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Der König stirbt – jedenfalls im ersten Teil der Geschichte. Der König, von dem hier berichtet wird, stirbt nicht richtig. Er lebt, obwohl er stirbt. Das ist die Aussage dieser ins Unendliche angelegten Geschichte. Es geht um Verblühen und Erwachen – die Nahtstelle des Seins und um den langen steinigen Weg. (...) Den Oberhofmarschall Godewick durchfährt es wie ein Blitz. Ein Windhauch hat die Kerze beinahe zum Verlöschen gebracht. Ein gehauchtes "oh" zieht durch den Raum. Erschrocken reißt sich Godewick die Brille von den Augen, schaut zum König, springt auf. Die Kerzenflamme verlischt. "Das war ... Das war ... Majestät, Majestät ..." stammelt er in die Finsternis, tastet aufgeregt nach den Zündhölzern. "Das war ... Das war doch ein Lächeln. Majestät ..." Das Zündholzlicht zittert. Seine Hand zittert. Nein, er hat sich wohl getäuscht. Der König liegt da, wie immer. Ernsthaft, mit erschlafften Lippen, wie ein Mensch der nach innen horcht. "Au." Die tanzende Flamme hat die Fingerspitzen erreicht. (...) Es ist kurz vor Mitternacht. Zwei Schlossmäuse tanzen im Gang vor den königlichen Gemächern, spielen Nachlauf mit ihren Schatten. Es ist die beste Zeit für Schlossmäuse, eine Zeit in der sie sich so richtig austoben können. Nicht in dieser Nacht. Erschrocken fahren die beiden auseinander. Das Geräusch tapsender Schritte, fliegender Atem und lautes Herzpochen klingen bedrohlich für sensible Mäuseohren. (...) Es ist Sonntag. Alwin krümmt sich in den Kissen. Die Eltern sind verzweifelt. Drei Tage war der Junge unauffindbar. Dann entdeckte man ihn, ohne Besinnung, von Fieberkrämpfen geschüttelt, am Ufer des Flusses. Ein hilfloses Bündel des Schmerzes am Abgrund des Lebens. (...) Alwin steht nachdenklich vor den Büchern. Jeder noch so kleine Winkel der Hütte ist mit Regalen bestückt. Die Bretter biegen sich unter der Last. Seine Hand gleitet über Buchrücken. "Und die hast du alle gelesen? Du musst sehr klug sein." (...) Gewitterstimmung liegt über dem Land. ...
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Seitenzahl: 52
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PETER WIMMER
LANG UND STEINIG DER WEG
Die Rechte liegen beim Autor und Verlag
Wimmer Visuelle Kommunikation
Am Lichterkopf 25
D-56112 Lahnstein
Telefon 02621/62625
www.wimmer-kommunikation.de
Ich schreibe Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Theaterstücke und Besonderheiten die sich nur schwer zuordnen lassen. Eine Zusammenfassung bieten die E-Books „Peter Wimmer, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen“ und „Peter Wimmer, Theaterstücke für einen bis vier Darsteller.“
Unter dem Reihentitel “Kulturreisen individuell” erstelle ich filmische Reisedokumentationen. Dabei folge ich mit meiner Kamera den Spuren der Menschheitsgeschichte, so wie ich sie in den besuchten Reiseländern antreffe. Ich dokumentiere herausragende Kulturstätten und Landschaften, einfühlsam, sachlich, informativ.
“Schönheit, Anmut und große Architektur im alten Ägypten” das ist der Reihentitel einer 14-teiligen filmischen Dokumentation über das reiche Erbe der pharaonischen Kultur am Nil. Schauplätze sind die großen Pyramiden, Göttertempel, Totentempel, Museen und prächtig ausgestatteten Gräber in Kairo, Giseh, Sakkara, Medum, Tel el Amarna, Abydos, Dendera, Luxor, Edfu, Kom Ombo, Assuan, Philae und Abu Simbel. Die DVD „ÄGYPTEN – Highlights der pharaonischen Kultur“ vermittelt einen Eindruck dessen was die großen Schauplätze und Museen entlang des blauen Nils dem kulturinteressierten Reisenden bieten.
Die DVD „Highlights der Megalithkultur in Westeuropa“ zeigt kulturhistorisch bedeutende Monumente unserer Vorfahren, Kultstätten und Museen in der Bretagne, auf Malta, Gozo und Korsika, in England, Irland, Schottland, auf den Hebriden und auf den Orkneyinseln.
LANG UND STEINIG DER WEG
Der König stirbt!! Es klingt wie ein Schrei aus tausend Mündern. Der König stirbt! Der König stirbt! So hallt es in den Gassen. Der König stirbt. Der König stirbt. Die Worte eilen von Dorf zu Dorf, durch Felder und Wiesen, von Bergeshöh zu Bergeshöh, von Tal zu Tal.
Der König stirbt. Der König stirbt. Das flüstern die Alten. Die Jungen erfasst's mit Grauen. Der König stirbt. Der König stirbt. So raunt es im Wald von Stamm zu Stamm. Vögel tragen die Nachricht über Grenzen hinweg. Der König stirbt. Der König stirbt.
Es ist Sonntag. Dunkel und kühl ist es im königlichen Gemach. Ausgesperrt ist das Licht des späten Herbsttages, ausgesperrt die Vogelstimmen. Ausgesperrt ist jeder Laut, welcher dem kranken König Olaf schaden könnte.
In den Gängen des Schlosses huschen die Schatten der Bediensteten wie Geister von Wand zu Wand. Niemand wagt laut zu sprechen. Das einzig geduldete Geräusch ist das Stöhnen des kranken Königs. Er leidet sichtlich Höllenqualen, wirft sich ohne Unterlass hin und her in seinem goldenen Bett. Die Klagelaute durchdringen Türen und Wände, setzen sich fort von Raum zu Raum. Niemand im Schloss kann ihnen entfliehen.
