Lost & Dark Places Rheinland-Pfalz - Holger Mathias Peifer - E-Book

Lost & Dark Places Rheinland-Pfalz E-Book

Holger Mathias Peifer

0,0
17,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vom dunklen Pfälzer Wald bis zu den unergründlich tiefen Maaren der Eifel erstreckt sich heute eine der beliebtesten Freizeitregionen Deutschlands. Doch hinter Waldbaden, Wanderlust und Weinfröhlichkeit verstecken sich tief im dunklen Tann die Zeugnisse eines harten Alltags, märchenhafte Industriedenkmäler und Bauruinen. Entdecken Sie die schaurige Seite von Rheinland-Pfalz von der ruinösen Adenauervilla über Tropfsteinhöhlen bis hin zu einstigen Militäranlagen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 170

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hildegard von Bingen verbrachte 39 Lebensjahre in einer Frauenklause auf dem Disibodenberg (Kapitel 3).

Holger Mathias Peifer

Lost & Dark PlacesRHEINLAND-PFALZ

33 vergessene, verlassene undunheimliche Orte

Schinderhannes Räuberburg im brennenden Sonnenlicht (Kapitel 9)

Haben wir Papiermangel, weil die Papierfabrik zerfällt? (Kapitel 18)

Auch im UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal bröckelt es (Kapitel 8).

INHALT

Pfälzer Geselligkeit und Rheinischer Humor

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1Der Schrei

Villa Glaeser, Eselsfürth

2Eingemeißelt

Felseneremitage Bretzenheim

3Maid of Staudernheim

Klosterruine Disibodenberg

4Let’s make a Gruselfilm

Burg Frankenstein

5Die Säulen der Pfalz

Beller Kirche, Eckelsheim

6Der hohle Backenzahn

Burg Drachenfels, Busenberg

7Freiheit für Amerika

Weiße Kaserne, Zweibrücken

8Im kalten Wasser

Kloster Marienberg, Boppard

9Schinderhannes’ Räubernest

Schmidtburg, Schneppenbach

10Badekyll

Freibad Niederstadtfeld

11Promis im Wald

Hotel Brabant, Johanniskreuz

12Eifelschreck

Heimschule Nickenich

13Der Schatz im Silbertal

Grube Adolph Helene, Altlay

14Die Barocke und ihre Kuxe

Grube Amalienhöhe, Waldalgesheim

15Krieg und Baden

Die Marlbergbahn, Bad Ems

16Ehrlos

Abdeckerei, Altenglan

17Überschätzt

Viktoriastift, Finkenbach-Gersweiler

18Sleeping Beauty

Papierfabrik Lindenberg

19Legal Lost Place

Ludendorff-Brücke, Remagen

20Beim deutschen Michel

Das Lehrer-Erholungsheim, Stromberg

21Leid auf Rezept

Kinderferienheim Schafhof, Elmstein

22Wo Fuchs und Konrad sich Gute Nacht sagen

Adenauers Jagdsitz, Duppach

23Der klägliche Rest

AKW Mülheim-Kärlich

24Idilia Dubb, Search and Rescue

Thermalbad, Lahnstein

25Ein einsames Kirchlein

Wüstung Eckweiler

26Unter dem Bärenloch

Kindsbach Underground Facility

27Der atomare Gegenschlag

area 1, Ludwigswinkel

28Wohnungsnot

Hahn Family Housing

29Am langen Arm verhungert

Schutzengelkirche, Heimbach

30Brandstiftung

Junkersmühle, Michelbach

31Auf dem Trockenen

Schwimmbad Schönecken

32Sag zum Abschied leise Servas

Servas Schuhfabrik, Rodalben

33Eine Weihnachtsgruselgeschichte

Burg Berwartstein, Erlenbach

Register

Impressum

Heizung und warmes Wasser für die geheime Luftüberwachung (Kapitel 26)

Bad Nanny: Dem Kindererholungsheim weint keiner nach (Kapitel 21)

Die moderne Heimschule am Laacher See wurde zum Eifelschreck (Kapitel 12).

PFÄLZER GESELLIGKEIT UND RHEINISCHER HUMOR

Viele hielten es für einen Fehler, dass sich Rheinländer und Pfälzer ab 30. August 1946 ein Bundesland teilen und sich in der Verwaltung mit den anderen arrangieren mussten. Zu verschieden seien die regionalen Eigenheiten, die Kultur und die Menschen. Man höre es ja schon in der Sprache. Die beiden verstehen sich ja nicht mal. Ja, auf den ersten Blick könnte man das tatsächlich meinen. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt durchaus eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten, viele kleine und eine ganz große: Denn abgesehen von allem anderen eint sie der Hang zu Geselligkeit und Fröhlichkeit.

