Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Wirklich gute Bäcker*innen haben eines gemeinsam: Die Leidenschaft für ihr Handwerk. Sie backen mit den besten regionalen Zutaten und feinsten Mehlen und setzen auf Nachhaltigkeit. Barbara van Melle reist quer durch Österreich und Deutschland und stellt uns die spannendsten Pionier*innen der Bäckerzunft vor. Sie spricht mit ihnen über das Geheimnis bester Qualität, Tradition, Zukunft und die Visionen der Branche. Und sie entlockt den Bäckermeister*innen ihre besten Rezepte für duftende, aromatische Brote, mit und ohne Sauerteig aus Dinkel, Roggen oder Weizen, für herzhaftes Laugengebäck und das Original "Wachauer Laibchen". Auch süße Köstlichkeiten wie flaumige Rahmbuchteln oder gefüllte Mandelcroissants sind mit dabei. Großporige Baguettes oder aromatisches Dinkel-Ciabatta wecken die Lust zum Nachbacken!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 203
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
EINFÜHRUNG
Vorwort
Was braucht man zum Brotbacken?
Die Zutaten für gutes Brot
Bäckerlatein
REZEPTE
WEIZEN
DINKEL
ROGGEN
GEBÄCK
SÜSSE BACKWERKE
BÄCKER*INNEN & PRODUZENT*INNEN
DIETMAR KAPPL
Reichl Brot
Getreide
Forstner Mühle
SOPHIE HENNE
Brotique
Getreide
Organisch-Biologische Erzeugergemeinschaft
ANTON OTZLBERGER
Obst und Gemüse
Familie Zachhalmel
CHRISTA LUTUM
STEFFEN EITEL
Kürbiskerne
Weingut Seybold
GEORG ÖFFERL
Getreide
Gutshof Alt-Prerau
MARTIN WIENERROITHER
Eier
Eierhof Krenn
BARBARA SCHMIDL
Wachauer Marillen
Franz Hick
OLIVER RAFERZEDER & STEFAN FASCHINGER
Brotsüchtig
Leinsamen
Machlandhof
PHILLIP UNGER & CATHERINE MONREAL
Motto Brot
ERNST JOAST
Getreide
Biohof Meindl
MEINKLANG
SIMON WÖCKL
Kletzen
Norbert Wöckl
Die Zahl 7 ist eine magische Zahl und fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden – von den 7 Todsünden in der Bibel über die 7 Weltwunder der Antike bis zu den 7 Zwergen im Märchen. Unser Leben, so heißt es immer wieder, ist von 7-Jahres-Schritten geprägt: Einschulung, Pubertät, Eintritt ins Erwachsenenleben. Und auch Rudolf Steiner, von dem in diesem Buch einige Male die Rede sein wird, hat Anfang des 20. Jahrhunderts, als er sein anthroposophisches Weltbild entwickelte, in Bezug auf den menschlichen Reifungsprozess in Jahrsiebenten gedacht.
Was das alles mit einem Buch über das Brotbacken zu tun hat? Die tiefe Überzeugung, dass die 7 auch für mein Leben prägend ist. Und bitte glauben Sie nun nicht, dass ich unreflektiert ins Lager der Esoteriker*innen wechsle. Aber wenn ich meine berufliche Karriere rückblickend betrachte, übernahm ich als ORF-Journalistin ungefähr alle 7 Jahre neue Aufgaben, bis ich mich im neunten Jahrsiebent meines Lebens sozusagen aus meiner alten Haut schälte und gänzlich neu erfand. 7 Jahre ist es her, dass mein erstes Brotbackbuch „Der Duft von frischem Brot“ erschien – damals ahnte ich nicht, dass es meinem Leben eine vollkommen neue Richtung geben würde. Das Buch inspirierte mich zur Organisation des ersten Brotfestivals in Wien, das 2016 zum riesigen Erfolg wurde und dem noch drei weitere Ausgaben folgen sollten.
Damals lernte ich Simon kennen, der nicht nur ein grenzgenialer Bäckermeister ist, sondern auch zu meinem Firmenpartner wurde. Mit ihm gründete ich 2018 Kruste&Krume, ein Unternehmen, das von großer Leidenschaft und Liebe für das Brotbacken und das Bäckerhandwerk getragen ist. Seither lehren wir in unserer Wiener Brotbackschule, gemeinsam mit einem großartigen Team, Menschen das Backen. Nach jahrelanger Erfahrung und aus tiefer Überzeugung können wir sagen, dass Brotbacken mehr ist als nur ein simples Hobby. Brotbacken erdet, entschleunigt, gibt uns Wurzeln und ist vielfach sogar Therapie.
