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Ein Sammelband der folgenden Geschichten des österreichischen Schriftstellers. Inhalt: Lola Wjera Baranoff Theodora Die schöne Wittwe Kapitanowitsch Ein Mord in den Karpathen Das Todesurtheil einer Frau Im Venusberg Unter der Peitsche Der wahnsinnige Graf Matrena Das Weib des Kosaken Menschenware Die Sclavenhändlerin Sarolta Tag und Nacht in der Steppe Der fliegende Stern Die Todten sind unersättlich
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Seitenzahl: 260
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Lola
Geschichten von Liebe und Tod
Leopold von Sacher-Masoch
Inhalt:
Leopold von Sacher-Masoch – Biografie und Bibliografie
Lola
Wjera Baranoff
Theodora
Die schöne Wittwe Kapitanowitsch
Ein Mord in den Karpathen
Das Todesurtheil einer Frau
Im Venusberg
Unter der Peitsche
Der wahnsinnige Graf
Matrena
Das Weib des Kosaken
Menschenware
Die Sclavenhändlerin
Sarolta
Tag und Nacht in der Steppe
Der fliegende Stern
Die Todten sind unersättlich
Lola, Leopold von Sacher-Masoch
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849634483
www.jazzybee-verlag.de
Schriftsteller, geb. 27. Jan. 1835 in Lemberg, gest. 9. März 1895 in Lindheim in Hessen, studierte die Rechte, habilitierte sich bereits 1855 in Graz als Dozent für Geschichte und veröffentlichte mehrere historische Werke, widmete sich aber bald ganz der Literatur. Er lebte seitdem als Schriftsteller in verschiedenen Städten Österreichs und siedelte 1882 nach Leipzig über, wo er bis 1885 die internationale Revue »Auf der Höhe« herausgab, dann nach Paris, wo er auch für französische Zeitschriften schrieb, schließlich nach Lindheim in Hessen. Seine äußerst zahlreichen Romane und Novellen verraten Talent der Darstellung, bekunden aber dabei einen höchst bedenklichen Realismus. S. war der Vertreter des nach ihm benannten Masochismus. Am meisten Aufsehen und Anstoß erregten: »Das Vermächtnis Kains« (1. Teil: »Die Liebe«, Stuttg. 1870, 2 Bde., 3. Aufl. 1878; 2. Teil: »Das Eigentum«, Bern 1877, 2 Bde.); »Falscher Hermelin«, Geschichten aus der Bühnenwelt (Leipz. 1873, 6. Aufl. 1897); »Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten« (das. 1874); »Polnische Geschichten« (Bresl. 1887, 2. Aufl. 1906). Vgl. Schlichtegroll, S. und der Masochismus (Dresd. 1901). – Verheiratet war S. seit 1873 mit Aurora v. Rümelin (geb. 14. März 1847 in Graz), die unter dem Namen Wanda von Dunajew unter anderem den »Roman einer tugendhaften Frau« (Prag 1873), »Echter Hermelin« (Bern 1879), »Die Damen in Pelz«, Roman (Leipz. 1881), zuletzt »Meine Lebensbeichte, Memoiren« (Berl. 1906) veröffentlicht hat.
Es giebt einen weiblichen Typus, welcher mich seit meiner Jugend her unaufhörlich in Anspruch genommen hat.
Es ist dies das Weib mit den Sphinxaugen, welches grausam durch die Lust und lüstern durch die Grausamkeit wird.
Das Weib mit dem Tigerkörper, welches von dem Manne angebetet wird, obwohl es ihn quält und erniedrigt; dieses Weib ist immer dasselbe, sei es im biblischen Kleide, wenn es das Lager des Holofernes theilt, sei es unter dem funkelnden Panzer der böhmischen Amazone, die ihren Verführer aufs Rad flechten läßt, oder sei es, daß es, geschmückt mit dem Hermelinpelz der Sultanin, ihre Liebhaber in den Wellen des Bosporus verschwinden läßt.
Als sie mir das erste Mal erschien, dachte ich, sie würde eine sehr angenehme Gefährtin abgeben.
Ihr Vater war höherer Offizier in Lemberg und ein Freund meiner Familie. Wir waren beide noch Kinder, als sie mir den ersten Schrecken verursachte. Es war im Garten, wo wir uns ein kleines grünes Häuschen aus verschlungenen Zweigen erbaut hatten. Sie hatte mich soeben verlassen, um sich einige Schritte weiter auf eine Bank niederzulassen, wo ich sie in tiefe Träumereien versenkt glaubte. Ich näherte mich ihr ganz leise, ohne daß sie meine Annäherung bemerken konnte. Ich wollte sie überfallen, in meine Arme drücken und ihr einen Kuß geben, denn ich war verliebt in sie, das heißt wie eben ein Junge von zehn Jahren in ein kaum zwei Jahre älteres Mädchen verliebt sein kann.
Da sah ich, wie sie einem halbdutzend noch lebender Fliegen die Flügel abriß und deren convulsivische Zuckungen aufmerksam beobachtete.