Nicht nur während der Faschingsfeiern taucht man im Rheinland zwischen bis dato Unbekannten unter, trinkt mit neuen Kameraden und schließt vielleicht sogar Freundschaften, die sich über Jahre halten. Noch schneller und oft anlasslos findet man sich in der Pfalz in ein Gespräch mit wildfremden Menschen verwickelt. Egal, wo man ist, ob im Schwimmbad, Restaurant, beim Einkaufen und selbstredend auf Volksfesten. Oft reicht es schon, dass man irgendwo herumspaziert und vielleicht die Kamera auf den Dorfbrunnen richtet. Schon wird man freundlich angesprochen: »Mache Se awer mol e paar scheene Bilder vun unserm Dorf!« »Ja, natürlich! Aber ich suche ja eigentlich etwas …« Und schon hat man die gewünschte Auskunft.

So klingt es fast wie ein Märchen, wenn man hört, dass es auch mal bösartig zugehen konnte, dass Erholungsheime oft gar nicht erholsam, sondern der einsamste Ort der Welt sein konnten. So mancher trägt heute noch die Narben auf der Seele, die aus einsamen und erniedrigenden Kindheitstagen im sauerstoffreichen, tiefen Pfälzerwald zurückgeblieben sind. Und dunkel blieb auch die eine oder andere Episode zwischen den bewaldeten Hügeln im Süden des Landes und den kargen Höhen der Eifel in Dunst und Nebel verborgen. Dort steht immer noch die Bauruine der Kanzlervilla auf einem Berggipfel hinter einem dichten Vorhang aus Laubwerk verborgen. Warum und wieso, ist schon klar! Aber nur so ungefähr! Was ist genau passiert? Wer hat wann, wo mit wem? Da ist einfach kein Licht reinzubringen und man kann nur mutmaßen. Trotz «in dubio pro reo« ist eines doch klar: Hinter den Kulissen hat der Rheinländer mit dem Pfälzer so manches Geschäftchen abgesprochen, das heute so nicht mehr ganz korrekt wäre. Aber vielleicht war das damals ja genau richtig so – andere Zeiten, andere Sitten – und andere Kulturpflanzen. Früher bedeckten die goldgelben Hanfblüten weite Teile der Rheinhessischen Hügel und wurden vor Ort verarbeitet. Gab es damals Hanffeste statt Weinfeste?

Und dann trieb sich zwischendrin vom Hunsrück aus operierend zu allem Überfluss noch der ein oder andere Räuber mitsamt seiner Bande und seinen Gespielinnen herum. Übermütig feierten sie Räuberfeste mit der einheimischen Bevölkerung. Die gibt es noch heute als überregional bekannte Volks- und Dorffeste. Wären sie möglich, wenn man ihm nicht Anfang des 19. Jahrhunderts vor 30000 Zuschauern den Kopf abgehackt hätte?

Doch ich will hier nicht zu viel vorgreifen und wünsche einfach viel Spaß beim Eintauchen in die dunklen Geschichten aus Rheinland-Pfalz!

Liebe, Blut und Tod am Drachenfels bei Busenberg (Kapitel 6)

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählt eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es teilweise nicht so aussieht, aber jeder dieser Lost Places hat einen Eigentümer. Das sollte respektiert werden. Das beinhaltet vor allen Dingen, dass nichts zerstört oder gewaltsam geöffnet wird. Sind Fenster oder Türen verschlossen, sollte das auch so bleiben. Gehen Sie respektvoll mit dem Ort um.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Gleiches gilt auch umgekehrt: Lassen Sie nichts liegen. Keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Kippenstummel.

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, auf das Rauchen. Kippenstummel brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten übrigens nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern können schnell ein Feuer verursachen.

4. Keine Graffiti

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für Kunstwerke an den Wänden. Man sprüht einfach nicht auf fremdes Eigentum, sei es noch so schön. Lassen Sie die Wände wie sie sind, sodass auch noch Menschen nach Ihnen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig

Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Marodes Holz, verrostete Geländer, einsturzgefährdete Decken, lockere Böden (teilweise befinden sich noch Kellergeschosse darunter), eingeschlagene Fenster – die Liste der Gefahren solcher Orte ist lang. Seien Sie daher immer wachsam. Begeben Sie sich niemals in Gefahr für das eine Foto. Das ist es nicht wert. Treppen und obere Etagen sind eine gängige Gefahrenquelle. Schauen Sie sich den Zustand der Treppe und der Decke genau an. Nehmen Sie auch eine Taschenlampe für dunkle Räume und Keller mit.

