Libelle, Marienkäfer & Co. - Anne Sverdrup-Thygeson - E-Book
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Libelle, Marienkäfer & Co. E-Book

Anne Sverdrup-Thygeson

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Beschreibung

»Alles über kleine Kreaturen von großem Wert, unterhaltsam und voll klugem Witz.« Maja Lunde, Autorin des Bestsellers »Die Bienen«

Insekten gibt es überall, in den höchsten Höhen und den tiefsten Höhlen, in Wäldern, Wiesen und Bergen. Sie leben in der Wüste, unter der Eisdecke eines zugefrorenen Sees, in den Nasenlöchern eines Walrosses und sogar in Computern. Die faszinierenden Wesen sind winzig klein und funktionieren doch hochkomplex. Sie tragen ihr Skelett außen am Körper wie eine Rüstung, haben Ohren auf den Knien und sogar Zungen unter ihren Füßen. Und obwohl sie anpassungsfähig sind und sich schnell vermehren können, verringert sich ihr Bestand erschreckend schnell. Dabei sind Insekten für uns unersetzlich, denn sie verwandeln tote Materie in fruchtbaren Boden, bestäuben Pflanzen und dienen vielen Tierarten als Futter. Wegen ihnen läuft es auf unserer Erde rund – sie dürfen nicht von der Bildfläche verschwinden! Dafür plädiert die norwegische Biologie-Professorin Anne Sverdrup-Thygeson mit Witz und Wissen in diesem Buch.

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Seitenzahl: 301

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Buch

»Es ist verblüffend, nach welch komplexen Regeln unsere Natur funktioniert – und dass es die Allerkleinsten unter den Lebewesen sind, die die Grundlage unserer Existenz bilden.«

Anne Sverdrup-Thygeson

Anne Sverdrup-Thygeson

Libelle, Marienkäfer & Co.

Die faszinierende Welt der Insekten und was sie für unser Überleben bedeuten

Aus dem Norwegischen von Sylvia Kall

GOLDMANN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2019

Copyright © 2019 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München, unter Verwendung der Originalgestaltung © Terese Moe Leiner

Copyright der Originalausgabe © Anne Sverdrup-Thygeson

Published in agreement with Stilton Literary Agency

Illustrationen im Innenteil © Tuva Sverdrup-Thygeson

Lektorat: René Stein

DF · Herstellung: kw

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN: 978-3-641-24131-5V001www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1Kleine Geschöpfe mit cleverem Design

2Sex bei Sechsbeinern

3Fressen und gefressen werden – Insekten in der Nahrungskette

4Insekten und Pflanzen – ein ewiger Wettlauf

5Fleißige Fliegen, köstliche Krabbeltiere – Insekten und unsere Nahrung

6Insekten als Hausmeister

7Von Seide bis Schreibwaren – Produkte von Insekten

8Lernen von den Insekten

9Die Insekten und wir – in der Zukunft

Schlusswort

Dank

Weiterführende Lektüre

Quellen

Register

Doch ist die Natur nirgends vollkommener als in den kleinsten Tieren.

Nach Plinius dem Älteren, Naturkunde, 11, 1.4

Vorwort

ICHWARSCHONimmer gern draußen, besonders im Wald. Am liebsten dort, wo der Mensch kaum merkliche Spuren hinterlassen hat und unser moderner Einfluss gering ist. Zwischen Bäumen, die betagter sind als irgendein heute lebender Mensch. Zwischen Bäumen, die der Länge nach in weiches Moos gestürzt sind. Hier liegen sie hingestreckt und still, während das Leben seinen ewigen Reigen fortsetzt.

Zu einem toten Baum kommen die Insekten, in Scharen. Borkenkäfer feiern in den gärenden Säften unter der Rinde Gelage, die Larven der Bockkäfer versehen die Holzoberfläche mit kunstvollen Mustern, und die krokodilähnlichen Larven des Bindigen Schnellkäfers verzehren gierig alles, was sich in dem verrottenden Holz bewegt. Zusammen bauen Tausende von Insekten, Pilzen und Bakterien das Tote ab und sorgen so dafür, dass neues Leben entsteht. Ich schätze mich glücklich, dass ich so etwas Spannendes erforschen darf.

Denn ich habe einen fantastischen Beruf. Ich bin Professorin an Norwegens Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (Norges miljø- og biovitenskapelig universitet, NMBU). Als Forscherin, Lehrerin und Vermittlerin kann ich an einem Tag neue Forschungsarbeiten lesen, mich in fachlichen Details vergraben und verlieren. Am nächsten halte ich eine Vorlesung und muss eine übergeordnete Struktur zu einem Fachthema finden. Beispiele suchen und veranschaulichen, warum das Thema uns alle angeht. Vielleicht führen meine Ausarbeitungen schließlich zu einem Text für unser Forscherblog »Insektøkologene«.

Zwischendurch arbeite ich draußen. Ich suche nach alten, hohlen Eichen oder kartiere Wald, der in unterschiedlichem Maß von Holzeinschlag betroffen ist. All diese Aufgaben bewältige ich nicht allein, sondern zusammen mit guten Kollegen, Stipendiaten und Studenten.

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich mich mit Insekten beschäftige, fragen sie häufig: Wozu sind Wespen gut? Und wozu brauchen wir eigentlich Mücken und Hirschlausfliegen? Denn natürlich gibt es lästige Insekten. Zwar ist ihre Zahl ungeheuer gering im Vergleich zu den Myriaden von wimmelndem Getier, das jeden Tag seinen kleinen Beitrag leistet, Ihr Leben zu retten. Aber lassen Sie uns mit den Plagegeistern beginnen. Ich habe drei Antworten parat:

Erstens haben auch die lästigen Insekten eine nützliche Funktion für die Natur. Mücken und Kriebelmücken sind wichtige Nahrung für Fische, Vögel, Fledermäuse und andere Tiere. Besonders hoch oben im Gebirge und weit im Norden können Fliegen- und Mückenschwärme außerordentliche Bedeutung für Tiere haben, die viel größer sind als sie selbst. Im kurzen und hektischen arktischen Sommer können Insektenschwärme steuern, wo die großen Rentierherden weiden, wo sie Trittschäden verursachen und Nährstoffe in Form von Dung zurücklassen. So wie sich Ringe im Wasser immer weiter ausbreiten, beeinflusst auch das Verhalten der Insekten das gesamte Ökosystem. Auf dieselbe Weise ist die Wespe nützlich – für uns und andere. Die Wespe hilft bei der Bestäubung der Pflanzen, frisst Schädlinge, von denen wir nicht zu viele haben wollen, und dient selbst als Nahrung für den Wespenbussard und eine Reihe anderer Arten.