Sie hatte einen Blick, welcher mich schaudern machte.
Dieser Blick hatte etwas unbeschreibliches.
Es war wie ein wollüstiger Schmerz, eine teuflische Freude und ein lachender Schrecken zugleich.
Wer weiß es denn?
Ich fand diese Handlung abscheulich und dennoch fascinierte mich Lola, ich haßte sie in diesem Augenblick, und zu gleicher Zeit fesselte sie alle meine Sinne.
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Ich war immer noch ein Kind, als sie schon eine große und schöne Jungfrau war. Demnach behandelte sie mich stets wie ein Kind. Sie ging so weit, mich zum Mitwisser ihrer kleinen Romane, ihrer Passionen und sogar ihrer Laster zu machen.
Sie liebte Pelzwerk leidenschaftlich und hatte ein fieberhaftes Bedürfnis, zu quälen.
Die Grausamkeit war ihr angeboren, wie bei anderen der Hang zum Putze oder romantischen Abenteuern.
Ich sah sie beinahe nie anders, als mit einer pelzgefütterten, geschmückten Kazabaïka.
Eines Tages, als wir vom Spaziergange zurückgekehrt waren, entledigte sie sich ihres Mantels und zog ihr Korsett aus. Noch einmal – ich war eben weiter nichts als ein Kind, und sie brauchte sich vor mir nicht zu genieren. Sie befahl mir, ihr beim Anziehen ihrer Kazabaïka behilflich zu sein.
Während sie sich mit nackten Armen, welche sie darnach über ihrer herrlichen Büste kreuzte, in den weichen Pelz gleiten ließ, durchlief ein wollüstiger Schauer ihren ganzen Körper. Als ich ihr einen Kuß auf den Nacken drückte, warf sie mir einen unbeschreiblichen Blick zu, einen Blick, den ich sofort wiedererkannte. Es war derselbe, den ich bei ihr einst, als sie die armen Fliegen peinigte, wahrgenommen hatte.
»Wenn ich mit meinem Pelze umhüllt bin, deucht es mir, daß ich eine große Katze wäre« – sagte sie mir eines Tages; – »und eine diabolische Lust ergreift mich, mit einer Maus zu spielen, aber es müßte eine große Maus sein.«
Dabei hatten ihre Augen in der Finsternis einen phosphorescirenden Glanz angenommen und ihre Haare gaben ein elektrisches Knistern von sich, wenn man sie zu streicheln, zu glätten anfing.
Wenn diese feine Taille sich mit seidenweicher Haut umgab, das mollige Pelzzeug ihre Brüste und Hüften liebreichst umkoste, so hatte Lola für mich einen unsagbaren Reiz.
Sie strahlte dann den Geruch eines wilden Thieres, vermengt mit jenem der blutigsten Wollust, aus.
Sie gefiel sich in Situationen, die es ihr ermöglichten, Sklaven zu martern, Männer zu unterjochen und zu peinigen. Nach einer Vorstellung von »Essex« in der Oper sagte sie mir: »Ich würde gerne 10 Jahre meines Lebens hingeben, wenn ich ein Todesurtheil unterschreiben und bei der Exekution anwesend sein könnte.«
Trotzdem war dieses Mädchen weder brutal noch excentrisch. Im Gegentheil, sie war vernünftig, mäßig, und schien so zart und fein organisiert, wie alle sentimentalen Geschöpfe. Da es ihr nicht erlaubt war, in die Kaserne zu gehen, um den körperlichen Züchtigungen der Soldaten, welche zur Bastonnade oder zum Spießruthenlaufen verurtheilt waren, beizuwohnen, wußte sie ein Freundschaftsbündniß mit der Frau eines Hüters, welcher der Präfektur zugetheilt war, zu knüpfen.
Dieser Frau lag es ob, die körperlichen Strafen an Kindern und Frauen zu vollstrecken. Sie erfüllte ihre Aufgabe ohne Mitleid, aber auch ohne Freude, ernst und ruhig, wie die Vollstreckung einer traurigen Pflicht.
Und dennoch stellte sie mehr als die nervöse Lola den Typus eines grausamen Weibes dar.
Sie war ein junges Weib mit mächtigen, derben Formen, entschlossener Miene, frischen Farben, einer herausfordernd stumpfen Nase, einem großen Mund mit vollen Lippen und grauen, kalten Augen.
Halb bürgerlich und halb bäuerisch gekleidet, zog sie meine Aufmerksamkeit stets auf sich, wenn sie in ihrer kurzen Bauernjacke aus Schafhaut, welche ihre breiten Hüften umflatterte, und dem kokett geknüpften rothen Halstuche über den Hof ging.
Oftmals schlich Lola zur Zeit der Exekution in einen Winkel, wo sie sich theilweise verdeckt hielt, um den schönen weiblichen Büttel zu bewundern, der, seine Ruthen schwingend, den linken Arm auf die Hüfte stützte. Sie schien sie um diese grausame Aktion zu beneiden.
