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Hörst du das leise Rufen? Spürst du den Hauch der Magie? Dann folge uns ins flüsternde Haus und öffne die Türen zu verborgenen Welten – der neue Fantasyschmöker ab 11 Jahren von Erfolgsautor Akram El-Bahay! Als Lias das Haus seiner Großtante Hermine betritt, spürt er sofort, dass hier etwas anders ist. Das Haus scheint ihn regelrecht zu rufen, zu locken. Doch was für ein Geheimnis verbirgt sich hinter den alten Mauern? Als Lias versucht, dem Rätsel auf die Spur zu kommen, führt ihn jeder Raum des Hauses in neue fantastische Welten – die Buchwelten seiner Großtante. Um das Geheimnis zu lüften, wagt er sich auf eine Reise, die ihm alles abverlangen wird und die ihn auch zum Herrn der Wellen führt … Ein packender Einzelband für Fans von "Die unendliche Geschichte" und "Tintenherz"!
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Seitenzahl: 388
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Als Lias das Haus seiner Großtante Hermine betritt, spürt er sofort, dass hier etwas anders ist. Das Haus scheint ihn regelrecht zu rufen und zu locken. Und tatsächlich: Durch die einzelnen Räume gelangt Lias in fantastische Welten - in die Buchwelten seiner Großtante: auf die gefährlichen Meere, wo der Herr der Wellen das Sagen hat, zum Beispiel. Und ehe er sich's versieht, steckt Lias mitten in einem unvergesslichen Abenteuer, das alles von ihm abverlangt. Ein Feuerwerk der Fantasie mit unvergesslichen Figuren!
Für Uta Hermine Wummel
Eine unerwartete Stimme
Willkommen
Eine knarrende und klirrende Nacht
Der Schlüssel
Sturmfresser
Die verschwundene Erzählerin
Neue Worte
Tonkarawane
Die Waffe eines Erzählers
Nixenland
Zu viele Köpfe
Die wundersame Geschichtenmaschine des Tüftlers
Angriff
Blaue Wüste
In der Fabrik der Worte
Der letzte Erzähler
Falsche Entscheidung
Retter der Worte
Die unvollendete Geschichte
Verkauft
Das richtige Ende
Zu Hause
Die Fensterläden des alten Hauses, das inmitten eines riesigen Gartens lag, öffneten sich wie von Geisterhand. Das Haus hatte eine Stimme gehört, die ihm unbekannt war. Und doch schien sie auf wundersame Weise vertraut. Es war eine Stimme, die der Wind ganz unerwartet mit sich brachte. Und in der eine Geschichte sicher hervorragend klingen würde.
Lebendig.
Aufregend.
Echt.
Eine Stimme, die der Geschichte, in der das Haus selbst steckte, womöglich eine Wendung zum Guten geben konnte.
Es spürte das sofort. Und schöpfte Hoffnung für sich. Vor allem schöpfte es Hoffnung für seine Besitzerin. Vielleicht würde doch noch alles ein gutes Ende nehmen. Das richtige Ende. Auch wenn es bis eben nicht danach ausgesehen hatte.
Die Stimme gehörte einem Jungen, der mit missmutiger Miene hinter zwei Erwachsenen über den Kiesweg vom Tor auf den Eingang zuschlich und aussah, als wäre er am liebsten an jedem anderen Ort der Welt. Nur nicht hier. Den Mann kannte das Haus nicht. Die Frau war ihm hingegen bekannt. Aus einer früheren Zeit. Doch sie besaß nicht das Talent, das in dem Jungen schlummerte. Das geweckt werden musste. Das in seiner Stimme schwang.
Das Haus öffnete seine Eingangstür einen Spaltbreit.
Wieder hörte es die Stimme. Sie war ganz leise, doch das Haus verstand sie.
»Ich will dort nicht wohnen«, flüsterte der Junge sich selbst zu.
Ein Fensterladen quietschte traurig, und es klang wie ein Seufzen. Nun, das war alles andere als ermutigend. Die Tür öffnete sich weiter. Es gab nur eine Hoffnung. Das Haus musste es schaffen, diesen Jungen zu seinem Verbündeten zu machen. Zu seinem Freund. Ihn willkommen heißen. Denn wenn er die Geschichte nicht zum richtigen Ende brachte, war alles verloren.
»Ist es nicht wundervoll?« Lias’ Mutter stand mit ausgebreiteten Armen auf der Schwelle des alten Hauses, das sie so unverhofft geschenkt bekommen hatte, und strahlte über das ganze Gesicht.
»Absolut«, pflichtete sein Vater ihr bei und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich hoffe nur, dass niemand eingebrochen ist. Immerhin stand die Tür offen.«
»Ach was, eingebrochen«, lachte seine Mutter. »Das Haus freut sich auf seine neuen Besitzer.«
Genervt rollte Lias mit den Augen. Die beiden schienen so glücklich wie Gewinner im Lotto. Dabei sah das riesige Haus mit dem Garten so alt und heruntergekommen aus, als wäre es hundert Jahre alt. Ach was, tausend.
Lias blickte an der betagten Fassade hoch. Halb verwelkte Efeutriebe rankten an dem brüchigen Stein entlang. Vorbei an Dutzenden ungeputzten Fenstern, die sich über zwei Etagen unter dem spitzen Dach verteilten und von deren Läden die grüne Farbe abblätterte. Wie müde Augen blickten sie hinaus in den Garten, der so groß wie ein Park war und sogar einen dunklen See beherbergte. Hohe Kastanienbäume säumten das Grundstück, als wollten sie das heruntergekommene Haus verbergen. Dafür zogen sie hierher? Für diesen Kasten? Fort aus der Stadt, in der Lias aufgewachsen war und in der er jedes einzelne der bisher dreizehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Fort von den wenigen Freunden, die er hatte. Und fort von allem, was ihm vertraut war.
»Ich will dort nicht wohnen«, wisperte Lias zu sich selbst. Niemand interessierte sich für seine Worte. Niemand hörte sie. Seine Eltern waren viel zu glücklich, um auf ihn zu achten.
Seit Lias denken konnte, träumten sie von einem eigenen Haus. Und nun, nach dem unerwarteten Verschwinden von Lias’ Großtante und dem Anruf des Notars, der ihnen von der eilig verfassten Schenkung erzählt hatte, war es endlich so weit.
Widerwillig setzte Lias einen Fuß auf die unterste der drei steinernen Stufen, die hinauf zur Eingangstür führten. Eine seltsame Spannung lag auf einmal in der Luft. Ein Prickeln. Es fühlte sich an, als wäre ein Gewitter im Anflug. Lias blickte in den Himmel. Die Wolken zogen schneeweiß und träge über ihn hinweg. Es war ein friedlicher Tag. Nicht mal ein Windhauch fuhr durch die Kronen der mächtigen Kastanienbäume.
Lias nahm die letzten beiden Stufen und stand dann unschlüssig in der Tür. Seine Mutter und sein Vater waren bereits hineingegangen und sahen sich mit einer Mischung aus Aufregung und Bedrückung um. Lias konnte ein wenig nachvollziehen, wie sich seine Mutter fühlen musste. Lias wusste von seinem Vater, dass sie schon seit Jahren nicht mehr mit ihrer Tante Hermine geredet hatte. Sicher war es ziemlich seltsam für sie, nun wieder das Haus zu betreten, in dem sie als Kind viele Male die Ferien verbracht hatte.
