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"Mit unaussprechlicher Liebe wachet dieser dein Vater unaufhörlich, Tag und Nacht über dich, und ist so bekümmert und besorgt um dich, als wenn im Himmel und auf Erden sonst kein anderes Geschöpf mehr wäre. Mit so vielen und großen Wohltaten ist er stets dir zur Seite, daß du nicht einmal den geringsten Teil derselben genugsam erkennen kannst. Er gestattet dir vollkommen freien Zutritt zu ihm, so daß du, so oft du nur willst mit ihm reden, ihm alle Geheimnisse deines Herzens vortragen, all dein Elend mit voller Zuversicht ihm erzählen und in ihm Frieden und Freude finden kannst. Obgleich er das vortrefflichste Gut ist, so kannst du ihn durch ein einziges, frommes Verlangen weit schneller und weit leichter erhalten, als jede andere noch so geringe Sache." Johannes Tauler. Ein Trost- und Anleitungsbuch des großen Mystikers für verzagte und zweifelnde Seelen.
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Seitenzahl: 86
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Ev. Matth. Kap. 5. V. 4. 7. 9.
Schätze der christlichen Literatur
Band 26
I.
Beruhigung der Skrupelhaften wegen ihrer Beichten.
II.
Von den unreinen Versuchungen zur Gotteslästerung und zur Verzweiflung.
III.
Von den Wirkungen wahrer Buße.
IV.
Reumütiges Bekenntnis seiner Sünde vor Gott.
V.
Ein anderes Gebet um Verzeihung seiner Sünden.
VI.
Aufopferung der Verdienste Christi für unsere Anliegen.
VII.
Ausgezeichnete Wirkung vollkommener Reue.
VIII.
Von der Traurigkeit über unsere Unvollkommenheiten.
IX.
Von der Plage der Skrupeln und inneren Bedrängnissen.
X.
Von der gänzlichen Hingabe in den göttlichen Willen und der innigsten Vereinigung mit Gott.
XI.
Vom guten und seligen Tode.
XII.
Von dem Adel der vernünftigen Seele und von der Liebe Gottes gegen dieselbe.
XIII.
Von der Gegenwart Gottes und seinen erhabenen Vollkommenheiten.
XIV.
Von der unendlichen Liebe des menschgewordenen Sohnes Gottes.
XV.
Von der Würde der seligsten Jungfrau und Mutter Gottes Maria, von ihrer Erbarmung und Liebe gegen die Menschen und ihrer unbefleckten Empfängnis.
XVI.
Von der Auszeichnung der Engel und ihrer Liebe gegen die Menschen.
XVII.
Von der aufrichtigen Liebe gegen alle Menschen.
XVIII.
Von dem pflichtmäßigen Verhalten gegen die Oberen.
XIX.
Genossen klösterlicher Vereine sollen sich liebevoll gegeneinander benehmen. Wie heillos schlechte Ordensleute seien.
XX.
Von der besten Vorbereitung zum Sterben.
JOHANNES TAULER
LICHTSTRAHLEN
WEGEN der täglichen Gebrechen und läßlichen Sünden, von denen der Mensch in dieser Zeit nicht wohl freibleiben kann, kümmert euch nicht gar zu sehr, wenn ihr sie nicht alle gebeichtet habt, sondern beichtet sie mit einem demütigen Ernste Gott, gebet euch vor ihm schuldig mit Reue und mit Andacht; denn man soll den Beichtvätern nicht soviel Zeit nehmen, sondern solche Dinge soll man im allgemeinen berühren. Nur die Todsünden und diejenigen, worüber man im Zweifel ist, ob es Todsünden seien, sind wir nach dem Gebote der Kirche und notwendig zu beichten verpflichtet. Die läßlichen Sünden aber werden auf mannigfaltige Weise getilgt, nämlich durch Erweckung der Reue, durch das Beten des Vater unser, durch Kniebeugungen, durch Besprengung mit Weihwasser etc. Fehlt dem Menschen die Reue oder die Zerknirschung, so habe er darüber Reue, daß er sie nicht hat, denn auch dies ist ein Reueschmerz. Ebenso ist es, wenn man weder Verlangen noch Liebe in sich fühlt; da verlange man ein Verlangen, eine Liebe zu haben. Vor allen Dingen soll man sich in der wirklichen Liebe üben. Dies ist das Heilsamste und Fruchtbarste, daß nämlich der Mensch des vielen Guten mit Dank gedenke, das Gott ihm und allen Menschen erwiesen, daß er mit all seiner Kraft die großen Bezeugungen der Liebe erwäge, die ihm Gott kund gegeben in all seinen Werken, insbesondere in seinem heiligen Leben und Leiden, und daß er damit vergleiche seine eigene Kleinheit, Unwürdigkeit und sein Nichts. Da soll er Himmel und Erden und alle Kreaturen einladen, daß sie ihm danken und loben helfen, weil er es allein nicht vermag.