7 Jahre sind seit dem ersten Buch vergangen und in dem Buch, das Sie nun in Händen halten, lernen Sie wieder Bäckerinnen und Bäcker mit ihren ganz individuellen Lebensgeschichten kennen. Es sind faszinierende Menschen, die, so unterschiedlich ihre Biografien auch sein mögen, geeint und angetrieben sind von ihrer Leidenschaft für das Handwerk. Diese Profis stellten mir ihre Rezepte freimütig zur Verfügung und dafür danke ich ihnen aus ganzem Herzen. Sie betrachten Rezepte nicht als Geheimwissen, das unter Verschluss gehalten werden muss – ganz im Gegenteil: Sie wollen ihr Wissen mit anderen teilen, weil sie überzeugt davon sind, dass durch unsere Bemühungen, im Haushalt gutes Brot zu backen, auch die Achtung und Wertschätzung dem Bäckerhandwerk gegenüber wächst.
Und um ganz ehrlich zu sein: Ein Rezept ist ohnehin nur die halbe Wahrheit. Wer bäckt, weiß, dass sich mit der Zeit – die im Übrigen die wichtigste Zutat für gutes Brot ist – handwerkliches Können, Wissen, Erfahrung und viel Gefühl einstellen, die für das perfekte Ergebnis unersetzlich sind.
Wie wichtig die Zukunft der Landwirtschaft ist, welchen Einfluss Bäuerinnen, Bauern und Müllermeister*innen auf das Bäckerhandwerk haben und warum Brotbacken immer vom Acker weg gedacht werden muss, machen die Porträts der Lieferant*innen in diesem Buch deutlich. Die Hobbybäcker*innenszene ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Die Pandemie, als Zeit der Verunsicherung, beschleunigte dieses Wachstum noch. Welchen Einfluss diese Szene auf die Profis bisher hatte, werden Sie einzelnen Geschichten entnehmen können. Eines schon jetzt: Unser Enthusiasmus und Ehrgeiz beim Backen im Haushalt spornt die Profis an, gibt neue Impulse und lässt sie besser werden.
Die Backbranche war über lange Zeit männlich dominiert, Bäckermeisterinnen waren in den Backstuben bis vor wenigen Jahren die Ausnahme. Das ändert sich gerade rasant, immer mehr junge Frauen beginnen heute eine Bäckerinnenlehre. Und deshalb freue ich mich besonders darüber, dass Sie in diesem Buch auch erfolgreiche, leidenschaftliche Bäckerinnen kennenlernen, die über ihre sehr eigenständigen Wege in der Backbranche berichten.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Freude beim Eintauchen in die Geschichten und die Welt der professionellen Backstuben und viel Erfolg beim Nachbacken der Laibe mit Seele.
Brotbacken ist mehr als nur ein simples Hobby. Brotbacken erdet, entschleunigt, gibt uns Wurzeln und ist vielfach sogar Therapie.
Die Hobbybäcker*innenszene ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Unser Enthusiasmus spornt die Profis an, gibt neue Impulse und lässt sie besser werden.
Um gutes Brot zu backen, braucht man nicht viel. Mehl, Wasser und Salz, eine Schüssel zum Teigmischen, die eigenen Hände, eine Arbeitsfläche und einen zuverlässigen Backofen. Für all die Backwerke in diesem Buch ist darüber hinaus folgendes Zubehör empfehlenswert.
HÄNDE ODER KÜCHENMASCHINE / In Profibackstuben wird so gut wie nie händisch gemischt. Beim Backen zu Hause ist das Teigmischen und -kneten aber eine schöne und wirklich sinnliche Erfahrung. Auch die Teige der Rezepte in diesem Buch lassen sich von Hand kneten. Ganz einfach ist das mit reinen Roggenteigen, die nur vermischt und nicht geknetet werden müssen, da genügt schon ein Kochlöffel als Werkzeug. Bei anderen Teigen ist je nach Konsistenz aber oft Erfahrung gefordert. Sehr weiche Teige sind mitunter anspruchsvoll und das Auskneten von Weizenteigen kann ganz schön fordernd sein. Hier kann eine gute Küchenmaschine mit einem Knethaken hilfreiche Dienste leisten. Handrührgeräte eignen sich zum Teigkneten allerdings nicht.