Während der Unruhen von 1846 wurden viele Schüler, welche an den Verschwörungen theilgenommen hatten, verhaftet. Unter ihnen befand sich auch ein Gymnasialschüler, der kaum 16 Jahre zählte. Das Gesetz erlaubte nicht, ihn »auf die Festung« zu schicken und er wurde daher zu 30 Ruthenstreichen verurtheilt.
Da tauchte bei Lola der seltsame Gedanke auf, die Vollziehung der Exekution zu übernehmen.
Da sie weder mit Mädchen noch Knaben, welche gestohlen oder sich sonst gemeiner Vergehen schuldig gemacht hatten, etwas zu thun haben wollte, bat sie die Frau des Kerkermeisters inständigst, ihr den jungen Revolutionär zu überlassen.
»Warum nicht!« sagte das junge Weib, »wenn es Ihnen Vergnügen bereitet.«
»Oh! Ja – ein großes Vergnügen!«
»Gut! dieses Vergnügen werden Sie haben; aber mein Mann darf davon nichts wissen, weder er, noch sonst jemand.«
Der junge Schüler, welcher bereits ein männliches Aussehen hatte, wollte sich einer Abstrafung, welche er als schimpflich ansah, nicht unterwerfen. Er begann Widerstand zu leisten, warf sich der Kerkermeisterin zu Füßen, als sie sich in Begleitung zweier kräftiger Zuchthäuslerinnen nahte, um ihm die Hände und Füße zu binden.
»Schlage mich nicht«, bat er mit Thränen in den Augen. »Du würdest mich schimpflichst entehren!«
»Nicht ich werde Dich schlagen« sagte das junge Weib, nachdem sie die Assistentinnen wieder fortgeschickt hatte »ein schönes Fräulein, welches mich um diese Gunst lediglich zu seinem Vergnügen gebeten hat, wird es thun!«
Der arme Junge verstand anfänglich nicht, aber als die Kerkermeisterin ihn in ihre Arme geschlossen und über eine Bank gelegt hatte und Lola in ihrer Kazabaïka mit einer Ruthe in der Hand und einer Maske aus schwarzem Sammet über dem Gesichte vor ihm erschien und ihre Aermel hochschürzte, da bat er neuerdings um Gnade – jedoch vergebens.
Lola näherte sich ihm ganz nahe und begann ihn zu peitschen.
Die Kerkermeisterin sah ihr, die Hände auf die Hüften gestützt, zu.
Als die Streiche heftiger wurden und der Unglückliche jämmerlich zu klagen anfing, stieß Lolas Freundin ein helles, brutales Lachen aus.
»Es ist dies das erste Mal, wo ich daran so viel Vergnügen finde« rief sie aus.
Dann, als Lola geendet hatte, wollte die Kerkermeisterin noch einige Hiebe hinzufügen, bei welchen sie ihre ganze Energie entwickelte.
»– Sie sagen, daß Ihnen dies Vergnügen bereitet hat?« meinte Lola; »ich finde, daß dies zu wenig gesagt ist.« »Ich habe, während ich peitschte, ein köstliches Gefühl empfunden und es schien mir, als müßte ich vor Glückseligkeit sterben.«
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Die Stadt Graz, an dem schönen Flusse »Mur« gelegen, die ein Witzwort des Königs von Holland, Vater Napoleon des III.: »die Stadt der Grazien an den Ufern der Liebe« (la ville des grâces sur les bords de l'Amour) benannt hat, ist der Zufluchtsort aller pensionirten Offiziere und Functionäre Österreichs. Dort war es, wo sich eines Tages mein Vater und Lolas Papa, der General geworden war, wiederfanden. Hier fand ich auch nach einer großen Zahl von Jahren das schöne und seltsame Mädchen wieder.
Sie war größer und stärker geworden, während ihr Charakter der gleiche geblieben war. Sie trug stets eine pelzverbrämte Kazabaïka bei sich und über ihrer Ottomane war eine Peitsche befestigt.
»Sind Sie noch so grausam, wie früher?« frug ich sie.
»Wollen Sie eine Probe machen?« antwortete sie lachend »so brauchen Sie sich nur von mir hinreißen zu lassen!«
Ich hütete mich wohl und trachtete, ihr nicht allzuoft zu begegnen.
Eines Morgens, im Winter, fuhr sie ganz allein in einem offenen Schlitten vorüber; als sie mich erkannte, ließ sie den Kutscher halten und rief mich. Sie hob ihren Schleier auf. Sie war bleich und ihre Augen hatten ein entsetzliches Feuer.
»Wissen Sie, von wo ich komme?« fragte sie mich.
»Es würde mir schwer sein, es zu errathen.«
»Gut! ich komme von der Hinrichtung des Mörders Baron Jominis, der ich beigewohnt.«
»Lola! Sie scherzen!« rief ich.