Was im alten Testamente die Gläubigen in Angst und Schrecken versetzt hat, das ist das strenge Gericht Gottes, das sind die strengen Erweisungen der Gerechtigkeit Gottes. Dies Leiden trifft auch jetzt noch die Menschen in mannigfaltiger Weise, in harten peinlichen Zuständen, in dem nagenden Gewissen. Dieses Leidens wollen einige los werden durch vieles Beichten. Wisse jedoch, daß es dir nicht helfen würde, ob du auch zu tausendmal beichtetest. Hast du die Todsünden in der Beichte hinreichend aufgedeckt und die Genugtuung dafür geleistet, so sollst du alles andere in Demut Gott überlassen. Das Nagen des Gewissens, das noch eintreten kann, sollst du mit Geduld leiden, bis es ihm in seiner Gnade gefällt, dich davon zu befreien und dir Erleichterung zu verschaffen. Bekenne ihm alles andere im Gemüte, innerlich in der Seele, mit demütiger Hingabe in den göttlichen Willen und in sein verborgenes Urteil, recht gründlich bis auf den letzten Punkt, ohne von dir selbst oder von den Menschen eine Hilfe zu erwarten.
Was ist wahre Beichte? Wenn der Mensch alles sagt, dessen er sich schuldig weiß und mit Willen und Wissen nichts verschweigt, dann hat er recht gebeichtet, und dann soll er fest vertrauen und glauben, daß ihm alle seine Sünden vergeben sind. Die Ehre Gottes wird dadurch weit mehr gefördert, daß er Sünden vergibt, als daß er sie straft. Man muß der Vollmacht und der Autorität der Beichtväter glauben, wie den Worten des Herrn, da er spricht: „Denen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sind sie vergeben.“ Und: „Was ihr immer lösen werdet auf Erden, das wird auch gelöset sein im Himmel.“ Joh. 20, 23. Math. 18, 18. Ich sage euch in Wahrheit: Ein Mensch, der seine Sünden gebeichtet hat und dann noch Gewissensbisse wegen eben dieser Sünden in sich fühlt, tut viel besser, wenn er hierin Gott vertraut, an die Kraft des Sakramentes glaubt und das Gebeichtete nicht mehr beichtet, als wenn er die Beichte wiederholte. Bedenke dieses: Du siehst unseres Herrn Leib in der Kirche, im heiligsten Sakramente, und weißt und glaubst, daß es der Leib unseres Herrn ist; ja du wärest bereit, eher in den Tod zu gehen, als daran zu zweifeln. Wer hat dir gesagt, daß dem also sei? Nicht ein Mensch, sondern Gott selbst hat es ausgesprochen und hat sich selbst durch die Kraft seines Wortes eingeschlossen in diesem Sakramente, unter der Gestalt des Brotes. Derselbe Gott und derselbe Mund hat auch das Wort von der Verzeihung der Sünden ausgesprochen. Darum sollst du dies nicht allein glauben, sondern auch unumstößlich davon überzeugt sein, weit mehr als von irgend etwas anderem; denn nichts ist so wahr, als das Wort und die Zusage Gottes. „Himmel und Erde werden vergehen“, spricht der Sohn Gottes, „aber meine Worte werden nicht vergehen.“ In dieser Versicherung und im Wissen dieser lauteren Wahrheit kommt der Mensch zu großem Frieden und zur Ruhe seines Gewissens, nicht aber mit seinen Werken, wenn er in sie seine Hoffnung setzt. Einzig der Verheißung Gottes muß er glauben, und wenn er also Gott vertrauet, so hält ihm Gott auch wahrhaftig, was er ihm in der Absolution zu halten versprochen hat.