01KÜCHENWAAGE / Sie sollte wirklich genau sein – und wer mit sehr geringen Hefemengen backen möchte, legt sich am besten eine Feinwaage zu.
02SCHÜSSELN UND ABDECKUNGEN / Schüsseln eignen sich hervorragend zum Teigmischen und Kneten. Da Teige beim Rasten immer abgedeckt werden sollen, empfiehlt sich ein Tuch oder ganz einfach eine Duschhaube aus Kunststoff.
03TEIGKARTE / Dieses universell einsetzbare Werkzeug benötigt man zum Teigmischen, zum Säubern der Schüssel und zum Teilen und Formen des Teiges.
04THERMOMETER / Es ist unerlässlich, gerade wenn man mit einer Küchenmaschine knetet. Mit einem Teigthermometer lassen sich die Wassertemperatur, die Teigtemperatur beim Kneten und die Kerntemperatur beim Backen perfekt kontrollieren. Da auch die Raumtemperatur Einfluss auf die Teige hat, ist ein Raumthermometer mitunter auch ganz hilfreich.
05SIEB / Alle Mehle (bis auf die Vollkornmehle) können vor der Verwendung gesiebt werden. Das Sieben lockert das Mehl auf und vergrößert die Oberfläche, damit es mehr Wasser aufnehmen kann. Außerdem werden so Mehlklümpchen entfernt. Das Sieb wird auch zum Bemehlen des Gärkorbs verwendet.
06GÄRKÖRBE (IN ÖSTERREICH SIMPERL GENANNT) / Für die sogenannte Stückgare, also die letzte Ruhephase vor dem Backen, legt man die geformten Teiglinge oft in Gärkörbe. Sie sorgen dafür, dass die Teiglinge ihre Form behalten, und schützen sie gleichzeitig vor dem Austrocknen. Gärkörbe werden rund und länglich, glatt, mit Einkerbungen oder Motiven angeboten. Ich verwende Gärkörbe aus Peddigrohr und solche aus Holzschliff. Beide Arten eignen sich hervorragend für das Brotbacken. Holzschliffkörbe, die aus gepressten Fichtenholzfasern bestehen, regulieren Temperatur und Feuchtigkeit am besten. Wenn Teige sehr weich sind und über Nacht zur Gare gestellt werden, empfiehlt sich bei beiden Gärkorbarten die Verwendung eines Baumwoll- oder Leinenbezugs, damit der Teigling nicht in der Form anklebt.
07BÄCKERTÜCHER / Im Idealfall sind die Tücher aus Bäckerleinen, da Leinen luftdurchlässiger ist als Baumwolle. Sie werden vor der Benutzung bemehlt und dienen zur sogenannten Stückgare, also zur Gare des geformten Teiglings vor dem Backen. Bäckerleinen stabilisiert die Teiglinge und schützt sie vor Austrocknung. Verwendet werden sie bei kleinem Gebäck, Weizenbroten und Baguettes.
08TEIGABSTECHER / Er ist aus Metall und dient zum Portionieren der Teige.
09MESSER / Vor dem Backen werden viele Brote eingeschnitten. Da das Einschneiden immer sehr zügig durchgeführt werden sollte, müssen die Klingen scharf sein. Sehr gut eignen sich kleine scharfe Messer mit Wellenschliff und natürlich spezielle Baguetteklingen.
FLACHE WANNE AUS KUNSTSTOFF / Sie sollte einen fest schließenden Deckel besitzen und wird für Teige gebraucht, die man über Nacht zur Gare in den Kühlschrank stellt. Unbedingt darauf achten, dass sie für Lebensmittel geeignet ist. Ist keine flache Wanne vorhanden, kann auch eine Schüssel mit Abdeckung verwendet werden.
10KASTENFORMEN / Sie brauchen je nach Brot Formen mit Fassungsvermögen von 0,5 bis 2 Liter. Wenn Sie emaillierte Kastenformen verwenden, müssen diese vor dem ersten Gebrauch eingebrannt werden. Dazu die Form mit ein wenig Öl auspinseln und ohne Inhalt 30 Minuten im Backofen bei 180 °C (Ober- und Unterhitze) einbrennen.
11ROLLHOLZ / Für das Ausrollen kleiner Teiglinge für Gebäck benötigt man ein kleines Rollholz, in Österreich Weigerl genannt. Das Ausrollen großer Teigmengen gelingt mit einem schweren Rollholz oft einfacher.
