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Reclams "Fremdsprachen-Lektüreschlüssel. Molière: Le Malade imaginaire" bezieht sich auf den fremdsprachigen Originaltext (in Reclams Roter Reihe), ist aber auf Deutsch verfasst und unterstützt ebenso die Lektüre der deutschen Übersetzung. Eine "Checkliste" enthält Aufgaben zur Verständniskontrolle in der Fremdsprache. Unter dem Darstellungstext stehen Übersetzungshilfen und Schlüsselbegriffe in der Fremdsprache, um die Bearbeitung dieser Aufgaben und ein fremdsprachiges Referieren über das Werk zu erleichtern. Der Band enthält: Erstinformationen zum Werk - Inhaltsangabe - Personen (Konstellationen) - Werk-Aufbau (Strukturskizze) - Wortkommentar - Interpretation - Autor und Zeit - Rezeption - Checkliste zur Verständniskontrolle - Lektüretipps mit Filmempfehlungen.
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Seitenzahl: 61
LEKTÜRESCHLÜSSELFÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER
Molière
Von Reiner Poppe
Reclam
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe in der Originalsprache: Molière: Le Malade imaginaire. Hrsg. von Monika Schlitzer. Stuttgart: Reclam, 1987 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 9217.)
Alle Rechte vorbehalten© 2008, 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., StuttgartGesamtherstellung: Reclam, DitzingenMade in Germany 2013RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., StuttgartISBN 978-3-15-960210-3ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015399-4
www.reclam.de
1. Erstinformation zum Werk
2. Inhalt
3. Personen
4. Werkstruktur
5. Interpretation
6. Autor und Zeit
7. Rezeption
8. Dossier pédagogique
9. Lektüretipps
Anmerkungen
Jean-Baptiste Poquelin (1622–1673), wie Molière eigentlich hieß, war einer der größten Theaterdichter aller Zeiten. Er wird in einem Atemzuge mit William Shakespeare (1564–1616) genannt. Die beiden Bühnendichter haben Gemeinsamkeiten, beide haben so gut wie keine persönlichen Dokumente hinterlassen, und beiden wird nachgesagt, dass andere den Hauptteil ihrer Werke geschrieben haben. Solange das Gegenteil jedoch nicht schlüssig bewiesen ist, soll gelten, was bis hier und heute als wahr gilt.
Molière lebte und starb für das Theater mit jeder Faser seines Künstlerherzens. Beinahe die erste Hälfte seines Lebens reiste er durch die Lande für das, was er war und sein wollte: Schauspieler und Bühnenschriftsteller. Er lernte viel als Mensch und Künstler in den zwölf Jahren seines Wanderdaseins in der Provinz (1645–1657). Fast die gesamte zweite Hälfte seines Lebens verbrachte er dann auf den Bühnen von Paris. Die Stadt machte ihn berühmt, und er trug zu ihrem wachsenden Ruhm bei. Die Sonne Ludwigs XIV. (regierend von 1654–1715) leuchtete viele Jahre über ihm. Molière sah das Frankreich des 17. Jahrhunderts blühen und wachsen, während die meisten anderen Länder Europas unter den Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) litten. Er sah aber auch die Schattenseiten von Prunk und Macht in der Gesellschaft, in der er lebte. In einem Zeitraum von etwa 25 Jahren schrieb er 40 Farcen und Komödien, nicht alle erfolgreich, jede aber ein Hieb auf die eitlen Pfauen, auf die unersättlichen Geizhälse und die selbstgefälligen Akademiker. Mit unersättlicher Lust, so schien es, stürzte er sich auf die vor Blasiertheit platzenden Apotheker und Ärzte. Man hasste ihn für seine bösen Attacken, die Bürgerlichen wie die Adeligen, zuletzt entzog ihm gar der König selbst die Gunst. Anders als Pierre Corneille (1606–1684) und Jean Racine (1639–1699), die »Begründer und Vollender der französischen Klassik«1, schrieb Molière für das Volk, deftig und spitz, witzig und gewagt. Seine Stücke waren zugkräftig und er selbst, auf der Bühne, unnachahmlich.
Im Königshaus hatte zunächst der Kardinal Richelieu (1585–1642) die Maßstäbe zur Förderung der Künste gesetzt. Ihm folgten Kardinal Mazarin (1602–1661) und Nicholas Fouquet (1615–1680). Sie holten viele Künstler an den Hof. Molière war einer der von ihnen Begünstigten.
Le Malade imaginaire war Molières letztes Stück, eine seiner großen Ballett-Komödien. Es wurde am 10. Februar 1673 im Palais Royal uraufgeführt, ein würdiger Abschluss eines umfangreichen Schaffens, das ein Dutzend weltberühmter Werke hervorgebracht hat. Neben seinem letzten Stück sind es vor allem Tartuffe (1664/1669), Le Misanthrope (1666) und L’Avare (1668), die dem Theaterbesucher in den Sinn kommen, wenn Molière genannt wird. Mit seinen Ballett-Komödien war er besonders erfolgreich und bekannt geworden. Molière, selbst ein hervorragender Schauspieler, entwickelte diese Stücke in einer turbulenten Mischung aus dramatischer Handlung und getanzten Zwischenspielen zu seinem Erfolgskonzept.