Zweitens können nützliche Lösungen dort lauern, wo man sie am wenigsten erwartet. Das gilt auch für Tiere, die wir als eklig und lästig betrachten. Die Larven der Schmeißfliegen können problematische Wunden säubern und Mehlkäferlarven sind in der Lage, Plastik zu verdauen. Darüber hinaus gibt es Forschungsarbeiten zum Einsatz von Kakerlaken bei Bergungsarbeiten in eingestürzten oder stark verunreinigten Gebäuden.

Drittens ist es durchaus eine berechtigte Überlegung, dass alle Arten die Möglichkeit erhalten sollten, ihr Lebenspotenzial auszuschöpfen. Demnach hätten wir Menschen nicht das Recht, ausgehend von unserem kurzsichtigen Urteil, welche Arten wir niedlich finden oder für nützlich halten, mit der Artenvielfalt weiterhin zu schalten und zu walten, wie es uns beliebt. Das bedeutet auch, dass wir eine moralische Verpflichtung haben, bestmöglich auf die Unzahl aller Lebewesen auf dem Erdball achtzugeben, insbesondere auch auf jenes Getier, das keine offensichtlich erkennbare Wertschöpfung vorzuweisen hat. Wir müssen also auch mit den Insekten behutsam umgehen, die weder weiches Fell noch große braune Augen haben, und mit den Arten, deren Lebenszweck wir nicht verstehen.

Die Natur ist verblüffend in ihrer Komplexität, und die Insekten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser ausgeklügelt zusammengesetzten Systeme, in denen wir Menschen bloß eine Art unter Millionen sind. Daher soll dieses Buch von den Kleinsten unter uns handeln – von all den merkwürdigen, schönen und bizarren Insekten, die die Grundlage für die Welt bilden, wie wir sie kennen.

Zunächst beschäftigt sich das Buch mit den Insekten an sich. Im ersten Kapitel lernen Sie ihren unglaublichen Variantenreichtum und ihren Körperbau kennen, Sie erfahren, wie Insekten ihre Umgebung wahrnehmen und auch ein bisschen darüber, wie Sie die wichtigsten Insektengruppen erkennen können. Außerdem bekommen Sie in Kapitel 2 einen Einblick in das Sexleben der Insekten, das ziemlich ausgefallen ausfällt …

Danach wende ich mich dem komplizierten Zusammenleben der Insekten mit anderen Tieren (Kap. 3) und mit Pflanzen (Kap. 4) zu. Dem täglichen Kampf ums Überleben – Fressen und Gefressenwerden – , bei dem alle darum ringen, ihre Gene weiterzugeben. Dennoch gibt es auch Raum für Zusammenarbeit, in allen möglichen kuriosen Varianten.

Der letzte Teil des Buchs befasst sich mit der engen Beziehung der Insekten zu einer einzigen Art: zu uns, den Menschen. Wie tragen sie zu unserer Ernährung bei (Kap. 5)? Wie sorgen sie in der Natur für Ordnung (Kap. 6) und stellen Produkte her, die wir brauchen, von Honig bis Antibiotika (Kap. 7)? In Kapitel 8 betrachte ich, auf welchen neuen Gebieten Insekten wegweisend werden können. Und zum Schluss, in Kapitel 9, lege ich dar, wie es unseren kleinen Helferlein eigentlich geht und wie Sie und ich dazu beitragen können, die Lebensbedingungen der Insekten zu verbessern. Denn wir Menschen sind davon abhängig, dass die Insekten ihre Aufgaben erledigen. Wir brauchen sie zur Bestäubung, zum Abbau von Abfällen und zur Neubildung von Erde. Sie dienen als Nahrung für andere Tiere, halten schädliche Organismen in Schach und verbreiten Samen. In der Forschung fungieren sie als Helfer und bilden mit ihren schlauen Lösungen eine Inspirationsquelle. Insekten sind die kleinen Zahnräder der Natur, die das Uhrwerk der Welt zum Ticken bringen und am Laufen halten.

Einleitung

AUFJEDENMENSCHEN, der heute auf der Erde lebt, kommen mehr als 200 Millionen Insekten. Während sie diesen Satz lesen, tapsen, krabbeln und flattern da draußen in der Welt zwischen einer und zehn Trillionen Insekten herum, mehr als es Sandkörner an allen Stränden der Welt gibt. Ob es Ihnen gefällt oder nicht – Sie sind überall von Insekten umgeben. Unsere Erde ist nämlich eigentlich der Planet der Insekten.

Es gibt so unglaublich viele von ihnen, dass es unser Fassungsvermögen übersteigt, und sie kommen überall vor. Im Wald und in Seen, in Wiesen und Flüssen, in der Tundra und im Hochgebirge. Es leben Steinfliegen auf den kalten Gipfeln der Sechstausender des Himalajas und Mückenlarven in den heißen Quellen des Yellowstone-Nationalparks, wo die Temperatur 50 Grad Celsius überschreitet. In der ewigen Dunkelheit der tiefsten Höhlen der Erde gibt es blinde Höhlenmücken. Insekten können in Taufbecken existieren, in Computern, in Ölpfützen und umgeben von Magensäure und Gallenflüssigkeit in einem Pferdemagen. Sie sind in Wüsten, unter dem Eis zugefrorener Seen, im Schnee und in den Nasenlöchern von Walrossen zu finden.

