9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €
Wir alle können die Welt verändern! Luftverschmutzung, Überkonsum, Plastikmüll: Die globalen Probleme der Klimakrise sind längst bekannt. Doch Statistiken und Fakten reichen meist nicht aus, um Gewohnheiten zu ändern und Strukturen zu hinterfragen. Menschen brauchen Geschichten. Die junge britische Umweltschützerin Bella Lack porträtiert in diesem Buch daher jugendliche Aktivist*innen aus aller Welt, die mit ihren Projekten für eine bessere Zukunft kämpfen. Das Ergebnis ist eine Reise von den Straßen Londons bis in die entferntesten Winkel der Erde – und an jedem dieser Orte lernen wir reale junge Menschen kennen, deren Biografien uns inspirieren, auch selbst die Ärmel hochzukrempeln. Aufrüttelnd, inspirierend und eine Liebeserklärung an die Natur – mit einem Vorwort von Greta Thunberg »Es ist wirklich außergewöhnlich, wie klar und anschaulich und dabei berührend die junge Aktivistin Bella Lack schreibt. Ein erhellendes Buch, das zum Handeln anregt.« books4future »Wissenschaftler haben wiederholt vorhergesagt, dass: - jedes Jahr sieben Millionen Menschen infolge von Luftverschmutzung sterben werden - der Meeresspiegel bis 2050 um 34 cm steigen könnte - eine Million Arten vom Aussterben bedroht sein werden - die Ozeane bis 2050 womöglich mehr Plastik als Fische enthalten Es wird Zeit, dass diese Zahlen endlich ein Gesicht bekommen. […] Treten wir also einmal einen Schritt zurück und lassen jene junge Menschen, die unmittelbar von der Klimakrise betroffen sind, ihre Geschichten erzählen. Hören wir ihnen einmal ganz aufmerksam zu, denn noch ist keine dieser Geschichten abgeschlossen; noch können wir ihren Ausgang verändern.« aus: Bella Lack, Let's Save the World
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Aus dem Englischen von Nadine Püschel
Luftverschmutzung, Überkonsum, Plastikmüll: Die globalen Probleme der Klimakrise sind längst bekannt. Doch Statistiken und Fakten reichen meist nicht aus, um Gewohnheiten zu ändern und Strukturen zu hinterfragen. Menschen brauchen Geschichten. Die junge britische Umweltschützerin Bella Lack nimmt uns deshalb mit in die entferntesten Winkel der Erde und stellt jugendliche Aktivist*innen vor, die mit ihren Projekten für eine bessere Zukunft kämpfen – und uns damit inspirieren, auch selbst die Ärmel hochzukrempeln.
Buch lesen
Viten
Für jene jungen Menschen, die nicht entmutigt schweigen, weil sie einen verwüsteten Planeten sehen, sondern die sich bestärkt fühlen, weil sie eine andere Zukunft für möglich halten. Danke.
Wir erleben gerade den Beginn einer globalen klimatischen und ökologischen Notlage, von der wir alle betroffen sind.
Doch unter den Folgen leiden manche mehr als andere. Dort, wo ich herkomme, sprechen wir oft von der Klimakrise, als wäre sie etwas, was unsere Kinder und Enkelkinder in einer fernen Zukunft betreffen wird. Dabei vergessen wir anscheinend immer wieder, dass an ihren Auswirkungen schon heute Menschen sterben.
Seit Jahrzehnten kämpfen Menschen – allen voran junge Leute – unermüdlich für klimatische und ökologische Gerechtigkeit. Während wir darauf warten, dass die Verantwortungtragenden handeln, erheben in jeder Stadt, jeder Gemeinde, jedem Land junge Menschen ihre Stimme und werden aktiv. Und ich bin sehr stolz darauf, an ihrer Seite zu kämpfen.
Unser Aktivismus hat viele verschiedene Formen, aber wir arbeiten gemeinsam auf dasselbe Ziel hin: Wir wollen politische und wirtschaftliche Systeme so verändern, dass der Mensch und der Planet an erster Stelle stehen.
In Let’s Save the World lesen wir eindrückliche Geschichten aus aller Welt. Geschichten von den am meisten betroffenen Menschen in den am meisten betroffenen Gebieten. Auch wenn niemand sie hört, haben sie doch eine Stimme, und ihre Geschichten müssen erzählt werden.
Holen wir sie also auf die Bühne.
Wir sind süchtig nach Geschichten. Sie sind das Fundament unserer Zivilisation. Geschichten gehören zum Wesen des Menschen wie das Fliegen zum Wesen der Vögel und Blütenblätter zum Wesen der Blumen. Sie sind die Essenz unserer Spezies und die machtvollste Form menschlicher Kommunikation.