»Nein, wirklich, ich war dort; ich fühle noch in meinen gesammten Nerven die mystischen Wonnen dieses Schauspieles.«
Während sie dies sagte, kam ein Schütteln wie bei Frost über sie und sie preßte den großen Pelz enger an sich.
»Und haben Sie nicht ein wenig Mitleid empfunden?«
»Ich habe bloß etwas bedauert.«
»Und dies wäre?«
»Daß ich nicht das Recht habe, ihn zu begnadigen.«
»Nun und hätten Sie ihm Gnade angedeihen lassen?«
»Oh! nein wahrhaftig nicht, aber ich hätte mir gedacht, daß er auf meinen Befehl sterben müsse, und würde eine viel größere Lust gefühlt haben.«
»Lola«, schrie ich – »Sie sind verrückt.«
»Keineswegs, mein Freund; wenn ich sähe, daß meine Passionen mich den Männern verhaßt machen, würde ich sie verbergen; aber ich weiß, daß ich, selbe offen und freimütig kundgebend, die Männer viel mächtiger fessle, als die anderen Frauen mit ihrem sentimentalen Augenaufschlag. Eine Frau, welche den Mann peinigt, wird immer angebetet werden. Der Pelz ist ein Aufregungsmittel hierzu.«
Was den Pelz anbelangt, hatte Lola recht. In diesem Augenblicke erschien sie mir in dem schweren wohligen Mantel, welcher sie umhüllte, wie ein schönes wildes Thier; und unwillkürlich streichelte ich ihren Pelz, als wenn er die warme Haut einer schönen Tigerin gewesen wäre.
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Einige Monate später hörte ich, daß Lola an einen Ulanen-Major verheirathet und mit ihrem Gatten nach Ungarn, wo sein Regiment in einige Dörfer und Städtchen vertheilt lag, abgereist war. Das junge Paar bewohnte das Schloß des Fürsten Bathyani, welches der Besitzer ihnen liebreichst zur Benützung überlassen hatte. Es war wieder Winter und Lola langweilte sich zum Sterben. Da sandte ihr das Schicksal ein fatales Spielzeug. Eines Abends hörte Lola im Kreise der Offiziere erzählen, daß ein junger Pole, welcher sich in die Politik gemischt hatte, wie das in Österreich öfters vorzukommen pflegt, als einfacher Soldat in das Regiment ihres Gatten gesteckt worden sei. Sie erbat sich den jungen Mann zur persönlichen Dienstleistung.
»Zu welchem Zweck?« frug sie ihr Gatte. »Wenn es geschieht, sein Schicksal zu erleichtern, so ist es von Dir nichts als eine romantische Laune. Ein Verräther verdient kein Mitleid.«
»Eben deswegen«, sagte Lola ruhig, »ich will ihn selbst für seinen Verrath bestrafen.«
Sie brachte es zu Stande, ihrer Laune Geltung zu verschaffen. Der Pole wurde dem Schlosse auf Befehl Lolas als Diener zugetheilt. Nun langweilte sie sich nicht mehr. Es war für sie ein teuflisches Vergnügen, den jungen Mann, welcher aus guter Familie stammte, zu demüthigen, zu quälen und zu peinigen; und dies alles ließ der Unglückliche über sich ergehen; es schien sogar, als ob er die Qualen, welche seine Herrin an ihm vollzog, mit einer gewissen Bereitwilligkeit auf sich nahm. Lola bemerkte dies. Eines Tages kehrte sie von einem Spazierritte heim. Nachdem sie ihre Kazabaïka angezogen hatte, befahl sie dem jungen Polen, ihr die Stiefel auszuziehen und ihre kleinen Seidenpantoffeln anzulegen. Indem er dieser angenehmen Pflicht knieend nachkam, konnte der Unglückliche der Versuchung nicht widerstehen, den eleganten kleinen Fuß seiner Herrin an seine Lippen zu drücken. Sie aber stieß ihn heftig zurück, ließ ihn in den Hof bringen und sah mit dem Ausdrucke einer grausamen Freude von ihrem Fenster aus der Bastonnade zu, die er auf ihren Befehl aufgemessen bekam.
Von diesem Augenblicke an war das Schicksal dieser zwei Geschöpfe entschieden. Einige Tage später verließ der Major seine Gattin, um eine kleine Inspektionsreise vorzunehmen.
Als er zurückkehrte, fand er die Thüre des Schlafzimmers geschlossen. Nach Sprengung der Thüre gewahrte er den Polen in Lolas Armen. Beide aber waren tot.
Einige Zeilen von der Hand des unglückseligen jungen Mannes gaben die nöthige Aufklärung. Er hatte Lola geliebt und ihr, um sich für die grausame Behandlung zu rächen, erst Gewalt angethan, sie dann ermordet und sich getötet.
So endete dieses grausame Weib. Seitdem habe ich oftmals Frauen dieses Typus wiedergesehen, denn die östlichen Gegenden sind die eigentlichen Geburtsstätten dieser schönen Tigerinnen in Sammet und Pelz, und ich habe immer mehr und mehr das mystische und erschreckliche Problem der wollüstigen Grausamkeit verstehen gelernt.
