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Penny McLean

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  • Herausgeber: Ansata
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Den Schatten loslassen – die Freiheit gewinnen

Loslassen, was die Entwicklung unseres eigentlichen Wesens stört: ein einfacher Rat, der jedoch das ganze Leben zum Positiven wenden kann. Die berühmte Lebenslehrerin zeigt wirksame Mittel und Wege auf, um loszulassen und bereit zu werden für die Erfüllung des Lebenstraums.

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Inhaltsverzeichnis
(K)Ein Vorwort
Die Vorgeschichte
1. KAPITEL - Die vielen Gesichter des Loslassens
2. KAPITEL - Was ist das - Loslassen?
Copyright
(K)Ein Vorwort
Während ich dieses Buch schrieb, besuchte mich ein Freund aus Köln. Wir verbrachten einen netten Nachmittag mit all den schönen Dingen, mit denen man Gäste in Wien erfreuen kann. Dazu gehört vor allem der Besuch mehrerer Kaffeehäuser.
Nach zahlreichen Melangen und Sachertorten kamen wir - ich weiß nicht mehr warum - auf Dissertationen zu sprechen, wie viel Mühe sie machen und wie wenige Leute sie letztendlich lesen, nicht einmal diejenigen, denen man das hehre Werk gewidmet hat.
»Weißt du«, sagte Dirk plötzlich nachdenklich, »ich muss gerade an einen Bekannten denken, der auch ungefähr zu meiner Zeit seine Doktorarbeit geschrieben hat. Und ich glaube, er hatte die genialste aller Widmungen.«
»Ach«, sagte ich interessiert, »wie lautete sie denn?«
»Du wirst es nicht glauben«, sagte Dirk, »sie hieß: Für die Katz.« Wir bekamen beide auf der Stelle einen solchen Lachanfall, dass uns der Ober Servietten bringen musste, mit denen wir unsere Tränen trocknen konnten.
Als ich wenige Stunden später wieder an meinem Schreibtisch saß, dachte ich mir: Genau das ist es! Das soll meine Widmung sein:
Hoffentlich nicht für die Katz!
Die Vorgeschichte
An einem Nachmittag vor etwa zwanzig Jahren schickte mir ein Psychiater einer süddeutschen Klinik eine praktisch austherapierte Patientin mit der Anmerkung vorbei: »Vielleicht fällt dir ja dazu etwas ein.«
Die Frau erschien und verhielt sich scheinbar völlig normal. Wir unterhielten uns bestens über das Wetter, Hundezucht und Blumensteckarten. Doch zwischendurch beugte sie sich mitten im Gespräch ganz nah zu mir und flüsterte: »Jetzt ist er wieder da.« Darauf war ich von ihrem Arzt vorbereitet worden, fühlte mich also nicht besonders überrumpelt. Ich flüsterte zurück: »Sagen Sie mir, wenn er wieder verschwunden ist.« Und dann redeten wir ganz normal weiter. Wenig später seufzte sie erleichtert: »Jetzt ist er weg, aber ich weiß, er kommt wieder.«
Ich sagte ihr, sie möge bei seinem allfälligen Wiedererscheinen einfach weiterreden, mir aber einen Wink geben und dann wiederum auf ein Zeichen von mir einfach aufstehen und blitzartig meine Wohnung verlassen.
»Und was geschieht dann mit ihm?«, fragte sie besorgt. Ich versicherte ihr, dass sie sich keinerlei Sorgen machen müsse, denn ich würde ihn auf der Stelle für immer in meinem Wohnzimmerschrank in Verwahrung nehmen. Und außerdem solle sie bitte als künftigen Schutzbegleiter meinen Hausgeist, eine kleine mexikanische Steinfigur, an sich nehmen, um auch weiterhin gegen unerwünschte Störenfriede gefeit zu sein.