Er selbst hatte seine Großtante noch nie zu Gesicht bekommen. Er hatte noch nicht einmal ein Bild von ihr gesehen. Seine Großtante hatte im Grunde nie für ihn existiert. Nur ein gesichtsloser Name, der gelegentlich in alten Geschichten vorgekommen war.
Lias blieb auf der Schwelle stehen und lugte in die großzügige Eingangshalle. Das Licht fiel grau durch dreckige Fenster, floss träge über den Mosaikboden und erreichte mit Mühe eine breite Treppe, die nach oben führte. Es schien, dass sich die Tage, Wochen und Monate, die das Haus seit dem Verschwinden von Tante Hermine leer stand, wie Staub auf allem niedergelegt hatten. Dem schweren Geruch nach, der aus dem Flur drang, musste sich im Keller eine alte Ölheizung befinden. Lias konnte sich nicht recht überwinden, das Haus zu betreten. Er wusste selbst nicht warum. Plötzlich, als würde das Haus sein Zögern bemerken, schlug die Tür ruckartig zu und gab Lias dabei einen Stoß, der ihn über die Schwelle stolpern ließ. Ein Stapel alter Zeitungen, der auf einem Tischchen neben der Tür lag, wurde aufgewirbelt. Eines der Blätter schwebte direkt vor Lias’ Füßen zu Boden. Über einem Foto in der Mitte der Seite las er nur ein einzelnes Wort: Willkommen.
Wie passend, dachte Lias, als er langsam seinen Eltern folgte, die aufgeregt tuschelnd durch das Haus liefen.
Lias bemerkte nicht, dass die Haustür plötzlich wieder einen Spalt offen stand und die Sonne den Flur ein klein wenig erhellte, sodass er sehen konnte, wo er hintrat. Er bemerkte auch nicht, dass die Läden des Hauses aufgeregt klapperten, obwohl es draußen noch immer völlig windstill war. Und er sah nicht, dass sich die Tür zum Arbeitszimmer seiner Großtante selbst öffnete. Ganz so, als wollte das Haus ihn auf diesen Raum aufmerksam machen.
Lias konnte sich nicht erinnern, je in einem Haus wie diesem gewesen zu sein. Das lag nicht einzig an der Größe, die ganz einfach beeindruckend war. Das Haus besaß mehr als ein Dutzend Zimmer, dazu kamen der Dachboden und ein weitläufiger Keller. Doch da war noch etwas anderes. Dieses ganze Gebäude schien … einzigartig. Lias’ Tante Hermine war Schriftstellerin. Und eine erfolgreiche dazu, wie seine Mutter beiläufig erwähnt hatte. Den dürren Worten nach, die sie über ihre Tante verloren hatte, musste Hermine eine ziemlich … ungewöhnliche Person sein. Nicht so, wie man sich eine über achtzig Jahre alte Dame vorstellte. Sie hatte nie geheiratet, was in ihrem Bekanntenkreis zu einigem Stirnrunzeln geführt hatte. Und sie hatte ein Auto besessen. Für eine ledige Frau war dies in ihrer Jugend unerhört gewesen. Dass sie aber einfach angefangen hatte zu schreiben, anstatt einen vernünftigen Beruf zu ergreifen, und dabei auch noch weitaus erfolgreicher geworden war als die meisten ihrer männlichen Kollegen, war für manche einfach zu viel gewesen und hatte ihr endgültig den Ruf eingebracht, seltsam zu sein. Eigensinnig. Völlig durchgeknallt. Da hatte es gepasst, dass sie von dem vielen Geld, das sie mit ihrem ersten Roman verdient hatte, dieses riesige Haus gekauft hatte. Ein Haus, das selbst für eine mehrköpfige Familie überaus großzügig wäre. Ein Haus, das, wie Lias bei seinem ersten Rundgang feststellte, wie eine einzige Erinnerung an ein Leben voller Geschichten schien. Vollgestopft mit Büchern, Notizzetteln, Andenken, Buchpreisen und allem, was jemand, der mit Leidenschaft geschrieben hatte, noch so ansammeln mochte.
Staunend durchstreifte Lias einen Raum nach dem anderen. Einige in einem abgelegenen Flur im Erdgeschoss aber konnte er nicht betreten. Die Türen waren allesamt verschlossen und über ihnen hingen hölzerne Schilder. Nur auf einem stand etwas geschrieben. Ein Name, der klang, als gehörte er eigentlich auf den Einband eines Buches.
»Kennst du diesen Titel?«, fragte Lias seine Mutter, nachdem er erfolglos an der Tür gerüttelt hatte.
»Der Herr der Wellen? Das erste Buch deiner Tante Hermine hieß so«, meinte sie in einem Ton, der klarmachte, dass sie der Sache keine nennenswerte Bedeutung beimaß. »Mit ihm ist sie auch direkt berühmt geworden. Eine weitere Erinnerung.« Sie tat, als ärgerte sie sich über die rührselige Sammelwut ihrer Tante, die sich so unerklärlich und ohne eine Nachricht aus dem Staub gemacht hatte. Doch Lias konnte ihr vom Gesicht ablesen, dass der Gang durch das Haus sie aufwühlte. Auch wenn sie schon seit Jahren den Kontakt zu Tante Hermine verloren hatte, fand sie viele Erinnerungsstücke aus ihrer eigenen Kindheit hier wieder. Lias’ Vater hatte ihm im Vertrauen zugeraunt, dass Tante Hermine für sie beinahe eine zweite Mutter gewesen war. Kein Wunder, immerhin war Hermine die Zwillingsschwester von Lias’ Oma. So kurz vor Mitternacht geboren, dass sie am 14. August und Lias’ Oma am 15. August zur Welt gekommen war. Dass Lias’ Uropa auch noch am 13. August Geburtstag gehabt hatte, musste in der Familie zu einem regelrechten Feiermarathon geführt haben.
»Warum hat sie sich eigentlich diesen riesigen Kasten gekauft?«, wollte Lias wissen. Er konnte nicht verstehen, weshalb ein einzelner Mensch in ein Haus zog, das so viele Zimmer hatte. Selbst wenn dieser Mensch scheinbar nichts wegschmeißen konnte.