12BROTBACKTOPF / Das Brotbacken im Topf ist meiner Meinung nach die ideale Methode für den Haushalt. Es ist nicht nur simpel und löst die Frage der Beschwadung, sondern führt auch zu großartigen Ergebnissen: Die Brote werden resch und bekommen eine herrliche, rustikale Kruste. Ich ziehe den emaillierten Brotbacktopf dem gusseisernen Topf vor, und zwar aus mehreren Gründen: Emaillierte Töpfe sind leichter in der Handhabung, benötigen wesentlich weniger Zeit zum Aufheizen und eignen sich neben dem Brotbacken hervorragend zum Kochen.
13BACKSTEIN / Backsteine sind beim Backen von freigeschobenen Broten wie Baguettes und Handgebäck, also kleinen Gebäckstücken, sehr hilfreich. Sie speichern die Hitze und geben sie von unten schnell an die eingeschobenen Teiglinge ab. Damit wird der Ofentrieb gefördert und Brote können perfekt aufgehen. Der ideale Backstein hat eine glatte Oberfläche und ist aus naturbelassenem, lebensmittelechtem Schamott gefertigt.
14BACKSCHAUFEL / Eine Backschaufel aus unbehandeltem Holz wird zum Einschießen von Broten, Baguettes, Kleingebäck oder Pizza, die direkt auf einem Backstein oder vorgeheizten Blech gebacken werden, benötigt.
BACKOFEN / Das Motto: „Lerne deinen Ofen kennen“ kann gar nicht oft genug wiederholt werden. Prinzipiell kann man in jedem Haushaltsofen Brot backen – Voraussetzung ist allerdings, dass er gut schließt und sich mit Ober- und Unterhitze auf mindestens 250 °C erhitzen lässt. Wer regelmäßig Brot bäckt, ist gut beraten, sich einen Backofen zuzulegen, der Wasserdampf abgeben kann. Prinzipiell wird immer mit Ober- und Unterhitze gebacken. Der Backofen wird immer vorgeheizt.
15OFENHANDSCHUH / Er schützt vor Verbrennungen.
GITTERROST / Darauf wird das Backwerk nach dem Backen zum Abkühlen gelegt.
Gutes Brot kommt mit sehr wenig Zutaten aus. Mehl, Wasser, Salz und vielleicht etwas Hefe. Die größte Bedeutung kommt dabei den Mehlen zu. Bäckermehle unterscheiden sich in hohem Maß von Haushaltsmehlen, die in Supermärkten angeboten werden. Lange Zeit wurde das Wissen um Mehle sträflich vernachlässigt. Doch Mehl ist nicht gleich Mehl und so vielfältig wie Getreidesorten sind auch die Mehle. Welche Rolle dabei die Müllerei spielt und welches Fachwissen hinter der Produktion von großartigen Mehlen steht, habe ich unter anderem in der Reportage über die Forstner Mühle in diesem Buch beschrieben (siehe Seite 48).
Es lohnt sich also, sich ein wenig mit Ackerbau, Getreidesorten, Müllerei und Mehlen zu beschäftigen, da die Wahl des Mehls ganz entscheidend Aroma und Qualität des Backwerks bestimmt.
Jedes Getreide hat seine Eigenheiten, geschmacklich und beim Backen. Daher kann man auch nicht ganz einfach vorgegebene Mehle in Rezepten durch andere ersetzen. Die Backeigenschaften von Mehlen könnten oft nicht unterschiedlicher sein. So ist Roggen zum Beispiel beim Kneten äußerst klebrig und muss nur kurz gemischt werden. Weizen dagegen bildet seine Glutenstruktur vor allem beim Kneten aus. Dinkel nenne ich die „Diva der Getreidesorten“, weil Dinkel schnell überknetet wird und so wie manche Urgetreidesorte sehr umsichtig und schonend behandelt werden muss. Dazu kommt, dass Terroir und Jahrgang auch beim Getreide – nicht nur beim Wein – eine große Rolle spielen. So kann ein und dieselbe Sorte zum Beispiel durch Witterungsschwankungen in einem Jahr vollkommen andere Backeigenschaften aufweisen als in einem anderen.
Mehl immer kühl, trocken, licht- und geruchsgeschützt lagern. Vor dem Backen auf Raumtemperatur bringen, kaltes Mehl nimmt Wasser schlechter auf.