Gesagt, getan. Das Zeichen kam, sie ergriff die Figur und entschwand in Windeseile, während ich meinen Schrank laut öffnete und schloss. Tage später rief mich der Psychiater an: »Bitte sag mir, was du getan hast! Sie ist ohne Symptom!« Ich erzählte ihm den ganzen Ablauf, und er zeigte sich nicht im Mindesten erstaunt. »Wie bist du auf die Idee gekommen?«, fragte er. Ich gab zu, dass ich einem Impuls gefolgt war. Wie so oft.
Von diesem Tag an änderte sich meine »Beziehung« zum Loslassen. Denn jetzt wusste ich etwas Grundsätzliches: Wer das Bedürfnis in sich spürt, etwas loszulassen, muss zunächst genau wissen, was er loslassen möchte, dann, warum er es loslassen will, und schließlich, wogegen er das Losgelassene einzutauschen wünscht. Denn das ist die Voraussetzung für das Gelingen eines Ablösungsprozesses. Das Universum kennt die Ersatzlosigkeit nicht. Warum also sollten ausgerechnet wir sie praktizieren wollen? Was kann es nützen, mit einem Vakuum dahinzuvegetieren?
Die anschließenden Erfahrungs- und Erkenntnisprozesse dauerten bescheidene zwanzig Jahre. Dann riefen zwei Berliner Herausgeber an und fragten, ob ich nicht einen Beitrag für eine Anthologie schreiben wolle. Das Thema: Loslassen. Ich war nicht begeistert. Doch dann erkannte ich die Chance und schrieb die »Gebrauchsanweisung für den Umgang mit toten Kamelen«. Diese verendeten Wüstentiere standen symbolisch für all das Überflüssige, Belastende und Abgelebte, das ein Menschenleben beschweren kann. Und sie waren die Vorboten für dieses Buch, das in einer Lebensphase entstehen sollte, in der sich Erfahrung, Beobachtung und Erkenntnis zu jenem wahrnehmbaren Wissen zusammenfügen, das sich bei jedem Menschen erst ab einem ganz bestimmten Lebensabschnitt zeigen kann, nämlich im zehnten Lebensjahrsiebt, also nach Vollendung des 63. Lebensjahrs.
Ich werde in diesem Jahr meinen 65. Geburtstag feiern. Also bin ich nun anscheinend alt genug, um loszulassen und vielleicht auch um darüber zu schreiben.
1. KAPITEL
Die vielen Gesichter des Loslassens
Vor mehr als 1600 Jahren geriet ein junger Mann in eine Lebenskrise. Bis dahin hatte er ein in jeder Hinsicht nicht gerade bescheidenes Leben geführt und - begünstigt von äußeren Umständen - auf nichts verzichten müssen. Nun war er an einem Punkt angekommen, wo er fühlte, dass in seinem Leben etwas Wesentliches fehlte, nämlich die Erkenntnis des tieferen Sinns.
Die Rede ist hier von Augustinus von Hippo, dem späteren großen Heiligen, der sich - Gott sei’s gedankt - nicht bei einem Psychotherapeuten auf die Couch legte, weil dies damals noch nicht üblich war, sondern stattdessen unter einen Feigenbaum in einem Mailänder Garten. So gelagert hörte er, will man den Berichten glauben, eine innere Stimme, die ihm etwas zurief, das ihn veranlasste, zu den biblischen Paulusbriefen zu greifen, sie nach dem Zufallsprinzip irgendwo aufzuschlagen und das, was dort zu lesen war, als Lebensweisung anzunehmen: »Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Wollust und Unzucht, nicht in Hader und Neid sollt ihr leben, und pflegt das Fleisch nicht zur Erregung eurer Lüste.«
Der zweiunddreißigjährige Augustinus nahm diese Weisungen bitterernst und befolgte sie von diesem Tag an genauestens bis zu seinem Tod. Er verzichtete also fortan auf jegliche Form ausschweifender Lebensführung, sexuelle Genüsse inklusive. Bitte rufen Sie sich noch einmal ins Gedächtnis, dass ich hier nicht von einem achtzigjährigen Tattergreis berichte, bei dem es keine Rolle mehr spielte, ob er »verzichtete« oder nicht. Nein, hier handelte es sich um einen im Tierkreiszeichen Skorpion geborenen und in der Blüte seines Lebens stehenden Mann.
