Leonard in der Wo-Anderswelt - Joachim Schmidt - E-Book

Leonard in der Wo-Anderswelt E-Book

Joachim Schmidt

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Beschreibung

Es gibt ein Pendant zur sichtbaren Welt, dies ist die unsichtbare Welt. Feinfühlige Menschen müssen diese Welt nicht unbedingt sehen, aber sie können sie fühlen. Leonard bekommt die Chance, in die für uns Menschen unsichtbare Zwischenwelt der Zwerge einzutauchen, um dort ein Erdenmädchen zu befreien. Auf dem Weg dorthin erlebt er zusammen mit seinen Begleitern ungewöhnlich spannende und gefährliche Abenteuer. Ein "Book for all". Dieses Buch wurde für Jugendliche und Erwachsene geschrieben, die genug haben von blutigen, pervertierten Gemetzeln. Die sich aber schon bewusst sind, dass sie sich in einer Welt der Gegensätze befinden. Überall, wo es ein Dafür gibt, gibt es auch ein Dagegen. Man ist dieser dualistischen Welt aber deshalb noch lange nicht ausgeliefert, sondern man kann Entscheidungen fällen, die weniger aggressiv sind oder man ist gewillt, andere Lösungsmöglichkeiten zu finden. Wenn alles, was existiert, energetischer Herkunft ist, so unterliegt jeder Mensch einer großen Illusion, wenn er glaubt, über das "Wegwünschen" könnten Probleme gelöst werden. Leider halten manche Zwerge im Zwischenreich noch an dieser Illusion fest.

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www.tredition.de

Der Autor

Joachim Schmidt, schreibt Literatur zwischen Diesseits und Jenseits.

Bereits erschienen: Hinter den Tapeten, Das Geheimnis des Ringinger Erdstalls, Der Kelch, Leonard in der Wo-Anderswelt.

Der Autor lebt mit seiner Familie auf dem Land in der Nähe von Ulm.

Joachim Schmidt

Leonard in der Wo-Anderswelt

Im Zwischenreich der Zwerge

www.tredition.de

© 2014 Joachim Schmidt

Umschlaggestaltung, Illustration: Joachim Schmidt

© Bildrechte/Cover: Joachim Schmidt (Privatarchiv)

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-7524-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Einleitung

Dieses Buch wurde für Jugendliche und Erwachsene geschrieben, die genug haben von blutigen, pervertierten Gemetzeln. Die sich aber schon bewusst sind, dass sie sich in einer Welt der Gegensätze befinden. Überall, wo es ein Dafür gibt, gibt es auch ein Dagegen. Man ist dieser dualistischen Welt aber deshalb noch lange nicht ausgeliefert, sondern man kann Entscheidungen fällen, die weniger aggressiv sind oder man ist gewillt, andere Lösungsmöglichkeiten zu finden.

Wenn alles, was existiert, energetischer Herkunft ist, so unterliegt jeder Mensch einer großen Illusion, wenn er glaubt, über das „Wegwünschen“ könnten Probleme gelöst werden. Leider halten manche Zwerge im Zwischenreich noch an dieser Illusion fest.

Leonard in der Wo-Anderswelt

„Leonard, bitte sei so gut, geh zum Bäcker und hole einen Laib Dinkelbrot, ich lege dir vier Euro auf den Tisch.“

Leo hantierte im Garten, er wollte verschieden große, alte Kalksteine, die sein Vater einst als Grundstücksbegrenzungen herführen ließ, so einander zuordnen, dass sie ein Labyrinth an Gängen, Höhlen und Abstufungen ergaben, in welchen Elementarwesen Unterschlupf fanden.

Als er die Stimme seiner Mutter hörte, schaute er etwas missmutig auf, antwortete aber sofort: „Ja, ich gehe gleich, muss nur noch einen Stein verpflanzen“.

Er versetzte Steine nicht einfach irgendwie, nein, sie wurden bei ihm verpflanzt, wie bei Bäumen achtete er dabei auf einen idealen Standort, auf genügend Sonneneinstrahlung, wegen eventuellen Bemoosens und auf den Untergrund.

