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Laurence Sterne zum 250. Todestag: Der witzigste, bizarrste und komischste Roman aller Zeiten, der Ur-Roman der Moderne in Michael Walters kongenialer Übertragung. "Wo ist der Mann von Verstand und Geschmack, dessen Seele einen Sinn für die Launen des Genies, für Witz und Ironie, für attisches, britisches, Cervantisches, Rabelais'sches, und (was feiner und pikanter ist als alle vier übrigen Arten) für Yoricksches Salz hat; wo ist, sag ich, ein solcher Mann, in dessen Händen Tristram Shandy nicht schon wäre, der nicht lieber alle seine übrigen Bücher, und seinen Mantel und Kragen im Notfall dazu, verkaufen wollte, um dieses in seiner Art einzige, dieses mit allen seines Verfassers Wunderlichkeiten und Unarten dennoch unschätzbare Buch anzuschaffen, von Stund an zu seinem Leibbuch zu machen, und solange darin zu lesen, bis alle Seiten davon so abgegriffen und abgenutzt sind, dass er sich – zum größten Vergnügen des Verlegers – ein neues anschaffen muss?", fragte Christoph Martin Wieland im 18. Jahrhundert. Und wir können heute unverändert dasselbe fragen: Ja, wo wäre er? Aber vor allem: Was hätte er die letzten Jahre gemacht, wenn er nicht so glänzend Englisch kann, dass er die genialisch-kniffligen Feinheiten und hochverzwickten Zweideutigkeiten des Originals versteht? Denn die einzig wirklich adäquate, die wahrhaft kongeniale Übersetzung dieses Ur-Buchs der komischen Literatur war jahrelang nicht lieferbar. Jetzt gibt es sie endlich wieder – als Teil der Laurence-Sterne-Werkausgabe und als einzelnen Band.
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Seitenzahl: 1219
LAURENCE STERNE
Leben und Ansichten
von Tristram Shandy,
Gentleman
Ins Deutsche übertragen und mit Anmerkungen von Michael Walter
INHALT
Band I
Band II
Band III
Band IV
Band V
Band VI
Band VII
Band VIII
Band IX
Anmerkungen des Übersetzers
von Michael Walter
Geburtszangen des Erfolgs:
Yorick wirbt für Tristram Shandy.
Eine kommentierte Dokumentation
Übersetzung von Michael Walter,
Kommentare von Wolfgang Hörner
Nachwort: Laurence Sterne, Tristram in Deutschland
und das Geheimnis der »marbled page«
von Wolfgang Hörner
BAND I.
DEM SEHR EHRENWERTEN
Mr. PITT.
SIR,
NIEMALS hat ein armer Wicht von einem Zueigner weniger Hoffnungen auf seine Zueignung gebaut, als ich auf die meinige; schreibe ich sie doch in einem Schlupfwinkel des Königreichs, und in einem abgelegenen, strohgedeckten Haus, allwo ich in dem unerschütterlichen Bemühen lebe, die Gebrechlichkeiten schlechter Gesundheit und andere Übelstände des Lebens mit Frohsinn zu parieren; indem ich die feste Überzeugung hege, daß, so oft der Mensch lächelt, – und um so viel mehr, wenn er lacht, es diesen Brocken von Dasein bereichert.
Ich ersuche Euch untertänigst, Sir, erweist diesem Buch die Ehre und nehmt es –– (nicht unter Eure Protektion, –– es muß sich selbst protegieren, sondern) – mit Euch aufs Land; sintemalen, sollte ich’s je vernehmen, daß es Euch lächeln gemacht, oder mir einbilden dürfen, daß es Euch den Kummer eines Augenblicks verscheucht –– ich würde mich für so glücklich erachten, als ein Staatsminister; –– vielleicht weit glücklicher als jeder, (einen Einzigen ausgenommen) von dem ich irgendwann einmal gehört oder gelesen habe.
Ich bin, trefflicher Sir,
(und was Euch noch mehr zur Ehre gereicht)
ich bin, guter Sir,
Euer wohlwollender Freund
und allergehorsamster Mituntertan,
Der Autor.
KAP. I.
ICH wünschte, entweder mein Vater oder meine Mutter, oder fürwahr alle beide, denn von Rechts wegen oblag die Pflicht ihnen beiden zu gleichen Teilen, hätten bedacht, was sie taten, als sie mich zeugten; hätten sie gebührend in Betracht gezogen, wie viel von dem abhing, was sie da gerade trieben; – daß es dabei nicht nur um die Hervorbringung eines vernünftigen Wesens ging, sondern daß womöglich die glückliche Bildung und Beschaffenheit seines Körpers; vielleicht sein Genie wie auch just die Färbung seines Gemüts; – und gar, denn Gegenteiliges war ihnen nicht bekannt, die Wohlfahrt seines ganzen Hauses ihre Wendung nach den Säften und Dispositionen nehmen könnten, die gerade vorherrschten: –– Hätten sie all dies gebührend in Erwägung und Betracht gezogen und wären demgemäß verfahren, –– ich bin wahrhaftig überzeugt, ich würde in der Welt eine ganz andere Figur vorgestellt haben, als die, in der mich der Leser wahrscheinlich erblicken wird. – Glaubt mir, liebe Leute, die Sache ist so unbeträchtlich nicht, wie viele von Euch denken mögen; – Ihr alle habt gewiß schon von den Lebensgeistern gehört, wie sie vom Vater auf den Sohn transponiert werden &c. &c. – und dergleichen mehr: – Nun, mein Wort darauf, neun Zehntel von eines Mannes Verstand oder Unverstand, seiner Erfolge und Fehlschläge in dieser Welt hängen ab von den Regungen und Aktivitäten ebenjener Lebensgeister und den verschiedenen Gängen und Bahnen, in die man sie schiebt; so daß sie, einmal in Schuß gebracht, ob richtig oder nicht, zählt dabei keinen roten Heller, -- wie außer Rand-und-Band dahinpoltern; und indem sie immer wieder in derselben Spur laufen, schaffen sie sich alsbald einen Weg daraus, der so eben und so glatt ist wie ein Gartenpfad, von dem sie, sind sie erst daran gewöhnt, bisweilen nicht einmal der leibhaftige Teufel wird abbringen können.
Ei, mein Guter, sprach meine Mutter, hast du auch drangedacht, die Uhr aufzuziehen?–– Grundgütiger! rief mein Vater im Eifer, indes zugleich bemüht, die Stimme zu dämpfen, –– Hat wohl jemals seit der Erschaffung der Welt eine Frau einen Mann mit einer so dummen Frage unterbrochen? Mit Verlaub, was hatte Euer Vater denn sagen wollen? –– Nichts.
KAP. II.
–– Dann kann ich an der Frage schlechterdings auch nichts finden, weder im Guten noch im Schlimmen. –– Dann darf ich Euch sagen, Sir, daß es zumindest eine sehr unzeitige Frage war, – denn sie versprengte und zerstreuete die Lebensgeister, deren Aufgabe es gewesen wäre, den Homunculus zu eskortieren, ihn bei der Hand zu nehmen und ihm sicheres Geleit an den Ort zu geben, der zu seinem Empfang bestimmt war.
Der Homunculus, Sir, in welch geringem und lächerlichem Licht er sich in diesem Zeitalter der Leichtfertigkeit dem Blick der Torheit und des Vorurteils auch immer darbieten mag; – dem Blick der Vernunft in naturwissenschaftlicher Forschung bietet er sich anerkanntermaßen dar als – ein Wesen das von Rechten behütet und umschrieben wird: –– Die kleinlichsten Philosophen, die nebenher gesagt, über die größten Kenntnisse verfügen, (ihre Seelen stehen im umgekehrten Verhältnis zu ihren Untersuchungen) tun uns unbestreitbar dar, Daß der Homunculus von der gleichen Hand erschaffen, – auf dem gleichen Wege der Natur gezeugt, – mit den gleichen loco-motorischen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet ist wie wir: –– Daß er, wie wir, besteht aus Haut, Haar, Fett, Fleisch, Venen, Arterien, Sehnen, Nerven, Knorpeln, Knochen, Mark, Hirn, Drüsen, Zeugungsgliedern, Säften und Gelenken; –– ein Wesen von ebensoviel Tätigkeit ist, –– und, in jedwedem Sinne des Worts, ebensoviel und so wahrhaftig unser Mitgeschöpf wie der Lordkanzler von England. – Er kann begünstigt werden, er kann geschädigt werden, – er kann Wiedergutmachung erlangen; – mit einem Wort, er besitzt all die Ansprüche und Rechte des Menschseins, die Tully, Puffendorff oder die besten ethischen Schriftsteller aus diesem Stand und Verhältnis erwachsen lassen.
Was nun aber, werter Sir, wenn ihn auf seinem einsamen Weg ein Unfall betroffen hätte? –– oder sei’s, daß mein kleiner Gentleman vor lauter Schreck, was nur natürlich ist bei einem Reisenden so jungen Alters, ganz jämmerlich erschöpft ans Ende seiner Fahrt gelangt wäre; –– seine Muskelkraft und Mannheit zur Stärke eines Fädchens abgezehrt; – seine eigenen Lebensgeister über alle Beschreibung zerzaust, – und daß er sich in diesem betrüblich-wirren Nervenzustand niedergelegt hätte, für neun lange, lange Monate die Beute plötzlicher Zuckungen oder einer Reihe melancholischer Träume und Einbildungen. –– Mich schaudert’s bei dem Gedanken, welch Fundamente hier für tausend Schwächen sowohl des Körpers wie des Geistes gelegt worden wären, die später weder ärztliche noch philosophische Kunst je wieder hätte gründlich zurechtrücken können.
