Lausdirndlgeschichten - Lena Christ - E-Book

Lausdirndlgeschichten E-Book

Lena Christ

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Beschreibung

Mit Leib und Seele daheim war Lena Christ in der bäuerlichen Welt ihrer geliebten Glonner Großeltern. Ein richtig wildes Lausdirndl war sie gewesen, das sich mit dem Schlosserflorian und dem Neuwirtshubertl zur - natürlich unerlaubten - Obstlese traf und beim Femgericht den Henker spielte. Sie half den Hennen beim Eierlegen und sorgte nach einer schändlichen Leichenrede des Herrn Pfarrer für ausgleichende Gerechtigkeit. Und auch als sie mit sieben Jahren zur Mutter nach München kam, war sie nie um einen Einfall verlegen. Doch die Unbeschwertheit der frühen Jahre kehrte nicht mehr zurück.

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Allitera Verlag

edition monacensia Herausgeber: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Dr. Elisabeth Tworek

Von Lena Christ sind in der edition monacensia bisher erschienen:

Liebesgeschichten Madam Bäuerin. Roman Mathias Bichler. Roman

Lena Christ

Lausdirndlgeschichten

Erzählungen

Allitera Verlag

Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de

Juli 2012 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2012 für diese Ausgabe: Landeshauptstadt München/Kulturreferat Münchner Stadtbibliothek Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Leitung: Dr. Elisabeth Tworek und Buch&media GmbH, München Redaktion: Sarah Laugwitz / Dietlind Pedarnig Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink nach dem Bild eines unbekannten Malers Printed in Germany · ISBN 978-3-86906-308-9

Inhalt

Die Blutegel

In der Spinnstuben

Die Feuersbrunst

Beim Weber

Der Bettelsack

Die Obstlese

Das Verbrechen

Ich bin wieder da

Der verlorene Sohn

Die Frau Bas

Das Femgericht

Das gute Geschäft

Die ganze Sippschaft

Die Gabler Minna

Die Familienfeier

Wo ist mein Vater?

Editorische Notiz

Kleiner bairischer Dialektspiegel

Die Blutegel

Unser Nachbar, der Bader Gschwandler, hat eine besondere Art gehabt.

Nicht bloß im Rasieren und Zahnreißen, sondern auch im Leutkurieren.

Für das höllisch Feuer hat er helfen können und auch für die Gicht; das Herzklopfen hat er vertrieben und die Hitz im Kopf, und was sonst einen gezwickt oder gedrückt hat.

Und für allen Wehdam und Gebresten hat er nur ein Mittel gehabt.

Das war das Egelsetzen.

Dazu braucht man den Blutegel.

Wenn also ein Bauer zu ihm gekommen ist und hat gesagt: »Gschwandler, geh, helf ma für mei reißats Geblüat!« da hat der Gschwandler gesagt: »Dös wern ma glei habn.«

Und hat eins von den fünf Gläsern vom Wandbrett herunter und hat es aufgebunden.

Dann hat er gesagt: »Wo reißts di denn am ürgsten?«

»Ja mei, überalln!«

»Soo! Wern ma ‘s glei habn. Ziag dei Joppn ab und dei Hemad!«

Dann hat er ihn auf den großen Badersessel niederdruckt und hat ins Glas gegriffen und hat dem Kranken ein etlichs Paar Egel an den Buckel gehängt und ein paar an den Arm.

Und dann war der Bauer wieder gesund.

Der Gschwandlerfranzl ist mein Freund gewesen; drum bin ich oft dabei gewesen in der Baderstuben.

Da hab ich alles gesehen: wie man die Blutegel überall anlegt, sogar ins Maul, wann einem die Zähnt schwärig sind.

Unser Kalb, das Mickerl, hat drei Tag nimmer gefressen gehabt.

Da hat der Großvater gesagt: »Jatz derf i schaugn, daß ma ‘s der Huaberwirt abkaaft, sinst werds ma gar no süchti aa, dös Viech, dös hoarlos!«

Da hab ich an den Gschwandler gedacht und an das Mittel.

