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Warum freut sich ein Vater nicht, wenn der Sohn in seine Fußstapfen treten möchte? Weshalb kommt die Tochter bis heute nicht an ihre Mutter ran? Wie konnte der Sohn wegen Mordes im Gefängnis landen? Die hier versammelten Geschichten erzählen von den Erfahrungen von Müttern und Vätern: wie schön die Momente der Erfüllung sein können, wie bitter die der Enttäuschung. Denn Eltern lieben, ohne eine Wahl zu haben. Und das ist für die Söhne und Töchter nicht anders. Beide Seiten kommen zu Wort und bewerten ihr Verhältnis oft komplett unterschiedlich. So verschiedenartig all diese Beziehungen auch sind, in einer Hinsicht gleichen sie sich: sie sind unausweichlich. Dieses Buch setzt nicht auf Ratschläge, sondern auf Anschauung. Es erzählt, wie vierzehn Väter, Mütter, Söhne und Töchter miteinander klarkommen.
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Seitenzahl: 259
INHALT
» Über die Autorin
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» www.keinundaber.ch
ÜBER DIE AUTORIN
URSULA VON ARX, 1967 geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Psychologie. Sie arbeitete als Lehrerin und Journalistin und war Redakteurin beim NZZ Folio und beim Magazin des Tages-Anzeigers. Bei Kein & Aber erschien 2010 ihr Buch Ein gutes Leben. 20 Begegnungen mit dem Glück. Ursula von Arx ist dreifache Mutter und lebt in Brüssel.
ÜBER DAS BUCH
Niemanden meint man besser zu kennen. Niemanden liebt man mehr von Anfang an. Niemandem bereitet man so viel Leid. Vierzehn Väter, Mütter und ihre Töchter oder Söhne erzählen in diesem Buch in seltener Offenheit über ihr Verhältnis zueinander, von tiefstem Glück und größten Sorgen. Das Panoptikum einer unkündbaren Beziehung.
»Mit großer Leichtigkeit fragt Ursula von Arx nach dem, was einer Biografie Bedeutung gibt.« FAZ zu Ein gutes Leben
»Wunderbar beobachtete Porträts, in denen die Autorin darauf verzichtet, die Personen zu psychologisieren.« DER SPIEGEL zu Ein gutes Leben
Für Vera, Felix und Arno
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
DIRK NIEPOORTS LANGER ATEM
Wer seinem Kind vertraut, stößt es auch einmal vor den Kopf
MEIN ERSTER, MEIN LIEBSTER, MEIN TYRANN
In der Pubertät verwandelte sich ihr Sohn in ein Monster
WIR SPINNEN ALLE IN UNSERER FAMILIE
Ihre Eltern waren komplett anders als andere
WAR ER 75?
Sein Vater lässt ihn heute fast immer kalt
TRENNT EUCH RASCH VON MEINEN KLEIDERN
Ihr Sohn dachte an jedes Detail, bevor er sich das Leben nahm
MAMA, MAMI, PAPA UND PEPE
Paula hat zwei Mütter und zwei Väter, alle vier sind homosexuell
DIE MUTTER IST ERDE, DER SOHN IST LUFT
Nach jahrelangem Schweigen kam es zur Annäherung zwischen den beiden Wesensverschiedenen
BRUDER KUCKUCK
Wer mit einem Autisten zusammenlebt, setzt fast alles aufs Spiel
DIE TOTALE FREIHEIT
Eine antiautoritäre Mutter und ihre autoritäre Tochter
DER VERLORENE SOHN
Mit dem Glauben hat er nur die Haut des väterlichen Pietismus abgestreift
KURZE BEINE, GROSSES HERZ
Eine kleinwüchsige Tochter lehrt ihre Mutter das Leben
IN DER WUT NENNE ICH IHN STAUBLAPPEN
Schlimmer als ein schwerer Unfall ist ein distanzierter Sohn
DAS GEFESSELTE HERZ
Sie tat alles für ihre Tochter, nur richtig lieben konnte sie sie nicht
HINTER GITTERN
Nichts macht ein Kind für einen Vater so unschuldig wie das Gefängnis
VORWORT
Manchmal bemerkt man seinen Irrtum auf den ersten Blick. Wie dieser Freund von mir, der in seiner Jugend viel Existentialismus gelesen hat. Als er Vater wurde, erwartete er ein Wesen ohne Spuren und Vorurteile. Doch als er in die blauen Augen des Neugeborenen blickte, Minuten nach der Geburt, sah er, dass er sich getäuscht hatte: Da war eindeutig jemand zu Hause; jemand mit eigenem Willen und eigener Sicht. »Im Grunde blieb mir nichts anderes übrig, als dasselbe zu sagen wie Fürst Rainier von Monaco«, sagte der Freund. »Der empfing nach dem Formel-1-Grand-Prix den Sieger in seinem Zelt. Und egal, wer gewonnen hatte, Fürst Rainier begrüßte ihn immer mit denselben Worten: ›Ich freue mich ganz besonders, dass Sie es sind.‹«
Das ist das Drama der hier versammelten Geschichten in einem Satz: Zwei Personen treffen aufeinander und bleiben lebenslang verbunden.
