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"Ich gestehe, ich brauche Geschichten, um die Welt zu verstehen." Die Vielfalt der Themen und die Entwicklung eines unvergleichlichen Stils treten in den Erzählungen von Siegfried Lenz deutlich hervor. Brillant verdichtet er auf engstem Raum und mit außerordentlicher Intensität Situationen und die Gefühlswelten seiner Figuren. In der Tradition der deutschen Novelle, der russischen Erzählung und der angelsächsischen Kurzgeschichte stehend, hat Siegfried Lenz die kurze Form zu einer in der Gegenwartsliteratur beispielhaften Meisterschaft geführt. "Lenz schreibt unglaubliche und letztlich, da mit künstlerischen Mitteln beglaubigt, doch glaubhafte Erzählungen; sie mögen einem bisweilen unwahrscheinlich vorkommen, aber sie sind immer wahr." Marcel Reich-Ranicki Diese eBook-Ausgabe wird durch zusätzliches Material zu Leben und Werk Siegfried Lenz ergänzt.
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Seitenzahl: 17
Siegfried Lenz
Lieblingsspeise der Hyänen
Erzählung
Hoffmann und Campe Verlag
Er saß mit dem Rücken zur Wand, unter dem präparierten Kopf eines Keilers, und neben ihm saßen die beiden Frauen. Ich hörte, wie die Frauen auf ihn einsprachen, hörte schon vom Eingang der Kneipe her den Vorwurf in ihren Stimmen, die drohenden Ermahnungen, die sie in sein junges, bewegungsloses Gesicht hineinsprachen: abwechselnd, ungeduldig, in milder Empörung redeten sie auf ihn ein, und er saß da und schwieg. Der junge Amerikaner sagte kein Wort, als die beiden Frauen gleichzeitig aufstanden; er erhob sich nicht, sah sie nicht an, als sie ihre Taschen nahmen, ein Paket unter seinen Tisch schoben und untergehakt an mir vorbei zum Ausgang gingen. Sehr fest hielten sie sich untergehakt, gingen tuschelnd vorbei, und ich sah ihre saubere, rosige Haut, ihre gepflegten Haare, auf denen sie die gleichen Hüte trugen, flache Hüte, die aussahen wie Spiegeleier mit Veilchen. Noch einmal sah ich sie draußen an der Scheibe vorbeigehen, Arm in Arm, mit der Zärtlichkeit verschworener Freundinnen, und beide lächelten.
Wir waren allein. In scharfem Zug trank er sein Glas aus, bestellte einen doppelten Kognak nach, rauchte und saß mit bewegungslosem Gesicht unter dem präparierten Kopf des Keilers, der aus künstlichen Augen, mit erstarrtem Grinsen durch den Zigarettenqualm sah. Die gekrümmten Hauer wirkten spröde, ausgetrocknet; sandfarben bogen sie sich zu den Augen hinauf. Ich trank einen einfachen Kognak, blickte zu ihm hinüber: brütend und athletisch saß er da, ein jung aussehender Mann in offenem Kamelhaarmantel, mit kraftvoll gebürstetem Haar. Er sah gut aus; er erinnerte mich an den Mann auf dem Plakat, der von Freunden beneidet wird, weil er von seiner Frau ausschließlich sportliche Unterwäsche geschenkt bekommt.