KAP. III.
DIE vorstehende Anekdote verdanke ich meinem Onkel, Mr. Toby Shandy, bei dem mein Vater, ein exzellenter Naturforscher mit einer ausgeprägten Neigung, den kleinsten Dingen gründlich nachzusinnen, oft und schwer über den Tort geklagt hatte; insonderheit aber einmal, wie sich mein Onkel Toby gut erinnerte, nachdem er eine ganz unverantwortliche Windschiefigkeit (wie er’s nannte) in der Art beobachtet hatte, wie ich mein Treibhörnlein aufstellte und die Gründe dafür angab, – der alte Gentleman schüttelte den Kopf und sagte in einem Ton, der mehr Kummer als Vorwurf verriet, – es habe ihm schon immer geschwant und er fände es hierin und aus tausend anderen Beobachtungen, die er an mir gemacht, bestätigt, Daß ich weder denken noch handeln würde wie irgendeines andern Mannes Kind: –– Aber ach! fuhr er fort, schüttelte den Kopf ein zweites Mal und wischte sich eine Träne fort, die ihm die Wang’ hinunterrann, Meines Tristram’s Unglück begann ja schon neun Monate bevor er überhaupt zur Welt kam.
–– Meine Mutter, die dabeisaß, blickte auf, – aber sie wußte ebensowenig wie ihre Kehrseite, was mein Vater meinte, -- doch mein Onkel, Mr. Toby Shandy, dem die Affaire oft hinterbracht worden war, – verstand ihn sehr wohl.
KAP. IV.
ICH weiß, es gibt Leser auf der Welt und ebenso auch viele andere gute Leute, die durchaus keine Leser sind, – denen ist unbehaglich zumute, solange sie nicht von A bis Z in alles eingeweiht werden, was des Autors Person betrifft.
Es ist die pure Willfährigkeit gegen diese ihre Laune und das meinem Wesen eigene Widerstreben, auch nur eine lebende Seele zu enttäuschen, daß ich schon so sehr ins Detail gegangen bin. Alldieweil mein Leben und meine Ansichten wahrscheinlich einiges Furore in der Welt machen und, wenn ich’s recht vermute, den Beifall von Menschen aller Stände, Professionen und was nur immer für Konfessionen ernten werden, – um nichts weniger gelesen sein dürften als selbst Die Pilgerreise--- und sich zuguterletzt als just das erweisen möchten, was Montaigne für seine Essays besorgte, nämlich als Meublement für den Salon; – so scheint’s mir vonnöten, daß ich jedermann reihum was wenigs berücksichtige; und bitte deshalb um Pardon, wenn ich noch ein kleines Stück Wegs im selben Tritt bleibe: Aus diesem Grund freut’s mich auch recht, daß ich die Geschichte meines Lebens so und nicht anders begonnen und weiterhin jedem Ding darin, wie Horaz sagt, ab Ovo nachspüren kann.
Horaz, ich weiß es wohl, rät von dieser Methode strikt ab: Doch dieser Gentleman meint hier nur das epische Gedicht oder die Tragödie; – (was nun von beidem, hab’ ich vergessen) – verhielte es sich freilich anders, so möchte ich Herrn Horaz um Verzeihung bitten; – denn bei dem, was ich mir zu schreiben vorgesetzt, werde ich mich weder nach seinen Regeln noch nach den Regeln irgendeines anderen Menschen richten, der jemals gelebt.
Denjenigen indes, denen es nicht paßt, in diesen Dingen so weit zurückzugreifen, kann ich allemal keinen bessern Rat geben, als das restliche Kapitel zu überschlagen; denn ich erkläre vorderhand, ’s ist nur geschrieben für die Beflissenen und Wißbegierigen.
–––––––––––––– Tür zu. ––––––––––––––
Ich wurde in der Nacht zwischen dem ersten Sonntag und dem ersten Montag im Monat März im Jahre des Herrn eintausendsiebenhundertundachtzehn gezeugt. Dies weiß ich mit aller Bestimmtheit. – Weshalb ich aber so genaue Rechenschaft von einer Sache zu geben vermag, die sich vor meiner Geburt zutrug, das verdankt sich einer anderen kleinen Anekdote, die nur in unserer eigenen Familie bekannt ist, nun aber zur bessern Klärung dieses Punkts publik gemacht wird.
Mein Vater, müßt Ihr wissen, der ursprünglich als Kaufmann mit levantinischen Waren handelte, sein Geschäft aber schon vor etlichen Jahren aufgegeben hatte, um sich auf sein väterliches Landgut in der Grafschaft ––– zurückzuziehen und dort seinen Lebensabend zu beschließen, war wohl in allem was er tat, ob fürs Geschäft oder zum Ergötzen, einer der regelmäßigsten Menschen, die jemals gelebt haben. Um nur ein Pröbchen seiner ungemeinen Pünktlichkeit zu geben, deren Sklave er in Wahrheit war, – so hatte er’s sich seit vielen Lebensjahren zur Regel gemacht, – am ersten Sonntagabend eines jeden Monats im Jahr, – so gewiß wie dieser Sonntagabend kam, –– mit eigener Hand eine große Hausuhr aufzuziehen, die wir auf dem oberen Absatz der Hinterstiege stehen hatten: – Und da er zu der Zeit, von der ich gesprochen habe, von den Fünfzig auf die Sechzig zusteuerte, – hatte er allmählich gewisse andere Familienobliegenheiten gleichfalls auf diesen Termin geschoben, um sie, wie er meinem Onkel Toby oft zu sagen pflog, alle in einem Aufwasch zu erledigen und den Rest des Monats über nicht weiter damit geplagt und geplackt zu sein.
Es war dies nur von einer kleinen Mißlichkeit begleitet, die in großem Maß auf mich niederschlug und an deren Auswirkungen ich wohl leider bis an mein Grab werde zu schleppen haben; nämlich, daß es, durch eine unglückselige Verknüpfung von Ideen, zwischen denen der Natur nach keinerlei Zusammenhang besteht, schließlich dahinkam, daß meine arme Mutter nie das Aufziehen besagter Uhr hören konnte, – ohne daß ihr dabei unweigerlich der Gedanke an gewisse andere Dinge in den Kopf fuhr, – & vice versa: – eine jener absonderlichen Ideenverknüpfungen, von denen der scharfsinnige Locke, der die Natur solcher Dinge gewißlich besser verstand als die meisten Menschen, behauptet, sie hätten mehr verquere Handlungen erzeugt, als alle anderen möglichen Quellen des Vorurteils zusammen.
Doch dies obenhin.
Nun erhellet aus einem Vermerk in meines Vaters Notizbuch, welches jetzt offen vor mir auf dem Tisch liegt, »Daß an Mariä Verkündigung, die auf den 25sten desselben Monats fiel, von dem ich meine Zeugung datiere, – mein Vater sich mit meinem ältesten Bruder Bobby auf die Reise nach London verfügte, um ihn an der Westminster-Schule einzuschreiben«; und, wie aus selbiger Quelle erhellet, »Daß er erst in der zweiten Woche des Monats Mai zu Frau und Familie zurückkehrte«, – dies macht die Sache beinahe zur Gewißheit. Was aber zu Anfang des nächsten Kapitels folgt, erhebt sie über jeden Zweifel.
––– Aber bitt’ Euch, Sir, Was tat Euer Vater denn den lieben langen Dezember, – Januar, und Februar? –– Ei, Madam, – er war die ganze Zeit vom Ischias geplagt.
KAP. V.
AM fünften Tag des November 1718, was, von dem bewußten denkwürdigen Ereignis an gerechnet, neun Kalendermonate so gut vollmachte, als dies irgendein Ehemann nur rechtens hätte erwarten können, – kam ich, Tristram Shandy, Gentleman, in diese unsere spottschlecht-kummervolle Welt. – Ich wünschte, ich wäre auf dem Mond geboren oder auf irgendeinem der Planeten, (ausgenommen Jupiter oder Saturn, weil kaltes Wetter hab’ ich nie vertragen) denn es hätte mir wohl auf keinem schlimmer ergehen können (allenfalls für die Venus möchte ich nicht einstehn) als auf diesem garstigen Unflatspfuhl von einem Planeten, – von dem ich, auf Ehr’ und Gewissen, mit Verlaub gesagt, glaube, er ist aus dem Hächsel und Hader der übrigen zusammengebacken; –– nicht daß der Planet an sich nicht leidlich gut wäre, gesetzt, ein Mann würde mit einem großen Titel oder einem großen Besitz darauf geboren; oder möchte es irgendwie bewerkstelligen, in öffentliche Ämter und in würdige oder einflußreiche Stellungen berufen zu werden; – doch so ist’s um mein’ Sach’ nicht bestellt; ---- und ergo wird ein jeder gerade so vom Jahrmarkt reden, wie er mit seiner eigenen Bude dort reüssieret; – was mir Anlaß schafft, abermals zu behaupten, daß es eine der allernichtswürdigsten Welten ist, die je fabriziert wurden; --- denn ich darf getrost sagen, daß ich von der ersten Stunde, da ich Luft schnappte, bis zu der jetzigen, wo ich fast gar keine mehr bekomme, wegen eines Asthmas, das ich mir in Flandern durch eine gegen den Wind gelaufene Schlittschuhpartie erwarb; -- beständig der Spielball der von der Welt sogenannten Dame Fortuna gewesen bin; und wenn ich ihr auch nicht das Unrecht tun und nachsagen will, sie habe mir jemals irgendein großes oder außerordentliches Unglücks aufgebürdet; --- so muß ich ihr doch bei aller Lammfrommheit von der Welt das Zeugnis ausstellen, daß mir diese ungnädige Dame in jeder Lage meines Lebens, an jeder Biegung und in jedem Winkel, wo sie mich nur erwischen konnte, einen solchen Packen von erbärmlichen Mißgeschicken und Widerwärtigkeiten an den Hals geworfen hat, als nur je ein kleiner Held erdulden mußte.