Die meisten Characterzüge dieses grausamen Typus, mit dem Zauber, welchen sie auf den Mann ausüben, scheinen mir nichts anderes zu sein, als die Kundgebungen von Atavismus. Die Natur hat, ihre Wesen erschaffend, ihnen die Erinnerungen der primitivsten Zeiten zurückgelassen. Überall in der Natur vertheidigt sich das Weibchen zuerst gegen die Liebkosungen des Mannes. Ohne Zweifel war der Mensch seit langem denselben Naturgesetzen unterworfen.
Jeder Eroberung war demnach ein Ringen vorangegangen. Deswegen wohl wird das Weib noch heute instinktmäßig dazu getrieben, den Mann zu quälen. Und deswegen auch rufen diese schlechten Behandlungen des Mannes von seiten des Weibes bei ersterem die Illusion der Weiblichkeit hervor.
Und so ist es jedes Mal. Der Pelz erinnert auch an die Vorzeiten, wo die Menschen zottig waren, und ruft die Empfindung einer wilden, bestialischen Kraft hervor, welche den schwachen modernen Mann völlig berauscht.
Die Verwandtschaft zwischen Grausamkeit und Wollust ist daher wohl ein atavistischer Zug. Die Bienen töten ihre Männchen nach der Begattung. Ebenso erzählt uns die Legende, daß die scythischen Amazonen die Männer wie Sklaven behandelten und sie nach dem Beischlafe töteten.
Ein anderes Beispiel. Es giebt Thiere, welche krepieren, indem sie sich vermehren. Ebenso berühren sich beim Menschen im Augenblicke des Liebesdeliriums die zwei Pole – der Tod und das Leben.
Wie oft stammeln die Liebenden in der Verzückung ihres Glückes: »Jetzt sterben!« Nichts erscheint bei Liebenden natürlicher und leichter, als Selbstmord.
Es ist wohl dieselbe Reminiscenz, welche bewirkte, daß in den Mysterien des Eleusis im Augenblicke der Geburt eines neuen Lebens sich die tolle Lust zeigte, zu quälen, zu verstümmeln, zu töten, gepeinigt und getötet zu werden.
Darum auch ist der Soldat, welcher jederzeit bereit ist, den Tod zu empfangen und ihn zu geben, der Günstling der Frauen.
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Der Pfarrer Anastasius Dimitrowitsch Baranoff hatte elf Kinder, darunter sechs Mädchen, von denen Wjera die älteste war. Er hatte sich vorgenommen, im Geiste der Zeit seinen Töchtern eine wissenschaftliche Ausbildung zu geben und beschäftigte sich in der That viel mit Wjera, die er in allem Erdenklichen unterrichtete, etwas weniger schon mit ihrer zweiten Schwester Nadeschda, ein wenig mit Lubow, der dritten. Dann machte er Halt. Es wurden der kleinen Geschöpfe, die mit langen Zöpfen herumliefen, zu viele.
So wuchsen denn die übrigen Mädchen auf wie alle Landmädchen und zogen bald auch Nadeschda und Lubow in ihren Kreis; nur Wjera blieb außerhalb desselben stehen. Sie hatte schon zuviel von jenen Früchten gekostet, welche den Frauen verboten waren und zum Theil noch sind.
Wjera überholte bald ihren eigenen Vater. Sie hatte verschiedene alte und neuere Sprachen erlernt, so weit, daß sie die in denselben verfaßten Bücher verstand, und verschlang nun alles, was ihr unter die Hände fiel, wissenschaftliche Werke aller Art, Romane, Zeitschriften und Broschüren.
Sie war ein hübsches Mädchen, umso hübscher, als sich ein reges geistiges Leben in ihrem runden, frischen Gesicht malte und sie immerhin soviel weibliche Eitelkeit behalten hatte, sich nicht in ihrer Kleidung zu vernachlässigen. Ihre mittelgroße schlanke Gestalt, ihre raschen Bewegungen stimmten sehr gut zu den hellen ausdrucksvollen Augen und der kleinen Adlernase, welche ebensowohl auf großen Eigenwillen wie auf eine erregbare, jeder Energie und sogar des Enthusiasmus fähige Natur hindeutete.
Eines Tages erklärte sie ihren Eltern, daß sie Medizin studieren wollte. Die Mutter erschrak so sehr, daß sie sich niedersetzen mußte, der Vater seufzte auf. Beide wußten, daß Wjera nicht zu halten war, und so machte niemand einen Versuch, sie davon abzubringen. Sie packte ihre wenigen Habseligkeiten, fuhr zur nächsten Station, von dort nach Kiew, und hier begann sie mit jenem hartnäckigen Eifer, welcher eine besondere Gabe der russischen Rasse zu sein scheint, ihre Studien. Es waren noch andere Mädchen da, welche dasselbe Ziel verfolgten; alle zeigten denselben Ernst, aber Wjera überholte sie alle und errang sich rasch die Achtung der Professoren und Studenten.