Insekten sind auf allen Kontinenten zu Hause – auch wenn sie in der Antarktis nur durch eine einzige Art vertreten sind: eine flügellose Zuckmücke, deren Todesurteil es wäre, wenn die Temperatur längere Zeit über zehn Grad plus klettern sollte. Selbst im Meer sind Insekten zu finden. Robben und Pinguine haben verschiedene Arten von Läusen im Fell beziehungsweise Gefieder, die diese Tiere auch beim Tauchgang begleiten. Es existiert sogar eine eigene Gattung von Läusen, die es sich im Kehlsack von Pelikanen gemütlich gemacht hat. Und es gibt Wasserläufer, die ihr Leben auf hoher See verbringen und dabei auf den Zehenspitzen ihrer sechs Füße herumtänzeln.

Insekten sind zwar klein, von ihren Leistungen kann man das aber nicht sagen. Lange bevor der Mensch seinen Fuß auf die Erde setzte, hatten die Insekten bereits mit Ackerbau und Haustierhaltung begonnen: Termiten züchten Pilze zum Fressen, und Ameisen halten Blattläuse als Melkvieh. Wespen stellten als Erste Papier aus Zellulose her. Und schon Millionen Jahre, bevor es uns Menschen gelang, das erste Fischernetz zu knüpfen, fingen Köcherfliegenlarven andere Tiere in Netzen. Die Insekten lösten vor etlichen Millionen Jahren komplizierte Probleme auf dem Feld der Aerodynamik sowie im Bereich der Navigation und lernten, wenn auch nicht das Feuer, so doch das Licht zu beherrschen – noch dazu im eigenen Körper.

Wenn die Insekten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen säßen

Ob wir nun nach Individuen oder Arten zählen, haben wir allen Grund, die Insekten als erfolgreichste Tiergruppe auf dem Erdball zu bezeichnen. Denn es gibt nicht nur unfassbar viele Einzelindividuen von Insekten. Sie stellen auch weit mehr als die Hälfte aller bekannten mehrzelligen Arten: Es existiert etwa eine Million verschiedener Varianten von ihnen. Sie könnten also einen »Insekt des Monats«-Kalender erstellen und mehr als 80.000 Jahre lang jeden Monat eine neue Art präsentieren!

Der Artenreichtum der Insekten von A bis Z ist beeindruckend: Ameisen, Baumwanzen, Cochenilleschildläuse, Distelfalter, Eintagsfliegen, Feldhummeln, Glühwürmchen, Heuschrecken, Igelflöhe, Johannisbeer-Glasflügler, Kriebelmücken, Lausfliegen, Maulwurfsgrillen, Nashornkäfer, Ohrwürmer, Pfauenspinner, Quelljungfern, Raubfliegen, Silberfischchen, Totengräber, Urmotten, Vierflecke, Wespen, xylophage Käfer, Ypsiloneulen und Zikaden.

Hier ein kleines Gedankenexperiment: Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich die Artenvielfalt auf die verschiedenen Artengruppen verteilt, stellen wir uns alle auf der Welt bekannten Arten, große wie kleine, als Mitglieder der Vereinten Nationen vor. Bei der Generalversammlung würde es fürchterlich eng werden, denn selbst wenn wir nur einen Vertreter jeder Art zuließen, kämen gut über anderthalb Millionen Repräsentanten zusammen.

Stellen wir uns weiter vor, dass wir Macht und Stimmrecht in diesen Vereinten Nationen der Biodiversität nach der Menge der Arten in den unterschiedlichen Artengruppen verteilten. Dann würden neue, ungewohnte Machtverhältnisse sichtbar: Die Dominanz der Insekten wäre offenkundig, sie würden mehr als die Hälfte der Stimmen stellen. Dazu kämen noch alle anderen Arten von Getier wie Spinnen, Schnecken, Fadenwürmer und weitere, die allein ein Fünftel der Repräsentanten ausmachten. Ferner würden Pflanzen, im weiteren Sinne, sich auf ungefähr sechzehn Prozent addieren, während auf bekannte Arten von Pilzen und Flechten knapp fünf Prozent der Stimmen entfielen.

Doch wie passen wir in dieses Bild? Wenn wir die Artenvielfalt auf diese Weise betrachten, fallen wir Menschen kaum ins Gewicht. Auch zusammen mit allen anderen Wirbeltierarten der Welt, also Lebewesen wie Elch, Maus, Vogel, Schlange oder Frosch, bliebe uns mit nur drei Prozent der bekannten Artenvielfalt lediglich ein winziger Anteil an der Macht. Wir Menschen sind also vollkommen abhängig von einer Heerschar kleiner, anonymer Arten, in der die Insekten einen großen Anteil stellen.

Zwergenhafte Feen und biblische Riesen

Insekten kommen in allen Farben und Formen und mit einer Spannbreite an Größen vor, die von kaum einer anderen Tiergruppe erreicht wird. Die kleinsten Insekten der Welt sind die Zwergwespen, die ihr gesamtes Larvenstadium in den Eiern anderer Insekten verbringen, was schon eine Menge darüber sagt, wie klein sie sind. Eine von ihnen ist die winzige Kikiki huna. Die Wespe ist mit ihren 0,16 Millimetern so klein, dass man sie nicht mit bloßem Auge sehen kann. Ihr Name stammt aus der polynesischen Amtssprache von Hawaii, einem der Orte, wo sie gefunden worden ist; er bedeutet – durchaus zutreffend – so etwas wie »winzig kleiner Punkt«.

Eine ihrer Schwesternarten trägt einen noch schöneren Namen. Die Zwergwespe Tinkerbella nana ist nach der Fee Glöckchen aus »Peter Pan« benannt. Bei der Artbezeichnung »nana« handelt es sich um ein Wortspiel: Sie bezieht sich sowohl auf das Wort »nanos«, griechisch für »Zwerg«, als auch auf Nana, die Hündin aus »Peter Pan«. Die Glöckchenwespe ist so klein, dass sie auf der Spitze eines Menschenhaars landen kann.

Von dort zu unseren größten Insekten ist es ein weiter Schritt, wobei mehrere Arten um diesen Titel konkurrieren. Denn wie definiere ich das größte Insekt überhaupt? Geht es um das längste, gewinnt die chinesische Stabschrecke Phryganistria chinensis zhao. Mit ihren 62,4 Zentimetern ist sie länger als Ihr Unterarm, dafür aber nicht dicker als ein Mittelfinger. Benannt wurde die Unterart nach dem Insektenforscher Zhao Li, der Hinweisen aus der Lokalbevölkerung folgend sechs Jahre seines Lebens darauf verwendete, nach der Super-Stabschrecke zu suchen.