»Es ist ein Haus voller Geschichten«, murmelte seine Mutter gedankenverloren. »Hermine hat immer gesagt, dass Geschichten einen Ort brauchen, an dem sie leben und atmen und wachsen können. Einen besonderen Ort, den man nur einmal im Leben findet.« Lias’ Mutter schien mehr mit sich selbst als mit ihm zu sprechen. Dies wurde ihr offenbar einen Augenblick später bewusst. Mit einem verschämten Lächeln sah sie zu Lias. »Die Zimmer, die an diesem Flur liegen. Ich erinnere mich, dass Tante Hermine mich nie hinter diese Türen hat blicken lassen. Sie sagte immer, dass dies der Teil des Hauses sei, in dem ihre Geschichten lebendig würden.« Sie rüttelte erfolglos an der Tür mit dem Schild. »Und die Schlüssel für diese Türen habe ich nicht. Vielleicht finden wir sie noch. Sonst müssen wir sie aufbrechen. Na gut«, meinte sie leicht genervt. »Darum kümmern wir uns später. Es gibt noch genug anderes zu tun.«
Lias’ Mutter hatte nicht übertrieben. Es gab Arbeit für Jahre. Und das selbst dann, wenn sein Vater handwerklich nicht ganz so ungeschickt gewesen wäre. Vor allem der Dachboden war eine Katastrophe. Die reinste Baustelle. Offenbar hatte jemand noch bis vor Kurzem an ihm gearbeitet und den halb fertig ausgebauten Raum dann mit einer Metalltür und einem dicken Schloss versehen. Man konnte nur durch einen Spalt zwischen Tür und Rahmen hineinlugen, denn auch hier fehlte der Schlüssel.
Zu den Räumen, die besonders vollgestopft waren, zählte das Arbeitszimmer. Lias kam es so vor, dass diejenige, die an dem großen Schreibtisch mit der alten Schreibmaschine vor dem Fenster gesessen hatte, jeden Moment wiederkommen, sich setzen und einfach weiterschreiben würde. Seine Mutter blieb in der Tür stehen. Sie wollte das Zimmer scheinbar unter keinen Umständen betreten. Als fürchtete sie sich vor den Gefühlen, die zurückkehren konnten. Hier gab es ganz besonders viele Erinnerungsstücke und Bücher. Überall klebten Zettel an den Regalen, auf die Hermine kurze Sätze gekritzelt hatte. »Ein Junge gerät während des Lesens buchstäblich in die Geschichte hinein und findet nur schwer wieder heraus«, entzifferte Lias die geschwungene Schrift mit Mühe.
»Tante Hermine hat immer Ideen für neue Geschichten auf Zettel geschrieben. Oder auf Kassenbons. Oder auf Einkaufslisten. Überallhin.« Ein leises Lächeln legte sich seiner Mutter auf die Lippen. »Einmal sogar in ein Klassenarbeitsheft unter meine Note, die ich ihr voller Stolz gezeigt hatte, als ich sie in den Herbstferien besucht habe. Wir haben uns gestritten, weil sie die Seite einfach herausgerissen hat, um die Idee nicht zu verlieren.«
»Ist sie das?« Lias deutete auf ein gerahmtes schwarz-weißes Bild, das auf dem Schreibtisch stand. Es zeigte eine junge Frau mit dunklen Locken und einem selbstbewussten Blick, der so voller Leben steckte, als könnte sie es kaum erwarten, die Welt zu erobern.
Lias’ Mutter reckte den Kopf und nickte. Dann machte sie kehrt, ging in die Eingangshalle und stieg die knarrende Treppe des Hauses nach oben.
Er aber blieb noch einen Moment. Immerhin sah er seine Großtante zum ersten Mal. Wie seltsam sich das anfühlte. »Hallo«, wisperte er. »Ich bin Lias, dein Neffe.«
In diesem Augenblick schwang die halb offen stehende Tür in das Arbeitszimmer ganz auf. Komisch, dachte Lias. Seine Mutter war doch schon weg. Wieso hatte sich die Tür noch bewegt? Er zuckte mit den Schultern, folgte ihr hinaus und drückte die Tür hinter sich fest zu.
Der Plan seiner Eltern sah vor, dass Lias und sie beide zwei Zimmer von allen Erinnerungsstücken seiner Großtante befreien und dann bis zum Eintreffen des Möbeltransporters die Nächte dort in Schlafsäcken verbringen würden. Sie mussten sicher die ganzen Sommerferien damit zubringen, den Kasten halbwegs wohnlich herzurichten, wie Lias schnell erkannte. Sechs Wochen voller Staub und altem Kram. »Das hier ist ein blödes Museum«, murmelte er, während er in dem Zimmer, das er bewohnen sollte, Bücher über Bücher in Kisten packte.
Als wollte das Haus etwas darauf erwidern, quietschte seine Zimmertür traurig.
»Das habe ich nicht so gemeint«, wisperte er unwillkürlich. Wunderbar, dachte er bei sich. Jetzt rede ich schon mit einer Tür. Noch sechs Wochen hier und ich bin so verrückt wie meine Eltern. Kopfschüttelnd machte er weiter.
Das Quietschen aber hörte er nach seiner Entschuldigung nicht mehr.
Als sich Lias in dieser Nacht in seinen Schlafsack legte, hatte er bestimmt eine Tonne Staub eingeatmet. Seine Mutter hatte ihn gezwungen, in dem alten Bad mit den rosa Fliesen zu duschen, bloß weil seine braunen Haare so voller Schmutz gewesen waren, dass er aussah, als hätte er sich eine graue Perücke aufgesetzt.
»Was du als Erstes im neuen Haus träumst, wird in Erfüllung gehen«, hatte sie geflötet und ihm gegen seinen Willen einen Kuss aufgedrückt. Lias hatte seine Eltern lange im Zimmer nebenan miteinander aufgeregt tuscheln und Pläne schmieden hören. Er wollte noch einen Blick auf sein Handy werfen, doch er war zu müde, um aufzustehen, und bald schlief er ein.
Im ersten wieder wachen Moment glaubte Lias zu träumen. Dann aber blinzelte er den Schlaf aus den Augen und begriff, dass er im Haus seiner Tante war und irgendetwas ihn geweckt haben musste. Für einen Augenblick lag er nur da und horchte atemlos in die ruhige Nacht. Der Wind rauschte ganz sachte und irgendwo bellte ein Hund, doch er war so weit entfernt, dass Lias sicherlich nicht seinetwegen aufgewacht war.
Da! Ein Knarren. Als würde jemand auf eine der Stufen der alten Treppe treten. Vermutlich hatte ihn dieses Geräusch aus dem Schlaf gerissen. Lias fuhr hoch und sein Herz klopfte mit einem Mal schneller vor Aufregung.
Wieder das Knarren. Es schien, als würde jemand von der oberen Etage, in der sie schliefen, nach unten steigen. Vielleicht sein Vater, überlegte Lias. Die Schritte waren eher schwer und passten nicht zu seiner Mutter.
Er beschloss aufzustehen und nachzusehen. So leise, als wäre er ein Einbrecher, schlich Lias aus dem Zimmer. Er wagte nicht, den Lichtschalter zu betätigen. Was, wenn die Schritte doch nicht von seinem Vater stammten? Behutsam drückte er die Tür in das Schlafzimmer seiner Eltern auf. Er hörte sie sanft atmen. Beide.
Und wieder vernahm er das Knarren. Diesmal blieb sein wild klopfendes Herz beinahe stehen. Das Geräusch stammte definitiv nicht von seinem Vater.
Der Versuch, seine Eltern zu wecken, scheiterte kläglich. Sein Vater reagierte überhaupt nicht und seine Mutter murmelte nur etwas Unverständliches, als Lias an ihr rüttelte. Das Knarren aber zerschnitt einmal mehr die schläfrige Stille.