Leonard, der von seinen Freunden nur Leo genannt wurde, war 15 Jahre alt, von kräftiger Statur und ein Einzelgänger, denn er beschäftigte sich mehr mit der Natur als mit Discos und Mädchen. Freundschaften kannte er meist nur aus der Schule, denn an seinen Freizeitinteressen fand niemand unbedingt Spaß. Er wollte dauernd irgendwelche Touren auf Berge, in abgelegene Täler und Höhlen unternehmen, wo es keine Musik gab und auch kein Mobiltelefon benutzt werden konnte. Vielleicht sah man ein Eichhörnchen oder einen Hasen, die sich eh viel zu schnell bewegten, um sie fangen zu können. Langweilig und mühselig das Ganze für seine Kameraden, deshalb ging Leo viel lieber alleine weg. Sein Kopf arbeitete unentwegt, während er durch Wiesen und Wälder streifte. Überall fand er Unterschlupfe für Fabelwesen wie Zwerge, Kobolde und andere Wald-, Wasser- und Wiesengeister. Farnzweige eigneten sich in seiner Vorstellung sehr gut für Dächer und Bäume als Hochsitze, Baumhäuser und Klettermöglichkeiten dieser Wesen. Manchmal war seine Einbildungskraft so stark, dass er sah, wie sich diese vorgestellten Wesen bewegten. Manche winkten ihm sogar zu oder lächelten ihn an. Aber Leo stand mit beiden Füßen auf dem Boden, er war zu sehr Realist, als dass er wirklich geglaubt hätte, diese Geschöpfe seien echt.

Nachdem er dem letzten Stein seinen Idealplatz zugewiesen hatte, sprang er auf, lief zum Tisch, schnappte sich das Geld und erledigte den Auftrag seiner Mutter, schließlich kannte er seinen Appetit und er wollte abends nicht mit knurrendem Magen ins Bett.

Einen Vater gab es so gut wie nicht mehr, nachdem der eine andere Frau kennengelernt hatte und mit ihr in den Norden zog. Vielleicht war das auch der Grund, warum es Leo dauernd in den Wald gezogen hatte. Oft hatte er seinen Vater in die Natur begleitet, während dieser immer von Wesen erzählte, die die unsichtbare Natur als ihre Heimat vorzögen und sie beobachten würden, damit er und sein Vater auch nichts beschädigten. Mit anderen Worten, Leonard eiferte seinem Vater nach, denn er hatte ihn geliebt.

Kurz nachdem das Brot zu Hause auf dem Tisch lag, rief er seiner Mutter zu: „Ich gehe noch geschwind zu den Felsen, bin aber bis zum Dunkelwerden wieder zurück.“

„Sei pünktlich zum Abendbrot, du weißt ja“, kam als Antwort.

Leo schmunzelte, er liebte auch seine Mutter, sie zeigte so viel Verständnis für seine Hobbys.

Um möglichst wenig Zeit zu verlieren, setzte sich Leonard aufs Fahrrad und strampelte zu seinen ganz nahe gelegenen Lieblingsfelsen. Sie befanden sich neben der Hauptstraße an einem bewaldeten Steilhang. Ganz unten hinter einem Dickicht stellte er sein Fahrrad ab und stieg langsam zwischen Eichen, Buchen und Felsen den Hang empor. Jede kleine Pflanze würdigte er zumindest eines kurzen Blickes. Die knackenden, alten Zweige unter seinen Schuhen, das Rascheln der trockenen Blätter und die Felsspitzen, die wie Mützen von Zwergen aus dem Laub schauten, versetzten ihn wieder und wieder in eine ganz andere Gefühlswelt, eine Welt, die er über alles liebte, seine geheime Fabelwelt.

Schreiend und gleichzeitig seine gefiederten Freunde warnend, flog ein Bussard aus seinem frisch gefertigten Nest. Leo trug seinen Namen zu Recht, er trampelte nicht einfach durch die Gegend, er schlich mehr, wie ein Berglöwe mit mächtiger Lockenpracht und einer kräftigen Körperstatur, den Hang aufwärts. Bergbauer oder Naturforscher, das waren seine Berufswünsche, bloß nicht irgendwo im Büro sitzen müssen und dort versauern.