Reden wir dagegen vom schwersten Insekt, liegt der Goliathkäfer gut im Rennen. Die Larven dieser afrikanischen Riesen können bis zu einhundert Gramm wiegen – etwa so viel wie eine Amsel. Seinen Namen hat der Käfer von der biblischen Gestalt Goliath, dem drei Meter großen und von den Israeliten gefürchteten Riesen, den dann aber der Knabe David mit einer Steinschleuder und der Hilfe höherer Mächte zu Fall brachte.

Das allererste Insekt – vor den Dinosauriern auf der Welt

Die Insekten leben schon lange auf der Erde, unendlich viel länger als wir Menschen. Die Tiefen der Zeit, Ären und Äonen, Zeiträume von Millionen und Milliarden Jahren, lassen sich schwer erfassen. Daher sagt es Ihnen möglicherweise wenig, wenn ich Ihnen erzähle, dass die ersten Insekten vor rund 479 Millionen Jahren das Licht der Welt erblickten. Vielleicht hilft es, sich bewusst zu machen, dass die Insekten – mit viel Spielraum kalkuliert – die Dinosaurier kommen und gehen gesehen haben.

Irgendwann vor langer, langer Zeit mäanderten die ersten Pflanzen und Tiere aus dem Meer aufs trockene Land – eine Revolution für das Leben auf der Erde. Wenn wir diesen bahnbrechenden Moment doch nur hätten filmen können, wir hätten einen legendären Clip auf Zelluloid gebannt: »Ein kleiner Schritt fürs Getier, aber ein riesiger Sprung für das Leben auf der Erde.« Leider müssen wir uns damit begnügen, den Pionieren der Insekten anhand von Fossilien und mit unserer Fantasie zu folgen.

Versetzen Sie sich zurück in die Urzeit: Seit die ersten abenteuerlustigen Tierchen den Kopf aus dem Meer gestreckt und beschlossen hatten, sich nach neuen, trockeneren Lebensräumen umzusehen, sind einige Millionen Jahre vergangen. Wir befinden uns in der geologischen Periode Devon, die etwas anonym zwischen zwei Berühmtheiten gequetscht ist, zwischen das Kambrosilur (die Perioden Kambrium, Ordovizium und Silur umfassend und Ursprung der kalkreichen Gegenden um Oslo) und das Karbon (die Grundlage unserer von Erdöl abhängigen Gesellschaft, mit all den daraus resultierenden Folgen wie Wohlstand und Klimawandel). Die Evolution läuft auf Hochtouren, und auf einmal ist das erste Insekt Realität: Unten auf dem Boden zwischen Farnen und bärlappähnlichen Pflanzen trippelt ein kleines sechsbeiniges Tierchen mit drei Körperpartien und zwei winzigen Fühlern herum, auch Antennen genannt. Das allererste Insekt der Erde marschiert mit kleinen Schritten der unumschränkten Weltherrschaft seiner Art entgegen.

Vom ersten Tag auf festem Boden an war die enge Gemeinschaft von Insekten und anderen Lebensformen entscheidend. Landpflanzen verbesserten die Lebensbedingungen von Insekten und anderem Getier, indem sie ihnen auf dem unfruchtbaren, steinigen Land Nahrung lieferten. Im Gegenzug verbesserten die Krabbeltiere die Lebensbedingungen der Pflanzen dadurch, dass sie die Nährstoffe toten Pflanzengewebes recycelten und neue Erde herstellten.

Der Segen der Flügel

Ein wesentlicher Grund für den enormen Erfolg der Insekten ist ihre Flugfähigkeit. Was für eine geniale Errungenschaft, die sich etwa vor 400 Millionen Jahren entwickelt hat! Damit bekamen die Insekten etwas vollkommen Einzigartiges an die Hand: Mit Flügeln konnten sie auf effektive Weise Nahrung oben in den Pflanzen erreichen und erdgebundenen Feinden ausweichen. Den Abenteuerlustigen eröffneten die Flügel völlig neue Chancen, unbekannte Gebiete für sich zu erobern. Auch die Partnerwahl wurde durch den Zugang zum Luftraum beeinflusst, weil er ungeahnte Möglichkeiten bot, sich an neuen, luftigeren Datingplätzen vorteilhaft in Szene zu setzen.

Wir wissen nicht genau, wie Flügel entstanden sind. Vielleicht entwickelten sie sich aus Auswüchsen an der Brustpartie – Auswüchsen, die als Sonnenkollektoren oder zur Stabilisierung des Körpers beim Springen oder Fallen gedient haben könnten. Vielleicht dienten die Flügel ursprünglich auch als Kiemen. Von größerem Interesse für dieses Buch ist ohnehin, dass Insekten diese folgenschwere Entdeckung gemacht haben: Es gab an ihrem Körper etwas, das sich auch hervorragend zum Gleiten einsetzen ließ, zum Beispiel um von Bäumen oder hohen Pflanzen herunterzukommen. Insekten mit gut ausgebildeten Flügelansätzen fanden mehr Nahrung, lebten wahrscheinlich länger und hatten dadurch auch mehr Nachkommen, die ihrerseits diese Superflügelansätze erbten. Dank der Evolution wurden Flügel üblich, und zwar in – geologisch gesehen – ziemlich kurzer Zeit. Bald wimmelte es in der Luft von schimmernden, schwirrenden Flügeln unterschiedlichster Art.

Um wirklich zu ermessen, welch enormer Triumph die Flügel für die frühen Insekten waren, muss man sich klarmachen: Niemand sonst konnte fliegen! Es gab noch keine Vögel, Fledermäuse oder Flugsaurier, daher besaßen die Insekten mehr als 150 Millionen Jahre lang die Lufthoheit auf der Welt. Im Vergleich dazu erstreckt sich die gesamte Anwesenheit unserer Art, Homo sapiens, auf der Erde nur über 200.000 Jahre.