Das wurde mir im März 2020 bewusst.
Es wirkte gar nicht wie das Ende der Welt, obwohl viele alarmistische Tweets mir genau das versicherten. Ich betrachtete die Welt vor meinem Fenster. Der Londoner Morgen war dunstig-feucht wie ein neugeborenes Kalb. Am blauen Himmel verflochten sich einzelne milchige Kondensstreifen. Zum ersten Mal in meinem Leben klang das Grundrauschen der Stadt gedämpft und fern. Ein paar Stunden später, als der Frühlingsnebel sich verflüchtigte, zog ich einen weiten Pulli über und ging im Park spazieren. Es war einer jener magischen Tage, an denen sich der Frühling nicht mehr nur erahnen lässt, sondern plötzlich überall Knospen und Blüten sprießen und Bienen summen. An denen Narzissen der Sonne ihre Köpfe entgegenrecken und quakende Frösche in den grünen Teichen ein Ständchen singen. Die Vögel zwitscherten ein bisschen lauter, die Sonne schien ein bisschen heller, und der graue britische Winter taute ab; das Leben erwachte neu. Emsige Betriebsamkeit lag in der Luft, ausnahmsweise waren aber keine Menschen am Werk. Als ich schließlich doch einem weiteren Homo sapiens begegnete, schwenkten wir schon einige Schritte vorher höflich zur Seite, um in einem subtilen, aber ausreichend großen Bogen den vorgeschriebenen Abstand von zwei Metern zu wahren (ehrlicherweise muss man sagen, dass dieses Verhalten in Großbritannien generell nicht ungewöhnlich ist).
Überall auf der Welt saßen wir Menschen zu Hause, alle schön säuberlich in den eigenen vier Wänden verstaut. Binnen weniger Wochen hatte sich unsere Spezies aus dem kräftezehrenden Hamsterrad der Routine zurückgezogen und trudelte im Leerlauf dahin. Die Maschine der Menschheit war abrupt zum Stillstand gekommen, und unsere Horizonte schrumpften von der globalen Nachbarschaft auf den schmerzlich vertrauten Anblick der Innenseite unserer Wohnungstüren zusammen.
Am meisten überraschte mich, wie leicht und schnell sich große Hauptstädte von geschäftigen Metropolen in gähnend leere Geisterstädte verwandelt hatten. Dabei lagen das Wie und Warum klar auf der Hand. Wir schränkten uns nicht nur aufgrund der Warnungen und Vorschriften der Regierungen ein, sondern auch wegen der Geschichten, die in unsere Social-Media-Feeds gespült wurden. Wir hörten von einer kranken Mutter in Wuhan und einem verängstigten Paar, das auf einem Kreuzfahrtschiff mit zahlreichen infizierten Fahrgästen festsaß. Wir lasen von dem Opa einer Freundin, der ins Krankenhaus musste, vom britischen Premierminister auf der Intensivstation und von einer italienischen Pflegekraft, die nach endlosen Schichten zu Tode erschöpft war. Diese persönlichen Geschichten machten den Ernst der Viruserkrankung für die globale Bevölkerung greifbarer, als es jede Statistik vermocht hätte.
Im Jahr 2020 brachten Geschichten, nicht nur Zahlen, die Welt dazu, sich mit dem Coronavirus zu befassen. Informationen über den Zustand unseres Planeten sind häufig komplex, trocken und kein Thema in der breiten Öffentlichkeit. Eine sprachwissenschaftliche Analyse hat sogar ergeben, dass der neueste Sachstandbericht des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) weniger lesbar ist als Albert Einsteins bahnbrechende Forschungsaufsätze – was es noch schwerer macht, die Realität der Klimakrise zu kommunizieren. Deswegen geht es in diesem Buch nicht um nüchterne Statistiken und wissenschaftliche Erkenntnisse. Es handelt vielmehr von Schmerz und Widerstand, von Resilienz und Liebe.
Die Wissenschaft hat wiederholt vorhergesagt, dass:
• jedes Jahr 7 Millionen Menschen infolge von Luftverschmutzung sterben werden.
• der Meeresspiegel bis 2050 um 34 cm steigen könnte.
• 1 Million Arten vom Aussterben bedroht sein werden.
• die Ozeane bis 2050 womöglich mehr Plastik als Fische enthalten.
Es wird Zeit, dass diese Zahlen endlich ein Gesicht bekommen.