Rechts neben ihm ragte ein mindestens zehn Meter hoher felsiger Gipfel in das Unterholz einer Kiefer. Sein Blick glitt am rauen Fels empor, sprang dann zur herrlichen Kiefer über und verfolgte diese liebevoll nach unten bis zum Boden. Dort angekommen, faszinierte ihn ein mit Moos überwucherter und mit kleinen, etwa zehn Zentimeter hohen Bäumchen bewachsener Stein. Er entdeckte wieder eine dieser Mini-Landschaften, in die er sich versenken konnte und gedanklich seine eigenen Geschichten wob.

Schon öffnete sich vor ihm in einem Baumstumpf ein faustgroßes Loch, das von einem dicken Holzwulst umsäumt wurde. Neugierig spähte er hinein.

Die Entdeckung

Irgendetwas schien im Dunkeln zu funkeln. Hatte er sich getäuscht, lag da nicht eine Glasscherbe? Oder hatte jemand ein Silberpapier darin versteckt? Leo beugte sich noch tiefer. Nein, es musste ein Quarzstein mit groß besetzten Kristallen sein, aber wie geriet er in diese Baumhöhle? Schon wollte er nach innen greifen, als er sofort wieder zurückzuckte. Etwas hatte sich dort innen bewegt.

Ein Eichhörnchen oder eine Maus? Auf jeden Fall wurde er vorsichtiger.

Seine Gedanken beschäftigten sich bereits mit der Befreiung eines geheimen Schatzes, als er zwei winzige Hände am Wulst der Öffnung beobachtete, die ganz langsam einen kleinen, fast runden, rotbackigen Kopf an das Licht transportierten. Leo wich ängstlich, aber gleichzeitig auch neugierig staunend zurück. Wirklichkeit oder Fantasie? Hatte er sich zu sehr in Träumereien versetzt? Als sich dieses Köpfchen auch noch mit einer piepsenden Stimme an ihn wandte, verschlug es ihm zunächst die Sprache.

„Du willst doch nicht etwa meinen Schatz stehlen?“, fragte das Männlein.

„Nein, nein“, stotterte Leo, „ich dachte nur …“

„Ja, ja du dachtest nur, was bin ich doch für ein Glückspilz.“

Leo versuchte sich heraus zu reden: „Glaube mir, wenn ich gewusst hätte, dass du, äh, ich meine, dass es dein Schatz ist, glaube mir, dann hätte ich bestimmt nicht versucht hineinzulangen.“

„Ja, ja, reg dich ab, das war nur ein Scherz, ich beobachte dich schon lange und kenne deine Gefühle gegenüber der Natur und ich weiß, dass du einer der wenigen Menschen bist, die es gut mit uns meinen.“

„Danke, aber woher weißt du das? Und wer bist du?“

„Langsam, langsam, ich denke, wir machen es uns erstmal bequem, bevor ich dir eine Geschichte erzähle, an deren Ende du eine Entscheidung treffen kannst.“

Leonard setzte sich an den Baum gelehnt auf einen moosigen Untergrund, während sich das winzige Zwerglein aus der Öffnung stemmte und auf dem runden Holzwulst Platz nahm.

„Du bist nicht das erste Mal hier. Meine Freunde und ich beobachten dich schon lange. Wir haben dir auch oft zugewunken, aber du hast deinen Augen selbst nicht getraut und dachtest an Halluzinationen. Wir sind aber real, uns gibt es tatsächlich, ihr habt uns in eure Märchenbücher verbannt. Die Menschen nahmen uns früher mehr wahr und arbeiteten mit uns zusammen. Heute denken sie zu sehr rational und vermögen uns deshalb nicht mehr zu sehen.“

„Und was ist das für ein leuchtender Schatz im hohlen Baumstamm?“, fragte Leo.

„Das, lieber Leonard, sind meine persönlichen Mineralien, die benötige ich, wenn ich zu Menschen wie dir Kontakt aufnehme, ein kleiner Trick von mir. Menschen träumen immer von Reichtum und überlegen sofort, was sie mit ihm anfangen würden, wenn er ihnen zufiele. Menschen sind von Natur aus gierig. Unser Volk besitzt große Schätze, aber wir nützen sie für unser Gemeinwohl. Der Einzelne hätte keinen Nutzen davon, wenn er etwas für sich abzweigen würde, um damit was zu erwerben. Wir wünschen uns das, was wir wollen.“

