mehrgeschossig bis zu 30 m hoch aufragen können. Dahinter finden sich die Gebäudeensembles der heiligen Stätten, durchzogen von Natur in Form der Parks und Gärten. Natur und (religiöse) Kultur stimmen in Kyoto in einer beeindruckenden Harmonie überein – hier ist der Sitz der Buddhas und Bodhisattvas, der Kami und Götter.
An der Mauer des Kaiserpalastes liegt der kleine Nashinoki-Schrein.
Im südlichen Teil des Parks rund um den Kaiserpalast
Kyoto hat eine ganz eigene Atmosphäre. Der Bereich um den Bahnhof und einige Geschäftsstraßen (etwa Shijo-dori und Oikedori) wirkt großstädtisch mit viel Betrieb und Geschäftigkeit. Doch in den kleinen Vierteln der elf Stadtbezirke verläuft das Leben anders, ruhiger, besinnlicher, an vielen Tagen des Jahres durch Tempelfeste oder Prozessionsumzüge auch festlicher. Die niedrige Bauweise, der Blumenschmuck, für den jeder Hausbesitzer an der Straßenfront sorgt, die nach wie vor vielen kleinen Geschäfte und Restaurants mit traditionellen Speisen statt Fastfood, die immer neuen Blicke auf Tempeltore und Shinto-Torii – Kyoto kennt eine ganz eigene Kultur, die in der Tradition des alten Japans steht. Wo sonst in ganz Japan kann man noch so viele Kimonos, die farbenprächtigen Gewänder der Frauen, sehen, auch die dunkel gehaltenen Yukatas der Männer dazu, wo sonst kann man noch Geishas und Meikos (Geisha-Schülerinnen) in ihrer aufwändigen Ausstattung begegnen, wo sonst wandern Mönche mit ihren großen Hüten durch die Straßen, wo sonst ist die Dichte der religiösen Stätten sowohl der vielen buddhistischen Richtungen wie auch des Shinto so groß wie in Kyoto. Kyoto ist weithin von den Bomben des Zweiten Weltkrieges verschont geblieben, zudem erneuert man liebevoll die alten Gebäude und pflegt sorgfältig die bis ins Detail hinein überlegt gestalteten Gärten. Kein Zweifel: Kyoto ist aufgrund seines großen kulturellen und religiösen Erbes das lebendige Herz Japans.
Blick vom Omuro-88-Tempel-Pilgerweg nördlich des Ninna-ji auf ein traditionelles Stadtviertel
Blick vom Omuro-88-Tempel-Pilgerweg auf den Norden Kyotos
Honshu, die größte Insel Japans, besteht neben den nördlichen Regionen und den südlichen um Hiroshima aus zwei großen Gebieten, die für Japan kulturprägend waren: Kansai und Kanto. Kanto umfasst das Gebiet der Region Tokyo, Kansai meint das Gebiet vor allem um die Städte Kyoto, Osaka und Kobe – hier war und ist das Herz japanischer Geschichte, Kultur und Religion. Die ersten Kaiserstädte Asuka-kyo, Heijo-kyo (= Nara) und Heinan-kyo (= Kyoto) liegen in Kansai. Tokyo war in alter Zeit dagegen nur ein Fischerdorf. In Kansai entwickelte sich der Shinto zu einer mit dem Kaiserhaus verbundenen Religion; hier entstanden die unterschiedlichen Schulen des japanischen Buddhismus zudem Ikebana, Teezeremonie und vieles andere mehr. Wer über Kyoto spricht, muss deshalb über die Stadt hinaus auf ihr Umfeld blicken. Das kann in diesem Band nur auf drei Städte hin erfolgen, auf Nara, Uji und Otsu (vgl. Seite →ff.).
Kofuku-ji (Nara), Guju-no-to
Das ca. 50 km südlich von Kyoto gelegene Nara ist heute eine Stadt mit ca. 350 000 Einwohnern, die von Tourismus und Industrie leben. Zudem ist Nara – wie auch Kyoto – ein Bildungszentrum mit mehreren Universitäten. Doch blickt Nara auf eine besondere Geschichte zurück und besitzt großartige Tempel und Schreine. Kyoto hat siebzehn Weltkulturerbestätten, Nara deren sieben, unter denen der Todai-ji (vgl. Seite →), der Kasuga-Taisha (Schrein, vgl. Seite →), der Kofuku-ji (vgl. Seite →) und der Horyu-ji (vgl. Seite →) von höchster Bedeutung sind. Nara war die erste richtige Hauptstadt eines vereinten Japans (Honshu mit Ausnahme der nördlichen Gebiete, Kyushu und Shikoku – noch ohne Hokkaido). Von 710 bis 784 war Nara Sitz des Kaisers, danach für wenige Jahre die Stadt Nagaoka, bis schließlich 794 Heian-kyo (Kyoto) zur neuen Hauptstadt wurde. Auch wenn manche Stätten in Nara wie etwa der Kaiserpalast Heijo im Norden im Laufe der Jahrhunderte verfielen, die Tempel und Schreine blieben weiterhin in Betrieb.