Er wagte nicht, drängender und lauter zu werden, aus Angst, denjenigen, der für das Geräusch verantwortlich war, auf sich aufmerksam zu machen. Überhaupt wusste er nicht, ob tatsächlich ein Fremder im Haus war. Alte Kästen wie dieser knarrten doch bestimmt ständig. Erst recht in einer ansonsten lautlosen Nacht. Oder?
Bis zum Treppenabsatz waren es nur wenige Schritte. Lias schlich hin und lugte nach unten. Der Mond goss Silber auf die Mosaikfliesen. Doch sosehr sich Lias auch mühte, er konnte niemanden erkennen. Ganz vorsichtig stieg er die Stufen hinab. Er wollte sehen, ob jemand dort herumschlich.
Die Eingangshalle war leer und verlassen. Augenblicklich fühlte sich Lias ebenso töricht wie erleichtert. Er hatte sich geirrt. Es war doch nur das Knarren eines alten Hauses gewesen, das …
Ein Klirren. Lias erstarrte.
Glas war zersplittert.
Er stand stocksteif da. Hatte jemand irgendwo ein Fenster aufgelassen? Der Wind war vielleicht hindurchgezogen und hatte ein Glas oder so etwas umgestoßen. Aber draußen schien es völlig ruhig, und Lias begriff, dass es nur eine Erklärung geben konnte: Jemand war im Haus.
Geh nach oben und warne deine Eltern, dachte er. Es wäre das einzig Vernünftige. Und das, was zu ihm passen würde. Lias war nicht besonders mutig. Im Gegenteil. In seiner Klasse, seiner alten Klasse, verbesserte er sich, galt er als Angsthase, der sich im Schullandheim sogar einmal vor seinem eigenen Schatten erschreckt hatte. Doch als er nun schwer atmend in die silbergefleckte Nacht lauschte, wunderte er sich über sich selbst. Er lief nicht weg. Lias konnte nicht sagen, weshalb er immer noch hier stand. Er machte einen ersten Schritt auf den Ursprung des Klirrens hin. Dann einen zweiten. Nur dorthin schienen seine Füße ihn tragen zu wollen.
Das Geräusch musste aus dem Arbeitszimmer gekommen sein. Die Tür stand offen. Lias runzelte die Stirn. Hatte er sie vorhin nicht fest zugedrückt? Ja, er war sich dessen sicher. Also hatte jemand sie wieder geöffnet. Lauf weg, Lias, sagte er sich. Doch er konnte nicht. Oder besser: Er wollte nicht. In diesem Moment verstand er, weshalb er nicht fortgelaufen war. Irgendwie schien es, als könnte ihm in dem alten Haus nichts Schlimmes widerfahren. Als wäre hier ein Freund an seiner Seite.
Vorsichtig betrat er das Zimmer. Ein Blick genügte, um zu erkennen, woher das Klirren gekommen war. Durch das Fenster über dem Schreibtisch schien der Mond kalt hinein. Sein Licht fing sich glitzernd in einigen Scherben, die auf dem Boden lagen: das Bild seiner Großtante. Wieso war es umgefallen? Einfach so. Von selbst. Vielleicht hatte es wacklig an der Kante des Schreibtisches gestanden.
Ein wenig mulmig wurde Lias nun doch zumute, aber in dem Zimmer war niemand, und er hörte auch keine Schritte.
Er bückte sich, hob das Bild auf und stellte es wieder an seinen Platz. Dann sah er aus dem Fenster in die fast tintenschwarzen Kronen der Kastanienbäume. In diesem Augenblick, mitten in der ersten Nacht in dem fremden Haus, fühlte er sich genau so. Fremd. Am falschen Ort. Ich wünschte, ich wäre wieder zu Hause, dachte er. Er hatte es die ganze Zeit gefühlt. Aber sich nicht getraut, es laut auszusprechen und es seinen Eltern in die vor Glück geröteten Gesichter zu sagen.
Er stand einen Moment da, dann wandte er sich um und ging. In der Tür blieb er noch einmal stehen und sah zu dem Bild hinüber. »Gute Nacht, Tante Hermine«, wisperte er. Wie seltsam es klang, sie so anzusprechen. Lias hätte sie gerne kennengelernt. Herausgefunden, wer die Frau war, die so unbeirrt ihren Weg gegangen war. Leise zog er die Tür hinter sich wieder zu. »Ich will nach Hause«, murmelte er, weil die Worte in seinem Herzen brannten und drohten, ihn zu ersticken.
Und in der völlig stillen Nacht klang das Quietschen der Angeln, als würde jemand traurig seufzen.
Lias schlief nach dem kleinen Abenteuer schnell wieder ein. Er war, dem Gefühl des Verlorenseins zum Trotz, ziemlich stolz auf sich. Immerhin war er nicht davongelaufen.
In dieser Nacht träumte er, dass er seiner Tante begegnete. Die Frau war älter als die auf dem Foto. Die Locken grau und nicht mehr schwarz. Doch der Blick war derselbe. Unbändig und selbstbewusst. Hermine war entführt und gefangen worden. Er fand sie im Kerker einer dunklen Burg gefesselt, umgeben von ebenso dunklen Gestalten, die sie und ihn mit Schwertern bedrohten. Seine Großtante sagte kein Wort, doch Lias glaubte dennoch, sie zu hören. Direkt in seinem Herzen. Rette mich. Als Lias versuchte, ihr die Ketten abzunehmen, trat eine der Gestalten vor und holte mit dem Schwert aus. Da erklang ein furchtbarer Krach. Der Angreifer strauchelte, sein Hieb ging fehl und Lias … wachte auf.
Für einen Moment lag er verwirrt in seinem neuen Zimmer. Dann begriff er, dass er gerade nur geträumt hatte. Doch was hatte ihn schon wieder geweckt?
Die Fensterläden klapperten wild. Lias kam auf die Beine, öffnete das Fenster und schloss die Läden. Seltsam, dachte er, als er sich erneut hinlegte, es war noch immer völlig windstill. Bald schlief er wieder ein. Und träumte in dieser Nacht nichts mehr.
Der nächste Tag steckte voller Arbeit. Lias’ Vater war zurück nach Hause gefahren, um den Umzug zu überwachen. Ihre Sachen wurden heute verladen und sollten morgen kommen. Lias hätte zwar nur allzu gerne seinen Vater begleitet, doch er sah ein, dass seine Mutter Hilfe brauchte. Denn auch wenn es mehr als genug Zimmer in dem alten Haus gab, musste für alles Platz geschaffen werden. Gemeinsam trugen sie einige betagte Möbelstücke seiner Tante in die Garage. Eine Truhe. Einen mit rotem Samt bezogenen Stuhl mit einer hohen Lehne, der direkt aus einem Ritterfilm hätte stammen können. Ein paar alte Skier (offenbar war Tante Hermine in ihren jungen Jahren ziemlich rasant unterwegs gewesen). Außerdem unzählige Kisten mit verstaubten Erinnerungsstücken. Die Zeit verging dabei so rasch, dass Lias sein Heimweh und alle Gedanken an die seltsame erste Nacht in dem neuen Haus vergaß. Zumindest, bis seine Mutter und er eine Pause machten.
»Und?«, fragte sie, als sie gerade eine riesige alte Schlafcouch in der Garage abgestellt hatten. »Wie findest du dein neues Zuhause?« Sie hatte die Frage bereits einige Male gestellt. Und offenbar nicht die Antwort erhalten, die sie hören wollte.