Wenn wir wissenschaftliche Begriffe wie »Ozeanversauerung« hören, sollten wir diesem Wort allergrößtes Gewicht beimessen, schließlich beschreibt es eine der größten chemischen Veränderungen unserer Erde in den letzten 50 Millionen Jahren. Und doch lässt uns das Wort merkwürdig kalt, weil es kein persönliches Gewicht und keinen Bezug zu unserem täglichen Leben hat. Wir verbinden weder Erinnerungen noch Gefühle damit. Emotional hat es weder etwas mit der Musik zu tun, die wir gern hören, noch mit den Menschen, die wir lieben, weder mit der Vergangenheit unserer Familie noch mit dem Moment, als wir das erste Mal richtig Fahrrad fuhren. Es ist nur ein Wort, ein paar Buchstaben auf einem Blatt Papier – dabei hat die Ozeanversauerung, wie die Umweltkrise allgemein, das Leben so vieler Menschen verändert und zerstört.
Unsere fragwürdigen westlichen Fantasien von dauerhaftem Wachstum, Fortschritt und unendlicher Energie funktionieren für eine kleine Minderheit; einen Großteil der Bevölkerung stürzen sie hingegen in Solastalgie. Solastalgie lässt sich am besten als »die gelebte Erfahrung von als negativ empfundenen Veränderungen der Umwelt« beschreiben. Anders gesagt: als das Erlebnis, dass sich unser Zuhause vor unseren Augen in einen unwohnlichen Ort verwandelt. Dass uns das Gefühl genommen wird, dort heimisch zu sein. Dass wir gezwungen werden, um die Landschaft zu trauern, die wir einst geliebt haben. Es ist Nostalgie nach einem Ort, den es einmal gab, und Angst vor der Zukunft, die uns erwartet.
Da ich in England lebe, trauere ich um den Verlust von Nachtigallen, roten Eichhörnchen und Schmetterlingen, doch für mein Leben macht es keinen großen Unterschied, ob ich einen Feurigen Perlmuttfalter sehe oder nicht. In Großbritannien freuen sich viele über die wärmeren Sommer und milderen Winter. Was sich jedoch unmittelbar verändert hat, ist unser psychologisches Bewusstsein, dass am fernen Horizont eine Katastrophe heraufzieht. Unzählige junge Menschen in aller Welt müssen auf die Spiele, die Arglosigkeit, die Launen und Freuden verzichten, die ihre Kindheit eigentlich prägen sollten. Während es bei uns im Westen oft heißt: »Wir müssen Elefanten schützen, damit unsere Enkelkinder nicht in einer Welt aufwachsen, in der es keine mehr gibt«, sagen junge Menschen im Zentrum der weltweiten Krise: »Wir müssen unseren Planeten schützen, damit ich morgen beim Aufwachen nicht an der Luftverschmutzung ersticke oder an Krebs erkranke, weil meine Wasserquelle voller Plastik und Chemikalien ist, oder ich wegziehen muss, weil der Wald, in dem ich lebe, abgeholzt wurde.«
Rund um den Globus werden unzählige Menschen zu einer Währung, die bestimmten Leuten mehr Autos, größere Fernseher und schnellere Flüge verschafft. Treten wir also einmal einen Schritt zurück und lassen jene jungen Menschen, die unmittelbar von der Klimakrise betroffen sind, ihre Geschichten erzählen. Hören wir ihnen einmal ganz aufmerksam zu, wirklich zu, denn noch ist keine dieser Geschichten abgeschlossen; noch kann man ihren Ausgang verändern. Es ist die Aufgabe von uns Menschen, es ist deine und meine Aufgabe, es mit dem trägen Widerstand der Gesellschaft gegen Veränderungen aufzunehmen und in unserer Fantasie ein anderes Szenario für die Zukunft zu erschaffen. Für diejenigen, die nach uns kommen. Unsere Fantasievorstellungen sind wie Erinnerungen, die noch nicht hart geworden sind. Das müssen wir nutzen, um unsere Zukunft zu gestalten und zu formen, bevor sie in den Annalen der Geschichte versteinert.
Dieses Buch zeigt Geschichte im Werden. Es nimmt das aktuelle Weltgeschehen unter die Lupe und verstärkt hoffentlich deinen Wunsch, etwas zu tun – nicht nur für die Menschen, die ihre Geschichten erzählt haben, sondern auch für die Orte, an denen sie heimisch sind, und für die anderen Spezies, die diese Lebensräume mit ihnen teilen.
»Die bringen dich um«, warnte sie mich. Ich saß im violetten Dämmerlicht des ecuadorianischen Urwalds und telefonierte nach über einer Woche ohne Netzempfang mit meiner Mutter. Aufgeregt und nervös sah ich zu, wie sich die herrliche schwere Dunkelheit, die es nur an entlegenen Orten gibt, über die Baumwipfel senkte: Am nächsten Morgen stand etwas Großes bevor.