„Alles?“

„Ja, alles, was in unseren Möglichkeiten steht, aber wir benötigen nicht so viel wie ihr.“

„Woher weißt du eigentlich meinen Namen?“

„Ich brauche dich nur zu besuchen, dann erfahre ich alles über dich, ich kann sogar in deinen Träumen erscheinen und dir etwas mitteilen, das alles ist für unser Volk kein Problem, wir bzw. unsere Körper schwingen auf einer anderen Ebene als eure Körper, deshalb seht ihr uns auch nur, wenn wir es wollen, so wie eben jetzt.“

Einen Augenblick später saß das kleine Männchen auf einem kleinen Felsvorsprung über Leo. Zuerst glaubte er, es sei ein anderer Zwerg, denn seine Kleidung hatte sich in einen mittelalterlichen Look mit einem adligen Hut auf dem Kopf verändert.

„Siehst du, so schnell geht es bei uns, wenn wir wollen, deshalb besitzt auch die Zeit bei uns einen ganz anderen Stellenwert als bei euch. Sie vergeht im Vergleich zu eurer Zeit viel schneller, dafür leben wir viel länger, zweihundert bis dreihundert Jahre sind keine Seltenheit.“

„Hammer“, stieß Leo hervor, „kann ich das auch?“

„Nein“, sagte der Zwerg, „aber ich kann dir ein anderes Angebot machen, weshalb ich mich mit dir auch treffen wollte.“

„Ein Angebot?“, fragte Leo.

Enrics Vorschlag

„Zuerst höre mir gut zu, denn meine Geschichte ist nicht ungefährlich.“

Leonard spitzte seine Ohren, ein Zwerg wollte etwas von ihm. Seine Augen weiteten sich voller Erwartung.

„Ich heiße Enric und mir wurde mitgeteilt, dass ich dazu auserwählt wurde, mit dir zu verhandeln.“

„Verhandeln? Du mit mir?“ Warum, wieso? Ich verstehe nichts.“

„Kannst du auch nicht, deshalb sagte ich dir, du sollst zuerst zuhören.“

„Dauert das Ganze lang? Ich muss nämlich zum Abendessen nach Hause.“

„Also gut“, erwiderte Enric. „Morgen Mittag 14 Uhr, selber Ort“, schon war er verschwunden.

Leonard stand auf, lief wie hypnotisiert zu seinem Fahrrad und wunderte sich, als er seine Mutter sprechen hörte: „Jetzt wird es aber Zeit, wo warst du denn so lange?“

Leonard war nur fähig, ungereimtes Zeug von Zwergen und Abmachungen zu reden, worüber seine Mutter nur den Kopf schüttelte und lächelte, sie kannte Leonards starke Phantasie.

Am nächsten Tag, Leonard konnte das Schulende kaum erwarten, radelte er sofort nach Hause, zog sich um und verließ ohne Mittagessen das Haus. Natürlich stand er viel zu früh am Treffpunkt und musste nun warten.

Seine Gedanken schienen sich zu verselbständigen und seine Gefühle bewegten sich auf und ab, hin und her. War alles nur ein Traum gewesen, hatte er sich alles nur eingebildet? Ein Zwerg wollte ihm einen Vorschlag machen. Was für einen Vorschlag? Sollte er ihm etwas besorgen? Aber der konnte sich doch jeden Wunsch selbst erfüllen, dann konnte es dies nicht sein. Vermutlich wurde er vor eine Entscheidung gestellt, die nur er fällen konnte.

Plötzlich saß er wieder da, in einem grünen Wams, wie ein Abgeordneter von der Grünen Partei, und lächelte. „Lass deine Gedanken los, du wirst nicht erraten, was ich von dir will.“