Es vergingen knapp 1600 Jahre - in denen die Person des Augustinus eher an Bedeutung gewann, als dass sie ihr abhanden gekommen wäre - bis ein 29 Jahre alter Wiener sein ungeheures Erbe samt und sonders verschenkte, um sein restliches Leben in eher beschränkten Verhältnissen zu fristen. Die Rede ist hier von dem sagenhaften Ludwig Wittgenstein, dem Schöpfer des Tractatus Logico-Philosophicus, eines Grundlagenwerks der analytischen Sprachbetrachtung.
Im Jahre seines Erbverzichts, 1919, wurde in Bern die Ausnahmesängerin Lisa della Casa geboren, die ich, atemlos vor Bewunderung, ein paar Jahrzehnte später in der Bayerischen Staatsoper erleben durfte. Sie sang die Arabella in Richard Strauss’ gleichnamiger Oper mit einer so überirdisch schönen Stimme, dass ich, wie viele andere im Parkett, den Tränen nahe war. Hinzu kam, dass diese Frau so außergewöhnlich attraktiv war, dass man sie »Liz Taylor der Opernwelt« nannte. Diese Diva stand an einem Samstag im Jahre 1974 ohne Vorankündigung vom Frühstückstisch auf und ließ sowohl ihren Ehemann als auch den Rest der Welt wissen, dass sie nie mehr singen werde. Und tatsächlich: Weder privat noch öffentlich hat je wieder ein Mensch ihre Singstimme vernommen. Berichten aus ihrem engsten Umfeld zufolge hat sie auch nie wieder ein Opernhaus betreten. Sie war damals 55 Jahre alt, unverbraucht an Stimme und Aussehen und im Besitz eines gut gefüllten Terminkalenders.
Ich könnte jetzt noch den Topmanager Daniel Goeudevert erwähnen, der seine hoch bezahlten Posten hinter sich ließ, um sich fortan nur noch der Aufklärung und Ausbildung Jüngerer zu widmen. Auch Mutter Teresa wäre ein überzeugendes Beispiel für eine Form des Loslassens, genauso wie Elvira S. oder Richard Schütz oder Bernhard Biegler oder …
Nach den Letztgenannten werden Sie in den Lexika der Welt vergeblich suchen, denn weder ihr Leben noch die Form ihres Loslassens war spektakulär. Frau S. leidet an Inkontinenz, Herr Schütz ist ein Obdachloser und Bernhard Biegler hatte einen Schlaganfall, dessen Folgen seine ganze Familie bis heute in sein Pflegeprogramm einbezieht.
Ich erzähle und erwähne diese mehr oder weniger bemerkenswerten Menschendramen nur deswegen, weil sie alle mit ein und demselben Thema zu tun haben: dem persönlichen Loslassprozess, der sich so individuell darstellt wie ein Fingerabdruck, der bei den einen unspektakulär und scheinbar nebensächlich abläuft, während die anderen ihre diesbezüglichen Klimmzüge mit Donnerhall und Unterstützung der Presse machen.
Das Spektrum ist riesengroß, die Auswahl der Möglichkeiten scheint unendlich und gestaltet sich schwierig und verwirrend. Trotzdem ist die Wahl notwendig und von der Bewusstseinsqualität des Wählenden abhängig.
Deswegen ist es ratsam, sich zunächst genau zu informieren, womit wir es hier denn eigentlich zu tun haben und was der Nutzen der ganzen Anstrengung sein könnte. »Falls es denn überhaupt einen gibt!«, ruft der Pessimist aus dem Hintergrund. »Der Weg ist das Ziel!«, schallt es leise von weit her …
2. KAPITEL
Was ist das - Loslassen?