Wir campten gerade im Chocó-Nebelwald, um dort im Rahmen einer wissenschaftlichen Naturschutzexpedition neue Arten zu finden und zu beschreiben – vier junge Leute, darunter ich selbst, und drei Erwachsene. Wir waren durch das Reservat gewandert, für dessen Schutz wir uns zwei Jahre lang eingesetzt und Spenden gesammelt hatten, und ich war zum ersten Mal persönlich dort.
Vierundzwanzig Stunden zuvor war Marco, der mit uns dem Jugendrat angehörte und als Einheimischer den Regenwald wie seine Westentasche kannte, zu einem seiner Streifzüge aufgebrochen. In der Nähe unseres improvisierten Lagers hatte er einen Trampelpfad entdeckt. Er packte seine Machete mit der einen Hand, riss mit der anderen Lianen ab oder schob flache, dicke Blätter beiseite, die ihm ins Gesicht schlugen, und folgte dem Weg ein Stück. Als er ins Camp zurückkehrte, winkte er uns zu sich und öffnete seine Hand. Ich konnte erst nicht erkennen, was darin war, aber ich hörte die anderen um mich herum nach Luft schnappen. Javier, der Leiter unserer Expedition, wich erschrocken zurück und strich sich nervös die Haare aus der Stirn. Mir war klar, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.
Nach einigem Hin und Her reimte ich mir mit meinen wenigen Brocken Spanisch zusammen, dass der gelbe Gesteinssplitter, den Marco in der Hand hielt, eine Mischung aus Gold und Pyrit war. Er hatte eine illegale Abbaustätte gefunden – mitten im Reservat. Zwei Jahre lang hatten wir unermüdlich darauf hingearbeitet, dass dieses Gebiet unter Naturschutz gestellt wurde, und nun waren die Bergbauunternehmen, die schon lange ein Auge darauf geworfen hatten, hier eingedrungen. Ihre Arbeiter hatten über drei Kilometer einer ökologisch wertvollen Schlucht verwüstet, in der mehrere gefährdete Arten lebten, und allem Anschein nach waren sie immer noch in der Gegend. Ihre Spuren waren frisch.
Einen Moment lang herrschte Totenstille. All unsere Hoffnungen und ehrgeizigen Ziele für den wunderschönen Flecken Wildnis, in dem wir saßen, schienen auf einen Schlag zunichtegemacht. Doch dann durchlief uns alle ein Ruck der Entschlossenheit. Mit zusammengekniffenen Augen und lauter Stimme schmiedeten wir Pläne und warfen Ideen in den Raum. Wir schickten eine Drohne los und erkundeten den dichten Wald in einem Radius von mehreren Kilometern aus der Luft, bis wir das Basislager der Bergarbeiter fanden. Am Abend zogen wir an eine weiter entfernte Stelle um, wo es sicherer war. Und am nächsten Morgen gingen wir noch vor Sonnenaufgang zu ihnen und stellten sie zur Rede.
Es brauchte zwei Anläufe, doch irgendwann verrieten sie uns, für wen sie arbeiteten, und mit dieser entscheidenden Information traten wir wieder den Rückzug an, um uns auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten.
Bergbauunternehmen lassen sich oft in einer Region nieder und zwingen die einheimische Bevölkerung, sich zu entscheiden: Entweder arbeiten die Menschen für das jeweilige Unternehmen oder sie werden umgesiedelt. In jenen angespannten vierundzwanzig Stunden habe ich gelernt, dass die »Wir gegen die«-Einstellung, mit der wir durchs Leben gehen und mit der wir auch der Klimakrise begegnen – Jugendliche gegen Erwachsene, Naturschützer*innen gegen Bergleute –, nicht funktioniert. In jeder Situation versuchen alle Beteiligten vor allem, den Kopf über Wasser zu halten; wir geben unser Bestes, uns um uns selbst, unsere Freund*innen und Familien, unser Umfeld zu kümmern. Wir wussten über die Bergleute nur, dass sie das Reservat zerstörten, und so fiel es uns leicht, ihnen in unserer Vorstellung die Rolle der Bösewichte zuzuschreiben. Dabei hatten wir es wahrscheinlich einfach mit einer Gruppe Menschen zu tun, die ihre Familien versorgen wollten und nicht die gleichen Chancen und Mittel bekommen hatten wie andere.