„Da hast du wohl recht.“

Dann fing der Zwerg zu reden an: „Vor nicht allzu langer Zeit stand an der gleichen Stelle, wo du stehst, ein 15-jähriges Mädchen. Es besaß die Fähigkeit mich aufzuspüren, ohne dass ich es bemerkte. Das Ganze wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, aber sie wollte unbedingt, dass ich ihr unser Reich zeigte. Sie bat mich so inbrünstig, dass ich ihr versprach, bei unserem Ältestenrat vorzusprechen. Nach langen Diskussionen willigte der hohe Rat endlich ein, ohne zu ahnen, welches verhängnisvolle Räderwerk der Zeit sie damit in Bewegung setzten. Es wäre ja auch alles gut gegangen, wenn Anika, so hieß das Mädchen, nicht durch ihre eigene Unachtsamkeit entführt worden wäre. Seither halten sie die Zwissler, eine eng mit uns verwandte Zwergenrasse, gefangen, um von unseren Reichtümern Schätze abzupressen. Du siehst, auch bei uns kann das Böse herrschen, denn wir leben, wenngleich auch nicht mehr so stark gebunden wie ihr, in der göttlichen Dualität mit all ihren Konsequenzen.“

„Wie? Göttliche Dualität? Versteh ich nicht.“

„Unter göttlicher Dualität verstehen wir die zwei gepolten Seiten von Allem, was es gibt. Wenn es z.B. die Farbe weiß gibt, so muss es auch die Gegenfarbe schwarz geben, wie solltest du sonst wissen, was weiß oder schwarz ist oder du kannst auch nur wissen was gut ist, wenn du Böses erfahren hast. Zu allem gibt es eine Gegenseite. Sehr deutlich erkennst du die Zweiheit in Diskussionen. Zu jedem Argument gibt es ein Gegenargument. Gott selbst kennt kein Gegenteil, sonst gäbe es einen Antigott. Er ist einfach alles, was es gibt, das Für und das Wider, das Oben und das Unten, das Ja und das Nein. Alles ist in ihm vereint. Aber um eine Welt wie die Unsrige und die Eurige zu schaffen, muss Gott diese illusorische Welten der Gegensätze kreieren, in der alle lebenden Wesen zwischen diesen Polen hin und herpendeln. Der Reiz dabei oder der Lebenssinn besteht in der Suche nach dem, was richtig und was falsch ist, also nach der Wahrheit.“

„Gut, aber illusorisch? Was heißt das? Gibt es uns nicht wirklich?“, fragte Leo dazwischen.

„Alles, was es auf unserer Welt existiert, gibt es tatsächlich und gleichzeitig auch wiederum nicht. Das hört sich verrückt an, entspricht aber der Wahrheit. Wenn du überlegst, dass auch du selbst in Wirklichkeit nur aus kreisenden Atomen bestehst, die irgendein geistliches Wesen zusammenhält und organisiert, dann begreifst du schon eher das Wort Illusion. Da es überall Gegensätze, also diese Zweipoligkeit, gibt, sprechen die Weisen von einem illusorischen Dualismus. Deinen Körper gibt es also nicht wirklich bzw. kann es nicht ewig geben, denn er wird nur durch

Energie zusammengehalten.“

„Dann wäre es ja theoretisch oder sogar praktisch wie bei dem Mädchen möglich, das ich deine Welt bereisen könnte?“, fiel Leonard Enric ins Wort.

„Ja, das geht tatsächlich und jetzt komme ich auch schon auf den Punkt meines Treffens mit dir. Hättest du Interesse, mit in meine Welt zu reisen, um uns zu helfen, das Mädchen zu befreien? Wir möchten unser Versprechen, das wir ihr gaben, sie wieder zurückzubringen, endlich einlösen.“

„Warum muss ich euch dabei helfen? Bekommt ihr das nicht selbst in den Griff?“, fragte Leo.

„Es gibt ein Problem, unsere aufsässigen Freunde können uns zwar nicht töten, aber sie vermögen es, uns im Ernstfall wegzuwünschen, irgendwohin, wo wir nicht mehr so leicht zurückfinden, denn dort herrschen andere Lebensbedingungen. Mit dir ist das anders, dein Körper schwingt langsamer, träger, den schaffen sie nicht weg zu teleportieren.“

„Aha“, antwortete Leo, ohne jedoch wirklich zu begreifen, „und wie willst du mich verkleinern? In dieses Loch, aus dem du kamst, passe ich bestimmt nicht rein.“

„Warte hier Leo, ich hole etwas.“

Kurze Zeit später erschien er wie ein Wunder wieder aus dem Nichts, mit einem kleinen, verkorkten Fläschchen in der Hand.

