Lesereise Oman - Walter M. Weiss - E-Book

Lesereise Oman E-Book

Walter M. Weiss

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Beschreibung

Mit Oman verbindet man prächtige Moscheen, Lehmburgen und -dörfer, Kamele, Krummdolche, Dhaus, Datteln und von edlen Düften durchwehte Basare. Auch gewaltige, wild zerklüftete Gebirge mit palmbestandenen Wadis, schier endlose Sandwüsten, und Küsten mit Stränden und Tauchrevieren wie aus dem Bilderbuch. Doch dieses sagenhafte Sultanat am Ostrand Arabiens herrschte lange Zeit über ein riesiges Handelsimperium und schaffte es binnen nur einer Generation vom rückständigen und armen Pariastaat zur modernen Musternation. Walter M. Weiss kurvt mit Beduinen über Dünen, segelt durch die Fjorde Musandams und knackt in der Südprovinz Dhofar frische Kokosnüsse. Er folgt in den Häfen Muscat, Sohar und Sur den Spuren legendärer Seefahrer, schaut Parfumeuren und Halwakochern über die Schulter und lernt, wie man die Rinde des Weihrauchbaums ritzt. Und in der historischen Hauptstadt Nizwa erfährt er das Wesen des Ibadismus, jener so wohltuend weltoffenen, toleranten Version des Islam, die die Mentalität der Omanis maßgeblich prägt.

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Seitenzahl: 125

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Walter M. Weiss

Lesereise Oman

Eine Erfolgsstory aus Tausendundeiner Nacht

Picus Verlag Wien

Copyright © 2024 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien

Umschlagabbildung: © Ghulam Hussain/iStockphoto

ISBN 978-3-7117-1122-9

eISBN 978-3-7117-5524-7

Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unter www.picus.at

Inhalt

Im Epizentrum sultanischer Weisheit und Macht

Einst und heute: Die legendäre Hafenstadt Muscat

Im Maschinenraum der Modernisierung

Mutrah und Capital Area

Rückblick I: Desaströse Zustände

Dr. Donald Bosch, Missionsarzt, über Omans extreme Rückständigkeit noch vor siebzig Jahren

Moho und die Reptilien von Ras al-Djins

Exkursionen in die Frühzeit der Erdkruste und der Evolution

Von Stierkämpfen, Lehmburgen und Kupferminen

Erkundungen in der Batinah-Ebene und Omans Frühgeschichte

Höckerige Impressionen

Auf und ab durch die Wahiba Sands

Im Reich der Dhaus

Sur und die Küste im äußersten Nordosten

Rückblick II: Enge Bande zu Ostafrika

Der Diplomat Sheikh Farid Bin Mbarak Al-Hinai plaudert über Karriere und Familiengeschichte

Wo das spirituelle Herz des Landes schlägt

Unterwegs in Nizwa und auf dem »Grünen Berg«

Zu Füßen Seiner Majestät, des Jebel Shams

In die Oasen und Schluchten rund um Omans höchstem Gipfel

Rückblick III: Schildkröten, Tahr und Oryx

Ralph Daly, Öko-Berater, Tier- und Umweltschützer der ersten Stunde, erinnert sich

Tropisches Arabien

Oman kontrapunktisch: Die Südprovinz Dhofar

Im Land des Weihrauchs

Ein olfaktorisches Paradies

Eine Exklave als strategischer Hotspot

Auf der Halbinsel Musandam

Der Autor

Im Epizentrum sultanischer Weisheit und Macht

Einst und heute: Die legendäre Hafenstadt Muscat

Wo bin ich nun eigentlich gelandet? Irgendwo an der kalifornischen Küste zwischen San Diego und Long Beach? In Miami? Auckland? Sidney? Oder Singapur? Auf dem sechsspurigen Highway vom Flughafen Richtung Herz der Capital Area schnurrt der Morgenverkehr trotz hoher Dichte mit einer Diszipliniertheit, wie man sie sich für weite Teile Europas nur wünschen könnte. Die Gebäude zu beiden Seiten erstrahlen in makellosem Schneeweiß und haben größtenteils die Ausmaße von Palästen. Palmenalleen, Bäumchen im Formschnitt und Blumenmeere, Frangipani, Bougainvilleen, Petunienbeete säumen den Weg. Der sattgrüne Rasen dazwischen sieht aus, als hätte man ihn mit Nagelschere und Pinzette manikürt. Und in regelmäßigen Abständen fordern Schilder die Vorbeifahrenden auf: »Keep your city clean!« Weder Anzeichen von Armut noch Abfälle sind zu sehen, weder streunende Hunde noch halb fertige Gebäude. Wären da nicht die arabischen Schriftzeichen auf den Autokennzeichen und riesenformatigen LED-Werbeboards, ragten nicht da und dort Kuppeln und Minarette von Moscheen himmelwärts, trügen die Herren und Damen hinter den Volants nicht weite, knöchellange Gewänder, Stickkappen respektive Kopftuch, und läge nicht, inzwischen selten genug, draußen vor der Küste eine Dhau, eines der für die Meere der Region früher so charakteristischen hölzernen Frachtschiffe – nie würde man vermuten, dass man sich in einer vor zwei Generationen noch denkbar peripheren Gegend am äußersten Nordostrand der Arabischen Welt befindet.