Ich habe bei Recherchen noch nie so viele Tränen gesehen wie in den Begegnungen für dieses Buch. Es waren mehr Tränen von Seiten der Eltern als der Kinder, mehr von Seiten der Mütter als der Väter. Es waren Tränen der Rührung, aber noch mehr Tränen der Trauer.
Eine Familie ist kein sicherer Hafen, sie ist ein Wagnis. Wenig ist vergleichbar mit den Verletzungen, die man sich da zufügen kann. Das liegt an der Unkündbarkeit der Beziehung. Man kann zwar brechen mit seinen Eltern, aber Vater bleibt Vater und Mutter bleibt Mutter. Man kann sie nicht ersetzen, so wenig wie man einen Sohn oder eine Tochter loswerden kann. Kein Wunder, wird zwar oft gekämpft, geflüchtet, sich beklagt – und dann doch wieder geliebt. Komplette Ablehnung zwischen Eltern und Kindern ist selten. Nur einer meiner Gesprächspartner hat den Kontakt mit seinem Vater abgebrochen und bemüht sich darum, ihn wie irgendeinen unsympathischen Mann zu sehen. Alle anderen halten aneinander fest.
Oft wird mit psychologisch subtilen, aber umso wirksameren Waffen gekämpft. Etwa wenn eine Mutter ihrem Sohn alles bietet, was ihn fördern könnte, er diese Angebote aber als Übergriffe versteht und als Aufforderung, mehr aus sich zu machen. Oder wenn der pubertierende Sohn vor den Augen seiner erschöpften Mutter die Wäsche zusammenlegt, weil er spürt, dass sie seine Hilfe als Vorwurf empfinden wird.
Die Sicherheit der Beziehung zwischen Eltern und Kind hat schöne Seiten und gefährliche: Keine andere Beziehung im Leben lässt es zu, sich so wenig auf den Standpunkt des Gegenübers einzulassen. Sogar gute Freunde fordern einen in dieser Hinsicht kaum heraus. Wer sich über seinen Vater oder seine Tochter beklagt, muss kaum mit harten, genauen Fragen rechnen.
So war es nicht einfach, Mütter oder Väter mit ihren Töchtern oder Söhnen zu finden, die bereit waren, getrennt über ihre Beziehung Auskunft zu geben. Nicht nur hieß es, das sei zu privat. Ein häufig genannter Grund war auch, dass man zuerst den anderen direkt mit seinen Erinnerungen konfrontieren müsste. Die hier Versammelten beweisen also Mut, auch wenn sie zum Teil unter geändertem Namen auftreten. Denn sie stehen zu ihrer Geschichte und öffnen sie zugleich für den Blick des Gegenübers.
Keiner meiner Gesprächspartner blieb gleichgültig während des oft sehr langen Interviews über den Vater, die Mutter, den Sohn oder die Tochter. Stets ging es auch um die eigene Person. Stets schwang die Frage mit, wie man werden konnte, was man ist, was man genetisch ge- oder vererbt hat, und was durch Erziehung weitergegeben wurde. Die Eltern suchen bei ihren Kindern, die Kinder bei den Eltern nach Spuren des Eigenen. Dazu kommt fast immer die Frage nach den Fehlern. Viele Eltern sehen sich stark in der Verantwortung für das Lebensglück ihrer Kinder. Und die Kinder sehen die Eltern als Mitverursacher ihrer Probleme.
Die Geschichten in diesem Buch zeigen, wie schwer es ist, in der Erziehung den richtigen Weg zu finden. Faustregeln helfen nicht weiter, gefragt ist Urteilsvermögen. Meist geht es um das richtige Maß an Druck, Erwartungen, Gehorsam, Schutz, Geborgenheit, Lob, Freiheit, Kontrolle, Vertrauen. Mal klagten die Kinder über ein Zuviel, mal über ein Zuwenig, und oft relativierten sie sich gleich im nächsten Satz.