Menschen ändern sich oft, wenn sie die Gelegenheit geboten bekommen und mit dem nötigen Wissen ausgestattet werden. An der Klimakrise ist nicht die Gesellschaft als Ganzes schuld, sondern eine relativ kleine Schar von Firmen mit ihren mächtigen PR-Kampagnen. Wenn große Unternehmen, Ideen und Ideologien angerollt kommen, ist es leicht, sich mitreißen zu lassen und einfach mit dem Strom zu schwimmen. Darum nimmt dieses Buch keine bestimmte Person, Altersgruppe, Bevölkerungsschicht oder Generation ins Visier. Es ist ein Aufruf zur Veränderung, der von jedem jungen Menschen, von Aktivist*innen, Jäger*innen, Anwält*innen, Politiker*innen oder Kunstschaffenden gehört und beherzigt werden kann. Ich glaube fest, dass Veränderung für jeden und jede möglich ist, wenn wir uns bemühen, festgefahrene Muster zu durchbrechen und neu zu bewerten, wie wir auf unserer wunderbaren Erde leben und wie wir sie behandeln.
Wir standen in der mit Müll übersäten apokalyptischen Landschaft, die unter Abfällen aller Art verschwand, und ich empfand beinahe so etwas wie Erleichterung. Das Ausmaß der Verwüstung überwältigte mich. Das Problem, mit dem wir konfrontiert waren, kam mir so gewaltig und so unüberwindbar vor, dass ich mich fragte, ob ich meinen Einsatz für Umweltschutz, die Reden, den Aktivismus nicht einfach aufgeben und lieber meine Jugend genießen sollte. Zwei Tage vor meinem siebzehnten Geburtstag war ich in Mumbai, an einem der am schlimmsten verschmutzten Strände der Welt, und fühlte mich wie betäubt.
Rückblickend war diese innere Lähmung eine sehr ehrliche, sehr menschliche Reaktion. Sie ist sogar so typisch, dass genau das der Grund sein könnte, weshalb wir in dieser Umweltmisere stecken – ohne die Motivation aufzubringen, etwas dagegen zu tun. Das nennt man emotionale Taubheit. Wenn ich dir erzähle, dass mein Hund todkrank ist, wirst du Mitgefühl und Beileid empfinden. Doch du kannst nicht um jeden Hund trauern, der auf der Welt stirbt, sonst wärst du permanent traurig, weil tagtäglich so viele Hunde sterben (tut mir leid, kein schönes Beispiel; heute sind ungefähr 1,2 Millionen Welpen geboren worden!).
Das ist das gleiche vertrackte Paradox, das die Leute in der Politik und anderswo davon abhält, in humanitären Krisen aktiv zu werden. Der Wert, den wir dem Leben eines Menschen beimessen, nimmt drastisch ab, je höher die Zahl der Betroffenen ist. Eine Geschichte über ein einzelnes Opfer spricht unser Herz an, eine trockene Statistik über Millionen dagegen unseren Verstand. Aus diesem Grund hast du vielleicht vom Löwen Cecil und vom Gorilla Harambe gehört, aber nicht von den Millionen Tieren, die tagtäglich in Schlachthöfen getötet werden. Menschen handeln erst dann, wenn sie das Gefühl haben, wirklich etwas ändern zu können, und das ist der Knackpunkt: Wirksamkeit. Menschen bleiben lieber untätig, als etwas zu tun, das ihnen wirkungslos vorkommt.
Als ich dort stand, bis zu den Knöcheln im Abfall der Menschheit versunken, kam es mir in der Tat wirkungslos vor, einen Plastikstrohhalm abzulehnen oder einen eigenen Thermobecher in den Coffeeshop mitzubringen.
Eine Zeit lang war Plastik das Vorzeigekind des Umweltschutzes. Inzwischen ist es etwas in Vergessenheit geraten und steht im Schatten seines größeren Cousins, des Klimawandels, der sich immer mehr in den Vordergrund drängt. Doch Plastik ist ein guter Ausgangspunkt, um das »Anthropozän« zu verstehen, von dem heute viel die Rede ist. Das Anthropozän ist das Erdzeitalter, in dem der Einfluss des Menschen so tiefgreifend geworden ist, dass eine neue geologische Epoche ausgerufen werden muss. Mit anderen Worten: Wir sind eine geophysikalische Kraft planetaren Ausmaßes. In der Wissenschaft nimmt man an, dass zukünftige Geolog*innen in der Lage sein werden, die Epoche anhand einer Schicht von »Plastiglomeraten« zu bestimmen. Der Einwegbecher, den du vor drei Jahren weggeworfen hast, könnte also dein langlebigstes Vermächtnis sein.
Du, ich und all die anderen dünnhäutigen, fragilen Homo sapiens bringen es fertig, jedes Jahr mehr als 300 Millionen Tonnen eines der haltbarsten Stoffe auf dem Planeten zu produzieren. Das ist das Paradox der Langlebigkeit. Wir wollen widerstandsfähige Produkte, aber sie sollen nicht zu beständig sein. Wir wollen, dass sie lange halten, aber nicht zu lange.
