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Die Liebe in den Werken von Lena Christ ist keine romantische Angelegenheit. Sie ist ergreifend in den "Erinnerungen einer Überflüssigen", wehmütig bei "Mathias Bichler", spannend bei der "Rumplhanni" und äußerst deftig bei den Erzählungen aus "Bauern". Die beiden Münchner Schauspielerinnen Monika Manz und Sarah Camp haben sich quer durch das Werk von Lena Christ gelesen und die beeindruckensten "Liebesgeschichten" der sprachgewaltigen bayerischen Dichterin zu einem Sammelband zusammengestellt. Herausgekommen ist ein Kaleidoskop der Liebe - aufwühlend und anrührend. Ein wahrer Genuss sowohl für Lena Christ-Kenner als auch für Leser, die sich mit dem Werk der Autorin erst vertraut machen wollen. In der edition pro art ist 2004 ein Hörbuch mit diesen Geschichten erschienen.
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Seitenzahl: 139
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Allitera Verlag
edition monacensia Herausgeber: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Dr. Elisabeth Tworek
Von Lena Christ sind in der edition monacensia bisher erschienen:
Mathias Bichler. Roman Lausdirndlgeschichten. Erzählungen Madam Bäuerin. Roman
Lena Christ
Liebesgeschichten
Mit einem Nachwort von Asta Scheib
Allitera Verlag
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de
Dieses Buch enthält Texte aus den bekanntesten Werken Lena Christs. Die Auszüge »Brautschau«, »Fensterln am Hof«, »Alte Liebe rostet nicht«, »Welt der Wunder« und »Liebe versetzt Berge« wurden nur hier mit diesen Namen versehen – ursprünglich sind sie Teil einer durchgehenden Romanhandlung.
Juli 2012 Allitera Verlag Ein Books on Demand-Verlag der Buch&media GmbH, München © 2012 für diese Ausgabe: Landeshauptstadt München/Kulturreferat Münchner Stadtbibliothek Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek Leitung: Dr. Elisabeth Tworek und Buch&media GmbH, München Lektorat: Heidi Keller Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Spreeau, unter Verwendung einer Zeichnung von August Günther Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany · ISBN 978-3-86906-309-6
Inhalt
Brautschau
Lieb und Tod
Fensterln am Hof
Die Scheidung
Die Hochzeiterinnen
Alte Liebe rostet nicht
Welt der Wunder
Liebe versetzt Berge
Nachwort
Inhalt der Werke
Brautschau
Inzwischen war ich eine ganz stattliche Dirn geworden und betrachtete gar manches Mal mein Spiegelbild mit geheimem Wohlgefallen. Meine Mutter hatte mir für den Sommer eigene Wirtschaftskleider aus feinem, blauem Mousseline anfertigen lassen, und da ich selbst viel auf einen guten Anzug hielt, hatte ich bei der Schneiderin Matrosenform mit weißen Batistkrägen und kurzen Ärmeln bestellt. Dazu trug ich weiße Spitzenschürzen, darüber eine weite Leinenschürze zur Küchenarbeit und um den Hals eine Kette aus Korallen. Mein reiches, blondes Haar hatte ich zierlich geflochten und als Krone aufgesteckt; in die Stirn hingen ein paar natürlich aussehende, wirre Löckchen, die ich jedoch jeden Abend mittels einer Haarnadel kunstvoll wickelte. Außerdem trug ich nur Lackschuhe; denn mein Stiefvater besorgte mir deren alle Vierteljahr ein Paar bei einem alten Schuhmacher, dem Revolutionsschuster, so genannt, weil er als übereifriger Anhänger des Anarchismus alle Tage aufs neue für die allernächste Zeit den Ausbruch der grimmigen Revolution und eines Bürgerkrieges prophezeite, so daß ich glaube, der Vater kaufte die vielen Schuhe nur, um zu verhindern, daß die Revolution in seinem Lokale ausbräche.
Doch hätte mein Vater dies nicht so zu befürchten gehabt wie den Ausbruch eines Freierkrieges; denn meine muntere, geschäftige Natur in Verbindung mit der lockenden Aussicht auf eine ansehnliche Mitgift hatte nicht nur die Herzen etlicher junger Bürgerssöhne betört, sondern auch bei ein paar betagteren Leuten einiges Unheil angerichtet.