»Nicht besonders«, erwiderte Lias schwer atmend vor Anstrengung. Er musste seinem Herzen Luft machen. Da konnte er ruhig ein wenig ehrlich sein.
»Na, das wird noch. Bald wirst du es lieben. Dann wird es das schönste Haus von allen für dich sein«, erwiderte seine Mutter in einem Ton, als wollte sie Lias unbedingt von ihren Worten überzeugen.
»Aber sicher«, brummte er.
»Was war es eigentlich?«, wechselte sie so abrupt das Thema, dass Lias einen Moment nicht wusste, was er sagen sollte.
»Was war was?«, fragte er.
»Na, dein erster Traum. Was wird wohl in Erfüllung gehen?«
Lias erinnerte sich wieder an den Kerker der Burg. »Ich habe Tante Hermine getroffen«, antwortete er und sah, dass seine Mutter bei diesen Worten zusammenzuckte. »Meinst du … es geht ihr gut?«
Sie antwortete nicht sofort. Er konnte ihr von der Stirn ablesen, dass sie dieses Thema am liebsten direkt wieder beendet hätte.
»Sie ist eigensinnig«, erwiderte sie. »War mit den Gedanken immer in einer ihrer Geschichten. Es passt gar nicht zu ihr, dass sie so einfach davongelaufen ist. Sie war eigentlich nie besonders mutig. Zumindest nicht in der echten Welt. In ihren Geschichten aber hat sie die größten Abenteuer gemeistert. Deshalb waren ihre Bücher wohl auch so erfolgreich.«
Nicht besonders mutig. Wie ich, dachte Lias bei sich. »Aber glaubst du, dass sie zurückkommen wird?«
Seine Mutter seufzte und blickte über die Möbelstücke und Kartons voll altem Plunder, wie sie den Inhalt nannte. Die Sonne schien durch das geöffnete Metalltor und fing sich auf ihrem von Sommersprossen gesprenkelten Gesicht. »Ja, vielleicht«, meinte sie schließlich. »Tante Hermine …« Sie stockte und schien unsicher, ob sie weitersprechen sollte.
Lias hatte das Gefühl, dass dieser Moment irgendwie wichtig war.
Dann aber klatschte seine Mutter in die Hände, als wollte sie den Augenblick zerspringen lassen wie Glas. »… hat uns viel Arbeit hinterlassen. Viel zu viel Arbeit. Weiter«, rief sie, als müsste sie nicht nur Lias, sondern vor allem sich selbst antreiben. »Wir haben noch eine Menge zu tun in unserem neuen Zuhause.«
Unser neues Zuhause. Die Worte seiner Mutter hallten in Lias’ Kopf wider, während sie weiterarbeiteten.
Sie hatten schon das meiste herausgeschafft, als es an der Haustür klingelte. Oder besser: am Tor zum Grundstück. Der Garten breitete sich wie ein verwunschener Wald um das große Haus herum aus. Um zur Haustür zu gelangen, musste man erst das verschlossene Eisentor an der Straße passieren.
Es brauchte einige Augenblicke, bis Lias und seine Mutter den Schalter im Flur fanden, mit dem man das Tor am Ende des Kieswegs öffnen konnte. War das schon sein Vater? Sie hatten ihn erst am Abend erwartet. Nun, womöglich waren die Umzugsleute schneller als gedacht gewesen.
Doch der Mann, der den Weg zu ihnen entlanggeschlurft kam, war alt und klein und stützte sich auf einen Stock. Vielleicht ein Nachbar, dachte Lias, während der Fremde schließlich die Stufen zur Haustür erklomm.
Mit wässrigen Augen sah er Lias’ Mutter an. Dann fiel sein Blick auf ihn und für einen Moment schien er verblüfft, als würde ihn Lias’ Gegenwart überraschen. Mühsam zwang er sich ein freundliches Lächeln auf die schartigen Lippen, das in dem faltigen Gesicht so unpassend wie ein Ausschlag wirkte. »Guten Tag«, sagte er mit einer Stimme, der man das Alter deutlich anhörte. »Mein Name ist Balthasar. Ich wollte zu der Besitzerin dieses wunderschönen Hauses. Wir waren … wir sind alte Bekannte. Ich kenne sie schon, seit ich ein junger Mann war.«
»Hallo«, erwiderte Lias’ Mutter kühl. »Meine Tante ist … auf Reisen gegangen.«
Lias konnte ihr anhören, dass sie den Fremden ebenso wenig mochte wie er. Da war etwas Seltsames an ihm. Etwas, das Lias nicht in Worte fassen konnte.
»Oh«, sagte der Alte und setzte eine enttäuschte Miene auf, die Lias ihm nicht recht abnahm. »Das ist traurig zu hören. Und Sie sind … wenn ich fragen darf?«
Lias’ Mutter streckte ihm zögerlich ihre Hand hin. »Ihre Nichte. Ophelia Hübner.« Wie immer, wenn sie ihren Namen nannte, stockte Lias’ Mutter. Kein Wunder. Ophelia war der sehr ungewöhnliche Name einer Frau aus einer Geschichte des berühmten Schriftstellers Shakespeare. Und Hübner … nun, recht zusammen passten die Namen nicht. Aber ebenso leidenschaftlich, wie Hermine geschrieben hatte, hatte Lias’ Oma gelesen. Und sich dabei zu dem Namen für ihre einzige Tochter inspirieren lassen. »Meine Tante hat uns dieses Haus geschenkt. Wir sind gerade hergezogen.«
»Sehr großzügig von der Wortfischerin«, meinte der Fremde. »Ein schönes Haus. Aber so alt. Und so pflegebedürftig.« Er lachte heiser. »Ich weiß, wovon ich spreche. Bin selbst nicht mehr gut in Schuss. Muss ständig zum Bader, äh, Arzt.«
Was um alles in der Welt war denn ein Bader?, fragte sich Lias. Eine Art Bademeister?
»Wollen Sie sich diesen alten Kasten wirklich ans Bein binden?« Der Alte machte eine kurze Pause und fuhr fort, ehe Lias’ Mutter antworten konnte. »Verkaufen Sie ihn doch einfach. An jemanden, der das Geld hat, ihn wieder instand zu setzen. Und von dem Erlös leisten Sie sich ein hübsches Häuschen mit einem schönen Kinderzimmer.« Bei diesen Worten schenkte er Lias ein schiefes Lächeln.
»Vielen Dank für das nette … Angebot und Ihre Sorge. Aber ich denke, wir richten uns erst einmal ein«, sagte Lias’ Mutter.
»Keine Ursache«, erwiderte Balthasar. »Ich lasse mich ab und an mal blicken. War früher oft hier. Ich kenne die Geheimnisse des alten Schätzchens.« Er bedachte das Haus mit einem seltsamen Blick, in dem Sehnsucht und Abneigung miteinander zu ringen schienen. »Und ich kenne seine Schwachstellen. Seine vielen Schwachstellen. Es ist eine Baustelle für die Ewigkeit. Leider. Tatsächlich aber, wenn ich recht nachdenke, kenne ich jemanden, der einmal ein Auge auf das alte Schmuckstück geworfen hat. Diese Person ist bestimmt noch interessiert, es zu kaufen. Trotz der vielen, vielen Mängel. Denken Sie darüber nach. Sie werden sehen, wie viel Arbeit das gute Mädchen hier machen wird.«
In diesem Moment schlug einer der Fensterläden mit einem so lauten Krach zu, dass der Alte vor Schreck seinen Stock fallen ließ.