Leider ist das Problem nicht das Plastik an sich – wir sind das Problem (ein Aspekt, der in diesem Buch immer wieder zur Sprache kommen wird). Unsere Kultur macht uns weis, dass es sich im Leben nicht vermeiden lässt, Unmengen von Zeug wegzuwerfen, dabei ist schon das Wort wegwerfen irreführend. Die Sachen sind nicht »weg«, sondern nur »weg von uns«. Ein Großteil des Plastiks, das heute in Umlauf ist, braucht bis zu tausend Jahre, bis es abgebaut ist, obwohl auch abgebaut in die Irre führt: Es legt ein Verschwinden nahe, während das Plastik in Wirklichkeit zwar aus unserem Blickfeld verschwunden ist, aber als Meerwolke überdauert oder unsere Zeit als Mikroplastik-Schicht in der Erde verewigt.
Plastik hat nicht aus eigenem Antrieb beschlossen, so lange zu halten oder sich im Magen von Seevögeln festzusetzen; wir können ihm schlecht die Schuld an unserem Fehlverhalten geben. Also müssen wir zuallererst über unsere Konsumgesellschaft reden. Es ist sehr schwer, etwas, das seit Generationen zum Selbstverständnis unserer Kultur gehört, objektiv zu analysieren und davon Abstand zu nehmen. Aber wir müssen es versuchen, wenn wir uns und unsere Vergangenheit gut genug verstehen wollen, um eine bessere Zukunft zu erschaffen.
Man kann sich die globale Monokultur des Massenkonsums vorstellen wie die Titanic auf Kollisionskurs mit der Natur (dem Eisberg). Auf dem obersten Deck wiegt man sich in einer tödlichen und verzweifelten Illusion von Normalität, während auf den unteren Decks schon das eiskalte Wasser durch die Gänge rauscht. Doch ganz egal, wo auf dem Schiff du dich befindest, die Frage ist nicht, ob du untergehst, sondern wann. Es sei denn, du unternimmst etwas, um dich und andere zu schützen, und investierst in Wechselbeziehungen anstatt in Unabhängigkeit. Das Oberdeck symbolisiert einen Großteil der westlichen Welt und unsere »Wir gegen die«-Abschottungsmentalität. All das Zeug, das wir mühelos konsumieren können, verschafft uns zwar ein Gefühl der Sicherheit, aber es ist nur von kurzer Dauer und macht niemanden glücklich. Eigentlich ist es wie bei den Seevögeln und dem Plastik. In der Hoffnung, dass es uns satt macht, konsumieren wir immer mehr und mehr, doch unser Hunger wird dadurch nur noch bohrender, verzweifelter und unersättlicher. Um in Bewegung zu bleiben, muss die Konsumgesellschaft unaufhörlich Erfüllung versprechen und uns diese gleichzeitig vorenthalten.
Das ist nur menschlich. Auch das wird dir auf dieser sprunghaften Reise durch das Beste und Schlimmste, wozu der Mensch imstande ist, immer wieder klar werden. Häufig sind Chaos, Konsum und Zerstörung Zustände, in die Menschen verfallen, ohne es zu merken. Es wird schwer, uns zu ändern, aber hier gilt das Gleiche wie für die Vorbereitung auf eine Prüfung oder einen Marathon: Es zahlt sich langfristig auf jeden Fall aus.
Die Verlockung, ständig zu konsumieren und mehr zu kaufen und zu essen, als man braucht, ist trotzdem groß. Das liegt daran, dass Werbeagenturen und Unternehmen dich sehr, sehr gut kennen. Kühe sind Herdentiere. Vögel sind im Schwarm unterwegs. Bienen leben als Bienenvolk zusammen. Bei uns Menschen ist es genauso: Wir orientieren uns ununterbrochen am Verhalten der anderen. Das ist einer der Gründe, warum wir es in unserer Zeit auf der Erde so weit gebracht haben. Und wenn alle dasselbe tun, signalisiert uns dieser Konsens, dass wir ruhig immer so weitermachen können.