Da war erstlich ein etwa fünfundzwanzigjähriger, bildsauberer Drechsler aus Traunstein, der Ehrenthaler Franzl. […] Dann war ein alter Briefträger, der Barmbichler Xaver, dem das Stiegensteigen nicht mehr recht gefiel und den auch das Zipperlein schon in allen Gliedern zwickte; der wollte sich jetzt pensionieren lassen und dann mit mir und meinem Heiratsgut ein beschauliches Leben führen, auf das ich aber verzichtete und mir einen andern Bewerber, den etwa vierundzwanzigjährigen Bräumeisterssohn Aloys Kapfer, etwas genauer ansah. Da fand ich, daß er trank, viel trank […] und meinte, es sei besser, mich um einen einfachen Handwerksmeister umzuschauen. Der war auch da in Gestalt eines dreißigjährigen Schlossermeisters aus meinem Heimatdorf; es war der Schwaiger Lenz, ein Vetter vom Schlosserflorian. Er hatte vor einem Vierteljahr seine Frau verloren und wollte mich als sein riegelsames Weib und als liebe Mutter für seine verwaisten drei Kinder heimholen. […]
Nun trat dessen Nachbar, der Schneidermeisterssohn Kaspar Zintl, mehr ins Licht und meinte, er wolle mit mir nach Paris und London reisen, wenn ich seine Frau würde, und wolle mir die ganze weite Welt zeigen. […] Konnte mich aber nicht dazu entschließen und bedachte lieber den Antrag des Prucker Toni, eines stattlichen Hausbesitzerssohnes aus der Nachbarschaft, der es trotz seiner jungen Jahre schon bis zum Eisenbahnexpeditor gebracht hatte. Da er aber ebenso grob als energisch war, fürchtete ich, nichts zu gewinnen, wenn ich das Haus meiner Mutter mit dem seinen vertauschte. Da gefiel mir der sanfte und allzeit zuvorkommende dreißigjährige Hausbesitzer Hans Wipplinger, der sich leidenschaftlich um meine Hand bewarb, schon besser. […]
Als der bereits sechzigjährige Realitätenbesitzer und Tändler Simon Lampl hörte, daß ich diesen Antrag ausgeschlagen hatte, erschien er eines Tages in einem altmodischen, grünschillernden Gehrock und Zylinderhut, um den Hals eine riesige, ehedem weiße Binde und im Knopfloch die Ehrenzeichen des Feldzuges von 1870, und hielt feierlich um meine Hand an. […]
Aufgemuntert durch meine abschlägige Antwort auf den Antrag dieses Alten wagte noch am selben Abend der blutjunge Hafnermeister Edmund Sack, dem kurz nacheinander Vater und Mutter gestorben waren, mir in einem anschaulichen Brief Herz und Hand anzubieten; doch kannte ich ihn viel zu wenig, um ihm meine Zukunft anzuvertrauen, und dann hatte ich eine ausgesprochene Abneigung gegen diese Loahmpatzer, die Ofensetzer. Da war das edle Handwerk der Bäcker doch appetitlicher, und ich hörte ganz erbaut auf die salbungsvollen Worte des achtundfünfzigjährigen Feinbäckers und Melbers Kanisius Dumler, mit denen er mich zur Herrin über sein Haus und seine Guglhopfe und Zuckerbretzln erkiesen wollte. […] Doch besaß er einen schon zwanzigjährigen Sohn, der eben seine Militärzeit als Freiwilliger abdiente. Dieser Sohn aber, der Ferdl, ein fescher Bursch und großer Tunichtgut, war nun die Ursache, daß ich dem Alten meine Hand versagte; denn ich sah den Jungen nicht ungern. Von seiner Ausgelassenheit und den übermütigen Streichen, die man ihm nachsagte, konnte ich nichts bemerken; vielmehr war er immer der bescheidenste unter meinen Freiern geblieben. Stundenlang saß er da und starrte mich wortlos und wie in Verzückung an, trank dabei seine zwölf bis fünfzehn Glas Bier und schien außer mir nichts mehr zu hören und zu sehen. Ja, er übersah und überhörte regelmäßig die Stunde, da er in der Kaserne hätte eintreffen sollen; und so kam es, daß er eine Arreststrafe um die andere meinethalben abzubüßen hatte. Schließlich bekam er eine ganze Woche Mittelarrest zudiktiert, und während er in der Kaserne brummte, fuhr eines Abends, da ich eben in der Schenke beschäftigt war, vor unserm Hause ein Wagen vor, dem ein sehr sorgfältig gekleideter junger Mann, mit einem großen Strauß Veilchen in der Hand, entstieg. Er trat in die Wirtsküche, und ehe ich mich noch von meinem Erstaunen erholt hatte, hörte ich schon die Mutter in die Gaststube rufen: »Josef, geh, komm a bißl raus!«, worauf die drei eifrig miteinander verhandelten.