Als Lias die Stufe hinunterging, sich bückte und ihn aufhob, hielt ihn Balthasar mit einer Hand fest. Mit einer Hand, an der Lias nur vier schwielige Finger zählte.
»Man fühlt sich schnell fremd, wenn man sein Zuhause verlässt«, raunte er Lias leise zu. »Ich weiß, wovon ich spreche. Und ich kann dir das Heimweh vom Gesicht ablesen. Du solltest dich fragen, was du willst. Laut aussprechen, was du willst, bevor du an den unausgesprochenen Worten erstickst.« Er sah ihm einen Moment lang tief in die Augen, dann ließ er Lias los und klopfte ihm auf die Schulter. »Vielen Dank«, rief er eine Spur zu laut. »Du bist ein guter Junge.« Er sah zu Lias’ Mutter. »Ich muss dann mal wieder. Also, herzlich willkommen. Und wenn Sie merken, dass dies hier zu viel Arbeit bedeutet, sagen Sie mir Bescheid. Ich habe ein Telefon.« Er sprach das Wort so seltsam aus, als hätte er es erst vor Kurzem gelernt, und reichte Lias’ Mutter eine Karte, die diese mit einem höflichen Lächeln entgegennahm. Dann verabschiedete er sich und schlurfte den Weg zum Tor zurück.
»Was für ein seltsamer Kauz«, sagte Lias’ Mutter. »Als ob wir verkaufen würden.« Sie klang entschlossen, doch sie steckte die Karte ein. Lias kannte sie gut. Er hörte die mühsam verborgene Unsicherheit in ihrer Stimme. Der Alte hatte einen Zweifel in ihr gesät. Oder besser: einen Zweifel, der unbemerkt schon da gewesen war, mit seinen Worten genährt. Das Haus brauchte viel Arbeit. Damit hatte der Alte recht gehabt.
Ja, Lias, und nicht nur damit, sagte er sich. Auch mit dem Heimweh hatte er richtiggelegen. Balthasars Flüstern klang wie ein Echo in seinem Kopf. Laut aussprechen, was du willst, bevor du an den unausgesprochenen Worten erstickst.
Am Abend kam Lias’ Vater wieder nach Hause. Bestens gelaunt saß er an Tante Hermines langem Esstisch und erzählte so ausführlich von den Umzugsvorbereitungen, als sei für ihn damit ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Als könne er es gar nicht mehr erwarten, dass endlich die Möbel kämen und dieses alte Haus endgültig ihr Zuhause wurde.
Lias hörte nur mit einem Ohr dabei zu, wie sich seine Eltern ausmalten, in welchem der Zimmer welches ihrer Möbelstücke am besten zur Geltung kommen würde. Die Sorge um ihre Tante und die Zweifel daran, ob sie das Haus auf Vordermann bringen konnten, hatte Lias’ Mutter offenbar vergessen. Ebenso wie den Besuch des Alten. Sie hatte Lias’ Vater gegenüber kein Wort darüber verloren.
Doch Lias hatte Balthasar nicht vergessen. Und erst recht nicht das, was der Alte gesagt hatte. Laut aussprechen, was du willst, bevor du an den unausgesprochenen Worten erstickst. Ich will hier nicht wohnen, sagte Lias stumm zu sich. Mit einer gemurmelten Entschuldigung verließ er den Tisch, obwohl er kaum etwas gegessen hatte. Seine Eltern reagierten nicht einmal. Sie waren viel zu sehr darin vertieft, das Haus einzurichten. Ihr Haus.
Und was sollte Lias in dem Kasten tun? Er kam sich so verloren hier vor. Die Worte von Balthasar wirkten wie ein Gift in ihm.
Er wollte gerade die große Treppe hinauf in sein Zimmer steigen, als er die offen stehende Tür des Arbeitszimmers bemerkte. Meine Güte, dachte er, schloss die Tür eigentlich nie richtig? Mit einem Schritt war er bei ihr und wollte sie gerade zuziehen, da fiel sein Blick auf eines der Bücherregale. Die Abendsonne schien tiefrot auf die Rücken der Bücher, als wollte sie sie ins rechte Licht setzen. Als sollte Lias dorthin sehen. So ein Unsinn, sagte sich Lias und schüttelte den Kopf über einen derart verrückten Gedanken. Und dennoch ging er neugierig zu den Büchern, um sie zu betrachten.
Von den Romanen, die seine berühmte Großtante geschrieben hatte, kannte er keinen einzigen. Und das, obwohl er gerne las. Nun, das konnte er ändern. Er griff nach dem, der gerade genau im Licht der Abendsonne stand. »Der Herr der Wellen«, las er leise. Der Titel ihres ersten Buches, der auch über dem Raum stand, der sich nicht öffnen ließ. Das Bild auf dem Einband war ein wenig altertümlich. Ein Pirat mit einem Perlenauge am Steuer eines prächtigen Schiffes. Über ihm wehte eine schwarze Flagge mit einem Totenkopf.
In einer Ecke des Arbeitszimmers stand eine dunkle Ledercouch. Lias legte sich darauf und schlug die erste Seite auf. »Das Meer roch an diesem Morgen nach Abenteuern, Schätzen und Tod.« Lias las den Satz laut, um die dröhnende Stille in dem Haus mit Tönen zu füllen. Es war manchmal so furchtbar ruhig hier. Als würde das Haus stumm jemanden vermissen. Er las auch den zweiten auf diese Weise. Und den dritten. Die Worte waren wie ein Fluss, der ihn mit sich trug. Nach der zehnten Seite biss ihn die Abendsonne in die Augen. Ohne aufzusehen, beschattete er sie mit einer Hand. Doch dann klappte einer der Fensterläden gerade so weit, dass er das störende Licht fernhielt. War ein Wind aufgekommen, der ihn zugedrückt hatte? Lias wollte nicht aufsehen. Zu spannend war die Geschichte. Er tauchte hinein in das Meer aus Worten. Floh mit dem Herrn der Wellen aus der Gefangenschaft einer Königin namens Ehremin auf den Ozean hinaus und über einen tödlichen Strudel hinweg. Gelangte mit ihm auf das Schiff, dessen Kapitän er wurde und das er Glücksdame taufte. Kämpfte gegen fischschwänzige Frauen, fliegende Fische und verfeindete Seeräuber. Dabei meinte Lias, die Stimmen der Piraten zu hören. Das Rauschen des Meeres. Das Donnern der Kanonen. Das Buch erschien ihm echt wie die Wirklichkeit. Er nahm nichts anderes mehr wahr. Auch nicht, dass sich die Tür zum Arbeitszimmer schloss, als sollte Lias beim Lesen nicht gestört werden, während seine Eltern laut redend die Treppe hinaufstiegen.