Die königlichen Pferde in den Ställen lassen die Köpfe hängen. Sie stehen reglos da, als seien sie nicht von dieser Welt. Aus den Zwingern der ansonsten immer lärmenden königlichen Hundeschar dringt heute kein Laut. Es ist, als sei die königliche Meute mit auf der Reise, die der kranke König angetreten hat.
Friethjof, der treue Kammerdiener und die Königin stehen mit sorgevoll geröteten Augen am königlichen Bett. „Majestät, Majestät", flüstert der treue Friethjof zum wiederholten Mal. „Majestät, so schauen Sie doch. Ihre liebe Gattin ist hier. Sie hat die ganze Nacht bei Ihnen zugebracht. Bitte sagen Sie uns, womit wir Ihnen helfen können. Sie müssen etwas zu sich nehmen. Seit mehr als einer Woche haben Sie keinen Bissen mehr gegessen. Wir machen uns große Sorgen. Majestät, Majestät ..."
Seit zwei Tagen und zwei Nächten sitzt der königliche Hofkoch über königliche Rezeptbücher gebeugt in der königlichen Bibliothek. Seltsame Namen und Formeln murmelt er vor sich hin. Er forscht nach der Wunderspeise, die seinen bedauernswerten Herren retten kann. Zuvor hat er es mit allem versucht, was der König je gemocht hat. Jede Stunde wurde eine andere wohlriechende Speise ins königliche Schlafgemach getragen, in der Hoffnung, der Duft könne den Lebensfaden des Kranken stärken. Ohne Erfolg. Im Gegenteil. Es scheint, als würden die Gerüche der köstlichen Speisen das Leiden des Königs steigern.
Alle im Schloss sind verzweifelt. Die drei königlichen Hofärzte diskutieren, bis sie einer nach dem anderen vor Erschöpfung einschlafen. Sie haben getan, was sie tun können. Alles haben sie ausprobiert, was die ärztliche Wissenschaft für solche Fälle empfiehlt.
Die Königin leidet am meisten. Sie liebt ihren Gemahl. Sie kann sich nicht vorstellen ohne ihn zu leben. „Ich muss auf eine lange Reise, liebe Isolde," so hat er sich von ihr verabschiedet. „Sei nicht traurig, wir sehen uns wieder." Das waren seine letzten Worte. Das liegt mehr als eine Woche zurück. Seitdem hat der König die Augen nicht mehr geöffnet und nichts mehr von sich gegeben, außer Klagelaute.
Die Königin ist heute so verzweifelt, dass sie ebenfalls keine Nahrung zu sich nehmen kann. Es ist ihr, als seien ihr der Hals und der Leib zugeschnürt mit einer ehernen Fessel. Es scheint, als habe auch sie den Lebenswillen verloren, als wolle sie mit ihrem Gatten sterben.
Die Fenster im Schlafgemach der Königin sind verdunkelt. Zusammengesunken, mit zuckenden Schultern, sitzt sie vor dem Spiegeltisch, den Kopf tief in die schlanken Hände vergraben. Sie schluchzt ohne Unterlass. Einmal blickt sie auf. Sie erschrickt. Im Spiegelglas sieht sie ein Gesicht. Es ist das Gesicht einer alten und müden Frau. Die Königin sinkt nach vorn. Sie schluchzt noch heftiger als zuvor.
Es klopft. Es klopft mehrmals. Die Königin vernimmt es nicht in ihrem Schmerz. Die Tür öffnet sich. Verlegen tritt er ein, Friethjof, der treue Diener. Verlegen steht er im Raum. Der brave Mann wagt sich nicht zu rühren, im Anblick der herzzerreißenden königlichen Trauer. Er leidet nicht minder. Es sind die dunkelsten Stunden in seinem schon weit fortgeschrittenen Leben.
So lange er zurückdenken kann, sogar als Kind, hat er Freud und Leid mit der Königsfamilie geteilt. Schon sein Vater war Kammerdiener am Hof des Vaters von König Olaf. König Xaver war ein mächtiger, aber gerechter Landesherr. Er starb reich an Jahren, in wohlverdientem Frieden, im Einklang mit sich und der Welt, die er verließ. Umso mehr schmerzt es den alten Friethjof, König Olaf so leiden zu sehen.
Mit fünfunddreißig Jahren, im besten Mannesalter, ist es, besonders für einen Monarchen, viel zu früh die Bühne des Lebens zu verlassen. Vierundzwanzig war Olaf als er die Nachfolge des Vaters antrat, als er den Königsthron bestieg. Unwillig, das wussten alle am Hof. Olaf wollte nie König werden. Doch, nachdem sein Bruder bei einem Jagdgeschehen vom Pferd gestürzt und dabei ums Leben gekommen, war er es, an den Zepter und Krone übergingen.
König Olaf war eigentlich kein richtiger König. Jedenfalls wollte er keiner sein. Er wollte kein Schloss, keine Kutschen, keinen Hofstaat. Er wollte keine Diener und erst recht keine Leibeigenen. Er hatte nur einen Wunsch. Er wollte als Freund unter Freunden leben.
Widerwillig beugte er sich der Notwendigkeit, dass jedes Land, sei es noch so klein, einen König braucht. In seiner ihm in die Wiege gelegten Art, Dinge die an ihn herangetragen werden ernst zu nehmen, betrachtete er sein Amt als eine ihm von einer höheren Ebene auferlegte Pflicht.