MEHLTYPEN / Die Kennzeichnung der Mehle und ihres Mineralstoffgehalts erfolgt in Österreich (ebenso in Deutschland) über die Typenzahl auf der Packung. Die Typenzahl verrät etwas über die Helligkeit des Mehls: Je höher die Typenzahl, umso höher ist der Anteil an Vitaminen, Mineral- sowie Ballaststoffen und desto dunkler ist auch das Mehl. Mehle mit hoher Typenzahl sind dunkler, weil auch die Randschichten des Korns mitvermahlen werden. Helle Weizenmehle der Typen 480 bis 700 werden auch nach ihrem Feinheitsgrad unterschieden. Sehr fein gekörntes Mehl nennt man „glatt“, gröberes „griffig“ oder „doppelgriffig“. Vollkornmehl wird nicht typisiert.
Folgende Mehle verwenden wir in diesem Buch:
VERSCHIEDENE MÜHLENARTEN / Da auch die Vermahlung der Mehle einen entscheidenden Einfluss auf die Teigstruktur und das Backergebnis hat, ist es wichtig, Folgendes zu wissen:
Steinvermahlene Mehle nehmen die Schüttflüssigkeit schneller und besser auf, man rechnet mit zwischen 1 und 6 % zusätzlicher Wasseraufnahme.
Wer Mehle in der Haushaltsmühle selbst vermahlt, muss bedenken, dass sie durch die Vermahlung des ganzen Korns, also auch des Keimlings, nur eine kurze Haltbarkeit haben und schnell ranzig werden können. Beim Vermahlen zu Hause soll unbedingt darauf geachtet werden, dass das Mehl nicht über 32 °C erhitzt wird. Die Eiweißstruktur des Mehls wird nämlich bei einer Erwärmung über 32 °C irreparabel geschädigt, schlechte Backergebnisse sind die Folge.
Besonders empfehlenswert sind Vollkornmehle, die in einer Zentrofan-Mühle vermahlen worden sind. Dieses Mahlverfahren ist ausgesprochen schonend und das Ergebnis sind sehr feine Vollkornmehle, die ausgezeichnete und stabile Backeigenschaften aufweisen.
Die perfekte Vermahlung für alle ausgemahlenen, also hellen Mehle ist die klassische auf Walzenstühlen. Sie führt zu langer Haltbarkeit und gleichmäßiger Qualität.
WASSER / Wasser ist zwar der billigste Rohstoff beim Backen, von ihm hängt aber vieles ab. Das Wasser ist in der Lage, Geschmacksstoffe aus dem Mehl zu lösen und beim Backen für Frischhaltung zu sorgen. Da die Wasserqualität in ganz Österreich und Deutschland nahezu flächendeckend sehr gut ist, können Sie fast überall mit frischem Leitungswasser backen. Wichtig ist, dass die Wassertemperatur die Teigtemperatur beeinflusst und daher immer den Gegebenheiten angepasst werden muss.
SALZ / Auf 1 kg Mehl werden üblicherweise rund 2 % Salz zugesetzt. Ich verwende unbehandeltes und nicht raffiniertes Salz, ohne Trennmittel, Jod und andere Zusätze.
HEFE / Jeder Gärung wohnt ein Zauber inne und jedes Brot mit Volumen enthält ein Triebmittel, das den Teig in der Schüssel Blasen werfen und beim Backen aufgehen lässt.
Hinter diesem Prozess stecken Hefen, einzellige Pilze, die Zucker verstoffwechseln und C02 sowie Alkohol ausscheiden. Gemeinsam mit Milchsäurebakterien sind sie als Sauerteig imstande, einen simplen Getreidebrei zu vergären und ihn in einen großartigen Laib Brot zu verwandeln.
Die moderne Hefe, in Österreich auch Germ genannt, ist übrigens eine Wienerin und eng verbunden mit der Geschichte des Bierbrauens, da für Brot und Bier lange Zeit dieselbe Hefe verwendet wurde. Das änderte sich, als die Bierbrauer Anfang des 19. Jahrhunderts von obergäriger Hefe auf untergärige umstiegen, die sich für das Brotbacken nicht verwenden lässt. Plötzlich fehlte den Bäckern die Hefe.