Unter den letzteren nahm Sergius Nestorowitsch Krubin eine hervorragende Stellung ein. Er stand schon am Ende seiner Studien, wurde von dem Professor der Physiologie als eine Art Gehülfe behandelt und hatte bereits verschiedene interessante Beobachtungen gemacht und in medizinischen Zeitschriften veröffentlicht.
Er war, was die Studenten damals unter sich einen Pionier nannten. Und dieser überlegene, arbeitsame, nüchterne Mensch interessirte sich plötzlich für Wjera.
Es war wie ein Wunder, aber man mußte dran glauben. Er bemühte sich um sie, trug ihr die Kollegienmappe, bediente sie in jeder Weise und besuchte sie sogar, er, der Einladungen in den reichsten und angesehensten Familien abgelehnt hatte.
War er in Wjera verliebt? Machte er ihr den Hof? Nicht im mindesten. Was gab es also zwischen den Beiden? Denn auch sie zeichnete ihn aus. Nur ihm gab sie die Hand, und nur er konnte sich rühmen, von ihr zuweilen ein Lächeln erhascht zu haben.
Nur einmal erlaubte er sich eine Andeutung, da unterbrach ihn Wjera lächelnd: »Sergius Nestorowitsch, wollen Sie mich zum Besten haben, oder sich selbst? Ich denke, Ihre Braut ist die Wissenschaft, und was mich betrifft, so brauche ich Freiheit, um zu gedeihen. Nein, nein, kein Joch für mich und keines für Sie.«
Krubin zuckte die Achseln und lächelte. Zwei Jahre später fand er Wjera auf dem Lande, wo ihn eine Laune hingeführt hatte, als Krankenpflegerin. Sie verstand so viel von der Medizin als irgend ein Landarzt, ja mehr, da man ihr aber nicht gestattete, ihre Kenntnisse selbstständig zu verwerthen, so machte sich das tapfere Mädchen zur Gehülfin der Ärzte und war denselben bald unentbehrlich. Krubin zog sie häufig zu Rathe, und wenn sie an einem Krankenbett Wache hielt, pflegte er zu sagen: »Es ist ebenso gut, als wenn ich selbst da wäre, ja besser, denn sie hat eine weichere Hand.«
Und wieder einmal streckte er die seine verlangend nach diesem Sammethändchen aus, doch Wjera war und blieb die Alte. Sie lachte nur. »Aber, Sergius Nestorowitsch, was fällt Ihnen ein?« oder: »Mein Freund, ich hielt Sie für einen ernsthaften Mann«, oder endlich, und dies war das Schmerzlichste: »Herr Doktor, Sie irren sich, ich befinde mich, Gottlob, ganz wohl, Sie haben es gar nicht nöthig, mir den Puls zu fühlen.«
Krubin aber ließ seufzend die kleine, weiche Hand los und sprach von einem neuen Verband, oder einem frisch entdeckten Medikament.
Nochmals getrennt, fanden sie sich eines Tages in einer Ambulanz vor Plewna wieder.
Der Krieg gegen die Türken hatte in ganz Rußland eine fieberhafte Aufregung hervorgerufen, kein flüchtiges Aufflammen, eine starke, nachhaltige, eigensinnige Begeisterung, welche, einem unterirdischen Feuer vergleichbar, keinen Lärm macht, aber nicht so leicht erlischt. Auch Krubin, der Skeptiker, und Wjera, die Schöne mit dem Herzen aus Eis, waren von diesem heiligen Feuer ergriffen worden. Er hatte sich zur ärztlichen Dienstleistung gemeldet, sie war als Krankenpflegerin mitgezogen, und nun blickten sie sich plötzlich an dem Strohlager eines verwundeten Kanoniers in die Augen.
»Sie, Wjeruschka?«
»Sergius Nestorowitsch, das ist schön von Ihnen.«
»Was soll ich denn von Ihnen sagen, Wjera?«
Aber da gab es keine Zeit zu Komplimenten. Die furchtbaren Kämpfe hatten Tausende und wieder Tausende Verwundeter, Hülfsbedürftiger in den Lazarethen zusammengehäuft und das Elend war unbeschreiblich. Mit vieler Mühe nur gewann Krubin in der Nacht einen Augenblick, wo er den Ärmel von Wjera's Pelz zurückschieben und sie auf den Arm küssen konnte, denn ihre Hände waren voll Blut.
»Noch immer der Alte«, sprach sie lächelnd.
»Immer und ewig«, erwiderte Krubin, »so lange Sie so schön sein werden, Wjeruschka.«
»Sinnestäuschung, mein Freund«, damit entschlüpfte sie ihm wieder.
Zwei Tage später fand der denkwürdige heroische Sturm der Russen auf Goreji-Dubnik statt.