Uji, 15 km südlich von Kyoto, hat etwa 190 000 Einwohner. Es war für den innerjapanischen Handel bedeutsam. Zudem brachte im 12. Jahrhundert der Mönch Eisai (vgl. Seite →) aus China Teepflanzen nach Japan – Uji wurde ein Zentrum des Teeanbaus. Wegen seiner schönen Lage mit Fluss und Bergen wurde Uji ab der Heian-Zeit zur Sommerresidenz von Adeligen aus Kyoto – die Phönixhalle des Boydo-in-Tempels (vgl. Seite →), die zuvor ein Palast war, zeugt davon.
Byodo-in (Uji), Phönixhalle
Saikyo-ji (Otsu), Kloster und Steingarten
Otsu, 15 km östlich von Kyoto am Biwasee gelegen, zählt 340 000 Einwohner. Von 667 bis 672 war Otsu Hauptstadt Japans mit dem Namen Omi-kyo. Der Ort ist für Shinto und Buddhismus bedeutsam geworden und beherbergt wichtige Tempel und Schreine: Ishiyama-dera (vgl. Seite →) und Mii-dera (vgl. Seite →) gehören zu den 33 Tempeln des Saigoku-Pilgerweges; der Saikyo-ji (vgl. Seite →) ist Zentrum des Tendai-shu, der Omi-jingu (vgl. Seite →) ein beeindruckender Schrein aus unserer Zeit.
Kaiserpalast, Blick durch das Nikkamon (ein Tor zum Vorplatz der Audienzhalle)
Kyoto war von 794 bis 1868 Residenz des japanischen Kaisers. Auch wenn die eigentliche Regierungsmacht spätestens seit dem Jahr 1192 (Kamakura-Zeit) nicht mehr vom Kaiser in Kyoto, sondern vom Shogun in anderen Städten des Reiches ausgeübt wurde, so blieb der Kaiser doch die spirituelle Mitte des japanischen Volkes, das Symbol des japanischen Reiches. Er verkörpert nicht nur die politische Zentrale, sondern auch die religiöse Einheit des Landes. In der japanischen Verfassung von 1946 wird der Kaiser als »das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes« bezeichnet. Denn der Kaiser ist der Tenno, der »Himmlische Herrscher«, der über seine repräsentativen Aufgaben hinaus der oberste Priester des Shinto ist, der ethnischen Religion Japans (vgl. Seite →); er ist der Himmelssohn, der neben anderem für eine ausreichende Lebensgrundlage seines Volkes durch eine gute Ernte verantwortlich ist – deshalb leitet er etwa das jährliche Ritual des Erntedankfestes Niiname-sai. Diese Sichtweise wird in den alten japanischen Reichschroniken dadurch begründet, dass der Kaiser ein Abkömmling der shintoistischen Sonnengöttin Amaterasu ist. Historisch scheint ein erster Kaiser Jimmu in der Zeit von 660–585 v. Chr. fassbar, konkret nachweisbar sind die Kaiser aber erst seit dem fünften nachchristlichen Jahrhundert. Der jetzige (ab 2019) Kaiser Naruhito gilt als der 126. Tenno, seine Regierungsdevise lautet »Schöne Harmonie«.
Kyoto war über 1074 Jahre hinweg Sitz des Kaisers, doch obwohl er heute in Tokyo residiert, kommt er immer wieder in den großen Kaiserpalast von Kyoto zurück, auch gibt es weitere kaiserliche Villen, die von Familienmitgliedern des Kaisers genutzt wurden – Katsura und Shugakuin werden hier aufgeführt. Neben den kaiserlichen Gebäuden gibt es in Kyoto auch einen bedeutenden Palast des Shoguns – das Nijo-Schloss.
Das Zentrum von Kyoto ist entsprechend der chinesischen Städtebauregeln streng in Süd-Nord-Richtung ausgerichtet und auf der Grundlage eines schachbrettartigen Straßensystems erbaut. Im Süden »bewachten« die beiden bedeutenden Tempelanlagen To-ji (Osttempel, vgl. Seite →) und Sai-ji (Westtempel) den Zugang zur Stadt, nur der To-ji ist erhalten geblieben. Der Kaiserpalast bildete weiter nördlich die Mitte der Stadt. Der heutige Kyoto Gosho ist allerdings nicht mit diesem Palast des alten Heian-kyo identisch, also mit den Gebäuden des 8. und 9. Jahrhunderts. Vielmehr waren die Gebäude des heutigen Palastes ursprünglich ein Nebenpalast 500 m östlich der eigentlichen Kaiserresidenz. Mehrfach wurde der heutige Palast durch Feuer zerstört und immer wieder detailgetreu restauriert, zuletzt im Jahr 1854.