Um Ihnen den Einstieg in das weite Land des Loslassens zu erleichtern, gebe ich Ihnen hier eine Liste von bedeutungsgleichen Begriffen, welche eine Ahnung von der unendlichen Größe des Themas in Ihnen wecken soll.
loslassen fallenlassen entlassen vergessen verzichten verzeihen abtöten abgeben vergeben weitergeben verschenken abtreten hinterlassen aufgeben kapitulieren abwerfen versenken freigeben erlösen lösen losreißen verlassen wegwerfen austauschen ersetzen entbinden eliminieren zertrennen ablösen zurücktreten überschreiben Abstand nehmen absegnen abschließen starten zusammenbrechen kündigen scheiden austreten entsagen ausscheiden aufbrechen sterben mäßigen hingeben übergeben auflösen zur Verfügung stellen vererben opfern vollstrecken ruinieren gebären Gewicht verlieren verstoßen abspringen auswandern erledigen abheften stürzen spendieren verschenken erkalten flüchten verteilen begraben beendigen verwirklichen weihen
Die Liste ist schon aus dem einfachen Grunde höchst unvollständig, weil ich alle reflexiven Verben (sich abfinden, sich pensionieren lassen etc.) nicht aufgeführt habe. Würden wir diese Liste in zwei Abteilungen spalten, kämen wir zu der Erkenntnis, dass es ein leichtes und ein schweres Loslassen gibt. Wobei die Freiwilligkeit im Ranking sicher eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich etwas zum Beispiel verschenke oder es zerstöre. Es kommt immer auf die Einstellung an, welche die Aktion begleitet. Wir haben immer die Wahl, ob wir mit Jammern und Zähneknirschen oder mit dem Lächeln der Erkenntnis handeln.
Sicher erwarten Sie, dass ich davon spreche, wie man die Dinge in und mit Liebe entlässt. Davon wird auch die Rede sein, aber in einer anderen Art und Weise, wie es üblich ist und Sie es vielleicht erwarten. Ich kann nur vermitteln, was meinem eigenen Erleben entspricht: das Loslassen in die Gleichgültigkeit. Damit ist absolut nicht das gemeint, was eine oberflächliche Zeit und ein unbewusster Sprachgebrauch aus diesem aussagekräftigen Wort gemacht haben, nämlich Desinteresse, sondern vielmehr jene wahre Gleichgültigkeit, welche die Gleichstellung von allem und jedem sich selbst gegenüber bedeutet, also die vollkommene Erfüllung des Auftrags: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sie werden es sicher längst am eigenen Leib und am eigenen Seelenkörper erfahren haben: Das Gleichgültige bereut man nie! Und es bereitet keine Schwierigkeiten. Und noch etwas ist es wert, bis zur vollkommenen Meisterschaft geübt zu werden: die verstandesmäßige Gleichgültigkeit.
Hier sind wir an einem Punkt angekommen, der absolut erklärungsbedürftig ist. Diese Gleichgültigkeit zu erreichen ist naturgemäß erst ab der Lebensmitte möglich - es sei denn, Sie haben Ihre Kindheit und Jugend in einem buddhistischen Kloster verbracht.
Bis zum 42. Lebensjahr heißt die Devise normalerweise: aufbauen, sammeln, wachsen, nehmen, ausleben und begehren. Aber spätestens dann beginnt der Herbst des Lebens, in dem sich die Lebenskräfte eigendynamisch in ihren Ursprung zurückinvestieren. Und es ist nicht mehr als logisch, dass sich derjenige, der seine Kräfte vorher mit Verstand und Bewusstsein verwaltet hat, mit der Rückgabe (Unkundige würden sagen: mit dem Abbau) leichter tun wird als jener, der gedankenlos dahingelebt hat.