KAP. VI.
AM Eingang des letzten Kapitels habe ich Euch akkurat mitgeteilt, wann ich geboren wurde; – indes nicht wie. Nein; das Detail blieb aufgespart für ein ganz eigenes Kapitel; – überdies, Sir, da Ihr und ich einander gleichsam völlig fremd sind, so hätte es sich nicht geziemt, Euch in allzu viele mich betreffende Verhältnisse auf einmal einzuweihen. – Ihr müßt schon ein wenig Geduld üben. Bedenkt, ich hab’s mir vorgesetzt, nicht allein mein Leben, sondern ebenso meine Ansichten zu Papier zu bringen; in der Hoffnung und Erwartung, Ihr bekämet durch die Kenntnis meines Wesens und die Einsicht, zu welcher Sorte Mensch ich zähle, deren Ihr ja durch das Eine teilhaftig werdet, mehr Geschmack an dem Anderen: Wenn Ihr denn weiter mit mir voranschreitet, wird die flüchtige Bekanntschaft, die sich eben zwischen uns angesponnen hat, zur Vertrautheit gedeihen; und diese wiederum, es sei denn, einer von uns irrte ab, mit Freundschaft schließen. –– O diem praeclarum!–– dann wird nichts von dem, was mich betroffen hat, für gering an sich, noch in der Art der Schilderung als langweilig gelten. Solltet Ihr, mein teurer Freund und Weggenoß’, also der Meinung sein, ich käme auf unserem ersten Ausflug mit meiner Erzählung nur spärlich vom Fleck, – so habt Geduld mit mir, – und laßt mich fortfahren und meine Geschichte auf meine Weise erzählen: –– oder sollte es Euch bedünken, als trödelte ich zuzeiten unterwegs –– oder sollte ich mir bisweilen für ein, zwei Augenblicke im Vorbeigehen eine Narrenkappe samt der Schellen überstülpen, -- geratet drob nur nicht in Harnisch, – sondern billigt mir lieber hübsch artig ein Gran mehr Weisheit zu, als es nach meinem Äußeren den Anschein hat; – und indes wir so dahinzockeln, lacht mit mir und über mich, oder kurzum, macht was Ihr wollt, –– nur bleibt bei guter Laune.
KAP. VII.
IN eben dem Dorf, wo mein Vater und meine Mutter lebten, wohnte auch eine schmächtige, rechtschaffene, mütterliche, emsige, brave alte Person von einer Hebamme, die sich durch ein Portiönchen gesunden Menschenverstands und etliche Jahre Vollbeschäftigung in ihrem Gewerbe, bei dem sie seit je wenig auf ihre eigenen Künste, dafür aber um so mehr auf die von Mutter Natur vertraute, – in ihrem Fach einen nicht unbeträchtlichen Ruf in der Welt erworben hatte; – wobei ich unter dem Wort Welt, wie ich Ew. Gestrengen an dieser Stelle vermelden muß, nicht mehr verstanden wissen möchte, als einen auf dem großen Erdkreis beschriebenen Kleinkreis von so ungefähr vier englischen Meilen im Durchmesser, als dessen Mittelpunkt das Cottage vorzustellen ist, in dem die brave Alte lebte. –– Sie war, wie’s scheint, in ihrem siebenundvierzigsten Jahr zu einer notleidenden Wittib mit drei oder vier Kindern geworden; und da sie zu der Zeit eine Person von sittsamem Lebenswandel, – gesetztem Wesen, –– überdies eine Frau von wenig Worten und obendrein ein Gegenstand des Mitleids war, deren Elend und das Schweigen, womit sie es trug, desto lauter um freundschaftlichen Beistand riefen: so wurde die Frau des Pfarrers am Kirchspiel vom Erbarmen gepackt; und weil sie oft schon über einen Übelstand lamentiert hatte, den die Schäfchen ihres Gatten seit vielen Jahren erdulden mußten, indem nämlich durchaus keine Hebamme oder auch nur etwas Hebammenähnliches aufzutreiben war, der Fall mochte noch so dringend liegen, wenn man nicht sechs bis sieben lange Meilen weit ritt; und die besagten sieben Meilen waren in dunklen Nächten und bei desolaten Wegen, denn die Gegend ringsum bestand nur aus morastigem Lehm, so lang wie vierzehne, und das wiederum hieß in praxi zuweilen ebensoviel, wie gar keine Hebamme zu haben; so kam es ihr in den Sinn, daß es ebensowohl der ganzen Gemeinde wie der armen Person selbst einen schicklichen Dienst leisten würde, erhielte sie ein wenig Unterweisung in den Anfangsgründen des Gewerbes, um dann mit seiner Ausübung betraut zu werden. Und da keine Frau weit und breit besser geeignet war, den von ihr ersonnenen Plan in die Tat überzuleiten, als sie selbst, setzte ihn die Dame höchstpersönlich wohltätig ins Werk; und weil sie auf den weiblichen Teil der Gemeinde großen Einfluß übte, fand sie keinerlei Schwierigkeiten dabei, ihn so recht nach ihrem Gusto auszuführen. Der Pfarrer stellte sich seiner Frau denn auch zur Seite und machte gemeinsame Sache mit ihr; und auf daß alles seine Richtigkeit bekäme, und um der armen Seele das Recht zum Praktizieren, das ihr seine Frau bereits durch die Unterweisung verschafft hatte, auch durch die gesetzliche Verbriefung zu erwerben, –– bezahlte er mit Freuden und aus eigener Tasche die Sporteln für die richterliche Konzession, die sich summa summarum auf achtzehn Schilling und vier Pence beliefen; so daß die gute Frau, von beiden im Verein, voll und ganz in den realen und leiblichen Besitz ihres Amts gesetzt wurde, mitsamt all dessen Rechten, Gliedern und Anhängseln jedweder Art.
Diese letzte Wendung, es sei verraten, lautet nicht der alten Form gemäß, in der sotane Konzessionen, Befugnisse und Vollmachten für gewöhnlich ausgefertigt standen, welche in ähnlichen Fällen vormals der Schwesternschaft erteilt worden waren. Sie schreibt sich vielmehr aus einer hübschen Formula von Didius’ eigener Erfindung her, der einen speziellen Hang besaß, alle Arten von Dokumenten auf diese Weise zu zerdröseln und neuzuverschachteln, und der nicht nur in dieser possierlichen Verbesserung eine glückliche Hand bewies, sondern auch darin, viele der altkonzessionierten Matronen in der Nachbarschaft zu beschmeicheln, ihre Zulassungen nochmals offenzulegen, auf daß er seinen Bimmelbammel auch noch dazwischenschöbe.
Ich gesteh’s, nie hab’ ich Didius diese Grillen neiden können: – Allein, Jeder nach seiner Façon. – Fand nicht Dr. Kunastrokius, dieser große Mann, das allerhöchste Vergnügen daran, in seinen Mußestunden Eselsschwänze zu strählen und die abgestorbenen Haare mit den Zähnen auszurupfen, obwohl er beständig Zängelchen in der Tasche trug? Nein, was das betrifft, Sir, hatten nicht zu allen Zeiten die weisesten Männer, Salomo selbst nicht ausgenommen, – hatten sie denn etwa nicht ihre Steckenpferde; – ihre Rennpferdchen, – ihre Münzen und Müschelchen, ihre Trommeln und Trompeten, ihre Fiedeln und Paletten, –– ihre Grillen und Schmetterlinge? – und solange ein Mann sein Steckenpferd friedlich und still auf des Königs Heerstraße reitet und weder Euch noch mich zwingt, hintaufzusitzen, –– bitt’ Euch, Sir, was schert’s Euch oder mich?
KAP. VIII.
– De gustibus non est disputandum; – auf deutsch, gegen Steckenpferde gibt’s keine Einwände; und ich meinesteils erhebe selten welche; könnt’ es auch wohl kaum mit einigem Anstand, selbst wenn ich ihnen durchaus spinnefeind wäre; denn da ich zu gewissen Zeiten und Mondwechseln sowohl geige als den Pinsel schwinge, wenn mich der Haber sticht: --- So sei es Euch kundgetan, daß ich mir selbst ein paar solche Gäule halte, auf denen ich abwechselnd und (es ist mir schnurz, ob man das weiß) häufig aus- und spazierenreite; – wiewohl ich zu meiner Schande gestehen muß, daß ich bisweilen länger im Sattel bleibe, als es ein kluger Mann für ratsam halten möchte. ---- Doch die Wahrheit zu sagen, --- Ich bin kein kluger Mann; –– und überdies ein Sterblicher von so geringer Bedeutung in der Welt, daß wenig daran liegt, was ich tue; also echauffiere ich mich auch nur selten darüber: Noch stört es mir die Ruhe sehr, wenn ich so große Lords und hohe Standespersonen, wie hienach aufgeführt; --- als da sind Mylord A, B, C, D, E, F, G, H, I, K, L, M, N, O, P, Q und so weiter, alle in einer Reihe hoch auf ihren diversen Pferdchen sehe; -- manche kommen mit langen Steigbügeln und in gesetztem und besonn’nem Schritt daher; ---- andere hingegen haben die Knie ans Kinn hinaufgezogen, die Peitsche quer im Maul und stieben und stürmen drauflos wie lauter kunterbunte Teufel, die auf Hypotheken reiten, –– und grad’ so, als sei der eine oder andre recht resolviert, sich das Genick zu brechen. – Um so besser – sag’ ich mir; – denn sollte es zum Ärgsten kommen, so wird sich die Welt schon ausgezeichnet ohne sie zu behelfen wissen; – und im übrigen, ---- ei, ---- Gott befohlen, ---- laßt sie nur immer hübsch weiterreiten, meinen Segen haben sie; denn würden Ihre Lordschaften noch heute abend abgeworfen, –– ’s steht zehn zu eins, daß viele von ihnen noch vor der Morgenfrühe um die Hälfte schlechter beritten wären.