Am Nachmittag hat die Großmutter den Besenstiel genommen und hat in den Stall geschrien: »Was blökst denn allewei, Luaderviech, damischs?«

Denn das Kalb hat furchtbar geblökt und geschrien.

Da hat der Großvater gesagt: »Ah was! Jatz weis i ‘s gschwindse füre zum Huaberwirt, jatz mag i ‘s nimmer ohörn, dös Getua. Ma woaß do net, wia sa si auswachst, dö Gschicht.«

Drauf hat ers beim Strick genommen und hats aus dem Stall.

»Ja, Himmikreizdürken! … Was is denn jatz dös! Lauter Würm! … Ja meiner Seel! …«

Ich bin gelaufen, was ich können hab, zum Soalerbrünnl. In dem Graben dahinter gibt es viele Roßegel.

Da hab ich das Glas vom Bader schnell vollgeklaubt und dann hab ich es zugebunden und hab es beim Gschwandler unter die Hausbank gestellt, und der Gschwandlerfranzl hats schnell hinein aufs Wandbrett, weil er halt mein Freund ist.

Dann bin ich hinten herum wieder heim und hab mich in mein Bett gelegt.

Unsere Schlafkammer ist über der Wohnstube.

Unter meiner Bettstatt ist eine Luke; diese wird abends immer aufgemacht, daß die Schlafkammer auch warm wird.

Die hab ich aufgemacht und hab gehorcht.

Die Großmutter hat gejammert: »Naa, so a Kreiz! Koa Mensch is ‘s gwen, wia d’ Lena! Jessas, Jessas! Zwoarazwanzg Bluategel! Wo hat s’ as nur herghabt! Gwiß vom Gschwandler!«

Da hat der Großvater gesagt: »D’ Lena moanst, Muatter? Dös ko net sein. An Gschwandler geht nix ab vo seine Egel; i habn selm gfragt.«

‘s Mickerl aber hat wieder gefressen.

In der Spinnstuben

Im Winter gehn die Weiberleut bei uns zum Spinnen. Halt zu der Freundschaft, in die Brechstuben, sagt man.

Da geht es lustig zu.

Bei meiner Großmutter ist auch Brechstuben gewesen.

Da ist es nicht zugegangen.

Aber es ist doch lustig gewesen.

Da ist die Huberwirtsmarie mit dem Spinnradl und mit dem Schusterpauli zu uns gekommen. Und die Marie hat sich auf das Kanapee gesetzt, und der Pauli hat sich auch hingesetzt.

Dann ist es angegangen.

Die Spinnradln haben geschnurrt, und der Großvater hat Spähne geschnitzt, und ich bin unter dem Kanapee gelegen.

Da hab ich gesehen, daß dem Schusterpauli sein Stiefel die ganze Zeit auf der Huberwirtsmarie ihrem Hausschuh umeinandergetreten ist.

Da hab ich mich umgeschaut.

Neben dem Kanapee unter dem Ofen steht die Schachtel mit den Zuckerschnüren.

Der Pauli hat grad zu der Marie gesagt: »Also, Marei, was is ‘s nachher?«

Da hat die Marie gelacht, und der Stiefel hat wieder furchtbar auf dem Hausschuh herumgetan.

Jetzt ist es gegangen, und ich hab fünfmal geknüpft.

Dann bin ich hinaus.

Die Großmutter hat grade gefragt: »Wia is na dös, Marie, derfs dei Vater aa wissn zwegn an Pauli?«

»Jaja, der woaß ‘s a so scho«, hat die Marie gesagt.

Auf einmal bin ich wieder in die Stuben und hab geschrien: »Großmuatter, der Huaberwirt kimmt!«

»Mariand Joseph! Gfeit is ‘s!« hat da die Marie geschrien und ist auf und hat in die Kuchel wollen, und der Pauli ist in die Höh und hat in die Kammer wollen.