Das heißt aber auch, dass alles, was in diesem Buch niedergeschrieben ist, für jüngere Leute eher eine eindringliche Empfehlung ist, während es für ältere fast schon eine mahnende Aufforderung darstellt. Die menschliche Seele hat ein tiefes Empfinden für Dinge, die sich altersgemäß anbieten oder eben nicht gehören, und das kollektive Empfinden reagiert sehr sensibel auf mehr oder weniger offensichtliche Verstöße und quittiert einschlägige »Gesetzesübertretungen« mit teilweise offen zur Schau gestellter Häme. Oder mit Neid. Bestes Beispiel: Hugh Hefner, der Playboy-Chef, oder auch gewisse altersresistente Berühmtheiten, deren überstraffe Gesichter und kunstvoll modellierte Körperformen das Gesetz des Rückzugs Lügen strafen wollen. Auch so manche gekrönten wie ungekrönten Familienvorstände, die ihren ruhmreichen Thron absolut nicht weitergeben wollen, leiden augenscheinlich unter einem Defizit an Loslassbereitschaft.
Den Jüngeren unter uns sei noch gesagt: Seid vorsichtig und wachsam, wen oder was ihr in euer Leben holt, denn es könnte an euch kleben bleiben wie Teer.
Doch wie wir wissen, will ein junger Expansionist (das Gegenteil vom abbauenden Pensionisten) solche Weisheiten überhaupt nicht hören, sondern lieber beweisen, dass die Welt ihm gehört und das Buffet unbeschränkt geöffnet ist. Die Sache hat nur einen nicht zu unterschätzenden Haken, nämlich die unsichtbaren Dos and Don’ts, die sehr genau vorschreiben, was geht und wovon die Finger besser zu lassen sind. Uhl und Nachtigall sitzen hier eng beieinander.
Das Trügerische an diesen schwer zu beurteilenden Vorgängen ist, dass die Schicksalsmächte den Früchtekorb der Möglichkeiten im ersten Drittel des Lebens, also bis etwa zum 28. Lebensjahr, fast uneingeschränkt zur Verfügung stellen, aber gern vergessen, den Begleitzettel zu präsentieren, auf dem stehen sollte: »Übernimm dich nicht, denn wenn der Korb leer ist, ist er leer und du musst mit dem auskommen, was du entnommen hast.«
Das Entnehmen von Schicksalsangeboten hat übrigens sehr viel mit Erziehung und Charakter zu tun. So wahllos (verfressen) und unbedacht die einen handeln, so vorsichtig und überlegt (qualitätsbewusst) zeigen sich die anderen. Viele dieser Fehlgriffe werden schon in den ersten zehn Jahren gemacht, meist unter dem Einfluss von Eltern und engen Bezugspersonen, die ihre Träume auf den Nachwuchs projizieren und hoffen, auf diese Weise doch noch die Verwirklichung zu erlangen, die sie selbst nie erreicht haben.
Denken Sie nur an all die Wunderkinder. Wen haben wir nicht alles im Kindesalter auf den Bühnen der Welt tanzen sehen und geigen, singen und Klavier spielen gehört! Und von was für großartigen Prophezeiungen waren diese Darbietungen oft begleitet! Doch wie sagte schon Großmeister Schiller so treffend: »Mit des Geschickes Mächten ist kein ew’ger Bund zu flechten.«
Aber wie vermeidet man dann Griffe in den Schicksalskorb, die einem das Leben schwer machen oder sogar das Rückgrat brechen? Wie entgeht man einem Windhorst-Crash? (Für alle, die ihn nicht kennen: Lars Windhorst war schon mit 16 Jahren ein Manager-Wunderkind, dessen schwindelerregende Karriere später mit einem Offenbarungseid endete.) Die klügste Antwort auf diese Frage wäre: »Lass die Finger von Dingen, die in diesem Leben nicht für dich vorgesehen sind!«
Auch wenn immer gern das Gegenteil behauptet wird: Das Buffet der unbegrenzten Möglichkeiten steht nicht jedem in gleichem Maße zur Verfügung. Und diese scheinbare Ungerechtigkeit hat bei jedem einen Grund und eine Vorgeschichte. Natürlich müssen Erfahrungen gesammelt werden und selbstverständlich werden und sollen es nicht nur positive sein. Doch wäre es nicht klug, von vorneherein auf vorhersehbar Negatives zu verzichten, also erst gar nicht zuzugreifen, um sich das spätere schmerzliche Loslassen zu ersparen?