Die Insekten haben fünf Massenaussterben von Arten überstanden, und erst nach dem dritten, vor ungefähr 240 Millionen Jahren, kamen die Dinosaurier angetrottet. Wenn Sie sich also das nächste Mal über ein Insekt ärgern, denken Sie daran, dass diese Tiergruppe schon lange vor den Dinosauriern auf der Erde lebte und sie überlebte. Wenn Sie mich fragen, verdienen sie allein dafür ein wenig Respekt.

Kapitel 1

Kleine Geschöpfe mit cleverem Design

WIESINDSIEalso zusammengesetzt, diese kleinen Geschöpfe, mit denen wir uns die Erde teilen? Hier folgt ein Crashkurs in Insektenanatomie, der auch zeigt, dass Insekten trotz ihrer geringen Größe zählen, Wissen weitergeben und einander sowie uns wiedererkennen können.

Sechs Beine, vier Flügel, zwei Fühler

Was ist überhaupt ein Insekt? Wenn Sie im Zweifel sind, ist es ein sinnvoller Ansatz, zuerst die Beine zu zählen. Die meisten Insekten haben nämlich sechs davon, die alle an der mittleren Körperpartie sitzen.

Im nächsten Schritt sollten Sie nachsehen, ob das Tierchen Flügel hat. Sie befinden sich ebenfalls am mittleren Teil des Körpers. Die meisten Insekten besitzen vier Flügel, ein Paar Vorder- und ein Paar Hinterflügel.

Indirekt haben Sie jetzt ein weiteres wichtiges Kennzeichen der Insekten kennengelernt: die Dreiteilung ihres Körpers. Als einer von mehreren Vertretern des Stamms Gliederfüßer setzen sich Insekten aus vielen Segmenten, oder Gliedern, zusammen. Diese sind bei ihnen zu drei ziemlich deutlich voneinander abgegrenzten Teilen zusammengewachsen: Kopf, Brust und Hinterleib.

Die alten Glieder sind immer noch als Kerben oder Markierungen auf der Oberfläche vieler Insekten zu sehen, ein wenig so, als hätte jemand sie mit einem scharfen Gegenstand hineingeschnitten, was dieser Tierklasse tatsächlich ihren Namen gegeben hat: Das Wort »Insekt« stammt von dem lateinischen Verb »insecare«, das »hineinschneiden« bedeutet.

Das vorderste Körperteil, der Kopf, unterscheidet sich nicht so sehr von unserem. Hier befinden sich Mund sowie die wichtigsten Sinnesorgane: die Augen und die Fühler. Während Insekten nie mehr als zwei Fühler besitzen, können Anzahl und Art der Augen variieren. Und nur damit es gesagt ist: Bei Insekten müssen die Augen keinesfalls ausschließlich im oder am Kopf sitzen. Eine Schwalbenschwanzart hat Augen am Penis, und die Schmetterlingsmännchen nutzen sie, um sich bei der Paarung richtig zu positionieren. Die Weibchen haben ebenfalls Augen am Hinterleib. So können sie kontrollieren, ob sie die Eier auch an der richtigen Stelle ablegen.

Während der Kopf die primäre Sinneszentrale der Insekten darstellt, ist die mittlere Körperpartie – die Brust – die Transportzentrale. Große Muskeln nehmen den größten Teil dieses Segments ein und stellen so die Bewegungsfähigkeit von Flügeln und Beinen sicher. Anders als bei allen anderen Tieren, die fliegen oder gleiten können – wie Vögel, Fledermäuse, Gleithörnchen, fliegende Fische – , sind die Flügel bei den Insekten keine umgebildeten Arme oder Beine, sondern eigenständige Bewegungsapparate, die sich zusätzlich zu den Beinen entwickelt haben.

Der Hinterleib, der oft der größte Teil ist, trägt die Hauptverantwortung für die Fortpflanzung und enthält zudem die meisten Bestandteile des Verdauungstrakts. Dessen Abfälle werden am Körperende ausgeschieden. Die winzigen Gallwespenlarven, die ihr Larvenstadium in einer Galle verbringen, die die Pflanze um sie herum bildet, sind allerdings gut erzogen. Man soll das eigene Nest ja nicht beschmutzen, und da sie in einer Einzimmerwohnung ohne Toilette eingesperrt sind, verkneifen sie sich das Geschäft. Erst wenn das Larvenstadium abgeschlossen ist, verbinden sich Darm und Darmöffnung.

Leben ohne Rückgrat

Insekten sind wirbellose Tiere, also Tiere völlig ohne Wirbel, Skelett und Knochen. Bei ihnen sitzt das Skelett außen. Ein hartes, aber trotzdem leichtes Exoskelett schützt das weiche Innere vor Kollisionen und äußeren Belastungen. Ganz außen befindet sich eine Wachsschicht, die vor dem Schreckgespenst aller Insekten bewahrt: vor Austrocknung. Klein, wie sie sind, haben Insekten eine große Oberfläche im Verhältnis zu ihrem geringen Volumen – und damit besteht ein hohes Risiko, dass kostbare Wassermoleküle verdunsten und die Tierchen leblos wie ein Stockfisch verenden. Die Wachsschicht ist wichtig, um selbst kleinste Mengen an Feuchtigkeit festzuhalten.

Aus demselben Material wie das Außenskelett bestehen auch Beine und Flügel. Die Beine sind starke, hohle Rohre mit mehreren Gliedern, die es ermöglichen, zu laufen, zu springen und andere ulkige Dinge zu tun.

Mit einem Exoskelett sind jedoch auch einige Unannehmlichkeiten verbunden. Wie soll man wachsen und größer werden, wenn man derartig eingeschlossen ist? Stellen Sie sich einen Hefeteig in einer Ritterrüstung vor; er wächst und dehnt sich aus, bis es nicht mehr geht. Aber die Insekten wissen sich zu helfen: Eine neue Rüstung, anfangs noch weich, bildet sich unter der alten heran. Die alte, harte Rüstung bekommt Risse, und das Insekt fährt buchstäblich aus der Haut, so wie Sie ein lang getragenes Hemd ausziehen. Dann heißt es, sich aufzublasen, im wörtlichen Sinne, um die neue, weiche Rüstung so weit wie möglich auszudehnen, bevor sie erstarrt und aushärtet. Denn wenn sich das neue Hautskelett verfestigt hat, ist das Wachstumspotenzial ausgeschöpft, bis die nächste Häutung wieder neue Möglichkeiten eröffnet.