Von diesen Umständen kann mir also keiner die Ruhe stören. – Einen freilich gibt’s, der mich, es sei gestanden, um alle Fassung bringt, wenn ich nämlich einen sehe, der zu großen Taten geboren ist und den, was ihm noch mehr zur Ehre gereicht, die eigene Natur beständig zu guten Taten treibt; ---- wenn ich sehe, wie ein Mann wie Ihr selbst, Mylord, dessen Grundsätze und Betragen so edel und fein sind wie sein Blut und den diese korrupte Welt deshalb auch keinen Augenblick entbehren kann; – wenn ich also sehe, Mylord, daß so einer auch nur eine Minute länger reitet, als ihm meine Liebe zu meinem Vaterland verordnet hat und mein Eifer für seinen Ruhm es wünscht, – dann, Mylord, ist’s mit dem Philosophen Essig, und ich wünsche in der ersten Wallung redlicher Ungeduld das Steckenpferd mit seiner ganzen Sippschaft zum Teufel.
Mylord,
»ICH behaupte, daß dies eine Dedikation vorstellt, ungeachtet ihrer Eigentümlichkeit in den drei wesentlichen Hauptpunkten Inhalt, Form und Ort: ich bitte Euch also, sie als solche anzunehmen und mir zu erlauben, sie Euer Lordschaft mit der respektvollsten Bescheidenheit zu Füßen zu legen, -- so Ihr Euch gerade darauf befindet, -- was ja ganz in Eurem Belieben steht; ---- und das, Mylord, will besagen, so oft sich die Gelegenheit dazu bietet und, wie ich hinzufügen möchte, zu den besten Zwecken. Ich habe die Ehre zu sein,
Mylord,
Eurer Lordschaft gehorsamster,
und ergebenster,
und alleruntertänigster Diener,
Tristram Shandy.«
KAP. IX.
ICH erkläre feierlich vor aller Welt, daß die obige Dedikation für keinen Prinzen, Prälaten, Papst oder Potentaten, – Duke, Marquis, Earl, Viscount oder Baron dieses oder eines anderen Landes der Christenheit geschneidert wurde; ----- noch ist sie bis dato in den Hausierhandel gelangt, oder publice oder privatim, direkt oder indirekt, irgendeiner Person oder Persönlichkeit, groß oder klein, angeboten worden; es ist vielmehr, frank und frei, eine echte, noch von keinem Manne anprobierte Jungfern-Dedikation.
Ich kehre diesen Punkt bloß deshalb so entschieden hervor, um jegliche Ehrbedenken und Einwände auszuräumen, die sich gegen sie aus der Art geltend machen könnten, wie ich aus derselben den größten Nutzen zu schlagen gedenke; --- indem nämlich, daß sie ordentlich zum öffentlichen Verkauf ausgestellt wird; was ich hiermit tue.
–– Jeder Autor hat seine eigene Methode, seinen Standpunkt in ein günstiges Licht zu rücken; -- mich persönlich widert’s, in dunklen Fluren um ein paar armselige Guineen zu schachern und zu feilschen; --- ich beschloß deshalb von allem Anfang an, mit Euch Großen Herren offen und ehrlich zu verhandeln und zuzusehen, ob ich so nicht desto besser fortkäme.
Findet sich derohalben irgendein Duke, Marquis, Earl, Viscount oder Baron in Ihro Unser Majestät Reichen, der einer schmucken, fürnehmen Dedikation bedarf, und dem die obige paßt, (denn nebenbei bemerkt, wenn sie ihm nicht wenigstens halbwegs paßt, ist mir gar nicht feil) –– so steht sie ihm für fünfzig Guineen ganz zu Diensten; –– was gewiß zwanzig Guineen weniger ist, als wofür ein Mann von Genie sie irgend ablassen sollte.
Mylord möchte sie doch nur noch einmal recht ins Auge fassen; sie ist so gar nicht grob dahingesudelt wie manch andre Dedikationen. Der Entwurf, wie Eure Lordschaft sehen, ist gut, das Kolorit transparent, – die Zeichnung nicht verfehlt; – oder um mich einer mehr wissenschaftlichen Sprache zu befleißigen – und mein Stück nach des Malers Elle zu bemessen, die sich in 20 teilt, – so dürfen wir wohl, Mylord, den Umriß mit 12 bewerten, – die Komposition mit 9, – das Kolorit mit 6, – den Ausdruck mit 13 und ein halb, – und den Entwurf, – wenn ich so frei sein darf, Mylord, mich auf meinen eigenen Entwurf zu verstehen und wir für einen ganz perfekten 20 setzen, – so denk’ ich, kann er wohl nicht unter 19 liegen. Überdies, – ’s ist Stil darin, und die Schattierungen am Steckenpferd, (eine sekundäre Figur und eine Art Hintergrund des Ganzen) verleihen den Hauptlichtern an Eurer eigenen Gestalt mehr Kraft und lassen sie herrlich hervortreten; –– und außerdem umgibt ein Air des Originellen das tout ensemble.
Besitzt die Güte, bester Lord, die besagte Summe Mr. Dodsley, zugunsten des Autors, zu Händen kommen zu lassen; und in der nächsten Ausgabe soll dafür gesorgt sein, daß dieses Kapitel ausgemerzt wird und Euer Lordschaft Titel, Auszeichnungen, Wappen und gute Taten dem Beginn des voraufgegangenen Kapitels vorgestellet sind: welches dann in toto, von den Worten De gustibus non est disputandum an, nebst allem was sich in diesem Buche sonst noch auf Steckenpferde bezieht, weiter aber nichts, Eurer Lordschaft dediziert bleiben soll. --- Den Rest dediziere ich der Mondfrau Luna, die nebenher gesagt, von allen Patronen und Matronen, die mir einfallen wollen, die größte Macht besitzt, mein Buch in Schwung zu bringen und die Welt sich die Hacken danach ablaufen zu lassen.
Lichthelle Göttin,
Falls du nicht gerade zu sehr mit Candid und Miss Cunegund’s Angelegenheiten beschäftigt bist, -- so nimm auch Tristram Shandy’s unter deinen Schutz.
KAP. X.
WELCH geringes Verdienst auch immer der Akt der Wohltätigkeit gegen die Hebamme mit Recht für sich beanspruchen darf, oder wem der Anspruch wirklich gebührte, – scheint aufs erste Hinsehen nicht eben wesentlich für diese Geschichte; –– soviel zumindest ist gewiß, daß nämlich die gute Frau Pfarrer damals Alles einstrich: Und doch komme ich für mein Leben nicht von dem Gedanken los, daß auch der Pfarrer selbst, – hatt’ er schon nicht das Glück gehabt, als erster auf den Plan zu verfallen, so beförderte er diesen doch vom Augenblick an, da er ihm vorgelegt wurde, freudigen Herzens und trennte sich ebenso freudigen Herzens von seinem Geld, um ihn in die Tat umzusetzen, – einigen Anspruch darauf erheben konnte, – wenn nicht gar auf die volle Hälfte der damit verbundenen Ehre.
Die Welt beliebte damals anders zu entscheiden.
Legt das Buch weg, und ich lasse Euch einen halben Tag Zeit, über die Gründe dieser Denkungsart zu mutmaßen.
Kund und zu wissen sei hiermit, daß runde fünf Jahre vor der Ausstellung der Hebammenkonzession, wovon Ihr so eingehend Bericht erhieltet, – der Pfarrer, mit dem wir befaßt sind, durch einen Verstoß gegen alles Dekorum, den er wider die eigene Person, seinen Stand und sein Amt begangen hatte, ins allgemeine Gerede gekommen war; –– indem nämlich, daß er nie besser oder anders beritten erschien, als auf einem dürren, jammervollen Eselshengst von einem Klepper; ungefährer Wert: ein Pfund und fünfzehn Schilling; der, um es mit der Beschreibung kurzzumachen, ein leibhaftiger Bruder des Rozinante war, insoweit als Ähnlichkeit Verwandschaft stiftet; denn er glich jenem bis aufs Haar, – mit der einen Ausnahme, daß ich mich keiner Stelle entsinne, die besagte, daß Rozinante kurzatmig war; und mit der zweiten, daß Rozinante überdies, wie die meisten spanischen Hengste, dick oder dürr, das Glück hatte, – an allen Ohr- und Schwanzspitzen unzweifelhaft ein Roß zu sein.
Ich weiß recht wohl, daß des Helden Roß ein Pferd von keuscher Aufführung war, was zu der gegenteiligen Ansicht Ursache gegeben haben mag: Nun steht aber ebenso fest, daß Rozinantens Enthaltsamkeit (wie sich an dem Abenteuer mit den yanguesischen Treibern demonstrieren läßt) keinerlei körperlichem Gebrechen oder einer anderen Ursache entsprang als einzig der Mäßigkeit und dem geordneten Umlauf seines Blutes. – Und laßt Euch von mir gesagt sein, Madam, es gibt auf der Welt eine tüchtige Portion sehr tugendhafter Keuschheit, zu deren Gunsten sich beileibe auch nichts weiter vorbringen läßt.