Sage einem Hungrigen, der vor einem vollen Teller sitzt, er solle maßvoll essen …
Und doch sei denen, die sich trotz ihrer Jugend das spätere Loslassen erleichtern wollen, gesagt: Es zeigt sich schon in den ersten vierzehn Jahren sehr klar, »was geht« und wo sich automatisch ein Riegel vorschiebt. Vor zehn Jahren habe ich versucht, diese Bedingungen auch über einen numerologischen Symbolplan verständlich zu machen, der sich relativ einfach aus dem Geburtsdatum und dem Namen errechnen lässt. Ich dachte, damit könne man so manchem Suchenden den Lebensweg erleichtern. Ich dachte falsch.
Die menschliche Psyche weist nämlich einige bemerkenswerte Eigenheiten auf, die nur als Schutzmechanismen verstanden werden können: Mensch will nichts Negatives wissen und Mensch will keine Schwierigkeiten haben. Und: Mensch denkt, dass Unheil, Krankheit und Tod nur anderen widerfahren. Diese Denkweise fordert die Gegenbeweise des Schicksals geradezu heraus.
Bevor wir also mit dem Erforschen und Begreifen des Phänomens Verzicht beginnen - denn nichts anderes ist das Loslassen - wäre es gut, wenn Sie innerlich zu akzeptieren bereit wären, dass neben all dem Schönen und Erfreulichen in Ihrem Leben selbstverständlich auch Negatives und Schmerzliches eingeplant ist und dass Sie diesem Fakt lernfreudig gegenübertreten sollten. Und weiterhin: Akzeptieren Sie, dass Sie von Natur aus ängstlich sind und dass diese Eigenschaft sowohl ein Schutz als auch Ihr gutes Recht ist.
Angst ist eine kreative Kraft und eine gute Trainingsmöglichkeit, ähnlich einem dunklen Gewässer. Wenn Sie unerwartet hineinfallen und vor Schreck untergehen, sieht es sehr schlecht für Sie aus. Wenn Sie dagegen Ruhe und Besonnenheit bewahren, können Sie die Tiefe ausloten und werden selbst als Nichtschwimmer wahrscheinlich das Ufer erreichen.
Irgendwann werden Sie es leid sein, dieselbe Situation immer wieder zu erleben, und genug Erfahrung gesammelt haben, um mit dem Element Wasser/Angst umzugehen. Und wenn Sie hartnäckig genug sind und das Element Wasser/ Angst wirklich beherrschen lernen, werden Sie sogar Ihre Widerstandskräfte und Ihre Ausdauer darin trainieren können.
Die Voraussetzung für dieses Überlebenstraining ist, die Kunst der gleichgültigen, also angstlosen Hingabe zu erlernen, das Loslassen also auf eine Weise zu üben, die zu Ihnen und nur zu Ihnen passt. Das ist nicht einfach. Ich weiß …
Wir Menschenkinder haben nämlich einen Instinkt, der uns sagt, dass wir überleben müssen und dafür alles einsetzen können, was sich nur anbietet. Dieser Instinkt gibt - zumindest bis etwa zum 42. Lebensjahr - eine höchst eigenartige Grundinformation an die Psyche: Tod und Alter betreffen nur andere!