»Heute segelten wir ganz nahe an die Küste heran und sahen eine lange Kette völlig kahler Berge. Wir entdeckten ein großes Fort, das am Eingang zu einer Bucht auf hohem Felsen thronte. In dieser Bucht, vor der Stadt Muscat, warfen wir Anker. Diese Stadt wird von einem arabischen Prinzen regiert und ist von mehreren Mauerreihen und Türmen umgeben … In dem Felsental von Muscat herrscht eine ziemlich erdrückende Hitze (in der Sonne einundvierzig Grad Reaumur). Das grelle Licht ist hier sehr gefährlich, weil es weder von Bäumen noch Büschen noch dem kleinsten bisschen Gras gemildert wird. Man findet keine Europäer, weil das Klima für sie eine tödliche Gefahr darstellt.« Ida Pfeiffer, jene weltreisende Rechtsanwaltsgattin aus Wien, die diese Zeilen am 1. Mai des Revolutionsjahres 1848 in ihr Tagebuch notierte, würde heute wohl ihren Augen nicht trauen. Zwar gleichen im Sommer die Buchten am Nordrand des Hadjar-Gebirges, dessen nackter, dunkler Fels jeden Sonnenstrahl erbarmungslos speichert, noch heute Backöfen. Doch abgesehen davon, dass sich mittlerweile das Leben der Hauptstädter in der heißen Saison größtenteils in klimatisierten Räumen abspielt: Jener winzige Hafen, von dem aus die Omanis zur Zeit Ida Pfeiffers ein Seeimperium regierten, das von Sansibar bis ins heutige Pakistan reichte, ist zu einem dank hocheffizienter Meerwasserentsalzungsanlagen von üppigem Grün durchzogenen großstädtischen Ballungsraum angeschwollen, der sich bereits fünfzig Kilometer weit entlang der Küste und auch tief hinein in das Hinterland erstreckt und mittlerweile weit über eineinhalb Millionen Einwohner zählt.

Die Kernzone dieser sogenannten Capital Area bildet, sieht man von dem historischen Hafen-Zwilling Muscat und Mutrah ab, der Stadtteil Ruwi. Er wurde Anfang der Siebziger ein Stück landeinwärts in einem engen Wadi auf dem Reißbrett geplant und beherbergt mit dem Central Business District die Schaltzentrale der omanischen Ökonomie. Ein Tal weiter liegt Wattayah, das die höchste Dichte an Shoppingkomplexen im American Style aufweist. Und an dessen Ausgang, im Hafen von Mina Al Fahal, schlägt das Herz der hiesigen Fossilindustrie, der die Omanis trotz aller Diversifizierungsbemühungen immer noch über ein Drittel ihres Bruttonationalprodukts und drei Viertel ihrer Staatseinnahmen verdanken. Hier hat die PDO, die Petroleum Development Oman, ihr Headquarter. Hier kann man im von dieser gestifteten Oil & Gas Exhibition Center Wissenswertes über Entstehung, Entdeckung und heutige Förderung des Schwarzen Goldes erfahren. Von hier Richtung Westen erstrecken sich jene noch jüngeren, teilweise aus bescheidenen Fischersiedlungen hervorgegangenen Bezirke, deren eingangs beschriebenes mondänes Gartenstadtambiente jeden Neuankömmling bass erstaunt: Qurum beispielsweise mit seinen Villenvierteln, dem Erholungsgebiet Natural Park und den streng geschützten Mangroven; oder die nicht minder prestigeträchtigen Bezirke Al Khuwair und Madinat al Sultan Qabus mit ihren noblen Botschaften und Ministeriumsbauten.