Wenn von »Konsumismus« die Rede ist, sind nicht einfach nur die allgegenwärtige Werbung oder die Fastfood-Ketten in den Fußgängerzonen gemeint. Der Begriff beschreibt eine übergeordnete Vorstellung davon, dass wir mehr Zeug brauchen, weil wir so bessere und erfolgreichere Menschen seien. Das ist der traurigste Aspekt dieser Illusion, der wir alle anhängen. Unser Wunsch, dazuzugehören, wird von Marken oft ausgenutzt, um uns ihre Produkte zu verkaufen. Doritos zum Beispiel machen Werbung für ihre Tortilla-Chips, indem sie sie mit Freundschaft und Gemeinschaft in Verbindung bringen. So beginnen wir unbewusst, zu glauben, eine bestimmte Marke dreieckiger Chips könnte gegen das Gefühl von Einsamkeit helfen. Eine Studie des gemeinnützigen britischen Money and Mental Health Policy Institute hat ergeben, dass neun von zehn Personen, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, mehr Geld ausgeben, wenn sie sich nicht gut fühlen. Freund*innen, Zugehörigkeitsgefühl und emotionale Sicherheit gehören zu den wenigen Dingen, die man nicht bei Amazon bestellen kann, und darum verbraucht unsere Rolle als »Verbraucher« all unsere Energie.
Das sogenannte Social Engineering, die soziale Manipulation, wurde im frühen 20. Jahrhundert wesentlich von Edward Bernays vorangetrieben, einem Neffen Sigmund Freuds. Bernays hielt die Allgemeinheit für irrational und dem Herdentrieb unterworfen, und so begann er seine Kenntnisse in Psychologie und Psychoanalyse zur Verhaltenssteuerung zu nutzen. Eine seiner berühmtesten Kampagnen, die unter dem Motto Torches of Freedom (»Fackeln der Freiheit«) bekannt wurde, entwickelte er im Auftrag der Tabakindustrie.
Bis zum 20. Jahrhundert galt es als verwerflich und unweiblich, wenn Frauen rauchten. Als die erste Welle der Frauenbewegung nach 1900 an Fahrt gewann, kam Bernays auf die Idee, das Streben der Frauen nach Freiheit und Gleichberechtigung auszunutzen, indem er Zigaretten als Symbol der Emanzipation etablierte. Seine Idee dahinter: »Zigaretten symbolisieren den Penis und die sexuelle Macht der Männer … Wenn Frauen rauchen, würden sie dadurch selbst einen Penis bekommen.« 1929 bezahlte er eine Gruppe von Frauen dafür, sich unter einen Protestmarsch von Frauenrechtlerinnen zu mischen und dabei ihre »Fackeln der Freiheit« zu rauchen. Seine eigenen Fotografen dokumentierten die Parade, und als die Aufnahmen veröffentlicht wurden, sorgten sie in der ganzen Welt für Aufsehen. Sobald die Tabakwerbung sich gezielt an Frauen richtete, stieg auch die Zahl der Raucherinnen: 1923 wurden nur 5 Prozent aller verkauften Zigaretten von Frauen erworben, 1929 waren es schon 12 Prozent, 1935 betrug ihr Anteil 18,1 Prozent, und 1965 wurde ein Höchststand von 33,3 Prozent erreicht, der bis 1977 in etwa gleich blieb. Bis heute assoziieren wir das Bild einer Frau mit Zigarette unbewusst mit Unabhängigkeit und Unangepasstheit. Das zeigt, wie leicht Unternehmen uns in einen »eisernen Käfig« des Konsumierens sperren können: indem sie aus unseren Wünschen Kapital schlagen und ihre Produkte mit Idealen und Lebensstilen verknüpfen.
Und was hat das alles mit Plastik zu tun?
Nun, in einer Gesellschaft, in der unser Mantra »Ich shoppe, also bin ich« zu lauten scheint und in der sich unser Selbstwertgefühl und unsere Identität unschön mit unseren Kaufgewohnheiten vermischen, produzieren wir umso mehr Abfall, je mehr wir kaufen. In unserer Zeit auf der Erde haben wir bisher 9,2 Milliarden Tonnen Plastik produziert, und davon sind 7 Milliarden Tonnen schon Müll, der den Planeten verschmutzt. Wobei »den Planeten verschmutzen« auch wieder eine irreführende Formulierung ist, denn die Verschmutzung konzentriert sich auf bestimmte Gebiete, während andere Gegenden fast gänzlich davon verschont bleiben. Länder, die Systeme für Abfallentsorgung aufgebaut (aber nicht perfektioniert) haben, verschiffen ihren eigenen wachsenden Müllberg meist in Entwicklungsländer wie Malaysia, Indien, Thailand und Vietnam. Während der indischen Dreharbeiten zu Animal, einem Dokumentarfilm über die Suche nach Lösungen für das sechste Massenaussterben, begegneten wir Menschen, die kaum genug zum Leben haben und achtzig bis neunzig Stunden pro Woche schuften, damit die entwickelte Welt weiter unter einer Flut unnötigen Plastikmülls ersticken kann (was zu unserem eigenen, anders gearteten Unglück beiträgt). Für viele bedeutet das, sich wortwörtlich gegen das Gewicht einer solchen alles erfassenden Übermacht zu stemmen. Doch rund um den Globus setzen Einzelne den Kampf in ihrem eigenen kleinen Winkel der Welt fort, weil sie nicht zulassen wollen, dass ihre Heimat unter der Plastikflut begraben wird.