Sei dem, wie ihm wolle, da es mein Vorsatz ist, jedem, auf die Bühne dieses dramatischen Werkes gestellten Geschöpf die vollste Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, – konnte ich schlechterdings diese Distinktion zugunsten von Don Quixote’s Roß nicht unterdrücken; –– in allen übrigen Punkten, sag’ ich, machte des Pfarrers Pferd sein alter ego, –– denn es war eine so dürre und so klapprichte und so jammervolle Mähre, daß die Demut in Person es hätte besteigen können.
Nach dem Dafürhalten mancher Leute von schwachem Urteil, wäre der Pfarrer durchaus imstande gewesen, der Gestalt seines Pferds ein wenig aufzuhelfen, – denn er war Eigentümer eines sehr schönen, vorn und hinten aufgebauschten Sattels, am Sitz mit grünem Plüsch gepolstert und geziert von einer Doppelreihe silberner Beschlagnägel, sowie von einem noblen Paar glänzender Messingsteigbügel, insgleichen einer höchst anständigen Schabracke aus allerfeinstem grauem Tuch mit einer schwarzen Spitzenborte, die auslief in eine dichte, schwarze Seidenfranse, poudré d’or, – dies alles hatte er sich in der Blüte seines Lebens erworben, nebst einem vortrefflich bossierten und in jeder Hinsicht gehörig geschmückten Zaum. –– Da er sein Tier aber nicht der Lächerlichkeit preisgeben wollte, hatte er alles hinter der Tür seiner Studierstube aufgehängt; – und sein Pferd stattdessen seriös mit just dem Zaum und Sattel ausstaffiert, den Gestalt und Wert eines solchen Rosses recht und billig verdienten.
Es läßt sich leicht denken, daß dem solcherart ausgestatteten Pfarrer auf den diversen Reitausflügen im Kirchspiel und bei den nachbarschaftlichen Besuchen der Gentry seiner Umgebung allerlei zu Augen und zu Ohren kam, das seine Philosophie davor bewahrte, Rost anzusetzen. Die Wahrheit ist, er konnte in kein Dorf einreiten, ohne nicht spornstreichs bei alt und jung Aufsehen zu erregen. ---- Die Arbeit stockte, wenn er vorüberkam, --- der Eimer blieb auf halbem Weg im Brunnen hängen, –– das Spinnrad vergaß den Lauf, ––– sogar Grübchen- und Hutschüttelspiel hielten Maulaffen feil, bis er dem Blick entschwand; und weil sich sein Fortkommen nicht eben schleunig vollzog, blieb ihm für gewöhnlich Zeit genug, seine Beobachtungen anzustellen, -- das Seufzen der Ernsthaften zu hören, –– und das Lachen der Leichtfertigen; – was er alles mit beispielloser Gemütsruhe ertrug. – Sein Wesen war nun einmal so, –– er liebte einen Spaß von Herzen – und weil er die lächerliche Seite an sich selbst sah, pflog er zu sagen, er könne andern nicht verübeln, wenn sie ihn in einem Licht erblickten, in dem er sich selbst nur allzu deutlich sehe: So daß er unter Freunden, die wußten, daß Liebe zum Geld seine Schwäche nicht war, und deshalb um so weniger Bedenken trugen, ihn mit seiner überspannten Grille aufzuziehen, – anstatt den wahren Grund zu nennen, –– lieber in das Gelächter über sich miteinstimmte; und da er selbst keine Unze Fleisch auf den Knochen trug und eine ebenso klapperdürre Gestalt abgab wie sein Tier, – so strich er bisweilen heraus, das Pferd sei just so gut, wie’s der Reiter verdiene; – daß sie zentaurisch wär’n, --- grad wie aus einem Stücke. Zu anderen Zeiten und bei anderer Laune, wenn sein Witz der Versuchung eines üblen Scherzes nicht erlag, – pflog er zu sagen, er leide an der galoppierenden Schwindsucht; und schützte dann mit großer Ernsthaftigkeit vor, er könne den Anblick eines feisten Pferdes nicht ohne Herzweh und merkliche Veränderung der Pulse ertragen; und daß er die Wahl seines mageren Reittiers nicht nur getroffen habe, um sich die Fassung, sondern auch die gute Laune zu bewahren.
Ein andermal gab er fünfzig humorige und angemessene Gründe an, weshalb er lieber eine sanftmütige Kracke von einem keuchigten Gaul als einen feurigen Renner reite; – auf so einer nämlich könne er ganz gewohnheitsmäßig sitzen und so ergötzlich de vanitate mundi et fuga saeculi meditieren, wie mit dem Vorteil, einen Totenschädel vor Augen zu haben; – daß er, während er langsam daherreite, seine Zeit auf allerlei geistige Exercitien verwenden könne, –– mit ebensoviel Gewinn wie in seiner Studierstube; – daß er eine Beweislücke in seiner Predigt, – oder ein Loch in seiner Hose ebenso sicher auf der einen wie in der anderen stopfen könne; – daß scharfer Trab und bedächtige Argumentation, wie Witz und Urteilskraft, zwei unverträgliche Bewegungen seien. -- Doch auf seinem Roß – da lasse sich alles vereinen und in Einklang bringen, – er könne seinen Predigtstil pflegen, – er könne seinen Husten pflegen, –– und gesetzt den Fall, die Natur fordere in dieser Hinsicht ihr Recht, so könne er auch eines Nickerchens pflegen. – Kurzum, der Pfarrer gab bei solchen Gelegenheiten alle möglichen Gründe an, nur den wahren nicht, – und mit dem hielt er bloß aus Bedenklichkeit hinterm Berg, weil er nämlich glaubte, er mache ihm Ehre.
Die Wahrheit bei der Geschichte war nun aber folgende: In seinen ersten Amtsjahren und um die Zeit, da er den prächtigen Sattel und Zaum erwarb, besaß dieser Gentleman die Eigenheit oder Eitelkeit, oder nennt’s wie Ihr wollt, –– ins entgegengesetzte Extrem zu verfallen. – In der Grafschaft, in der er lebte, kursierte der Ausspruch, er liebe ein gutes Pferd, und in der Regel hatte er auch stets eines der besten im ganzen Kirchspiel sattelfertig im Stall stehen; und da die nächste Hebamme, wie ich Euch ja sagte, nicht weniger als sieben Meilen von dem Dorf und in einer wüsten Gegend wohnte, –– so kam es, daß kaum eine Woche verging, ohne daß dem armen Gentleman nicht eine flehentliche Bitte um sein Tier angetragen wurde; und weil er kein hartherziger Mann war und jeder Fall immer noch dringender und bedrohlicher war als der letzte, – brachte er’s bei aller Liebe zu seinem Tier nicht übers Herz, Nein zu sagen; das Ende vom Lied war dann für gewöhnlich, daß sein Pferd entweder die Schwellfesseln bekam, oder den Hornspalt oder die Mauke; – oder hufwulstig oder kurzatmig wurde, oder daß es, mit einem Wort, sonst etwas betroffen hatte, das es vom Fleische fallen ließ; – so daß er alle neun bis zehn Monate einen schlechten Gaul losschlagen, – und dafür ein gutes Pferd anschaffen mußte.
Wie hoch der Verlust bei einer solchen Bilanz communibus annis ausfallen konnte, möchte ich der Entscheidung einer Spezialjury von Leidensgefährten anheimstellen; – aber beziffre er sich wie er wolle, der honette Gentleman trug ihn viele Jahre hindurch ohne Murren, bis es ihm schließlich, nach wiederholten Unglücksfällen dieser Art, doch nötig schien, die ganze Sache einmal in Betracht zu ziehen; und nachdem er alles hübsch reiflich erwogen und im Geiste aufaddiert hatte, stellte er hierin nicht bloß eine Unverhältnismäßigkeit zu seinen sonstigen Ausgaben fest, sondern zugleich, daß der Posten an und für sich so arg zu Buche schlug, daß ihm für andere Akte der Generosität im Kirchspiel nichts mehr übrig blieb: Außerdem überlegte er, daß er mit der Hälfte des so vergaloppierten Betrags zehnmal mehr Gutes tun könnte; –– und was bei ihm noch schwerer wog, als die Summe aller anderen Überlegungen, war der Umstand, daß der Strom seiner Wohltätigkeit auf diese Art in einen einzigen, ganz bestimmten Kanal geschleust wurde und dorthin floß, wo sie, wie er meinte, am allerwenigsten benötigt wurde, nämlich zum gebärenden und schwängernden Teil seines Kirchspiels; und nichts übrig blieb für die Gliederschwachen, --- nichts für die Betagten, --- nichts für die vielen trostlosen Szenen, zu denen er stündlich gerufen wurde, wo Armut und Siechtum und Heimsuchung beisammen hausten.
Aus diesen Gründen beschloß er, die Ausgabe zu streichen; und es schien nur zwei mögliche Wege zu geben, sich gänzlich davon zu befreien; – nämlich, sich entweder das unumstößliche Gesetz zu geben, sein Roß auf keinerlei Bitten hin mehr zu verleihen, – oder willens zu sein, die letzte arme Kreatur so weiterzureiten, wie man sie ihm zugerichtet hatte, mit all ihren Malaisen und Gebrechen, bis an ihr selig Ende.
Da ihm im ersten Fall um seine Standhaftigkeit bangte, –– bequemte er sich freudig zum zweiten; und obwohl er die Sache, wie gesagt, recht wohl zu seiner Ehre hätte auflösen können, – war er eben aus diesem Grund darüber erhaben; und wollte lieber die Verachtung seiner Feinde und das Gelächter seiner Freunde ertragen, als die Pein auf sich nehmen, eine Geschichte zu erzählen, die wie ein Loblied auf ihn selbst klingen könnte.