„Dies ist ein Elixier, das eine doppelte Funktion besitzt, es verkleinert dich und wenn du es nochmals einnimmst, vergrößert es dich wieder auf deine normale Größe. Ein Trank, den ich aus den Wurzeln ganz bestimmter Pflanzen zentrifugiert habe.“

„Das ist ja recht und gut“, erwiderte Leo, „aber wenn ich mich jetzt z.B. irgendwo hier bei euch befinde und mein Fläschchen ginge aus irgendeinem Grunde verloren, was dann? Ich kenne die Pflanzen und ihre Zusammensetzung nicht, dann bin ich auf ewig verdammt, in deiner Welt zu bleiben, das käme nicht so gut und was soll ich meiner Mutter, meinen Freunden, meinen Lehrern erzählen, wo ich bin bzw. wo ich hingehe? Aussichtslos, einfach undenkbar oder wie hast du dir das vorgestellt?“

„Aus deiner Sicht hast du natürlich recht, aber vielleicht kannst du dich erinnern, dass bei uns die Zeitspannen, verglichen mit eurer Zeit, wesentlich kürzer sind. Wir leben mehr im Jetzt als ihr. Ihr lebt gedanklich fast nur in der Vergangenheit, deshalb bekommt ihr das Gefühl, alles bräuchte eine bestimmte Zeit, damit etwas geschehen kann. Wenn du dir einen halben Tag Zeit nimmst, dürfte ein Unternehmen in unserer Welt in einer Zeitspanne von etwa fünf Tagen abgelaufen sein.“

„O.k., o.k., ich werde es machen, obwohl mir bei dem Gedanken, so klein wie du zu sein, etwas mulmig wird.“

„Also abgemacht, morgen Mittag 13 Uhr am selben Ort“, antwortete Enric hastig, in der Hoffnung, Leo würde es sich nicht doch noch anders überlegen.

Leonard hat sich entschieden

Plötzlich begriff Leonard, was der Zwerg unter einer menschlichen Zeitillusion verstand. Vor lauter Aufregung und Überlegen, was er auf seiner Reise mitnehmen sollte, raste der Tag und die Nacht an ihm vorbei und schon stand er wieder mit einem Rucksack vor dem Baumstumpf, hielt das überreichte Fläschchen in der Hand und ließ, ohne zu zögern, drei Tropfen auf seiner Zunge zerrinnen.

Er musste die Wirkung nicht abwarten, es ging alles so schnell, dass er sich nur verwundert umschauen konnte. Alles um ihn herum erschien so riesig groß.

Enric lachte ihm ins Ohr, denn Leos Rucksack, mit all seinen wichtigen Dingen darin, hatte sich natürlich nicht verkleinert.

„Schau, dein Rucksack ist zu einem Berg geworden, leider musst du ihn zurücklassen.“

Er nahm Leo am Arm und führte ihn, auf die Gefahren des Kletterns hinweisend, in die Öffnung des Baumstammes.

Leo verblieb nur wenig Zeit zum Schauen und Staunen, zu schnell eilte Enric voraus, an einer herrlich glitzernden Kristallwand vorbei, bis vor eine hölzerne Pforte.

„Jetzt sind wir an dem Ort, wo sich für dich eine andere Welt öffnet, unsere Welt. Wenn du es dir noch einmal anders überlegen willst, musst du dich jetzt entscheiden, danach ist alles nicht mehr so wie es gewesen ist.“

Mit vor Verwunderung aufgerissenen Augen ging Leo auf die Pforte zu und suchte wie in Trance die Türklinke, aber er fand sie nicht, nur ein Stein lag davor, den Enric aufhob und gegen die Tür stieß. Ein lautes, widerhallendes, tiefes Dröhnen, ähnlich dem eines Gongs, ertönte, als sich die riesige Türe langsam, ohne zu quietschen, öffnete.

Geblendet schloss Leonard die Augen, so stark drang die Helligkeit dieser neuen Welt in seine Augen.

„Kneif deine Augen zusammen, bis sie sich an das Licht gewöhnt haben“, empfahl Enric, nahm seine Hand und führte ihn wie einen Blinden in die unbekannte Welt.

„Warum ist es hier so hell?“, fragte Leo.

„Wir leben in einer feineren materiellen Welt. Sie lässt das Licht besser durch und deshalb ist es auch möglich, uns blitzschnell von hier nach da zu bewegen.“

In der Wo-Anderswelt