Was mich überrascht hat, ist, wie unterschiedlich es zwischen Eltern und ihren Kindern zugeht. Und wie unterschiedlich gut Eltern und Kinder zusammenpassen. Manche können sich harmonisch aneinanderschmiegen. Sie stützen, stärken und ergänzen sich. Andere sprechen nicht dieselbe Sprache und müssen um Verständigung ringen, und nicht immer bemühen sich beide Seiten mit gleichem Elan. Manche sind sich mühelos nah, andere wie Katz und Maus. Was mich beruhigt hat: Fehler werden in jedem Fall gemacht. Und trotzdem finden fast alle Kinder den Weg ins Leben, mal nach dem Beispiel der Eltern, mal in der Gegenrichtung, oft in ganz eigener Regie.
Man sucht sich seine Eltern nicht aus, so wenig wie seine Kinder. Aber es sind die Eltern, die sich für ein Kind entscheiden. Werdende Väter oder Mütter wissen, dass sie einen lauten, hungrigen Unbekannten in die Arme gelegt bekommen, dessen Hilfsbedürftigkeit und dessen Ansprüche sie an die Grenzen ihrer Kräfte bringen können und darüber hinaus. Sie wissen, dass sie sich einem Wesen in die Hand geben, das sich rasant verändert, viel schneller und radikaler als sie selbst, und wer weiß, wohin. Kaum haben sie sich an ein Kind gewöhnt – an das Baby, die Schülerin, den Halbwüchsigen – schon ist es Erinnerung, und jemand Neues gleichen Namens steht vor ihnen. Der sie womöglich beschimpft, beschuldigt und infrage stellt und für den sie sich zuständig fühlen: für jede Dummheit, jeden Misstritt, jedes Husten, jede Katastrophe. Enttäuschungen sind vorprogrammiert.
Die Frage, warum Menschen trotzdem Kinder haben, steht hinter allen Geschichten in diesem Buch. Die Antworten, die ich von den befragten Müttern und Vätern bekommen habe, waren breit gestreut. Bei den ältesten Gesprächspartnern entfaltete das biblische Gebot noch Wirkung, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Bei den jüngeren wurden Kinder als Sinnstifter begriffen, als Gegengift zu überdesignten Wohnungen und Leben. Die Väter präsentierten sich manchmal in der passiven Rolle: Der Wunsch sei von den Müttern ausgegangen. Stets war das Ticken der Norm hörbar, dass Kinder eben zum Leben gehören. Nicht zuletzt wurden sie als Spiegel und Vermittler des eigenen Selbst gesehen.
Die grundlegende Antwort, glaube ich, liegt in den Lach- und Sorgenfalten der Väter und Mütter. Alle haben sie sich auf ein Abenteuer mit offenem Ausgang eingelassen. Wie bei allen Abenteuergeschichten dreht sich auch in den Geschichten dieses Buches alles um Momente großen Glücks. Doch die sind oft banal und schnell erzählt. Viel mehr Raum nimmt die Schilderung der Gefahren und Hindernisse ein. Seefahrer bekommen im Laufe der Zeit verwitterte Gesichter, Eltern zerfurchte. Nicht nur Eltern prägen, auch Kinder prägen, deshalb wohl lassen Menschen sich auf sie ein. Eines aber unterscheidet dieses Abenteuer von allen anderen, auf die sich Menschen miteinander einlassen können: Es gibt kein Zurück. Die Verbindlichkeit zwischen Eltern und Kindern ist radikal und die Grundlage für die tiefsten Gefühle überhaupt, die schönsten und die schmerzhaftesten. Wer Vater oder Mutter wird, sucht Liebe lebenslänglich.
DIRK NIEPOORTS LANGER ATEM
Er zweifelte lange, denn er litt an mangelndem Selbstbewusstsein neben seinem erfolgreichen Vater. Und als Daniel Niepoort (21) sich endlich entschieden hatte, dass auch er Winzer werden wollte, sagte sein Vater nur: Ich werde dir nicht helfen. Für den Sohn war diese Reaktion unverständlich, für Dirk Niepoort (49) war sie ein Zeichen von Vertrauen.
Wenn Dirk Niepoort an einem Tisch mit vielen Leuten sitzt, mit Weinkritikern und Veranstaltern von Weinevents etwa, dann ist er der Leiseste und gleichzeitig das Zentrum. Er trägt bequeme Kleidung, gelockte, unordentliche Haare, manchmal ein feines Lächeln. Er hat nichts Bestimmendes in seinem Auftreten, er hat überhaupt kein Auftreten, vielmehr ist er das, was man wohl als natürliche Autorität bezeichnen würde.
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