Ich hege von der zarten und geläuterten Gesinnung dieses geistlichen Herren die höchste Meinung, allein wegen dieses einen Zugs in seinem Charakter, der meiner Ansicht nach an jede jener ehrbaren Lauterkeiten des unvergleichlichen Ritters von La Mancha heranreicht, den ich nebenbei bemerkt, trotz all seiner Narreteien mehr liebe als den größten Helden des Altertums, und für den ich wahrhaftig weiter gereist wäre, um ihm meine Aufwartung zu machen, als für letzteren.
Doch dies ist nicht die Moral von der Geschicht’: Ich hatt’ im Sinn, das Wesen der Welt bei dieser ganzen Sache aufzuzeigen. – Ihr müßt nämlich wissen, daß solange wie diese Erklärung Ehre für den Pfarrer eingelegt haben würde, – sie auch keine Menschenseele herausbrachte, – seine Feinde wollten es vermutlich nicht, und seine Freunde konnten’s nicht. –– Doch kaum legte er sich für die Hebamme ins Zeug und bestritt die Unkosten für die richterliche Konzession zu ihrer Amtseinsetzung aus der eigenen Tasche, – da kam das ganze Geheimnis heraus; jedes Pferd, das er eingebüßt hatte, und noch ein Paar darüber, nebst allen Umständen ihrer Zugrunderichtung wurden jetzt ans Licht gezogen und aufs genaueste erinnert. – Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. – »Der Pfarrer sei just eben wieder dem Hoffartsteufel in die Klauen gefallen; und er wolle sich noch einmal in seinem Leben gut beritten machen; und wenn das stimme, dann sei doch sonnenklar, daß er die Auslagen für die Konzession bereits im allerersten Jahr zehnfach wieder hereinbekomme: –– und folglich könne jeder selbst ermessen, welche Bewandtnis es mit seinem Akt der Nächstenliebe habe.«
Welche Bewandtnis es mit dieser und jeder anderen Handlung seines Lebens hatte, – oder vielmehr was für Ansichten darüber in den Hirnen anderer Leute herumschwammen, das war ein Gedanke, der zu viel in seinem eigenen herumschwamm und ihm die Ruhe störte, wenn er von Rechts wegen in tiefem Schlummer hätte ausruhen sollen.
Vor rund zehn Jahren hatte dieser Gentleman das Glück, der Sorge gänzlich quitt zu werden, –– denn gerade so lang’ ist es her, daß er aus seinem Kirchspiel ging, –– und aus der ganzen Welt zugleich, -- und nun vor einem Richter steht, über den sich zu beklagen, er schwerlich Ursach’ haben wird.
Es gibt indes ein Mißgeschick, das die Handlungen mancher Menschen unausweichlich begleitet: Egal wie sie sie ausrichten, sie passieren ein bestimmtes Medium, das sie so verdreht und aus ihren wahren Bahnen lenkt ––– daß die Handelnden, bei allem Anspruch auf Lob, den sich Herzensredlichkeit erwirbt, trotzdem ohne es leben und sterben müssen.
Für diese Wahrheit gab jener Gentleman ein leidvolles Exempel. –– Doch um zu erkennen, welcherlei dies zuging, ---- und um Euch diese Erkenntnis auch nützlich zu machen, bestehe ich darauf, daß Ihr die beiden folgenden Kapitel lest, die eine solche Skizze seines Lebens und Erdenwandels enthalten, daß sie die Moral gleich mitfördert. -- Ist dies getan, und kommt uns sonst nichts mehr in die Quere, wollen wir mit der Hebamme weitermachen.
KAP. XI.
YORICK war des Pfarrers Name, und was besonders bemerkenswert daran ist, man buchstabierte ihn, (wie eine uralte, auf starkem Pergament geschriebene und noch jetzo makellos erhaltene Familienurkunde bezeugt) schon akkurat so seit, –– ums Haar hätt’ ich gesagt, neunhundert Jahren; –– doch ich möchte meine Glaubwürdigkeit nicht durch das Behaupten einer unwahrscheinlichen Wahrheit erschüttern, so unbestreitbar diese an sich auch ist; –– und darum will ich mich begnügen, bloß zu sagen, --- Man buchstabierte ihn, ohne die geringste Änderung oder Vertauschung einer einzigen Letter, schon akkurat so seit, was weiß ich wie lange; und das ist mehr, als ich mich erkühnen würde, von der Hälfte der besten Zunamen im Königreich zu sagen; denen im Lauf der Jahre im allgemeinen ebenso viel Wechsel und Wandel geworden ist wie ihren Besitzern. – Lag dies nun am Stolz oder an der Scham der jeweiligen Eigner? – Ehrlich gesagt, glaube ich, manchmal am einen und manchmal am anderen, so wie die Versuchung eben gerade wirkte. Doch die Sache ist und bleibt abscheulich und wird uns eines Tages alle miteinander so vermischen und verwirren, daß keiner mehr wird aufstehen können und schwören, »Daß sein Großvater der Mann gewesen sei, der dies oder jenes getan habe.«
Diesem Übel hatte die Yorick’sche Familie durch kluge Vorbedacht und gewissenhaftes Aufbewahren der von mir zitierten Berichte hinlänglich gewehrt, die uns ferner vermelden, Daß die Familie ursprünglich dänischer Abkunft war, doch nach England bereits unter der Regierung Horwendillus’, des Königs von Dänemark, verpflanzt wurde, an dessen Hof, wie’s scheint, ein Ahnherr unseres Mr. Yorick, von dem er in gerader Linie abstammte, bis zum Tage seines Todes ein bedeutendes Amt bekleidete. Welcher Art dieses bedeutende Amt war, meldet der Bericht nicht; – er fügt nur hinzu, Daß es seit fast zwei Jahrhunderten als völlig unnütz abgeschafft sei und zwar gänzlich und nicht nur an diesem Hofe, sondern auch an jedem anderen Hof der Christenheit.
Mir ist’s oft durch den Kopf gegangen, dies Amt könne wohl kein andres sein als das des ersten Hofnarren des Königs; --- und daß Hamlet’s Yorick in unserem Shakespeare, dessen Stücke, wie Ihr ja wißt, zumeist auf beglaubigten Fakten beruhen, -- gewiß eben jener Mann war.
Mir mangelt die Zeit, Saxo Grammaticus’ Dänische Geschichte zu konsultieren, um mir hierüber Gewißheit zu verschaffen; – solltet Ihr aber die Muße haben und an das Buch leicht herankommen, so könnt Ihr das ja ebensogut selbst tun.
Ich fand nur eben Zeit auf meiner Reise durch Dänemark, zusammen mit Mr. Noddy’s ältestem Sohn, den ich im Jahre 1741 als Hofmeister begleitete, wobei wir in geradezu erstaunlichem Tempo den größten Teil Europas durchgaloppierten, von welcher, von uns beiden im Verein abgeleisteten, originellen Reise, im weiteren Fortgang dieses Werkes noch eine höchst ergötzliche Beschreibung gegeben werden wird. Ich fand nur eben Zeit dazu, sag’ ich, und zu nichts weiter, die Wahrheit einer Behauptung zu überprüfen, die ein langjähriger Gast jenes Land aufgestellt hat; ---- nämlich, »Daß die Natur dessen Einwohner mit ihren Gaben an Genie und Talent weder besonders freigebig noch besonders stiefmütterlich behandelte; -- sondern, wie eine besonnene Mutter, gegen alle mäßig gütig wäre: und bei der Verteilung ihrer Gunstbeweise ein Ebenmaß bewahrte, das die Menschen in diesen Belangen beinahe auf die gleiche Stufe miteinander stellte; so daß einem in diesem Königreich nur selten ein Beispiel höherer Begabung begegnen wird; jedoch in allen Volksschichten eine tüchtige Portion gesunden Alltagsverstands, an dem jedermann partizipiert«; womit es denn auch, wie ich finde, so seine Richtigkeit hat.
Hierzulande, seht Ihr, liegt die Sache völlig anders; – wir stehen in dieser Hinsicht entweder auf dem Gipfel oder im Tal; – Ihr seid ein großes Genie; -- oder ’s gilt fünfzig zu eins, Sir, Ihr seid ein großer Tropf und ein Dummbart; --- nicht daß es hier völlig an Zwischenstufen mangelte, – nein, – so sehr aus dem Ruder laufen wir nun auch wieder nicht; – doch die beiden Extreme sind auf dieser wetterwendischen Insel üblicher und häufiger, wo die Natur mit ihren diesbezüglichen Gaben und Veranlagungen höchst launenhaft und kapriziös umspringt; Fortuna gar vermöchte beim Bescheren ihrer Güter nicht mutwilliger zu sein.