Krubin kommandirte eine Ambulanzkolonne und Wjera hatte sich ihm angeschlossen. Mitten auf dem Schlachtfelde thaten beide ihre Pflicht und mehr als das mit Ruhe, Umsicht und Aufopferung. Wiederholt schloß sich Wjera den Trägern an und brachte, unbeirrt durch die ringsum pfeifenden türkischen Kugeln, selbst Verwundete vom blutüberströmten Felde auf den Verbandplatz.
Um fünf Uhr Nachmittags bildeten sich die Sturmkolonnen. Die Soldaten waren alle von jener kalten, thatkräftigen Begeisterung erfüllt, welche so echt russisch ist. Wie auf dem Exerzierplatz gingen sie in das Feuer, erstiegen die Höhe und verschwanden hinter dem grauen Vorhang, der die feindliche Redoute umgab.
In diesem Augenblick pochte jedes Herz lebhafter, die in der Reserve stehenden Truppen nahmen die Mützen ab und bekreuzten sich.
Eine bange Pause, in der man nur den Donner der Geschütze und das Geknatter des Schnellfeuers hörte, dann ein Hurrah, und dann wußte man, daß das Bajonett zu arbeiten begann.
Als es dunkel wurde, war die Redoute gewonnen. Ein Pascha und 1600 Mann streckten die Waffen, vier Kanonen waren erobert, viertausend Russen und fast ebenso viel Türken deckten die Wahlstatt.
###
Die Nacht brach an. Die brennenden Häuser von Goreji-Dubnik beleuchteten weithin die Hügel und die Biwaks der russischen Soldaten. Ringsum tönten wie in einem friedlichen russischen Dörfchen die schönen melancholischen Weisen der Heimath. Wjera hörte sie, als sie einen Augenblick aus der Scheune trat, in der sie bis jetzt den armen Verwundeten Hilfe geleistet hatte. Sie ließ sich auf einen verlassenen Pflug nieder und blickte zu den Sternen empor. Es war ihr mit einem Male so gut, so weich, so seltsam zu Muth. Sie erwartete irgend etwas, ein großes, freudiges Ereigniß.
Da sagte ein Dragoner, der den Kopf verbunden hatte, leise zu ihr: »Mütterchen, erbarme Dich, da drinnen liegt mein Leutnant, rette ihn!«
Wjera stand auf. »Wo?«
»Dort, gerade gegenüber.«
Sie ging über die Straße und traf auf Krubin.
»Wohin?«
»In jene Hütte dort.«
»Was wollen Sie? Da liegen nur Todte oder solche, die es bald sein werden.«
Wjera machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Kopf und ging an Krubin vorüber in die Hütte.
In einer großen niedrigen Stube lagen auf Stroh gebettet zehn oder zwölf Soldaten. Keiner regte sich, man hörte weder ein Röcheln, noch einen Seufzer. Hier schien in der That die Stille des Todes zu herrschen. Wjera zögerte einen Augenblick, dann nahm sie das Lämpchen, beleuchtete die im Schatten liegenden Winkel und blickte umher.
Der Thür gegenüber lag ein junger Offizier, ein Kind fast, mit einem rührend unschuldigen und schönen Gesicht. Auch er schien den Traum des Lebens, der Vaterlandsliebe, des Ruhmes ausgeträumt zu haben. Wjera näherte sich ihm und blieb dann über ihn gebeugt stehen. Was war es, was sie bei dem Anblick dieses jungen Mannes so tief bewegte? Dachte sie an seine Mutter, an das Elend des Krieges, das solche edle Opfer fordert?
Da schlug der Offizier die Augen auf, zwei große blaue, geisterhafte Augen, und sah sie an.
»Wer bist Du?« fragte er mit leiser Stimme.
»Eine Krankenpflegerin.«
»Wie nennst Du Dich?«
»Wjera.«
Er sah sie wieder an und lächelte endlich. »Ich habe Dich für einen Engel gehalten«, murmelte er, »es war ein schöner Traum.«
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte Wjera, »sind Sie bereits verbunden?«
Er nickte. »Mir ist nicht zu helfen«, sagte er, »der Arzt hat es selbst gesagt, er muß es wissen. Wenn Sie aber ein paar Worte schreiben wollen – nach Haus ...«
»Ihrer Mutter?«
»Ja.«
Wjera verließ den Verwundeten, suchte ihren kleinen Koffer, nahm Papier und Bleistift, sowie ein Couvert und kehrte zu dem jungen Offizier zurück. Auf ihren Knien, beim Scheine des Lämpchens schrieb sie, was er ihr diktirte, und dann setzte er mit bebender Hand seinen Namen darunter. Leon Kirilowitsch Melinoff.