Der Kaiserpalast gliedert sich in den etwa 1100 x 600 m großen und mit einer Mauer umfriedeten äußeren Palastbereich, in dem sich neben großen Gartenlagen einige Paläste des kaiserlichen Hofes (etwa Omiya-Palast) befinden, dazu auch ein wenig versteckt mehrere Shintoschreine (Shirakumo und Munakata, vgl. Seite →). Früher war bereits dieser Bereich für Normalsterbliche verboten, heute gibt es darin Kinderspielplätze und vor allem unter den alten Bäumen und durch die gestalteten Gärten schöne Spazierwege.
Plan Kaiserpalast, Blick von Süden, vorne Audienzhalle mit Hof, dahinter Wohn- und Verwaltungsgebäude und mehrere Gartenanlagen
Innerhalb dieses äußeren Palastes liegt der eigentliche Kaiserpalast mit einer Fläche von 500 x 250 m, der durch Tore in den vier Himmelrichtungen zugänglich ist – das architektonisch herausragen de Haupttor (Kenreimon) ist wie üblich im Süden. Der Palast selbst ist, da er immer noch vom Kaiser genutzt wird, nicht zugänglich, nur in einer Woche im Mai wird Besuchern vom Westtor (Gishumon) ausgehend ein geführter Rundgang im Palastgelände und deren Gärten angeboten, allerdings nicht in den Räumen des Palastes selbst – nur in einige Zimmer kann man von außen Einblick nehmen und die Ausstattung der Räume mit bemalten Zwischenwänden und Shoji-Türen bewundern (vgl. die Fotos auf Seite →).
Kaiserpalast,
Audienzhalle Shishinden
Zeremonienhalle Seiryoden
Nebengebäude
Unmittelbar nördlich des Kenreimon gelangt man zum umfriedeten Hof Shishinden, der Audienzhalle. Dies ist das größte Gebäude des Palastes mit einem großen Innenhof für die Aufstellung der kaiserlichen Beamten. Zugänglich ist der Hof durch drei Tore im Süden, Westen und Osten; das Jumeinmon im Süden ist als dreiflügelige Toranlage am schönsten gestaltet. Im Audienzgebäude – für Besucher heute nicht einsehbar – steht der Takamikura, der Chrysanthementhron, Symbol der ältesten Monarchie der Welt. Der schlicht gehaltene Stuhl steht erhöht auf einer Plattform und ist von einem zeltähnlichen Gebilde überdacht; daneben ist der kleinere Thron der Kaiserin. In dieser Halle fanden die Inthronisation der japanischen Kaiser (heute in Tokyo) und weitere Rituale wie die Verkündigung von Edikten statt.
Links neben dem Hof des Shishinden führt das Gekkamon zur eindrucksvollen Kutschenhalle, rechts neben dem Hof ist ein weiter Platz mit dem kleineren Gebäude des Shunkoden. Diese Halle des Kaiserlichen Spiegels ist eine Ritualhalle für die Aufbewahrung und Verehrung eines sakralen Spiegels, der die Weisheit des Kaisers als obersten Priester des Shinto ausdrückt.
Neben dem Shunkoden führt ein Tor zum wunderschönen Oikeniwa, einem Garten mit einer Wasserfläche, mit Brücken, alten Bäumen, nur wenigen bunten Blumen wie etwa blauen Iris, dafür mit ausgesuchten Steinformationen – exzellente Beispiele japanischer Gartenbaukunst von Wasser- und Wandelgärten.
Westlich des Oikeniwa und damit nördlich des Shishinden liegen Hof und Gebäude des Seiryoden. Hier wohnte der Kaiser während offizieller Angelegenheiten, hier fanden aber auch Zusammenkünfte mit den kaiserlichen Beratern statt, hier wurden verschiedene Rituale zum Wohl des Landes und des Volkes durchgeführt. Der Seiryoden war somit eine Mischung aus offiziellem und privatem Bereich.
Bemalte Schiebetüren im Kaiserpalast
Impressionen aus den Gärten des Kaiserpalastes
Nördlich davon befindet sich der aus vielen Einzelgebäuden bestehende Komplex des Ogakumonjo und des Otsenegoten. Der 1613 gebaute Ogakumonjo diente dem Studium und der Beratung, der Otsenegoten war der private Wohnbereich des Kaisers und seiner Familie. Hier befindet sich auch ein Raum mit dem Heiligen Schwert und dem Kaiserlichen Siegel – zusammen mit dem Spiegel sind dies die drei kaiserlichen Insignien. Nördlich dieser Gebäude gibt es große Parkanlagen und weitere Nebengebäude für die Bediensteten.
Bereits seit der Kamakura-Zeit (1192–1333) war der Kaiser nur noch oberster Shinto-Priester und erfüllte repräsentative Aufgaben; politische und militärische Macht hatte er nicht mehr. Diese besaß der Shogun