Einzig dies machte meine Überzeugung von Yorick’s Abkunft je wanken, der, so wie er mir in Erinnerung ist und nach allem was ich über ihn in Erfahrung habe bringen können, seiner ganzen Säftemischung nicht einen Tropfen dänischen Blutes beigemengt zu haben schien; in neunhundert Jahren mochte sich freilich alles verflüchtigt haben: ---- darüber philosophieren will ich mit Euch indes keinen Augenblick; denn es mag dabei immer zugegangen sein wie es will, die Tatsache bleibt: – Daß statt des kalten Phlegma und der exakten Beständigkeit von Sinn und Säften, die man bei jemand solcher Abkunft erwartet hätte; --- er im Gegenteil ein so merkuriales und sublimiertes Wesen war, ---- ein in all seinen Deklinationen so unregelmäßig flektiertes Geschöpf; ----- so voller Lebendigkeit und Schrullen und gaité de cœur, wie es nur das allerfreundlichste Klima hätte erzeugen und zusammenbringen können. Bei all diesem Segelwerk führte der arme Yorick jedoch keine Unze Ballast mit sich; er war ganz unerfahren in der Welt; und wußte im Alter von sechsundzwanzig Jahren seinen Kurs darin gerade so gut zu steuern wie ein dreizehnjähriger Unband von einem arglosen Mädchen: Sodaß ihn, wie Ihr Euch leicht denken könnt, bei seiner ersten Ausfahrt die frische Brise seiner Lebensgeister gleich zehnmal am Tag mit der Takelage eines Anderen kollidieren ließ; und da ihm die Gravitätischen und Saumseligen am häufigsten in die Quere gerieten, ----- könnt Ihr Euch ebenfalls leicht denken, daß ihm für gewöhnlich das Mißgeschick widerfuhr, sich mit diesen am ärgsten zu verfitzen. Es möchte wohl auch eine Prise unseligen Witzes hinter solch einem Fracas stecken: --- Denn ehrlich gesagt, hegte Yorick von Natur aus einen unüberwindlichen Widerwillen und Abscheu gegen die Gravität; ---- nicht gegen die Gravität per se; ---- denn wo Gravität wirklich am Platze war, da bezeigte er sich über Tage und Wochen hinaus als der gravitätischste und ernsthafteste Mensch von der Welt; --- indes wo nur ihr Heuchelbild umging, da war er ihr Feind und erklärte ihr offen den Krieg, weil sie ihm als bloßes Deckmäntelchen der Ignoranz und Torheit erschien; und immer wenn sie ihm dergestalt begegnete, sie mochte sich noch so verschanzt und geschützt haben, gab er ihr selten Pardon.
In seiner abenteuerlichen Redeweise pflog er bisweilen zu sagen, eine Erzschurkin sei die Gravität; und er setzte noch hinzu, – von der allergefährlichsten Sorte obendrein ---- wegen ihrer Schläue; und er glaube wahrhaftig, durch sie würden übers Jahr mehr ehrliche, wohlmeinende Leute um Geld und Gut geprellt, als durch Taschen- und Ladendieberei in sieben. Das lautere Naturell, das ein fröhliches Herz offenbare, pflog er zu sagen, berge keine Gefahr, -- außer für den Besitzer: – das eigentliche Wesen der Gravität hingegen sei Vorsätzlichkeit und ergo Betrug; --- sie wär’ ein einstudierter Streich, um der Welt verständiger und klüger zu dünken, als man eigentlich sei; und daß trotz aller Prätention, --- sie nicht besser, sondern oft noch schlimmer wäre, als die Definition, die ein französischer Schöngeist schon vor langer Zeit von ihr gegeben, ---nämlich,Eine Geheimkunst des Körpers, um Mängel des Geistes dadurch zu verbergen; – welche Definition der Gravität, wie Yorick mit großem Unbedacht hinzuzufügen pflegte, in güldnen Lettern gesetzt zu werden verdiente.
Doch rund heraus gesagt: er war ganz unbewandert und unerfahren in der Welt und auch bei jedem andern Gegenstand der Unterhaltung, wo die Klugheit gemeinhin Zurückhaltung empfiehlt, genauso unbesonnen und töricht. Für Yorick zählte bloß ein Eindruck, der nämlich, den ihm die gerade zur Debatte stehende Tat machte; und diesen Eindruck nannte er dann für gewöhnlich ohn’ alles Paraphrasieren beim rechten Namen, –– und allzu oft auch ohne viel Ansehen der Person, der Zeit oder des Orts; --- so daß, wenn die Rede auf eine verächtliche oder schimpfliche Handlung kam, --- er sich nie auch nur einen Augenblick darauf besann, wer in dem Stück als Held figuriere, – welchen Standes er sei, ---- oder inwieweit es in seiner Macht stünde, ihm hernach zu schaden; --- sondern bei einer schändlichen Tat hieß es, ----- ohne viel Brimborium, ----- Der Mann sei ein Schandbube, --- und so fürder: --- Und da seine Kommentare gemeinhin das Mißgeschick erfuhren, entweder mit einem bon mot abgerundet zu werden oder durchweg von drolligen oder humoristischen Ausdrücken gewürzt zu sein, so wuchsen hierdurch Yorick’s Unbesonnenheit Flügel. Mit einem Wort, obwohl er nie Gelegenheit suchte, freilich aber auch nur selten eine aussparte, das zu sagen, was ihm gerade aufstieß, und zwar ohne große Umstände; ---- litt er in seinem Leben nur zu viele Versuchungen, seinen Witz und seinen Humor, – seine Sticheleien und seine Späße auszustreuen. ---- Sie gingen nicht verloren, denn an Sammlern herrschte kein Mangel.
Die Folgen hievon und welche Katastrophe Yorick hieraus erwuchs, das werdet Ihr im nächsten Kapitel lesen.
KAP. XII.
DERPfandschuldner und der Pfandgläubiger unterscheiden sich betreffs der Länge der Geldkatze nicht mehr von einander, als Spötter und Verspotteter betreffs der des Gedächtnisses. Doch hierin hinkt der Vergleich, wie die Scholiasten sagen, auf allen vieren; was nebenbei bemerkt auf ein oder zwei Beinen mehr ist, als sich einige der besten Homer’s rühmen können; – nämlich, Daß der Eine eine Summe und der Andere ein Gelächter auf Eure Kosten erhebt und weiter keinen Gedanken mehr daran wendet. In beiden Fällen aber läuft der Zins auf flinken Füßen fort; ---- die periodischen oder unregelmäßigen Zahlungen sollen dabei nur die Erinnerung an die Sache wachhalten; bis zuletzt, in einer bösen Stunde, ---- schwupp, der Gläubiger sich bei beiden einstellt, das Kapital samt der vollen Zinsen bis auf den Tag einfordert und sie alle beide das ganze Gewicht ihrer Verbindlichkeiten spüren läßt.
Da der Leser (denn Eure Wenns kann ich nicht ausstehen) eine gründliche Kenntnis der menschlichen Natur besitzt, so brauch’ ich’s ihm nicht extra hinzusetzen, daß mein Held in dieser Tonart nicht lange weitersingen konnte, ohne seine kleinen Erfahrungen mit derlei beiläufigen Mahnungen zu machen. Um ehrlich zu sein, er hatte sich leichtfertigerweise eine Menge kleiner Buchschulden dieses Schlages aufgeladen, die er, ungeachtet Eugenius’ häufiger Warnungen, zu sehr auf die leichte Schulter nahm; denn er dachte, weil ja keine einzige in böswilliger Absicht gemacht worden sei; --- sondern im Gegenteil aus redlichem Sinn und einer bloßen Scherzlaune, so würden sie sich alle im Laufe der Zeit von selbst tilgen.
Eugenius wollte dies nie zugeben; und sagte ihm häufig, früher oder später bekäme er gewiß die Rechnung präsentiert; und er fügte oft im Ton kummervoller Besorgnis hinzu, --- bis auf den letzten Deut. Worauf Yorick in seiner gewohnten Herzensunbeschwertheit gerade sooft zu respondieren pflog mit einem pah! --- und wenn das Thema im Freien aufkam, --- mit einem hipp-hepp-hopp Dreisprung am Schluß; saßen sie jedoch im Gatter der geselligen Kaminecke, allwo der Inkulpat durch einen Tisch und ein paar Lehnstühle eingepfercht wurde und der Sache nicht so leicht auskneipen konnte, ---- dann fuhr Eugenius in seiner Vorlesung über die Besonnenheit ungefähr mit folgenden, nur etwas besser gewählten Worten fort.
Glaub mir, lieber Yorick, deine vorschnelle Spaßlust wird dich früher oder später noch in Patschen und Zwickmühlen stecken, aus denen dich alsdann kein reuiger Nachwitz mehr befreien kann. –– Seh’ ich doch, daß sich bei derlei drolligen Ausfällen der Ausgelachte nur zu oft im Lichte des Beleidigten erblickt, mit allen Rechten, die ihm eine solche Lage zubilligt; und wenn du ihn ebenfalls in diesem Licht betrachtest und seine Freunde, seine Familie, seine Verwandten und Verbündeten zusammenrechnest, ---- und um sie die vielen Rekruten scharst, die sich im Gefühl einer allgemeinen Bedrohung von ihm werden anwerben lassen; --- so kannst du dir’s nach Adam Riese an den Fingern abzählen, daß auf je zehn Witze, --- dir hundert Feinde kommen; aber eh’ dir nicht ein ganzer Wespenschwarm um die Ohren summt, und du von ihm halb tot gestochen bist, wirst du’s nimmer glauben.
Ich kann von dem Manne, den ich hochachte, nicht argwöhnen, daß in diesen Ausfällen nur ein Stich von Gehässigkeit oder böser Absicht liegt. –– Ich glaube und weiß es auch, daß sie wahrhaft redlich und scherzhaft gemeint sind; --- Aber bedenke, mein guter Freund, daß Dummköpfe dies nicht unterscheiden können, -- und daß die Schelme es nicht wollen; und wenig ahnst du, was es heißt, diese herauszufordern oder jene zum besten zu haben, -- wenn sie sich jemals zu gegenseitiger Verteidigung zusammentun, dann werden sie, verlaß dich drauf, den Krieg gegen dich, mein lieber Freund, in einer Weise weiterführen, die ihn dir herzlich vergällt und dein Leben obendrein.