Die Handlung der dreiaktigen Komödie mit ursprünglich zwei Prologen, zwei Zwischenspielen und einem Nachspiel2 folgt dem schlichten Grundmuster Konflikt – Verwirrungen – heitere Auflösung: Argan, der eingebildete Kranke, lässt nichts unversucht, Doktoren um sich zu versammeln, die verhindern sollen, dass er noch kränker wird, als er sich einbildet zu sein, oder dass er gar stirbt. Um das zu erreichen, will er seine älteste Tochter Angélique mit einem angehenden Arzt verheiraten. Diese liebt jedoch einen anderen, und so wird ein Plan entwickelt, um dem liebenden Paar zu seinem Recht zu verhelfen. Initiatoren dieser Gegenbewegung sind das Dienstmädchen Toinette und Argans Bruder Béralde. Sie versuchen alles, um Argan von seiner Krankheitssucht und von seinem Ärztewahn zu befreien. Als kein Argument mehr hilft und keine List mehr greift, schlagen sie ihm vor, er solle sich tot stellen und aus den Reaktionen seiner Tochter und seiner Frau ablesen, wer ihn wirklich liebe. Sie setzen ihre Hoffnung darauf, dass Argan sich besinnt, wenn er die Wahrheit erkennt. Frau Béline entpuppt sich als eine falsche und verlogene Erbschleicherin. Als Argan die Liebe seiner Tochter erkennt, die seinen (gespielten) Tod ehrlich beweint, lenkt er ein. Sie darf den Mann ihrer Wahl heiraten. Der zukünftige Schwiegersohn müsse aber bereit sein, Arzt zu werden. Wenn man schon einen Arzt in der Familie brauche, so wird sogleich eingeworfen, dann solle Argan doch selbst einer werden, damit er sorgenfrei in die Zukunft sehen könne. In einem ausgelassenen Ritual wird der eingebildete Kranke zum Doktor der Medizin promoviert.
Dieser burleske Promotionsakt umschließt und beschließt alles, was Molière zum Thema Doktoren und Medizin zuvor kritisch auf die Bühne gestellt hatte. Und das war nicht wenig: Le Médecin Volant (1647), L’Amour médecin (1665), Don Juan ou Le Festin de pierre (1665), Le Médecin malgré lui (1666) oder Monsieur de Pourceaugnac (1669). Die Medizin- und Ärztekritik war keine ›Erfindung‹ Molières. Er hat sie aber auf ganz eigene Weise pointiert und zum Hauptgegenstand seiner Gesellschaftsattacken gemacht. Dafür mag es vier Gründe geben:3 Der Arzt als eine wiederkehrende lächerliche Figur in der Geschichte der Komödie; Molières persönliche Erfahrungen mit Ärzten aufgrund seiner eigenen Krankheit(en); seine kritische Sicht auf die medizinische Wissenschaft und die Hörigkeit der Zeitgenossen; schließlich seine Sympathie für das Gedankengut Michel de Montaignes (1533–1592) und anderer Freidenker.
In Molières Le Malade imaginaire kommt ein weiteres Moment zum Tragen, das Lachen über den Tod, dem der Komödiant schon so nahe war. »Der Legende zufolge soll Molière im Kostüm des Argan gestorben sein – eine tragische Pointe als Schlußpunkt des Lebens eines großen Komödiendichters, die in ihrer mehrfach gebrochenen Ironie und Tiefgründigkeit Molière so entspricht, daß sie wohl niemand entkräften will.«4
die erste Hälfte seines Lebens: la première partie de sa vie
Schattenseiten: les revers (m.)
ein Hieb auf: un coup de griffe à l’encontre de
zugkräftig sein: attirer les foules
Maßstäbe setzen: définir les normes
ein würdiger Abschluss: le chant du cygne
sich als etw. entpuppen: s’avérer être qn/qc
den Mann ihrer Wahl: l’homme de son choix
Lachen über den Tod: la raillerie sur la mort
[1] Argan sitzt über den Rechnungen seines Apothekers, die er Posten für Posten durchgeht, kommentiert und nachrechnet. Er stellt fest, dass er acht Verschreibungen und ein Dutzend Einläufe hatte, weit weniger als im Monat zuvor. Deshalb, so folgert er, gehe es ihm auch schlechter. Argan klingelt ungeduldig nach dem Hausmädchen, Toinette. Er gerät in Zorn darüber, dass man ihn, den bedauernswerten kranken Mann, einfach so lange allein lässt. Sein Rufen wird dringlicher, und seine Verwünschungen, mit denen er das Hausmädchen tituliert, sind drastisch. Er ist davon überzeugt, dass man ihn allein sterben lassen wolle (9,7–8).
[2] Toinette wird massiv beschimpft. Sie zeigt sich wenig beeindruckt, im Gegenteil. Als Argan sich ausgetobt hat, macht sie sich über ihn und seine »Krankheiten« und die Medizin lustig. Die Einzigen, die etwas davon hätten, seien der Arzt und der Apotheker (11,10–13). Davon will Argan nichts hören. Er verlangt nach seiner Tochter, Angélique.