»Willkommen auf Bali! Haben Sie irgendwelche Plastiktüten zu deklarieren?«, ist wahrscheinlich das Erste, was man bei der Einreise auf die Insel Bali gefragt wird. Alles begann mit zwei Schwestern, Melati und Isabel, die damals erst zehn und zwölf Jahre alt waren. Sie sind auf Bali geboren, doch Melati beschreibt ein ganz anderes Bild als die Reisterrassen und weißen Strände, die dir dabei vielleicht in den Sinn kommen. In ihrer Kindheit hatte sie überall Plastik gesehen – im Fluss bei ihrem Elternhaus, an den Stränden, in den Straßen auf dem Weg zur Schule und während der alljährlichen »Müllschwemme«, wenn das Meer Abfall ans Land spült, wie der Winter Schnee bringt oder der Frühling neues Leben. Die Regierung tat das als »Naturphänomen« ab, und so musste Melati erst auf eine Abfalldeponie in der Nähe ihres Hauses stoßen, bevor sie eins und eins zusammenzählte. »Über das Plastik streiften Kühe, Vögel kreisten darüber und tauchten in den Müll ab, um verborgene Schätze zu finden. Auch Menschen waren da und wühlten nach irgendetwas Brauchbarem, und das brach mir das Herz.« Die Abfälle, unter denen die Landschaft erstickte, kamen Melanie ganz und gar nicht »natürlich« vor.
Wie hat sich Bali von einer Insel, die den Plastik-Tsunami als »Naturphänomen« abtat, in einen Ort verwandelt, der Einreisenden am Flughafen alle Plastiktüten abnimmt?
2015 wollten Melati und Isabel dem Gouverneur von Bali eine 100000 Unterschriften umfassende Petition zum Verbot von Plastiktüten auf der Insel überbringen. Sie wurden an der Tür abgewiesen. Zu Hause begannen sie, inspiriert von ihrem großen Vorbild Mahatma Gandhi, einen Hungerstreik – ohne zu wissen, wie lange sie durchhalten müssten, um angehört zu werden. Nach achtundvierzig Stunden willigte der Gouverneur ein, sie zu empfangen, und unterzeichnete vor den Augen der beiden Mädchen ein Gesetzesvorhaben, dass bis 2018 sämtliche Plastiktüten auf Bali verboten werden sollten.
6500 Kilometer entfernt kämpfte etwa zur selben Zeit ein Gleichgesinnter einen ähnlichen Kampf.
Ich möchte dich nach Mumbai im indischen Bundesstaat Maharashtra mitnehmen und mit Afroz Shah bekannt machen. Das Chaos, das mich bei meiner Ankunft in Indien umgab, erinnerte mich an den Regenwald, nur dass es hier nicht von Affen und Vögeln, sondern von Menschen und Fahrzeugen wimmelte. Es war das brodelnde Leben, ein einziges Durcheinander und Getümmel, überall Menschen! Es ist einfach unbeschreiblich, an einer Straßenecke zu stehen und den Strom von Rikschas, Menschen und Tuk-Tuks ringsumher zu erleben. Alles ist so lebendig. Obwohl man sich inmitten des Verkehrs und der Passant*innen kaum rühren kann, kommt einem die Welt unweigerlich größer und man sich selbst unweigerlich kleiner vor. Doch sogar in einer Stadt, der man gefühlt beim Wachsen zuschauen kann, hat ein einzelner Mann etwas Mächtiges bewirkt.
Cover
Bella Lack: Let‘s Save the World – Geschichten junger Aktivist*innen aus aller Welt
Wohin soll es gehen?
Widmung
Let’s Save the World – Ein Vorwort von Greta Thunberg
Einleitung
Prolog – Wir gegen die
Kapitel 1 – Die unersättliche Spezies
Kapitel 2 – Die Luft, die wir atmen
Kapitel 3 – Hunger nach Veränderung
Kapitel 4 – Wasser und unsere Welten
Kapitel 5 – Unsere Entfremdung von der Natur
Kapitel 6 – Frauen und Wasserunsicherheit
Kapitel 7 – Mehr Wildnis wagen
Kapitel 8 – Umweltschutz und Intersektionalität
Epilog – Und jetzt bist du dran!
Danksagung
Bibliografie
Bella Lack
Nadine Püschel
Impressum
Cover
Impressum
Textbeginn
Inhalt