Aber bald gab es Abhilfe: 1840 kam der Industrielle Adolf Ignaz Mautner von Markhof nach Wien und braute in der Brauerei St. Marx das erste untergärige Lagerbier. Ihm gelang, gemeinsam mit dem Grazer Brauherrn Johann Peter von Reininghaus und dessen Bruder Julius, einem Chemiker, im Jahr 1850 die industrielle Produktion der Presshefe als Nebenprodukt der Brauerei. Das „Wiener Abschöpfungsverfahren“ war eine weltweite Sensation und gilt bis heute in seinen Grundzügen als internationaler Standard. Auch heute noch wird die Bäckerhefe nach diesem Verfahren produziert, allerdings schon lange nicht mehr in Österreich. Der Weltmarkt hat gerade einmal Platz für einige große Hersteller – Hefe wird hierzulande importiert und dieser Umstand erklärt auch den Hefemangel zu Beginn der Coronapandemie im Jahr 2020.
FRISCHHEFE: Sie ist im Kühlschrank etwa 2 Wochen haltbar. Je älter sie wird, umso weniger triebfähig ist sie. Hefe kann eingefroren werden, bei über 45 °C sterben die Hefezellen ab. Die Hefe muss beim Teigmischen nicht in der Schüttflüssigkeit aufgelöst werden, sie wird zerbröselt zugegeben. Ziel ist es, nie mehr als 2 bis 3 % Hefe bezogen auf die Mehlmenge zu verwenden, da Brot, Gebäck und süße Backwaren nie nach Hefe schmecken sollten.
TROCKENHEFE: Sie eignet sich genauso gut zum Brotbacken, sollte aber immer mit dem Mehl vermischt und nicht im Wasser aufgelöst werden. 1 g Trockenhefe entspricht ungefähr 3 g Frischhefe.
BACKMALZ / Backmalz (auch als Malzmehl bezeichnet) wird beim Backen seit langer Zeit eingesetzt. Es ist eines der ältesten Backmittel und ein natürliches Getreideerzeugnis, das aus Gerste, Weizen oder Roggen hergestellt wird. Malzmehle machen Teige aktiver, fördern die Gärung sowie die Bräunung, verleihen Backwerken vielfältige Aromen und verbessern die Eigenschaften der Krusten und Krumen.
Backmalz wird enzymaktiv und enzyminaktiv angeboten. Enzymaktive Malze unterstützen den Stärkeabbau, fördern die Gärung und verbessern Krusten und Krumen. Bei den Rezepten in diesem Buch werden sie vor allem beim Backen von Weizengebäcken eingesetzt. Bei enzyminaktiven Malzen, auch Aromamalze oder Röstmalze genannt, werden die getreideeigenen Enzyme durch Erwärmung auf 80 °C deaktiviert. Sie finden vor allem Verwendung zur Verbesserung des Geschmacks und der Färbung der Backwerke. Ich bevorzuge pulverförmiges Malz, da es sich besser als flüssiges dosieren und lagern lässt.
Wie beim Braumalz wird auch für das Backmalz Getreide gereinigt (meist Weizen, Gerste oder Roggen), in Wasser eingeweicht, zur Keimung gebracht und danach schonend gedarrt, also getrocknet. Während des Prozesses wird im Mehlkörper natürlicher Malzzucker gebildet, der danach den Backprozess positiv beeinflusst.
Backmalz ist übrigens auch eine Wiener Erfindung. Im Jahr 1884 wurde die Erste Wiener Exportmalzfabrik gegründet, das Stammhaus im 22. Wiener Gemeindebezirk erzählt noch heute deren Geschichte. Hier wurde 1901 Diamalt erfunden, das erste Backmalz der Welt. Für die Herstellung des berühmten Wiener Handgebäcks ist es unverzichtbar!
BROTGEWÜRZE / Eine Mischung aus Anis, Koriander, Kümmel und Fenchel gilt als typisch österreichisches Brotgewürz. Wer eine der Zutaten nicht mag, kann seine eigene Mischung herstellen. Ideal ist es, die Gewürze vor dem Mahlen kurz in einer Pfanne ohne Fett zu rösten.
ALTBROT / Absolut unverzichtbar beim Backen. Ein Helfer, wenn es darum geht, die Brotqualität zu verbessern. Altbrot bringt Aroma ins Brot, da 80 % des Aromas in der Kruste stecken. Und es fördert die Frischhaltung. Da die Stärke beim Backen schon einmal verkleistert wurde, kann der Teig nach der Zugabe von Altbrot mehr Wasser aufnehmen. Altbrot bindet ungefähr die zweifache Menge seines Eigengewichts an Wasser.