Aber es ist nicht mehr gegangen.

Das Spinnradl ist am Boden gelegen und war kaput, und die Marie ist mit dem Ellenbogen in das Speibtrücherl und der Pauli mit der Nasen ans Tischeck.

Da hat die Großmutter gesagt: »Was ferchst di denn a so, Marie? I hab gmoant, dein Vatern is ‘s recht zwegn an Pauli?«

Da sind sie nicht mehr in die Brechstuben gekommen.

Jetzt war nur noch die alte Sailerin bei uns.

Von der hat man gesagt: sie ist eine Hex.

Die hat alles gewußt:

Daß die Schmiedin zum Advikaten ist zwegn dem Bachmaurer, weil er ihr in Roa einigackert hat, und daß die Wagnerlies z’ Münka drin schon wieder ein Kind hat, und daß sich bei der Schwaigerin von Balkham schon wieder was angemeldt hätt; es wird leicht jetzt der andre Sohn auch noch sterben an dieser Sucht.

»Was hat eahna denn eigentli gfehlt?« hat die Großmutter gefragt.

»Was werd eahna gfehlt habn! Den alten Schwaiger hat am Sunnta ‘s Paralyß troffa, daß er no die nämli Nacht gstorbn is. Und wia er den zwoatn Tag so daliegt, da hat er auf amal d’ Händ falln lassn und hats Totenliacht abigschlagn. Die oan ham gmoant, er is wieder lebendi; aber i habs glei gwißt, der holt si oans nachi, da hat sie ebbs ogmeldt. – Richti: am Freita bringa s’ an Anderl hoam als a Toter. Der Dokta sagt: ‘s Paralyß. No und gestern z’ Mittag fallt mittn drin der große Spiagl oba vo der Mauer, und wia der Michel nachschaugt, siecht er, daß der Nagel ganz grecht sitzt und der Spiaglschraufa aa. – Also hat si wieder ebbs ogmeldt!«

Wie die Großmutter an dem Tag auf d’ Nacht ins Bett hat wollen, hätt sie bald auch ‘s Paralyß getroffen.

In der Schlafstuben sind alle Heiligen samt dem Wandherrgott am Boden gelegen, und die Wiege vom Bapistei ist leer gewesen, und die Blumenstöck sind alle in der Großmutter ihrem Bett gestanden.

Im Kleiderkasten hat es furchtbar gepumpert und gepfiffen, und der Bapistei ist im Backtrog unterm Tisch gelegen und hat gewimmert.

Da hat die Großmutter das Kreuz gemacht und hat die Sterbkerzen angezündet und hat gesagt: »Gott steh mir bei! D’ Soalerin is do a Hex!«

Da hat der Großvater den Kleiderkasten aufgemacht und hat die Katz heraus und den Bapistei wieder in die Wiegen und hat geschmunzelt und gesagt: »Muatter, i glaab, du muaßts Haus ausräuchern. Dö Hex steckt no in der Kammer herin.«

Die Feuersbrunst

Der Besenbinderhansl, der alt Lump, hat in der Johanninacht beim Lorenzenbauern den Stadel angezündet.

Dann hats gebrannt.

Da hat man die Sturmglocken geläutet, und die Feuerwehr hat ihre Leut gesucht.

Und die Frau Bürgermeister hat den Schlüssel nicht gefunden vom Feuerhaus, und dann hat der Schlauch ein Loch gehabt.

Da ist der Lorenzenbauer abgebrannt.

Das ganze Dorf hat gelöscht; mein Großvater auch.

Aber er ist doch abgebrannt.

Meine Großmutter ist daheim geblieben in der Schlafkammer. Da hat sie ein geweihtes Wachs aus dem Kommodkasten, ein rotes, von unserer lieben Frau zu Altenötting.

Das hat sie angezündet.

Über dem Bett hängt das Sterbkreuz und der Rosenkranz. Das Sterbkreuz hat sie auf den Kommodkasten hingelegt, und den Rosenkranz hat sie um die Hand gewickelt.