Nachdem Wjera den Brief an ihrer Brust geborgen, blieb sie neben ihm auf ihren Knien, und beide sahen sich an. Plötzlich faßte sie mit einer heftigen Bewegung seine beiden Hände und rief: »Nein, Sie werden nicht sterben, Sie dürfen nicht sterben!«
»Doch – doch, Wjera«, erwiderte Leon Melinoff, »ich fühle es – der Tod ist nahe ...«
»Es ist das Fieber.«
»Nein, ich sterbe«, fuhr er fort, »es war so bestimmt, so sei es denn. Daß ich so jung bin – daß ich so früh scheiden muß – auch das hat nicht viel zu bedeuten. – Aber – etwas verlieren – was man kaum gekannt – was uns so viel Schönes verhieß.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sterben, ohne geliebt zu haben, ohne geliebt worden zu sein, ist das nicht traurig?«
»Ja, Leon Kirilowitsch, Sie werden am Leben bleiben, und die Liebe ...«
»Betrügen Sie mich nicht.«
Beide schwiegen einige Zeit, dann wendete er das schöne Gesicht zur Wand und begann leise zu weinen. Wjera starrte ihn an, während ihre Brust heftig arbeitete und sie ihr Herz pochen hörte, dann plötzlich, fast zornig, erhob sie sich und schritt hinaus. Sie suchte Krubin und fand ihn. Mit ihm kehrte sie zu dem Verwundeten zurück. Als Krubin wieder die Hütte verließ, fragte sie ihn leise: »Keine Rettung?«
»Keine.«
»Wie lange kann er leben?«
»Bis zum Morgen.«
Krubin entfernte sich rasch in der durch den Feuerschein nur noch schrecklicheren Dunkelheit und Wjera stand einen Augenblick da und blickte zu den wenigen Sternen empor, die über der schlafenden Erde in ihrem blauen Lichte zuckten. Dann, langsam, ruhig und entschlossen kam sie zu dem Verwundeten zurück und setzte sich neben ihn auf das Stroh.
»Was hat der Arzt gesagt?«
Sie schwieg.
»Er hat gesagt, daß ich sterben muß.«
Sie schwieg noch immer.
»Sterben – ungeliebt –« murmelte er und seine Hand strich leise und bebend über Wjeras braune Haare, »wie schön – weich wie Seide – es glänzt auch so ...«
»Leon Kirilowitsch«, rief Wjera, indem sie ihre Arme mit einer ruhigen Begeisterung, die etwas Erhabenes an sich hatte, um ihn schlang, »ich liebe Sie.«
Der junge Offizier erhob sich, wie von neuem Leben entflammt, auf seinem Strohlager und sah sie an. »Du liebst mich? Ist das wahr? Ich auch, ich liebe Dich, Du schönes, gutes Mädchen.« Er zog ihren Kopf an seine Brust und preßte seine heißen, trockenen Lippen auf die ihren.
»Ich bin Dein«, sprach Wjera, »und ich bleibe Dein.« Sie erhob die Finger wie zum Schwur. »Niemals werde ich einem Anderen angehören, niemals.«
»So laß mich sterben«, erwiderte er mit einem glücklichen Lächeln, den Kopf an ihrer Brust gebettet, »jetzt hat der Tod nichts Schreckliches mehr für mich.«
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Im bleichen Licht des Morgens lag ein Toter mehr in dem bulgarischen Bauernhof. Wjera trat auf die Schwelle, schloß die Haken ihres Pelzes, blickte um sich mit großen, weitgeöffneten Augen, als sehe sie die Welt zum ersten Mal und ging dann langsam hinüber in die Ambulanz.
Krubin wechselte einen seltsamen Blick mit ihr, das war alles. Kein Wort kam über seine Lippen, keines über die ihren.
Sie fuhr fort, ihre Pflichten zu erfüllen, eifrig und muthig wie bisher, ja, Krubin bemerkte wiederholt, daß sie mit einer Art Fatalismus die Gefahr aufsuchte. Dort wo die Kugeln die Erde aufwühlten und den Schnee in Silberstäubchen aufwarfen, war sie jedesmal unter den Trägern und faßte die Bahre, faßte die Verwundeten an wie jeder Andere.
Als der Plan des Ueberganges über den Balkan, zu dem Zweck, den Schipkapaß zu umgehen und die Türken im Rücken zu fassen, endlich nach dem Fall von Plewna zur Ausführung kam, schloß sich Wjera der Kolonne des Generals Skobeleff an.
Einen Tag vorher hatten Sappeurs den Schnee weggeschaufelt, doch lag er noch immer knietief da und bildete zu beiden Seiten der Straße mannshohe weiße Mauern. Das kümmerte indeß die Soldaten wenig, sie marschierten sogar lächelnd und scherzend bei der wahrhaft grausamen Kälte. Kaum halb so viel Grade unter Null hatten der »großen Armee« in Rußland ein rasches Ende bereitet.
Am frühen Morgen begrüßte Skobeleff seine Soldaten mit dem Ausruf: »Ich wünsche Euch Glück, Kinder, die Türken rücken an!«
Die Soldaten erwiderten: »Wir wollen uns bemühen, Excellenz!«
Es ging jetzt abwärts, die Pferde sanken manchmal bis an den Hals in den Schnee, die Soldaten glitten jauchzend hinab wie auf der Rutschbahn daheim. Bald begann das Feuer.