UND SO GEHT’S: Altes Brot ganz einfach klein schneiden und, wenn man möchte, in der Restwärme des Backofens rösten. Dann in einer gut verschlossenen Dose lagern. Altbrot wird immer in der vorgegebenen Schüttflüssigkeit eingeweicht und danach mit einem Mixstab püriert. Das Altbrot kann auch zu Bröseln gerieben werden, das verkürzt die Einweichzeit. Wer kein Altbrot zur Verfügung hat, ersetzt es durch Semmelbrösel oder Knödelbrot. Das Altbrot muss auch nicht unbedingt ganz getrocknet sein, es kann auch 1 bis 2 Tage altes Brot verwendet werden.
BIO-PRODUKTE / Bei Milchprodukten, Eiern, Zucker, Rosinen, Nüssen und Mohn gebe ich Bio-Produkten den Vorzug. Gerade selbst gebackene Brote, in denen viel Liebe, Zeit und Geduld steckt, sollten aus den besten Rohstoffen bestehen. Glücklich können sich jene schätzen, die ihre Grundprodukte nicht im Supermarkt kaufen müssen, sondern direkt bei den Produzentinnen und Produzenten erwerben – so wie es die im Buch vorgestellten Backprofis machen. Und noch ein Tipp: Wer Rohmilch und Rohmilchbutter zur Hand hat, bäckt damit. Nicht pasteurisierte Milch enthält viele wertvolle Enzyme und hat daher hervorragenden Einfluss auf den Teig.
„Die Zeit akzeptiert nichts, was ohne sie geschaffen wurde.“ Wer mit dem Brotbacken beginnt, wird von Grund auf verstehen, was mit diesem Satz gemeint ist. Die Zeit ist die wichtigste Zutat für gutes Brot. Für viele Rezepte sind daher Vorstufen zum Backen notwendig. Denn erst wenn den Teigen die nötige Zeit gegeben wird, bekommen Brot und Gebäck unvergleichliches Aroma, resche Krusten und saftige Krumen, wie ihr Innenleben von den Bäckern genannt wird. Die Hohlräume im Brot werden übrigens als Poren bezeichnet.
Vorstufen sorgen für bessere Backeigenschaften, längere Frischhaltung und mehr Aromen. Durch Vorstufen lässt sich auch die Hefemenge im Hauptteig deutlich reduzieren. Jüngste Forschungen zeigen, dass Backwerke dadurch leichter verdaulich und bekömmlicher werden. Immer mehr Wissenschaftler führen die rasante Zunahme von Zöliakie und Glutenintoleranz darauf zurück, dass industriell gebackene, moderne Brote keine lange Reifung und Gärung mehr durchlaufen.
VORSTUFEN DES TEIGES / Folgende Vorstufen werden in den Rezepten der Profis in diesem Buch verwendet:
AUTOLYSE / Dabei werden Mehl und Wasser des Hauptteigs vermengt und bei Zimmertemperatur zwischen 30 und 60 Minuten ruhen gelassen. In dieser Zeit verquellen die Zutaten, kleberstarke Weizenmehle werden dehnbarer, der Teig lässt sich danach einfacher und schneller kneten. Die schonende Verarbeitung sorgt zudem dafür, dass weniger Sauerstoff in den Teig eingetragen wird und dadurch auch mehr Aroma erhalten bleibt. Ein gutes Beispiel dafür ist Baguette.
QUELLSTÜCK / Dabei werden die Zutaten – vor allem Saaten wie Leinsaat, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Sesam oder Chiasamen – mit Wasser verquollen, bevor sie in den Hauptteig kommen. Das macht man, indem man die festen Bestandteile im Verhältnis 1:1 bis 1:2 mit rund 30 °C warmem Wasser mischt und 2 bis 12 Stunden quellen lässt. Die so vorbehandelten Zutaten bringen mehr Wasser in das Brot, es wird feuchter, weniger bröselig und bleibt länger frisch.
BRÜHSTÜCK / Bei Brüh- und Kochstücken wird zusätzlich die vorkommende Stärke verkleistert. Brühstücke eignen sich gut für Getreideflocken, Buchweizenkörner oder Schrote. Dabei werden die festen Bestandteile im Verhältnis 1: 1 bis 1: 3 mit kochendem Wasser vermischt und mindestens 2 bis 6 Stunden quellen gelassen.