Wenn sich das für Sie anstrengend anhört, tröstet es Sie vielleicht, dass diese umständlichen Häutungen (abgesehen von wenigen Ausnahmen) nur am Anfang des Insektenlebens nötig sind.

Die Stunde der Verwandlung

Insekten kommen in zwei Varianten vor: Die einen verändern sich durch die Häutungen schrittweise, die anderen machen in ihrer Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen eine abrupte Veränderung durch. Diese Veränderung wird Metamorphose oder Verwandlung genannt.

Die erstgenannten – zum Beispiel Libellen, Heuschrecken, Schaben und Wanzen – ändern während des Wachstums allmählich ihr Aussehen. Ein wenig wie bei uns Menschen, bloß dass wir dafür nicht unsere gesamte Haut austauschen müssen. Die Kindheit dieser Insekten wird Nymphenstadium genannt. Die Nymphe wächst, wechselt ihr Außenskelett einige Male (die Häufigkeit variiert von Art zu Art, liegt aber gewöhnlich zwischen drei und acht Mal) und wird dabei der Erwachsenenversion immer ähnlicher. Bis sich die Nymphe schließlich zum letzten Mal häutet und mit funktionierenden Flügeln und Geschlechtsorganen aus ihrer aufgetragenen Larvenhaut krabbelt – voilà, sie ist erwachsen!

Andere Insekten durchlaufen eine vollständige Verwandlung – eine fast magische Veränderung des Aussehens vom Kindheits- zum Erwachsenenstadium. In unserer Menschenwelt müssen wir Märchen und Fantasy bemühen, um Beispiele für derartige Gestaltwechsel zu finden – wie den Frosch, der zu einem Prinzen wird, wenn man ihn küsst, oder die Hexe Minerva McGonagall aus Harry Potter, die sich in eine Katze verwandeln kann. Bei Insekten sind keine Küsse oder Zaubersprüche nötig, um die Verwandlung in Gang zu setzen. Die Metamorphose wird von Hormonen gesteuert und stellt den Übergang vom Kindheits- zum Erwachsenenstadium dar. Zuerst schlüpft aus dem Ei eine Larve, die ganz und gar keine Ähnlichkeit mit dem Geschöpf hat, zu dem sie schließlich werden wird. Häufig sieht die Larve aus wie ein gelbliches, ovales Säckchen. An einem Ende befindet sich der Mund, an dem anderen der Anus (auch wenn es prachtvolle Ausnahmen gibt, wie die Raupen vieler Schmetterlinge). Die Larve häutet sich mehrmals, wobei sie jedes Mal größer wird, ihr Aussehen ansonsten aber kaum verändert.

Die Magie vollzieht sich im Puppenstadium – einem Ruhestadium, in dem das Insekt die wundersame Verwandlung von einem anonymen »Säckchenwesen« zu einem unglaublich komplizierten und raffiniert konstruierten Individuum durchläuft. In der Puppenhülle wird das ganze Insekt umgebaut, wie eine Legofigur, bei der die Steine auseinandergenommen und neu zusammengesetzt werden, zu einer völlig anderen Figur. Am Ende platzt die Puppenhülle auf und »ein wunderschöner Schmetterling« schält sich heraus – um es mit den Worten meines Lieblingskinderbuchs »Die kleine Raupe Nimmersatt« zu sagen.

Vollständige Verwandlung ist genial und zweifellos die erfolgreichere der beiden Varianten. Die meisten Insektenarten der Welt, fünfundachtzig Prozent, durchlaufen eine solche komplette Metamorphose. Dazu gehören die dominierenden Insektengruppen wie Käfer, Wespen, Schmetterlinge, Fliegen und Mücken.

Die Genialität besteht darin, dass im Kindes- und Erwachsenenalter zwei vollkommen unterschiedliche Nahrungsquellen und Lebensräume genutzt werden können und damit die Hauptaufgabe jeder dieser Lebensphasen bestmöglich erfüllt werden kann. Die erdgebundenen Larven sind wahre Fressmaschinen und können sich auf das Ansammeln von Energie konzentrieren. Im Puppenstadium wird all diese gespeicherte Energie umgewandelt und in einen ganz neuen Organismus investiert: in ein fliegendes Wesen, dessen Lebenszweck die Fortpflanzung ist.

Dass es eine Verbindung zwischen Larven und erwachsenen Insekten gab, war schon zur Zeit der alten Ägypter bekannt, aber man verstand nicht, was vor sich ging. Einige hielten die Larve für einen verirrten Fötus, der schließlich Vernunft annahm und wieder ins Ei – in Gestalt der Puppe – zurückkroch, um letztendlich erneut geboren zu werden. Andere waren der Meinung, es handele sich um zwei völlig verschiedene Individuen, von denen das erste starb, um dann in neuer Gestalt wiederaufzuerstehen.

Erst im 17. Jahrhundert konnte der Niederländer Jan Swammerdam mit seinem Mikroskop nachweisen, dass man es bei Larve und erwachsenem Insekt über den gesamten Zeitraum mit ein und demselben Individuum zu tun hatte. Mithilfe des Mikroskops ließen sich nämlich unter der Oberfläche einer Larve oder Puppe, die man vorsichtig aufschnitt, deutlich die Elemente des erwachsenen Insekts erkennen. Swammerdam genoss es, seine Fertigkeiten mit Skalpell und Mikroskop vor Publikum zu beweisen, und pflegte zu demonstrieren, wie er die Haut einer großen Seidenspinnerraupe abziehen und darunter die Flügelanlage mit ihren charakteristischen Mustern und Äderungen ausmachen konnte.

Allgemeinwissen wurde diese Erkenntnis jedoch erst viel, viel später. Charles Darwin berichtet in seinem Tagebuch von einem deutschen Forscher, der noch in den 1830er-Jahren in Chile der Ketzerei bezichtigt wurde, weil er Raupen in Schmetterlinge verwandeln konnte. Selbst heute diskutieren die Experten, wie es überhaupt zur Metamorphose kommen konnte. Zum Glück gibt es also immer noch Geheimnisse in der Welt.