DER heilige Petrus fordert uns auf, den Einflüsterungen und Anfechtungen des bösen Geistes standhaft zu widerstehen im Glauben. 1. Petr. 5, 9. Da soll der Mensch tun, wie wenn eine Stadt belagert wird, und das feindliche Heer offenbar stärker ist, als die Stadt. Wo die Stadt am schwächsten ist, da stellt man die stärkste Verteidigung auf. Geschähe dies nicht, so wäre die Stadt verloren und mit ihr Leib und Gut. So soll es der Mensch auch machen. Er soll fleißig wahrnehmen, an welchen Enden oder in welchen Stücken ihm der böse Geist am meisten zusetzt, d. h. worin er selbst am schwächsten und am meisten zur Sünde geneigt ist, und gerade da soll er die stärkste Verteidigung aufstellen. Der böse Geist erweckt am allerliebsten im Menschen ungeordnete Traurigkeit und Schwermut. Der Anblick der natürlichen Gebrechen und der Sünden macht den Menschen in sich selber traurig und schwermütig. Sobald dies der böse Geist gewahrt, so kommt er wie ein greulicher, ingrimmiger Löwe und flüstert dir ein, du sollst dir dein Leben nicht durch Sorgen um dein Heil, durch Reue über deine Sünden und durch Bußübung verbittern. Das sei eine Torheit. Du sollest in Freuden und in sinnlicher Lust leben, Gott werde dir am Ende des Lebens wohl noch die Gnade der Reue geben. „Lebe nach deinem Willen“, so spricht er, „genieße die Geschöpfe, solange du noch jung und schwach bist; wirst du einmal alt, dann wirst du auch fromm und dienest Gott.“
Diesen falschen Rat des bösen Geistes, liebe Freunde, prüfet wohl und seid auf der Hut und wahret euch mit allem Fleiß und Ernst, solange es Tag ist, daß euch nicht die Finsternis überfalle. Setzet euer Leben nicht auf solch ein falsches Vertrauen, sondern auf das Bewußtsein eines seligen, heiligen, gottförmigen Lebens. Davon sollt ihr nicht mehr ablassen und es soll an euch nichts mehr sich finden als Gott allein; denn Jesus Christus hat gesprochen: „Jede Pflanzung, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet werden.“
Liebe Kinder, der böse Geist bringt dem Menschen mannigfaltige böse Einfälle und Gedanken. Da jammert der Ängstliche sogleich und spricht: „Hätte ich doch einen Beichtvater zur Hand; mir ist dies und das eingefallen. Ich armer Mensch, wie stehe ich nun vor unserem Herrn!“ Liebe Kinder, habet Mut! Diese bösen Einfälle kenne ich gar wohl, und ich sage dir: Ist dir so etwas eingefallen, so lasse es dir wieder ausfallen; beruhige dich, wende dein Herz zu Gott, achte gar nicht auf den Einfall, disputiere auch nicht dagegen, sondern laß alles wegfallen. Dazu kommt denn allerlei Bedrängnis und Angst, die der böse Geist in dir erregt. Das alles kommt von der ungeordneten Traurigkeit. Endlich bringt er den Menschen zur Verzweiflung, indem er ihm zuflüstert: „Es ist alles umsonst, was du tust, und du selber bist verloren.“
Was soll nun der Mensch in solcher Beängstigung tun? Er soll alle seine Sorgen auf Gott werfen und mit ganz festem Vertrauen auf seine Güte und Erbarmung in dem ewigen Gott seine Einkehr nehmen. Wie die Menschen tun, die in Schiffen auf dem Wasser in großen Nöten und nahe am Ertrinken sind. Sie werfen den Anker aus in des Meeres Grund, um sich vom Tode zu erretten. Wenn der böse Geist mit seinen bösen, schweren, harten Versuchungen den Menschen anficht, sei es innerlich oder äußerlich, so soll der Mensch von allen Dingen sich losmachen, soll den Anker gläubiger Zuversicht ergreifen und ihn in den göttlichen Grund der Gnade werfen, d. h. er soll ein ganz vollkommenes Vertrauen und lebendige Zuversicht zu dem Herrn seinem Gott fassen. Könnte der Mensch diesen Anker recht erfassen, könnte er dies in rechter, wahrer, gottförmiger Weise an seinem letzten Ende, so daß er in göttlichem Hoffen und Vertrauen stürbe; wahrhaftig, dies wäre ein heiliges, seliges, göttliches Sterben.