KOCHSTÜCK / Wird bei ganzen Körnern und Vollkornmehlen, aber auch bei ausgemahlenen Mehlen eingesetzt. Die Schale wird dadurch weicher, die Kleberstruktur weniger beschädigt. Getreidekörner, Mehl, Schrote und Saaten werden dabei mit Wasser zu einer puddingartigen Konsistenz verkocht. Als Schlüssel gilt hier: 1:3 bis 1:4 – also 1 Teil Mehl auf 3 oder 4 Teile Wasser.
DAMPFL ODER KURZER VORTEIG / Dies ist die traditionelle Art, Hefeteige zu machen. Bei sehr fett- und zuckerreichen Teigen werden die kurz geführten Vorteige mit der gesamten Hefe des Hauptteigs angesetzt. So werden die Hefen perfekt aktiviert.
Die Zeit ist die wichtigste Zutat für gutes Brot. Für viele Rezepte sind daher Vorstufen zum Backen notwendig. Sie sorgen für bessere Backeigenschaften, längere Frischhaltung und mehr Aromen.
POOLISH / Unter Poolish versteht man einen lang geführten weichen Vorteig, bestehend aus Wasser und Mehl zu gleichen Teilen. Dabei wird sehr wenig Hefe eingesetzt, 0,1 bis 1 % auf die Mehlmenge gerechnet. Poolish fördert die Dehnbarkeit des Hauptteigs und trägt entscheidend zur Aromenbildung, Frischhaltung und Reschheit der Kruste bei.
Das Poolish ist vermutlich über Österreich nach Frankreich gekommen, als Mitte des 19. Jahrhunderts österreichische Bäcker das Kipferl und viele backtechnologische Neuerungen nach Paris brachten. Als Vorteig für Baguettes ist es seither nicht mehr wegzudenken.
SAUERTEIG / Sauerteige sind magisch und haben für mich in all den Jahren des Backens nichts von ihrem Zauber eingebüßt. Sie gehören für mich nach wie vor zum Faszinierendsten, was das Bäckerhandwerk zu bieten hat. Prinzipiell ist Sauerteig nichts anderes als ein Gemisch aus Wasser und Mehl, das unter den richtigen Bedingungen zum Leben erweckt wird. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen. Denn hinter dem Wunder Sauerteig steckt das großartige Zusammenspiel von Hefen und Milchsäurebakterien, die einen hoch spezialisierten Organismus bilden und dafür sorgen, dass aus gemahlenen Getreidekörnern und Wasser ein schmackhafter Laib Brot wird. Diese Mikroorganismen sind für das bloße Auge unsichtbar, sie bevölkern aber unsere Schleimhäute genauso wie die Oberfläche von Getreide und befinden sich auch in der Luft. Auf diese Weise gelangen sie in den Getreidebrei und verwandeln ihn in Sauerteig.
Für die Herstellung Ihres Sauerteigs müssen Sie rund 5 Tage kalkulieren. Und ich rate Ihnen zu ein wenig Frustrationstoleranz, sollte es nicht auf Anhieb funktionieren.
Hier geht’s zum Video
https://www.youtube.com/watch?v=pyc4JZdlR5I
DAS BENÖTIGEN SIE ZUR HERSTELLUNG VON SAUERTEIG:
500 gRoggenvollkornmehl
500 gWasser (35 °C)
Waage
große Schüssel und Schneebesen (beides gut abgespült, am besten mit heißem Wasser übergießen und trocknen lassen)
SO ZÜCHTEN SIE SAUERTEIG
TAG 1
100 g Roggenvollkornmehl mit 100 g Wasser (35 °C) in einer Schüssel möglichst klümpchenfrei verrühren (nehmen Sie dabei ruhig die Hände). Dann abdecken und bei 30 °C 24 Stunden ruhen lassen. Diese Temperatur zu erreichen, ist nicht einfach. Folgende Tipps können hilfreich sein: Stellen Sie die Schüssel in den Backofen und drehen Sie nur das Licht an. Oder legen Sie eine Flasche mit heißem Wasser in den Backofen. Alternativ verwenden Sie eine Isolierbox. Überprüfen Sie die Temperatur mit einem Thermometer, sie ist entscheidend für den Erfolg der Sauerteigzüchtung.
Nach 12 Stunden einmal mit dem Schneebesen kräftig durchrühren, das regt die Aktivität der Mikroorganismen an.
TAG 2