Eindeutig die Hauptattraktion der Capital Area ist aus touristischer Sicht ihr phänomenaler Sandstrand. Der reicht von der Landspitze Ras al-Hamra viele Kilometer weit über Shati Al Qurum und Al Ghubrah bis zur westlichen Stadtgrenze (und darüber hinaus) und ist gesäumt von einigen der feinsten Hotels des Landes. Im Grand Hyatt etwa, im insbesondere von Stilpuristen mit Hang zu fernöstlichem Minimalismus viel gepriesenen The Chedi oder im Crown Plaza, dem Nachfolger des legendären, weil ersten Luxushotels aus der Aufbruchszeit, dem Gulf, lässt sich denkbar famos urlauben. Gar nicht zu reden vom Kempinski in The Wave alias Al Mouj, einem in jüngsten Jahren erst nahe dem Airport aus dem Boden gestampften Stadtteil von beinah dubaiesken Dimensionen. Marina, Golfplatz, Tauchbasis und reihenweise edle Boutiquen und Restaurants machen ihn zum bevorzugten Tummelplatz der einheimischen Reichen und Schönen.

Auf sehr andere Weise spektakulär ist indes die Küstenlandschaft östlich der Hauptstadt: feinsandige Strände zwischen steilen Klippen, dazu laues, kristallklares Wasser und eine maritime Fauna – dies lässt sich schon nach ein bisschen Schnorcheln behaupten – von einer Vielfalt und Farbenpracht, die es mit den schönsten Revieren des Roten Meeres, der Karibik oder der Malediven aufnimmt. Ein Leuchtturm der omanischen Luxushotellerie wartet auch hier: Das Al Bustan Palace, inzwischen von der Ritz-Carlton-Kette betrieben, wurde Anfang der Achtziger in nur eineinhalb Jahren für das Gipfeltreffen des GCC, des Kooperationsrats der Golfstaaten, dem auch der Oman angehört, errichtet und pflegte lange Zeit die offiziellen Gäste des Sultans zu beherbergen. Der pompöse, neunstöckige, mit seiner oktogonalen Grundform äußerlich eher etwas eigenwillige Palast, dessen achtunddreißig Meter hohe, mit Marmor vertäfelte und von Weihrauchduft geschwängerte Mittelhalle mehr einer Kathedrale denn einer Lobby gleicht, wurde von den internationalen Fachmedien mehrmals unter die besten Strandhotels der Welt gewählt.

Ich freilich pflege an Ankunftstagen lieber ein Taxi ins alte Muscat zu nehmen. Zu Zeiten von Sultan Said ibn Taimur, jenes starrsinnigen Despoten, der Oman achtunddreißig Jahre lang bis 1970 regierte, herrschte hier noch tiefstes Mittelalter. Es gab ein einziges Spital. Das hatte zwölf Betten. Und nur eine asphaltierte Straße. Die war drei Kilometer lang und führte zum Palast. Sonnenbrillen, Fahrräder, Radios und anderes »westliches Teufelszeug« waren verboten. Die Stadttore wurden bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen, und wer sich vor Sonnenaufgang aus dem Haus wagte, musste per Dekret eine Laterne bei sich tragen (siehe »Rückblick I«, Seite 29). Aufgeschreckt durch diverse sozialistische Revolutionen in der Arabischen Welt, namentlich in Irak, Ägypten, Libyen und Jemen, hatte sich der Monarch rigoros jeder Form von Entwicklung verschlossen und es so geschafft, aus seinem hundert Jahre zuvor noch fortschrittlichen Land eines der rückständigsten der Welt zu machen. Er war zudem in höchstem Maße xenophob. Wer aus- oder einreisen wollte, brauchte des Herrschers persönliche Genehmigung. Und Ausländern wurde, wenn überhaupt, nur in raren Einzelfällen der Aufenthalt erlaubt.

Sein Sohn Qabus, der am 23. Juli 1970, gerade dreißig Jahre alt, unblutig gegen den Vater putschte, öffnete die Grenzen. Er ließ mithilfe des jählings sprudelnden Ölreichtums und westlicher Berater Straßen, Schulen, Stromleitungen, Spitäler und andere Unentbehrlichkeiten bauen, die es zuvor so gut wie nicht gegeben hatte. So schuf er in wenigen Jahren einen modernen Musterstaat, von dem ein Bericht der Vereinten Nationen kürzlich erst voller Anerkennung meinte, weltweit habe keine andere Nation ihre soziale und wirtschaftliche Lage binnen weniger Jahrzehnte so fundamental verbessert.