Wie soll der Käfer heißen? Von Namen und Insektengruppen

Um in den Horden von Krabbeltieren Ordnung zu halten, haben wir Menschen sie nach ihrem Verwandtschaftsgrad in Gruppen eingeteilt. Dabei handelt es sich um ein ausgefeiltes System, das mit Reichen beginnt, die weiter aufgespaltet werden in Stämme und Klassen, die wiederum in Ordnungen, Familien und Gattungen gegliedert werden, bevor man zur Art kommt.

Lassen Sie uns die Gemeine Wespe als Beispiel nehmen. Diese Art gehört zum Tierreich. Stamm: Gliederfüßer, Klasse: Insekten, Ordnung: Hautflügler, Familie: Faltenwespen, Gattung: Kurzkopfwespen und schließlich die Art: Gemeine Wespe.

Alle Arten besitzen einen zweiteiligen lateinischen Namen, der kursiv geschrieben wird. Der erste Teil gibt an, zu welcher Gattung die Art gehört, der zweite Teil ist ein Zusatz, der die Art benennt. Dieses System wurde im 18. Jahrhundert von dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné eingeführt. Sie erleichtert es den Biologen ungemein sicherzustellen, dass sie auch über Landes- und Sprachgrenzen hinweg dieselbe Art meinen. Die Gemeine Wespe hat den Namen Vespula vulgaris bekommen. Häufig kann man die Bedeutung der lateinischen Namen erahnen; vulgaris bedeutet beispielsweise »gewöhnlich« (und ist auch der Ursprung des Wortes »vulgär«).

Manchmal sagt der lateinische Name etwas über das Aussehen des Insekts, zum Beispiel beim Käfer Stenurella nigra, wo nigra auf die Farbgebung dieser vollkommen schwarzen Art verweist. In anderen Fällen verweist der Name auf mythologische Abstammung, wie bei dem schönen Schmetterling Tagpfauenauge, Aglais io. Io war eine der Geliebten des Gottes Zeus und stand im Übrigen auch einem der Jupitermonde Pate bei der Namensgebung.

Bei Hunderttausenden von Insekten, die benannt werden müssen, kann es vorkommen, dass die Fantasie mit den Insektenforschern durchgeht und sie Arten nach ihrem Lieblingspopstar benennen, wie die Bremse Scaptia beyonceae (siehe S. 69, oder nach Figuren ihres Lieblingsfilms, wie die Wespen Polemistus chewbacca, P. vaderi und P. yoda. Hin und wieder verstecken sich Wortspiele in den Artnamen, die man erst bemerkt, wenn man sie laut ausspricht. Lesen Sie doch einfach mal die Namen der bohnenförmigen Käfer Gelae baen und Gelae fish oder der Brackwespe Heerz lukenatcha und ihrer Verwandten Heerz tooya laut mit englischer Aussprache!

Auf der Welt gibt es dreißig verschiedene Ordnungen von Insekten. Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge, Zweiflügler und Schnabelkerfe sind die fünf größten. Weitere Ordnungen sind Libellen, Schaben, Termiten, Heuschrecken (Kurzfühler- und Langfühlerschrecken), Köcherfliegen, Steinfliegen, Eintagsfliegen, Fransenflügler, Tierläuse und Flöhe.

Käfer sind global gesehen die größte Insektenordnung, allerdings dicht gefolgt von der Ordnung der Hautflügler, zu der dank stetiger Erweiterung des Wissens immer mehr Arten hinzukommen. Kennzeichnend für die Käfer sind ihre harten Vorderflügel, die eine schützende Hülle über dem Rücken bilden. Ansonsten gibt es eine unglaubliche Variationsbreite in Bezug auf Aussehen und Lebensweise, und sie kommen im Wasser ebenso wie an Land vor. Es existieren mehr als hundertsiebzig verschiedene Käferfamilien, einige der größten sind die Familien Rüsselkäfer, Blatthornkäfer, Blattkäfer, Laufkäfer, Kurzflügler, Bockkäfer und Prachtkäfer. Insgesamt kennen wir auf der Welt etwa 380.000 Käferarten.

Die Ordnung der Hautflügler umfasst wohlbekannte Insekten wie Ameisen, Bienen, Hummeln und Wespen. Sie enthält also viele soziale Arten, deren Kolonien aus einer Menge weiblicher Individuen, den sogenannten Arbeiterinnen, und einer oder mehreren Königinnen bestehen. Zudem gehören der Ordnung etliche weniger bekannte Pflanzenwespen und sehr viele Arten parasitärer Wespen an. Bis jetzt sind uns mehr als 115.000 Arten dieser Ordnung bekannt, es werden jedoch ständig mehr. Es ist daher anzunehmen, dass es sich um die größte Insektenordnung handelt.

Auf den Flügeln der Schmetterlinge liegen kleine Schuppen wie Dachziegel. Weltweit gibt es mehr als 170.000 verschiedene Schmetterlingsarten, aber viele von ihnen sind klein und machen wenig her. Am bekanntesten sind die zu den Tagfaltern zählenden Arten – hier findet man die circa einhundert großen, tagaktiven Arten, die häufig schöne Farben und Muster tragen. In der Alltagssprache werden kleine, nachtaktive Falter häufig als »Motten«, die großen Nachtfalter dagegen als »Nachtschwärmer« bezeichnet.

Zu den Zweiflüglern gehören Arten, die wir im Alltag Fliegen, Bremsen, Mücken, Kriebelmücken oder Schnaken nennen. Ihr Name erklärt sich daraus, dass sie anstatt der normalerweise bei Insekten üblichen vier nur zwei Flügel besitzen. Die Hinterflügel sind bei ihnen zu kleinen keulenförmigen Vorrichtungen umgebildet, die dabei helfen, beim Fliegen das Gleichgewicht zu halten. Weltweit kennen wir mindestens 150.000 Arten von Zweiflüglern.