Rachsucht wird aus irgendeinem gift’gen Winkel ein ehrenrühriges Geschichtchen gegen dich verspritzen, das sich weder durch Unschuld des Herzens noch durch Untadeligkeit des Wandels berichtigen läßt. –– Das Glück deines Hauses gerät ins Wanken, --- dein guter Ruf, der es begründete, wird allenthalben bluten, -- deine Redlichkeit angezweifelt, -- dein Wirken verleumdet, -- dein Witz vergessen, -- deine Gelehrsamkeit mit Füßen getreten. Und um dir den letzten Akt deiner Tragödie in Szene zu stellen, so werden darin Grausamkeit und Feigheit, die Zwillingsschufte, als Mietlinge der Bosheit im Finstern auf dich angesetzt, zugleich gegen alle deine Schwachheiten und Fehler losschlagen: --- die Besten unter uns, mein Guter, haben ihre Blößen, --- und glaube mir, ---- glaub mir, Yorick, Wenn es zur Stillung eines heimlichen Gelüsts einmal beschlossen ward, ein unschuldiges und hilfloses Geschöpf darum zu opfern, so ist’s ein leichtes, aus jedem Dickicht, in das es sich verirrte, genug Reisigholz für seinen Opferbrand aufzulesen.
Yorick lauschte dieser ihm vorgepredigten, trüben Weissagung seines Geschicks kaum jemals, ohne daß sich ihm eine Träne aus dem Auge stahl, die der beteuernde Blick begleitete, er sei für künftig entschlossen, sein Rößlein mit mehr Mäßigung zu reiten. – Doch, ach, zu spät! --- ein großes Komplott, mit ***** und ***** an der Spitze, war bereits geschmiedet, noch ehe es zum ersten Male prophezeit wurde. ---- Der ganze Angriffsplan gelangte, just so wie Eugenius es vorausgesagt, auf einen Streich zur Exekution, ----- mit so wenig Erbarmen seitens der Verbündeten, --- und so wenig Argwohn seitens Yorick hinsichtlich dessen, was gegen ihn im Busche war, --- daß, als er noch wähnte – oh, des Leutseligen! – nun reife sicherlich die Amtsbeförderung heran, -- sie seine Wurzel schon verwüstet hatten, und sodann fiel er, wie mancher würd’ge Mann vor ihm.
Yorick indes focht es eine Zeitlang mit aller erdenklichen Tapferkeit aus; bis er, überwältigt von der Übermacht und schließlich auch ausgezehrt durch das Elend des Kriegs, ---- doch mehr noch durch die unritterliche Art, womit er geführt wurde, --- das Schwert hinwarf; und ob er schon nach außen hin bis zum letzten Augenblick den Mut nicht sinken ließ, ---- so starb er dennoch, wie von jedermann vermutet ward, durchaus gebrochenen Herzens.
Was Eugenius zur gleichen Ansicht neigen ließ, war folgendes:
Wenige Stunden ehe Yorick seinen letzten Atemzug tat, trat Eugenius bei ihm ein, um ihn noch ein letztes Mal zu sehen und ihm Lebwohl zu sagen; Als er Yorick’s Bettgardine aufzog und ihn fragte, wie er sich befände, da blickte Yorick zu ihm hoch und versicherte sich seiner Hand, ---- und nachdem er ihm für die mannigfachen Beweise seiner Freundschaft gedankt, für die ihm, sprach er, sollte es ihr Schicksal wollen, daß sie sich dereinst wiederträfen, --- sein immerwährender Dank gewiß sei, – sagte er ihm, er werde seinen Feinden nunmehr binnen Stunden für immer auswitschen. ----- Ich will’s nicht hoffen, antwortete Eugenius im zärtlichsten Ton, in dem je ein Mensch sprach, und dabei rannen ihm Tränen über die Wangen, --- Ich will’s nicht hoffen, Yorick, sagte er. --Yorick erwiderte mit einem emporgesandten Blick und einem sanften Druck, den er Eugenius’ Hand erteilte, und das war alles, -- aber es schnitt Eugenius ins Herz. -- Komm, -- komm, Yorick, sprach Eugenius, indem er sich die Augen wischte und ermannte, ----- sei wohlgemut, alter Knabe, --- laß doch deine Lebensgeister und deine Seelenstärke nicht jetzt in dieser Krisis fahren, wo sie dir am nötigsten sind; –– wer weiß, welche Hilfe deiner noch harrt, und was Gottes Macht noch für dich auswirken kann? –– Yorick legte die Hand aufs Herz und schüttelte sacht den Kopf; --- ich jedenfalls, fuhr Eugenius fort und weinte bitterlich bei diesen Worten, – gesteh’ dir offen, Yorick, daß ich nicht weiß, wie ich mich von dir trennen soll, –– und ich möchte mir gern mit der Hoffnung schmeicheln, setzte Eugenius hinzu, indem er seine Stimme aufmunterte, daß noch genug an dir dran ist, um einen Bischof draus zu machen, --- und ich’s erleben darf. –– Ich bitte dich, Eugenius, sprach Yorick und zog dabei die Schlafmütze nach besten Kräften mit der linken Hand ab, –– dieweil seine Rechte noch fest in der von Eugenius lag, –– ich bitte dich, besieh dir nur mal meinen Kopf. ---- Ich kann nichts Schlimmes daran finden, erwiderte Eugenius. Ach! mein Freund, sagte Yorick, dann laß dir sagen, daß er von den Schlägen, die ***** und ***** und einige andere gar unfein im Dunkeln an mich ausgeteilt haben, so verbeult und mißgestaltet ist, daß ich, sollte ich genesen, mit Sancho Pança sagen könnte, »Und wenn Gott auch Bischofsmützen auf die Erde herunterhageln ließe, so paßte doch keine darauf.« ––– Yorick’s letzter Atemhauch schwebte auf den bebenden Lippen und war bereit, sich zu verströmen, als er dies hervorbrachte; --- und gleichwohl brachte er’s in einem cervantesken Ton hervor; -- und während er dies aussprach, konnte Eugenius in seinem Blick für einen Moment ein feuriges Leuchten aufflackern sehen; ---- matter Abglanz jener Geistesblitze, die (wie Shakespeare von seinem Ahnherren sagte) eine ganze Tafelrunde in schallendes Gelächter zu versetzen pflegten!
Von hier rührt denn auch Eugenius’ Überzeugung, daß sein Freund an einem gebrochenen Herzen litt; er drückte ihm die Hand, –– und ging dann leise aus dem Zimmer, und unter’m Gehen weinte er. Yorick geleitete Eugenius mit dem Blick bis zur Tür, ---- drauf machte er die Augen zu, – und schlug sie nimmer auf.
Er liegt beerdigt in einem Winkel seines Kirchhofs im Sprengel –––, unter einer schlichten Marmorplatte, die ihm sein Freund Eugenius mit Genehmigung der Testamentsvollstrecker aufs Grab legen ließ, und darauf stehen zur Inschrift nur diese drei Wörter, ihm hingesetzt zugleich als Epitaph und Elegie.
Ach, armer YORICK!
Zehnmal des Tages widerfährt Yorick’s Geist die Tröstung, seine Grabinschrift mit einer Mannigfaltigkeit von Klagetönen verlesen zu hören, die von dem allgemeinen Mitgefühl und der Hochachtung für ihn kündet; –– denn da ein Fußweg dicht an seinem Grabe durch den Kirchhof führt, – kommt keiner dran vorüber, ohne für einen Augenblick zu verweilen, –– und im Weitergehen zu seufzen:
Ach, armer YORICK!
KAP. XIII.
ES ist schon so lange her, daß der Leser dieses rhapsodischen Werkes von der Hebamme abgenabelt wurde, daß es hohe Zeit scheint, sie ihm wieder erinnerlich zu machen, bloß um ihm zu Gemüte zu bringen, daß eine solche Person noch auf der Welt ist und ich ihn mit derselben, soweit mir mein eigener Plan jetzt überschaubar ist, --- auch ganz und gar bekannt zu machen gedenke: Da aber Neues aufs Tapet kommen und zwischen dem Leser und mir allerlei unerwartetes Geschäft sich aufwerfen kann, das unverzügliche Erledigung heischen mag; ----- so war’s nur billig, Sorge dafür zu tragen, daß die arme Frau unterdessen nicht abhanden gerät; --- denn wenn sie dann gebraucht wird, kommen wir ohne sie auf keinen Fall aus.
Ich glaube, ich habe Euch bereits gesagt, daß diese gute Frau allenthalben in unserem Dorf und Flecken in nicht geringem Ruf und Ansehen stand; --- daß sich ihr Ruhm bis an die äußerste Grenze und Peripherie jenes Geltungskreises verbreitet hatte, wie ihn ein jedes Menschenkind, egal ob es ein Hemd am Leib trägt oder keins, ---- um sich herum beschreibt; -- welchen besagten Radius übrigens, sooft davon bemerkt wird, daß es einer von großer Wichtigkeit und Geltung in der Welt sei, –– ich Ew. Gestrengen ersuche, in Dero Einbildung auszuweiten oder einzuschrumpfen, im zusammengesetzten Verhältnis von der Stellung, dem Amte, den Kenntnissen und Fähigkeiten, der Höhe und Tiefe (in beiden Richtungen gemessen) der Euch dargebotenen Persönlichkeit.
Im vorliegenden Fall setzte ich ihn, wofern ich mich recht entsinne, mit ungefähr vier oder fünf Meilen an, die nicht nur das ganze Kirchspiel in sich schlossen, sondern auch noch zwei oder drei angrenzende Weiler an den Rändern des benachbarten Kirchspiels mit umfaßten; was ihn sehr ansehnlich machte. Ich muß hinzufügen, Daß sie sich darüberhinaus ebenfalls der Wertschätzung eines großen Gehöftes und einiger anderer verstreuter Häuser und Güter erfreute, die, wie gesagt, innerhalb zwei oder drei Meilen vom Rauch ihres eigenen Schornsteins entfernt lagen: ----