Nach einer Weile kam der Vater zu mir in die Schenke und sagte unter öfterem Räuspern: »Was i sagn will, Leni, der Hasler Benno is draußn und hat g’sagt, daß er di heiratn möcht; du sollst dein Ausspruch toa, wiast g’sonna bist. Jatz, vo mir aus ko’st es macha, wiast magst; i red dir nix ei und rat dir net ab!«
Ich zählte noch die eben begonnene Rolle Geldes fertig, rechnete mit der Kellnerin ab und schenkte noch etliche Glas Bier ein, mich sorglich zusammennehmend, daß die Hand nicht zittere oder sonst eine Bewegung über mich Herr würde. Dann ging ich, ohne dem Vater zu antworten, in die Küche, wo der stattliche Bewerber sich sehr lebhaft mit der Mutter unterhielt. Als er mich sah, sprang er von seinem Sitz, einem rohen, blankgescheuerten Holzstuhl, auf, reichte mir die Hand und begann: »Liabs Fräuln Leni, ich hab Sie lang beobacht und hab g’funden, daß bloß Sie mi glücklich machen können. Wenn’s Ihnen also recht ist, heiraten wir; Ihre Eltern haben mich nicht abgewiesen.«
Da ich nichts darauf erwiderte, fuhr er fort, indem er mir den Strauß gab: »Ich mein’s ehrlich mit Ihnen, Fräuln Leni; ich hab’s nicht nötig, nach Geld zu schauen, ich heirat aus Liebe. Nehmen S’ halt meine Lieb auch freundlich an, wie die Blümerl, und sagen S’ ja!«
Bei diesen letzten Worten hatte er mich wieder an der Hand gefaßt und sah mich bittend an; dennoch antwortete ich zögernd und leise nur: »I will ma’s überlegn; dös ko ma net so auf’n Augenblick sagn, ob ma oan gern habn ko oder net!«
»Ja, bedenken Sie’s noch, liebs Lenerl; Sie brauchn’s nicht zu bereuen! Ich bin der einzige Sohn, erb einmal das Haus mitsamt dem ganzen Holzg’schäft und vorläufig hab ich mein gutes Einkommen als Prokurist des alten, feinen Hauses Protus Stuhlberger. Wenn Sie sich b’sonnen haben und einschlagen wollen in mei Hand, so können wir bald Hochzeit machen!«
Meine Mutter hatte schon während der Rede des Freiers wiederholt das Taschentuch an die Augen gedrückt und sich umständlich geschneuzt; jetzt aber zog sie mich laut aufschluchzend an ihre Brust und rief aus: »So a Glück, ha, so a Glück! I gunn dir’s von Herzn, Deandl; bist ja so a richtigs und ordentlichs Madl und konnst’n glückli macha, den liabn Herrn Hasler!«
Dann schob sie mich von sich und drückte mich ganz fest an die Schulter des freudig Überraschten, der sofort die Arme ausbreitete und mich zärtlich umfing. Dann bedankte er sich noch mit wohlgesetzten Worten bei der Mutter und trat in die Gaststube, die Verlobung bei einer Flasche Wein zu feiern. […]
Inzwischen waren immer noch mehr Gäste gekommen und der Andrang so groß geworden, daß die Leute in dem großen Hausgang Tische und Stühle aufstellten und etliche sogar auf der Stiege sich niederließen. Es war fürchterlich heiß und ein solcher Lärm im Lokal, daß ich es kaum noch aushielt. Ich trank in der Hitze viel Champagner und nickte nur mechanisch denen zu, die kamen, mich zu begrüßen und zu beglückwünschen. Dabei ward mir immer elender zumut, und mit einem Male drehte sich alles vor meinen Augen, und ich fiel unter den Stuhl. Man brachte mich hinaus in den Hof, wo ich alles, was man mir zur Hilfe reichen wollte, von mir warf: ein Glas mit Magenbitter, eine Tasse voll schwarzen Kaffees und ein Stück Zucker mit Hoffmannstropfen. Dann entledigte ich mich noch alles dessen, was meinem Magen zu viel schien, und verlangte schließlich unter furchtbarem Weinen ins Bett. […]
Ich packte nun meine Hochzeitsgeschenke alle auf einen Haufen zusammen, […] nahm alle Blumen, die man mir am Morgen gegeben hatte, und sagte den Verwandten und Bekannten Dank für ihr Kommen und verabschiedete mich von allen. […]
Derweilen kam der Benno mit dem Wagen, und nach nochmaligem, umständlichem Abschied von meinen Eltern […] fuhren wir drei fort.