Erst ab dem magischen Zeitpunkt Lebensmitte dämmert es dem Bewusstsein, dass jeder Tag ein kleiner Abschied ist und dass die Erdanziehungskräfte niemanden verschonen, denn die täglichen Gegenbeweise sind dann längst unübersehbar. In Unkenntnis der Tatsache, dass jedes Hab und Gut nur eine Leihgabe ist und das letzte Hemd keine Taschen hat, lässt sich mancher noch ein bisschen mehr Zeit oder lernt es nie. Und so verwechseln wir »viel Sicherheit« gern mit »viel Besitz« und benehmen uns wie Eichhörnchen vor einem strengen Winter. Das Denkmuster der im Sommer sorglos tanzenden Grille, die im Winter bettelnd bei der fleißigen Ameise vorstellig werden muss, sitzt tief, wobei es in unseren Breitengraden gar nicht mehr um das Verhungern und Erfrieren im kalten Winter geht, sondern vielmehr um die Erhaltung von Luxus, der gern als »normaler Lebensstandard« bezeichnet wird.
Nur bei vergleichbar wenigen Menschen hat das Schicksal von Geburt an dafür gesorgt, dass ein Verständnis für die Vergänglichkeit praktisch »eingebaut« war und sie daher von Kindheit an ganz selbstverständlich mit dem Thema Verlust und Verzicht umgehen konnten. Vielleicht ging es Ihnen als Kind ähnlich wie mir. Ich habe lange geglaubt, alle Menschen brächten die gleichen Voraussetzungen mit, was ein verhängnisvoller Irrtum ist, und alle seien den gleichen Bedingungen unterworfen, was sich im Lauf der Zeit ebenfalls als eine Fehlinterpretation der Realität herausgestellt hat.
Beide Annahmen sind leicht zu widerlegen. Steckt man hundert Leute nur eine Woche lang in ein und dasselbe Trainingslager und unterwirft sie den absolut gleichen Bedingungen, wird man sehen, dass sich wie von selbst Rangordnungen bilden und dass sich aufgrund von Sympathien und Antipathien eine ganz spezielle Atmosphäre ergibt. Außerdem wird man zugeben müssen, dass die oben aufgestellte Behauptung schon daran scheitert, dass in unserem fiktiven Camp eben nur diese hundert ausgesuchten Leute Platz gefunden haben. Würde man den hundert Probanden nun auch noch die Selbstverwaltung zugestehen, wäre das Endergebnis nach sieben Tagen noch eindeutiger: Kein Mensch ist wie der andere, und so etwas wie ein identisches Schicksal gibt es nicht, auch wenn es auf den ersten Blick oft so aussieht.
Nicht einmal äußerlich sind sich alle Menschen gleich, wie man an ihren verschiedenen Hautfarben und körperlichen Eigenheiten leicht sehen kann. Ist es da nicht seltsam, dass der Spruch von der Gleichheit der Menschen so verbreitet ist, während jeder Erdenbürger gleichzeitig betont Wert darauf legt, unverwechselbar und einmalig zu sein? Worauf bezieht sich dann dieser Gleichheitsanspruch? Auf die Behandlung durch andere oder gar auf die Rechtsprechung?
Wir wollen die Dinge wenigstens auf den Seiten dieses Buches beim Namen nennen, denn sonst wäre ich versucht, Ihnen die üblichen, ganz gewöhnlichen Ratschläge anzubieten, ohne den Spielraum zu berücksichtigen, den Sie als Individuum verdient haben. Sie sind skeptisch? Dann lesen Sie ein paar der beliebten Sprüche, in denen sich das Dilemma sehr deutlich widerspiegelt:
Alle Menschen sind gleich. Der Mensch ist ein Herdentier. Der Mensch ist und bleibt allein. Nur gemeinsam sind wir stark. Nur einer kann der Sieger sein.