Das Bruttoinlandsprodukt betrug 1970 pro Kopf ganze dreihundertsiebzig US-Dollar und liegt heute kaufkraftbereinigt bei fast vierzigtausend – höher als etwa in Griechenland oder Russland. Medizinische Versorgung und Schulbesuch sind gratis, sauberes Wasser und Sanitäranlagen für alle zugänglich. War 1970 noch die gesamte Bevölkerung illiterat, liegt die Analphabetenrate heute für Frauen bei sieben, bei Männern bei gerade noch drei Prozent. Das Land ist durchgehend elektrifiziert, durch Autobahnen und Straßen bestens erschlossen und in den städtischen Zentren industrialisiert. Als »Renaissance« preisen die Omanis diese ihre Befreiung aus dem Gefängnis des Anachronismus.

Als sichtbares Symbol für den grundlegenden Wandel modelte Sultan Qabus auch das Herz von Old Muscat radikal um. Er ließ den Basar mitsamt einem Großteil der historischen Innenstadt und die Palmhüttensiedlungen an der Peripherie schleifen (eine Reihe imposanter, inzwischen sorgfältig restaurierter Wohnhäuser alter Händlerdynastien freilich blieben stehen). Die so gewonnenen Freiflächen verwandelte er in ein Verwaltungsviertel mit einem Prachtboulevard als zentraler Achse, um den sich pompöse marmorweiße Regierungsgebäude, darunter das Finanzministerium und die Büros des Diwan, gruppieren. Die alte Stadtmauer ersetzte er durch eine neue, deren Tore breit genug für Autos sind. Und zwischen die portugiesischen Festungen Mirani und Djalali zwängte er einen neuen Palast – Qasr al-Alam, einen von indischen Architekten entworfenen, in Farben und Formen gelinde gesagt etwas kuriosen Komplex, in dem Qabus Audienzen und Staatsempfänge abhielt (seine ehemalige Residenz, in der seit 2020 auch sein Nachfolger auf dem Thron, Haitham ibn Tariq, wohnt, steht in Seeb), und über den die FAZ einmal reichlich respektlos formulierte, er sehe aus, »als würden Imelda Marcos’ Pudel darin wohnen«.

Seltsamerweise hat das alte Muscat trotz dieser brachialen Verjüngungskur einen Rest seiner legendären Romantik bewahrt. Die beiden Burgen, die übrigens dem Militär unterstehen und dem gemeinen Volk deshalb verschlossen bleiben, sind abends in bombastisches goldenes Flutlicht getaucht – höchst theatralisch, als würden vor ihrer Kulisse Verdi-Opern aufgeführt. Oder von Kanonensalven und Feuerwerken begleitete Son-et-lumière-Spektakel.

Die ultimative Aussicht auf dieses wie von Walt Disney designte urbane Idyll aus Tausendundeiner Nacht genießt man vom Scheitel der alten Passstraße aus, der ehemals einzigen asphaltierten Verbindung in diese Bucht. Von dort lassen sich – aus lichttechnischen Gründen bevorzugt spätnachmittags – die besten Panoramafotos schießen. Der Blick in Cinemascope auf das Epizentrum sultanischer Macht lädt aber auch zur Reflexion über das wundersame Geschick dieser Monarchie am Ostrand der Arabischen Welt: Die Omanis sind zu Recht stolz auf eine über vier Jahrtausende alte Landesgeschichte. Sie verfügten schon über ein Imperium, dessen Herrschaftsgebiet sich nach Ostafrika und ins heutige Pakistan erstreckte und dessen Einfluss als »Global Player« im Überseehandel über Indien bis weit nach Südostasien reichte, als die heute neureichen Cousins am Golf und in Innerarabien noch in Zelten hausend bloßfüßig mit ihren Kamelen und Falken im Wüstensand hockten. Die Omanis schwimmen nicht wie die Qataris und Emiratis in Gas und Öl. Dafür hüten sie als Schatz eine Denkungsart, die keine Kompensation durch Glitzer, Glamour und permanente Superlative nötig hat. Dank ihrer in den Tiefen der Zeit wurzelnden Tradition brauchen sie keine künstlichen Skipisten und Freizeitarchipele, keine Fata Morganen aus Glas und Beton. Statt Weltrekordwolkenkratzer zu bauen, sichern sie den Minaretten ihrer Moscheen auch weiterhin das altehrwürdige Privileg, dass kein profanes Gebäude sie überragt.