In unserer Wohnung angekommen, gab es sogleich eine kleine Auseinandersetzung der Frau Hasler mit ihrem Sohn; denn während er alle Lichter anzündete, die er fand, schürte sie rasch den Ofen des Wohnzimmers an und begann dann, mir den Schleier und Kranz abzunehmen. Sie war fast damit fertig und ich mittlerweile auf dem Stuhl beinah eingeschlafen, während sie mit halblauter Stimme mir allerhand freundliche, gütige Worte sagte, als mein Mann dazukam und rief: »Was fallt dir denn ei, Muatta! Dös is mei Arbat, mei Frau ausz’ziagn!«
»Schrei net so grob, du Wüaster! Dei alte Muatta werd wohl so viel Ehr wert sei, daß s’ ihrana Schwiegertochter beim Ausziagn helfn derf!«
»Naa, sag i, dös leid i net!« schrie da der Benno und entriß ihr den Brautkranz, den sie mir eben vom Kopf genommen hatte. »I ziag mei Frau scho selber aus, und überhaupts hast du jatz nix mehr z’ tuan da herobn; i brauch di nimma!«
Da begann die alte Frau bitter zu weinen über die Grobheit ihres Sohnes und sank fassungslos auf einen Sessel. Ich empfand tiefes Mitleid mit ihr und nahm ihren Kopf in meine Hände und sagte: »Sei do stad, Muatterl! Der Benno moant’s net a so; der hat halt heunt an Rausch!«
Aber sie war nicht zu trösten: »Wie werd’s dir geh, arms Kind, bei dem Rüapel!« rief sie aus und sprang dann plötzlich auf und stellte sich mit funkelnden Augen vor meinen Gatten: »Dös sag i dir: daß d’ ma s’ schonst, dei Frau; sonst, bei Gott, is g’fehlt, wannst es machst wia …!«
Mitten im Satz brach sie ab und trat zur Seite, doch hatte das Ganze einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, und ich ging nochmals zu ihr hin und sagte: »Muatterl, reg di net auf! Mach mir mein Rock auf, und nachher tuast schlaffa geh. I komm morgn früah scho nunter zu dir, gel!«
Dann gab ich ihr noch einen Kuß, und nachdem sie mir das Kleid geöffnet hatte, ging sie, ohne dem Benno noch eine gute Nacht zu wünschen.
Ich zog mich schnell vollends aus und schlüpfte, während mein Mann überall herumlief und sich an unserm Eigentum erfreute, ins Bett.
Und ich war schon eingeschlafen, als er kam, und am andern Morgen, als ich aufstand, war ich nicht mehr das frische, sorglose Mädchen, und der Spiegel zeigte mir ein müdes, fremdes Gesicht.
So hatte ich denn den ersten Schritt in das Leben getan, das mir noch so übel geraten sollte. […]
So war es Pfingsten geworden, und ich begann seit etlichen Tagen auf ein geheimnisvolles Etwas in mir zu horchen. Oft saß ich ganz still und hielt den Atem an, um es zu spüren und in innerster Seele zu hören.
Und eines Tages, es war um Johanni, vertraute ich es meinem Gatten an, indem Tränen der Freude mir in die Augen traten.