Denkt man wirklich ernsthaft nach, kommt man an einen Punkt, an dem man verzweifeln könnte. Oder man ist dankbar, emotional gebremste Lehrer zu haben, die einem helfen, das Dilemma zu klären. Anthony Kinsella, mein Lieblingslehrer, konnte das perfekt. »Listen, dear …«, begann er immer. »Hör mal, du benutzt einen Körper, der sich über die Tierwelt entwickelt hat, bis er so weit war, dass du, das ursprüngliche Geistwesen, ihn in der Weise verwenden konntest, wie du es heute tust. Du hast also dein eigenes System einem fremden System aufgepfropft und erwartest nun, dass es seine Urerinnerungen, Instinkte und Bedürfnisse ablegt?«
Aha, dachte ich, da sind wir also alle in ein irdisches Fahrwerk eingestiegen, das wir
a. wahrscheinlich total unter- oder überschätzen,
b. jahrtausendelang falsch verwendet haben und
c. momentan im Begriff sind, für immer irreparabel zu ruinieren.
»Change the use!«, würde Anthony sagen. »Ändere dein Verwendungsverhalten.« Vielleicht würde er sogar sagen: »Lass los!« Aber ich weiß, dass er diesen Begriff in seinem Vokabular nicht führt. Er denkt anders, denn er wurde mit dem SV-Gen, dem Gen des selbstverständlichen Verzichtsbewusstseins geboren.
Denken Sie nun bitte nicht, diese genetische Konstellation sei eine Auszeichnung, ein Attribut des Erleuchteten. Nein, es handelt sich einfach um eine Veranlagung, eine geistige Eigenart, welche diese spezielle, jedem Menschen zugängliche Kammer des Bewusstseins öffnet. Wie der Mensch diese Bewusstseinskammer anschließend nutzt, bleibt seinem eigenen Gutdünken überlassen. Auch Sie könnten diesen Raum jederzeit betreten, aber das Resttierchen in Ihnen sagt, dass Sie dann möglicherweise hungern und frieren werden oder dass Ihre Herde, ohne die Sie dem Verderben ausgeliefert sind, ohne Sie weiterzieht und dann keiner da sein wird, der Ihr nächtliches Lager wärmt.
Ihr Höheres Ich wird, je nach Pflege und Beachtung, gegen diese Suggestion antreten und Ihnen zuflüstern, dass Sie mutig und stark sein sollen und dass diese Loslösung Sie in Ihrer Entwicklung einen gewaltigen Schritt weiterbringen wird. Doch die Programmierung Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück wirkt in Ihrem Bewusstsein wie ein Implantat und lässt Ihre Bedenken zu riesigen Dinosauriern anwachsen. »Es gibt ja so viel zu verlieren«, flüstert eine Stimme, »deine Sicherheit, deine Stellung, deinen Ruf, deine Freunde, dein Einkommen.«
Und da Ihnen das bereits Erlebte und in Ihrem Gedächtnis Abgespeicherte näher, also sicherer zu sein scheint als die (noch) unbeweisbaren Bilder der Zukunft, halten Sie lieber an Verbrauchtem fest, als sich an eine Neuschöpfung Ihres Lebensfilms zu wagen.
Hören Sie diese zweifelnde innere Stimme, die Ihnen sagt: »Sei zufrieden mit dem, was du bist und dir ohne Risiko verschaffen kannst, und mit dem, was du weißt, lebst und was dich umgibt!« Es kommt nichts Besseres nach - ist übrigens das Lieblingssprichwort der Chimären der Vergangenheit.
Und stellen Sie sich vor: Diese trügerischen Wesen haben vollkommen recht, und zwar aus ihrer veralteten Sicht, die alles nur nach der Summe der bisherigen Bilder und Erfahrungen
Ansata Verlag
Ansata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.
eISBN : 978-3-641-04749-8
Erste Auflage 2010
Copyright © 2010 by Ansata Verlag, München, in der
Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte sind vorbehalten.
Gesetzt aus der Bembo von EDV-Fotosatz Huber/ Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
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