Die Ordnung der Schnabelkerfe ist den meisten Leuten weniger bekannt, obwohl sie mehr als 80.000 Arten umfasst. Sie wird in drei Hauptgruppen unterteilt: Wanzen, Zikaden und Pflanzenläuse. Wie der Name andeutet, haben sie alle einen schnabelförmigen Mund, der ähnlich wie ein Strohhalm funktioniert. Er wird benutzt, um Nahrung zu schlürfen, oft Pflanzensaft, aber einige Arten finden ihr Auskommen auch als Raubtiere oder Blutsauger. Wanzen erinnern in ihrer Körperform an Käfer, aber sie lassen sich anhand einer dreieckigen Markierung auf dem Rücken eindeutig von diesen unterscheiden. Vielleicht haben Sie schon einmal die eleganten Wasserläufer gesehen, die auf der Oberfläche von Teichen herumlaufen, oder Sie haben beim Blaubeersammeln den üblen Geruch wahrgenommen, den Baumwanzen bei Gefahr absondern (und der ihnen in Norwegen den Beinamen »Beerenfurz« eingetragen hat). Zikaden haben einen eher »froschähnlichen« Körperbau und können hüpfen. Zu den Pflanzenläusen zählen unter anderem Blattläuse, die bei vielen Gartenbesitzern berüchtigt sind, und die weit weniger bekannten Schildläuse, bei denen die Weibchen weder Beine noch Flügel haben und unter einem schützenden Schild fest auf einer Pflanze sitzen.

Der Vollständigkeit halber: Spinnen sind keine Insekten. Sie gehören zum selben Stamm, den Gliederfüßern, aber befinden sich in einer eigenen Klasse, Spinnentiere genannt. Sie teilen sich ihre Klasse unter anderem mit Milben, Skorpionen und Weberknechten (die ihren Namen übrigens bekommen haben, weil sie zwei ihrer acht Beine bewegen, als führten sie ein Weberschiffchen im Webstuhl hin und her).

Ebenso wenig sind Tausendfüßer, Hundertfüßer oder Asseln Insekten. Sie alle haben zu viele Beine, um das offensichtlichste Kennzeichen heranzuziehen, und werden zu verschiedenen anderen Gruppen der wirbellosen Tiere gerechnet. Auch die supersüßen kleinen Springschwänze sind keine Insekten, obwohl sie sechs Beine haben, aber sie sind es fast. Da Insektenforscher jedoch Anhänger einer wimmelnden, vielbeinigen Gemeinschaft sind, dürfen sowohl Springschwänze als auch Spinnentiere oft mit von der Partie sein, wenn von Insekten die Rede ist. So wird es auch in diesem Buch gehandhabt.

Durch einen Strohhalm atmen

Insekten besitzen keine Lungen und atmen nicht wie wir durch den Mund. Stattdessen atmen sie durch Löcher an den Körperseiten. Die Löcher setzen sich als eine Art verzweigter Strohhalm von der Oberfläche in das Insekt hinein fort. Die Strohhalme füllen sich mit Luft, und der Sauerstoff wandert von dort in die Körperzellen. Die Insekten müssen den Sauerstoff also nicht mit ihrem Blut in alle Ecken und Winkel ihres Körpers transportieren. Trotzdem brauchen sie eine Form von Blut, bei Insekten Hämolymphe genannt, um Nähr- und Botenstoffe zu den Zellen zu bringen und Abfallprodukte von dort wegzuschaffen. Da das Insektenblut keinen Sauerstoff transportieren muss, benötigt es nicht den eisenhaltigen roten Stoff namens Hämoglobin, der unser Säugetierblut rot färbt. Daher ist Insektenblut klar, gelb oder grün, weshalb die Windschutzscheibe nach einer Autofahrt an einem warmen, stillen Sommernachmittag auch nicht wie eine Szene aus einem schlechten Krimi aussieht, sondern bloß in allen erdenklichen Nuancen von Gelbgrün gesprenkelt ist.

Auch Adern sucht man bei Insekten vergebens – ihr Blut plätschert frei zwischen allen Organen des Körpers herum, bis hinunter in die Beine und in die Flügel. Für etwas Zirkulation sorgt eine Art Herz: eine lang gestreckte Röhre entlang des Rückens, die mit Muskeln und Öffnungen an den Seiten und vorne versehen ist. Durch Muskelkontraktionen wird das Blut von hinten nach vorne gepumpt – hin zum Kopf, wo das Gehirn sitzt.

Dort werden die Sinneseindrücke der Insekten verarbeitet. Signale aus der Umwelt in Form von Gerüchen, Schallwellen und optischen Reizen sind ungeheuer wichtig, um Nahrung auszumachen, Feinden aus dem Weg zu gehen und einen Partner zu finden. Auch wenn die Insekten die gleichen grundlegenden Sinne haben wie wir – sie nehmen Licht, Geräusche und Gerüche wahr, können schmecken und fühlen – , sind die meisten ihrer Sinnesorgane völlig anders aufgebaut als bei uns. Lassen Sie uns daher einen Blick auf den Sinnesapparat der Insekten werfen.

Die Duftsprache der Insekten

Der Geruchssinn ist für viele Insekten wichtig, aber sie haben keine Nase wie wir. Vielmehr riechen sie in erster Linie mit den Fühlern. Einige Insekten, wie bestimmte Schmetterlingsmännchen, sind im Besitz großer, federförmiger Fühler, die den Duft eines Weibchens sogar in sehr geringen Konzentrationen und aus mehreren Kilometern Entfernung auffangen können.

Insekten kommunizieren auf viele Arten über Gerüche. Durch Geruchsmoleküle können sie einander Botschaften unterschiedlichster Art übermitteln, vom schlüpfrigen »Einsame Sie sucht gutaussehenden Ihn für nettes Stelldichein« bis zum versorgungstechnisch nützlichen »Folgt dieser Duftspur zu einem leckeren Marmeladenklecks auf der Küchenarbeitsplatte« der Ameisen.

Fichtenborkenkäfer, zum Beispiel, brauchen weder Snapchat noch Messenger, um einander mitzuteilen, wo die Party steigt. Wenn einige von ihnen eine geschwächte Fichte entdecken, schreien sie es in Duftsprache heraus. So gelingt es ihnen, genug Käfer zu versammeln, um einen zwar geschwächten, aber noch lebenden Baum zu überwältigen – der sein Leben dann als Kindergarten für Zehntausende von Käferkindern beschließt.