Ein guter Ort, um sich mit Omans Seele vertrauter zu machen, ist das Nationalmuseum. Es wurde 2016 vis-à-vis dem Sultanspalast erbaut und ist architektonisch wie museumsdidaktisch ein echtes Glanzstück. In seinen großzügig dimensionierten Räumen defiliert, multimedial instruktiv und effektvoll inszeniert, in Form Tausender Exponate das gesamte Kulturerbe des Landes am Besucher vorbei. Vom archaischen, aber seetüchtigen Boot mit durch Kokosfasern vernähten Planken, bis zum Modell eines modernen Tankschiffs zum Transport von Flüssiggas; von Schnittzeichnungen durch ein antikes Aflaj-Kanalsystem bis zu Miniaturnachbauten diverser Lehmfestungen. Man liest eine Kopie jenes Briefes, mit dem Prophet Mohammed im Jahr 630 per Boten den damaligen Herrscher über die Küstenebene zur Konversion aufforderte, und ein paar Vitrinen weiter die Geschichte der Sultanstochter Sayyida Salamah, die sich 1864 im Palast von Sansibar unsterblich in den Vertreter einer Hamburger Handelsgesellschaft verliebte, aus ihrer Heimat floh und in der Alsterstadt als Bürgergattin Emily Ruete mit ihren »Memoiren einer arabischen Prinzessin« für Furore sorgte. Man bewundert erlesene Hervorbringungen hiesigen Kunsthandwerks – Schmuck, handgewebte Seiden, Trachten, fein beschnitzte Türen, Fenster, Truhen, ziselierte Kaffeekannen und Krummdolche … Man inspiziert eine am Ausgang der Eisenzeit im Oman geschlagene Münze, die älteste bekannte, mit dem Konterfei Alexander des Großen, und gleich nebenan eine moderne Zwanzig-Rial-Banknote, von der einem väterlich milde, mit schlohweißem Vollbart Sultan Qabus entgegenlächelt. Und am Ende des Rundgangs versteht man etwas ein Stück weit besser: nämlich dass Tradition und Moderne sich hierzulande nicht befehden, sondern vielmehr auf ungewöhnliche, leider sehr selten gewordene Art koexistieren. Wie zwei Brüder, die einander bisweilen vielleicht etwas fremd, aber im Grunde stets wohlgesonnen sind.

Im Maschinenraum der Modernisierung

Mutrah und Capital Area

»Hinter Muscat«, schrieb die Wiener Weltreisende Ida Pfeiffer, »erstreckt sich ein langes, felsiges Tal. Darin findet sich ein Dorf mit mehreren Gräbern und (welch wunderbare Sache!) ein kleiner Garten mit sechs Palmen, einem Feigen- und einem Granatapfelbaum. Dieses Dorf heißt Mutrah und ist größer und dichter bevölkert als Muscat.« Der Unterschied zwischen den beiden Nachbarorten hat sich seit damals verstärkt. Mutrah ist seit dem Niedergang der omanischen Seemacht, weil es einen Zugang zum Hinterland bietet, das pulsierende Herz des historischen Stadtbereichs. Hier befinden sich Mina Qabus, ein großer, moderner Containerhafen, und der neue Fischmarkt, ein »Landmark« zeitgenössischer Architektur, samt Kühlhaus und Konservenfabrik. An der Corniche, der elegant geschwungenen Küstenstraße, stehen noch etliche der über hundertjährigen, mit fein ziseliertem Schnitzwerk und filigranen Holzbalkonen verzierten Prachthäuser der reichen Händler vom Subkontinent. Dahinter erstreckt sich der Bezirk Sur Al Lawatiya.

Oman ist als Folge der langen Seefahrertradition Heimat zahlreicher Minderheiten. In seinen Hafenstädten leben seit Generationen Belutschen aus dem iranisch-pakistanischen Hochland, dunkelhäutige Sansibari, schiitische Khojas aus Indien und deren Glaubensbrüder aus Bahrain. Sur Al Lawatiya wird von Lawatis, schiitischen Kaufleuten aus der pakistanischen Provinz Sindh, bewohnt. Das Viertel galt lange Zeit nicht nur für Fremde, sondern auch für andersgläubige Nachbarn als No-go-Area. Noch heute sind in den engen Wohngassen allzu neugierige Schaulustige nicht gerne gesehen.