Sehr viel später riss seine Mutter Lias aus der Geschichte heraus und scheuchte ihn erst in sein Zimmer und dann in seinen Schlafsack. Das Buch nahm er mit. Selten hatte ihm eine Erzählung so gut gefallen wie diese. Besonders angetan hatte es ihm der Junge, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wurde. Sila. Vielleicht mochte ihn Lias, weil der Junge so war, wie er selbst gerne wäre. Mutig und abenteuerlustig. Lias war nicht nur ein wenig ängstlich, sondern auch schnell außer Puste. Außerdem hatte Sila braune Haare wie Lias. Und ihre Namen waren einander so unerklärlich ähnlich. Dieselben Buchstaben. Ob seine Tante diesen Jungen für ihn …? Mach dich nicht lächerlich, sagte sich Lias sofort. Sie kannte dich nicht. Hat nie ein Wort mit dir gewechselt. Wie sollte sie da auf die Idee kommen, ihn nach dir zu beschreiben?
Seite um Seite las Lias in seinem Schlafsack weiter und folgte dem Schiff des Herrn der Wellen in einen Sturm hinein, der die Segel zerriss und in dessen Herzen eine furchtbare Gefahr lauerte. Lias fieberte so sehr mit, dass er wieder glaubte, das Rauschen des Meeres zu hören, während der Herr der Wellen nach einem Weg suchte, dem, was er im Herzen des Sturms gefunden hatte, zu entkommen.
Es dauerte einige Augenblicke, bis Lias begriff, dass er in der Tat etwas hörte. Ein Rauschen und Heulen. War draußen ein Unwetter aufgezogen? Er öffnete eines der Fenster und blickte in die sternklare und schläfrig ruhige Nacht hinaus. Auf dem Baum gegenüber saß ein Kauz. Der Vogel stieß einen spitzen Schrei aus und schwang sich in die Luft. Lias warf einen Blick auf seinen Wecker. Vier Uhr. Und er war überhaupt nicht müde. Er griff wieder nach dem Buch, als er merkte, dass das Rauschen noch immer zu hören war. Es kam aus dem Erdgeschoss. Plötzlich erfüllte ein lauter Donner den Raum. Vor Schreck fiel Lias das Buch aus den Händen und landete auf dem Boden. Als er es aufhob, war die Seite verschlagen. Der Herr der Wellen und seine Männer waren wieder an der Stelle, an der sie gerade in das Unwetter und mitten hinein in die Gefahr segelten. Und das Rauschen und Heulen und Donnern um Lias herum waren fort. Wie konnte das sein?
Diesmal unternahm er keinen Versuch, seine Eltern zu wecken, sondern stieg direkt mit klopfendem Herzen die Treppe hinunter. Hörte er da leise Stimmen? Sie klangen, als hätte jemand einen Fernseher eingeschaltet. Doch so etwas gab es in diesem Haus nicht.
Zögerlich folgte Lias der Spur aus Tönen. Das ganze Haus schien in diesem Moment … lebendig. Im Keller rumorte es, und aus den Augenwinkeln glaubte Lias zu sehen, wie sich eine Zimmertür von selbst bewegte. Nein, das war unmöglich. Er musste sich irren. Die Spur aus Geräuschen und Stimmen führte Lias zum Arbeitszimmer. Die Tür war nur angelehnt, und Lias stand unschlüssig vor ihr. Er presste eine Hand gegen das Holz und legte ein Ohr an den Spalt. Ganz deutlich hörte er Worte. Jemand hatte Vorsicht gerufen. Und hatte eine andere Stimme nicht gerade alle dazu aufgerufen, die Kanonen auszurichten? Lias runzelte die Stirn. Er war vermutlich vorhin, ohne es zu merken, über dem Buch eingeschlafen und nun war er noch immer halb in seinen Träumen, erfüllt von Lärm und Stimmen, die er sich nur einbildete. Kein Wunder. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Und … Wieder rief jemand etwas! Diesmal war sich Lias ganz sicher.
Hol Hilfe, sagte er sich. Es wäre klug. Das Sicherste, was er tun könnte. Aber er tat es nicht. Er war nun seit Dutzenden Seiten Sila gefolgt und hatte den Jungen, auch wenn er natürlich nur eine Figur in einer Geschichte war, für dessen Mut bewundert. Er selbst würde sicher nicht zu seinen Eltern rennen, weil er ein paar Geräusche hinter einer Tür gehört hatte. Ganz egal, wie unerklärlich sie auch waren. Lias atmete tief durch.
Und öffnete die Tür ins Arbeitszimmer mit einem kräftigen Stoß.
Sofort erstarben die Geräusche, und einzig der Kauz war von draußen zu hören. Dafür schien sich eine gespannte Stille in dem Zimmer auszubreiten. Wie Wasser sickerte sie in alle Ritzen des Raums, glitt an Lias empor und füllte ihm das Herz und den Verstand.
Er ging zögerlich in das Zimmer hinein und lauschte so angestrengt, dass der eigene Herzschlag in seinen Ohren laut wie die Schritte eines Riesen klang. Er sah sich um. Nichts als schläfrige Stille. Der Mond schien durch das Fenster, vor dem der Schreibtisch seiner Großtante stand, und färbte alles silbern.
Lias wollte schon wieder umdrehen und das eben Gehörte doch den Nachwirkungen eines kuriosen Traums zuschreiben. In diesem Moment aber erklang ein Klappern. Ganz regelmäßig. Er ging auf die Suche nach dem Ursprung des Geräuschs und fand ihn vor einem der Bücherregale. Es war besonders vollgestopft. Nicht nur Bücher drängten sich eng in ihm zusammen. Auch kleine Holzfiguren, Bilder und Postkarten, ein paar Bierdeckel und anderer Krimskrams füllten die Bretter. Doch Lias konnte nicht erkennen, was das Geräusch verursachte.
Als wollte jemand seine Aufmerksamkeit erregen, wurde das Klappern lauter und drängender.
»Was ist hier los?«, fragte Lias. Er erwartete selbstverständlich keine Antwort, doch nun kam sein eigentliches Wesen wieder ein wenig zum Vorschein und für diese ängstliche Seite war es beruhigend, die eigene Stimme zu hören.
Das Klappern wurde lauter und noch schneller und nun konnte Lias auch endlich dessen Ursprung ausmachen. Das Regal wackelte. Zuerst fiel eine der Holzfiguren, dann folgten rasch zwei weitere. Und das Regal wackelte immer heftiger. Lias wich erschrocken einen Schritt zurück, aber er rannte nicht weg. Er zwang sich mit aller Kraft, die er in seinem Inneren fand, stehen zu bleiben. Kein Feigling zu sein.
»Was ist hier los?«, wiederholte er seine Frage und diesmal rief er die Worte.
Noch einmal verschärfte sich das Tempo des Klapperns. Es hatte beinahe den Anschein, als würde das Regal jeden Moment loslaufen wollen.
Dann ruckte es nach vorne.
Lias stolperte zur Seite, aus Angst, es könnte auf ihn fallen. Doch es kippte nicht. Nur eines der vielen Dinge auf den Brettern rutschte über die Kante, fiel auf den Boden und blieb direkt vor Lias’ Füßen liegen. Schwer atmend stand er da und starrte abwechselnd auf das Regal, das nun wieder völlig leblos schien, und auf das Ding.