Da sprang er auf, riß mich in der Stube herum und rief: »Was sagst, Weibi, rührn tuat si der Bua scho! Ja, Herrgott, dös muaß aber g’feiert wer’n! Ziag di o, na führ i di in Löw’nbräukeller! Ja, Herrgott, wer’n dö schaugn am Stammtisch!«
»Geh, bleib do dahoam, Benno«, meinte ich und fuhr fort: »Schau, dahoam is so was vui schöner und g’müatlicher z’feiern! I hätt di so gern für mi alloa ghabt und geh gar net gern furt. Geh, bleib dahoam!«
Aber, wie immer, so kam es auch dieses Mal: Erst ging es ans Bitten, dann ans Streiten, und am End mußte ich, wenn ich nicht einer Mißhandlung gewärtig sein wollte, zu allem ja sagen, mich ankleiden und mitgehen.
Am Stammtisch saßen schon die Freunde: etliche Sergeanten des Regiments, bei dem der Benno gedient hatte, und die er sich durch manchen bezahlten Rausch wohl gewogen gemacht hatte; ferner ein paar Buchhalter seines Geschäfts und etliche Leute, von denen man nicht recht wußte, wovon sie lebten und wessen Geld sie verjubelten.
In diese Gemeinde nun schleppte mich mein Gatte und rief, als wir an den Tisch getreten waren: »Servus, meine Freund! Heunt leidt’s an Rausch, heunt hat der Bua sein erschten Hupfa g’macht!«
Einer der Sergeanten hatte sich bei unserm Kommen erhoben und war zu uns getreten. Und während die andern nun in ihrer gewöhnlichen Art die Anrede meines Mannes belachten, faßte er mich mit der Linken an der Schulter; mit der Rechten aber fuhr er über meinen Leib und meinte: »Schau, schau! Schö dick werd’s scho, d’Haslerin! Hat’s enk denn scho gar so pressiert, daß im erscht’n Jahr no d’Kindstaaf sei muaß?«
Ich stand wie mit Blut übergossen, und die Stimme versagte mir, dem frechen Schwätzer zu antworten. Tränen rannen mir über die Wangen, und ich bat den Benno um die Hausschlüssel, daß ich heim könne, da ich krank sei.
»So, so, krank is mei g’schmerzte Frau Gemahlin! Bleib nur schö da; dös werd scho wieder vergeh bei der Musi!«
Und fest drückte er mich auf einen Stuhl und begann dann eifrig zu schwatzen und zu trinken; und obschon etliche gemeint hatten, sie wollten mich nach Hause bringen, ließ er dies nicht geschehen, sondern sagte: »Dö soll dableibn! So vui muaß ma aushaltn könna! Was taten denn andere Weiber, dö wo arbatn müssn ums Tagloh’!«
Erst lange nach Mitternacht kamen wir heim, nachdem mein Mann mich noch in ein Kaffeehaus und danach zum Wein geführt und auch die andern dazu eingeladen hatte.
Von da ab unterwarf ich mich seinem Willen, ohne zu bitten, und hoffte, daß alles ein Ende hätte, wenn erst das Kind geboren wäre. […]
Kurz nach sechs Uhr kam der Benno allein heim und verlangte sogleich mit groben Worten zu essen. Ich machte ihm Vorwürfe, daß er mich umsonst mit dem Kochen noch so geplagt hätte und daß meine Zeit da sei und ich niemand hätte, der mir beistehe. Mit rohen Schimpfworten verbat er sich mein Gejammer und verlangte Wein, obschon er stark betrunken war. Ich gab ihm eine Flasche; denn ich fürchtete ihn sehr in solchen Rauschzuständen. Dann ging ich in die Schlafstube, wo der Kleine eben wieder zu husten begann. Ich hob ihn auf und wickelte ihn frisch ein, wobei mein Körper von heftigen Wehen erschüttert wurde. Da bekam der arme Bub einen der furchtbaren Anfälle, und ich glaubte, er müsse ersticken; doch ging es vorüber, und ermattet lag er nun in meinem Arm. Ich bettete ihn wieder in die Wiege und ging hinaus zum Benno, ihm über das Kind zu berichten. Er hörte teilnahmslos zu und sagte dann kurz: »I geh auf d’Nacht no furt!«
Ich erwiderte nichts und wollte den Tisch abräumen, während er ein Päcklein unzüchtiger Photographien aus der Tasche zog und betrachtete. Plötzlich suchte er mich in erwachendem Begehren zu sich auf das Sofa zu ziehen. Unsanft stieß ich ihn von mir weg und verwies ihm seine Unvernunft.