Dann hat sie gebetet: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort, dies war im Anfange bei Gott …«

Dieses Gebet betet man immer, wenn es blitzt oder brennt.

Aber er ist doch ganz abgebrannt.

Dann ist der Großvater heimgekommen, und die Großmutter hat gefragt: »Is ‘s weit gfehlt, Vater?«

»Ja ‘s ganz Ghöft is dahi!«

Dabei hat er sich den Schweiß von dem rußigen Gesicht abgewischt.

»Unser liaber Herr! Is do neamd verbrunna?«

»Oa Kuah und zwo Kaibln. An Lorenzen sei Jackl war aa bald hin gwen, wia ers Viech abghängt hat und hats außatriebn aus dem brinnatn Stall.«

»… Mariand Joseph, Vata! Zwo Kaibln, sagst, und a Kuah aa no! Ja so an Unglück!«

Dann sind sie ins Bett.

Ich habe mich tief unter meine Zudeck verschlossen und habe die ganze Nacht an die Kuah und die zwo Kaibln denken müssen.

Am andern Tag auf d’ Nacht nach der Suppen ist der Großvater hinaus nach dem Stall.

Das hat er jeden Tag auf d’ Nacht nach der Suppen getan.

Da hat er das Weichbrunnkrügl vom Millikastl herunter und hat den ganzen Stall und die Ochsen und die Küh und die Hennen und den Gockel angespritzt und hat gesagt: »Inser liaber Herr und Heiland Jesus Christ bewahr enk, daß koa Unglück net gschicht!«

Das war der Segen.

An diesem Abend hat er ihn auch sagen wollen, diesen Segen, aber es ist nicht mehr gegangen.

Denn wie er hinauskommt in den Hausflöz, das ist der Hausgang, da ist ihm das Weichbrunnkrügl aus der Hand gefallen.

Unser Ochs, der Blaßl, ist am Fenster gestanden und hat der Großmutter ihre Geraniumstöcke abgefressen.

Und auf dem weißen Boden sind ein paar braune Fladen gelegen.

Und der Stall war leer.

Die Kühe sind in der Tenne gewesen und haben den frischen Klee vom Heuwagen herunter und haben schon ganz dicke Bäuche gehabt.

Da hat mein Großvater das Kreuz gemacht und ist zu der Großmutter gelaufen.

Aber die Großmutter hat auch nichts gewußt.

»Ja, Himmi, Herrgott! A so a Narretei! Freili hast es du to, Muatter! So ebbs damischs konnst grad du orichtn!« hat der Großvater geschimpft.

»Waas? … Wer! … Geh, Vata, wia wer i denn! Dös hast scho selm to!«

»Ja, was net gar! … I! … Jatz red do net gar so saudumm daher.«

»Ach! Sei stad! Dös woaß ma eh scho, daß allewei i alloani alles to habn muaß!«

»Ja no, na woaß i ‘s aa net! Na wern sa si scho selm abghängt habn!«

Ich bin auf der Hühnersteigen gesessen.

Jetzt bin ich herunter.

»Ja, herrschaft! Großvata! Was greinst denn a so? Woaßt es leicht nimmer, was heunt Nacht gwen is! Bals jatz bei ins aa brinna tat, na kunnt ma wenigstens insane Küah …«

Das andere hab ich nicht mehr gesagt.

Ich bin gelaufen, so weit ich gekonnt hab, sonst hätt ich das Weichbrunnkrügl gewiß droben gehabt am Buckel.

Und das wäre doch eine rechte Sünd gewesen.

Beim Weber

Am Sonntag hat mancher einen Rausch. Aber der Ropfer hat alle Tag einen gehabt, auch am Werchtag.

Der Herr Pfarrer hat ihm viel Worte gegeben, gute und schlechte; aber der Ropfer hat gesagt: »Den brauch i, den muaß i habn, mein Rausch.«

Da ist es halt so geblieben.

Der Ropfer, das ist unser Weber.