Es war ein Schlüssel. Ein ziemlich seltsamer Schlüssel. Ein ziemlich seltsamer Schlüssel mit einem Griff, der wie ein Schiff geformt war.
Lias konnte nicht sagen, weshalb, doch er hatte das Gefühl, dass dies kein Zufall war. Dass dieser Schlüssel hatte hinunterfallen sollen. Dass er diesen Schlüssel bekommen sollte.
»Danke schön«, sagte er in den menschenleeren Raum hinein, wobei er sich einigermaßen töricht vorkam.
Und wie zur Antwort wackelte das Regal noch einmal, ehe es dann ganz und gar still stand.
Lias zögerte, sich zu bücken und den Schlüssel zu nehmen. Er kam sich ohnehin schon wie ein Idiot vor, also würde es nichts machen, wenn er eine Frage stellte. Ihn hörte ja sowieso keiner. »Ist er für mich?«
Einen Moment war es ganz still. Dann quietschte die Tür. Lias’ Herz setzte vor Aufregung fast einen Schlag aus. Das musste keine Antwort gewesen sein, sagte er zu sich selbst. Immerhin knarrte und quietschte der alte Kasten ständig. Er wollte es noch mal versuchen. »Soll ich ihn nehmen?«
Diesmal quietschte die Tür sogar zweimal.
Das ist unglaublich, dachte Lias bei sich. Er sah zu der Tür hinüber, doch da stand niemand, der sie hätte bewegen können. Und niemand hatte das Regal anstoßen können. Und hier war auch niemand, dessen Stimme er zuvor hätte hören können. Was also war hier los?
Mit zitternden Fingern hob er den Schlüssel auf und wog ihn in der Hand. So ein Ding hatte er noch nie gesehen. »Und was soll ich damit tun?«, fragte er in den Raum hinein. Meine Güte, dachte er noch im selben Moment. Ich rede mit der Luft.
Als wollte ihm jemand eine Antwort geben, knarrte der Boden. Wie Schritte klang das Geräusch. Gab es hier etwa … Geister?, fragte sich Lias. Nun, das wäre wohl genauso wenig zu glauben wie körperlose Stimmen und Regale, die sich bewegten.
Das Knarren hatte aufgehört. Lias machte einen Schritt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und als würde er damit ein Echo erzeugen, knarrte der Boden erneut. Wieder ein Tapsen. Jemand oder etwas wollte, dass Lias ihm nachging.
Mit klopfendem Herzen folgte er der unsichtbaren Spur, die ihn aus dem Arbeitszimmer hinausführte. Für einen Augenblick hatte er Angst, dass er geradewegs in eine Falle lief. Doch wenn es hier wirklich einen Geist gab, dann könnte er ihn wohl einfach angreifen, ohne ihn erst mühsam irgendwohin zu locken. Nein, sagte er sich. Er würde nicht ängstlich sein. Sondern mutig. Wie die Figur aus dem Roman seiner Großtante. Sila wäre der Spur gefolgt. Und das würde Lias nun auch tun.
Der Flur lag in völliger Stille vor Lias, nur die Schritte füllten das Haus, obwohl es keine Füße gab, die sie erzeugten. Lias wurde zu einer verschlossenen Tür geführt. Als er genau vor ihr stand, erstarben die Schritte abrupt. Sein körperloser Führer war vermutlich stehen geblieben. Lias fuhr prüfend mit den Fingern durch die Luft, doch sie ertasteten nichts. Natürlich nicht. Geister haben keinen Körper.
Lias stand vor der Tür, über der das Schild mit dem Namen des Buchs angebracht war, in dem Lias gerade las. Der Herr der Wellen. Ein lustiger Zufall. Oder doch kein Zufall?
»Soll ich die Tür aufschließen?« Es war mehr als offensichtlich, dass er dies tun sollte. Doch Lias wollte eine weitere Reaktion von dem vermeintlichen Geist haben. Er brauchte sie, um fester an ihn glauben zu können.
Ein Knarren in der Stille war die Antwort.
Lias atmete tief durch und steckte den Schlüssel in das Schloss. Er passte perfekt und ließ sich ohne Mühe drehen.
Mit einem Knarren schwang die Tür auf.
Der Raum vor Lias atmete Anspannung. Sie lag so schwer in der Luft, als würde sich gleich ein Gewitter entladen. Natürlich wäre es schlauer gewesen, spätestens jetzt die Eltern zu holen. Doch vielleicht würde dies dem Unsichtbaren nicht gefallen. Und womöglich würde er dann einfach verschwinden. Das wollte Lias um alles in der Welt vermeiden. Er war wie berauscht vom eigenen ungewohnten Mut und der Erkenntnis, dass es anscheinend Geister gab.
Warum wohl wollte der Geist in das Zimmer? Lias stand einen Moment unschlüssig auf der Türschwelle, dann betrat er den Raum und sah sich um. Es war stockdunkel. Die Läden des Fensters waren verschlossen. Lias hatte am Tag bereits erfolglos versucht, vom Garten aus in die geheimnisvollen Zimmer zu spähen, doch die Läden hatten sich nicht bewegt und sich standhaft geweigert, ihm einen Einblick zu gewähren. Nun tastete er nach einem Lichtschalter an der Wand neben der Tür. Als er ihn gefunden und betätigt hatte, goss eine viel zu kleine Lampe fahles Licht von der Decke.
Und zu seiner maßlosen Enttäuschung erkannte Lias: nichts. In dem Zimmer gab es keine Möbel oder sonst etwas. Allerdings roch es hier, als wäre das Meer nicht weit. Salzig und nach Freiheit. Der Holzboden schien aus den Planken eines Seglers gemacht zu sein. Den Schiffsschlüssel, den Lias aus dem Schloss der Tür zog, ließ er in seine Hosentasche gleiten und sah sich noch einmal gründlich um. Und diesmal entdeckte er doch etwas. Er hätte es fast übersehen. Auf der Fensterbank ruhte eine Glasflasche auf einem Ständer. Und in ihr befand sich ein Schiff. Lias ging hinüber und nahm die Flasche in die Hand. Das Schiff sah genauso aus, wie er sich das des Herrn der Wellen, die Glücksdame, in der Geschichte seiner Großtante vorgestellt hatte. Irgendwie hatte er das Gefühl, selbst mitten in einer Geschichte zu stecken. Das hier würde ihm niemals jemand glauben. Wie auch?
Das Schiff war etwa so lang wie Lias’ Unterarm. Drei mächtige Segel waren gehisst. Und zuoberst erkannte er die Piratenflagge. Wie aufwendig alles gearbeitet war! Lias entdeckte sogar einige Piraten, die sich … nein, er musste sich geirrt haben. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er durch das Glas auf das Deck. Hatten sich die Menschen auf den Planken gerade bewegt? Er betrachtete das Schiff eine Weile, doch keine der kleinen Figuren rührte sich. Dann ließ er die Flasche sinken und blickte sich um. Was hatte es mit diesem Raum auf sich? Vermutlich gar nichts, gab sich Lias selbst die Antwort. Er war leer. Und dennoch hatte ihn der Unsichtbare hergeführt.