Abgefackelt: die Brandruine des Wellnesshotel Junkersmühle (Kapitel 30)

Ein Freibad für die Ertüchtigung der deutschen Jugend (Kapitel 10)

6. Gehen Sie nicht allein

Es ist ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt, einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner und betrunkene Jugendliche sind auch oft in Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

7. Erregen Sie kein Aufsehen

Da viele Lost Places in Privatbesitz sind, gilt hier »Betreten verboten«. Auch, wenn das Tor angelweit aufsteht oder ein riesiges Loch im Zaun ist. An Orten, an denen das Zugangsrecht nicht ganz klar ist, ist es ratsam, sein Auto nicht direkt vor dem Gelände zu parken.

Ausrüstung

Wir empfehlen Folgendes:

•Festes Schuhwerk, hohe Socken (Schutz vor Zecken)

•Reißfeste Kleidung, ggf. leichte Regenjacke

•Kamera inkl. Zusatzakku, Speicherkarten, Stativ

•Proviant und Getränke (nehmen Sie aber alles wieder mit)

•Kopf- oder Stirnlampe für freie Hände

•Taschenlampe mit weitem Winkel für Keller und dunkle Räume

•Taschenmesser

•Aufgeladenes Handy (ggf. Powerbank)

•Notizblock und Stift

•Pflaster und Taschentücher für Verletzungen

•Mücken- und Zeckenspray

Ein doppelter Sicherheitszaun mit elektronischer Überwachung für nichts (Kapitel 23)

Ein Bergwerk als barockes Gesamtkunstwerk: Den einstigen Flair der Amalienhöhe kann man nur noch erahnen (Kapitel 14).

 1 

DER SCHREI

Villa Glaeser, Eselsfürth

Wohnhaus, repräsentatives Herrenhaus und Kunstgalerie in einem: Die Villa Glaeser wurde gebaut, um Kunst in Szene zu setzen, und war doch selbst ein Kunstobjekt.

Villa Glaeser Eselsfürth 22, 67657 Kaiserslautern GPS 49.460387, 7.826179 Anfahrt Auto: A6 bis Abfahrt Kaiserslautern Ost, weiter L401; ÖPNV: Zug bis HBF KL, zu Fuß zur Haltestelle Marienkirche, Bus SWK104 bis Luxemburger Str., 25 min zu Fuß nach Eselsfürth

Im an einen Turm erinnernden Eingangsbereich waren die Wirtschaftsräume untergebracht.

VISIONEN Wer kennt das bekannte Motiv »Der Schrei« von Edvard Munch nicht? Eine Angstattacke beim abendlichen Spaziergang hatte den Maler befallen: Ein Schrei ging durch die Natur der norwegischen Fjorde, durchdrang alles und jeden. Keine Chance zu entkommen und nicht von tiefer Verzweiflung befallen zu werden. Das Erlebnis läutete den Expressionismus in der Malerei ein. Das Bildmotiv gilt als Spiegel des Künstleregos, die Natur im Bild als Darstellung seiner inneren, existenziellen Ängste, zum Ausdruck gebracht in dunklen Pastelltönen unter einem roten Himmel. Wer das Gemälde betrachtet, wird unweigerlich in seinen Bann gezogen, muss ebenfalls den Mund zu einem gequälten, stummen Schrei formen. Würde man das Motiv aus der Malerei in die Architektur übertragen, käme ohne Zweifel die Villa Glaeser in ihrem heutigen Zustand heraus. Doch sie ist keine Kunst – mehr. Vom einstigen Vorzeigeobjekt der Bauhausära – das einzige seiner Art in der Pfalz – übrig geblieben sind nur noch die Einsamkeit und Existenzängste. Wenn ein Haus schreien kann, dann ist es die Villa Glaeser.

EMAIL machte Max Glaeser um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts zu einem vermögenden Mann. Gemeint ist natürlich nicht die elektronische Post, sondern die glasartige Beschichtung aus natürlichen Stoffen, die wir von Haushaltswaren, aber auch in Industrie, Handwerk und Kunst kennen. Obwohl der Stoff schon seit mehr als dreitausend Jahren bekannt ist – wir haben Grabbeigaben aus Email in den mykenischen Gräbern auf Zypern gefunden –, fand er erst im 19. Jahrhundert großflächig Verwendung. Als Schutzüberzug hindert Email Blechgeschirr am Rosten, wirkt bakterienabweisend, ist langlebig, kann bedruckt oder künstlerisch verziert werden und ist im Gegensatz zu so mancher moderner Beschichtung gesundheitlich unbedenklich. Wer sich über die Schreibweise wundert: Ja, in der Tat liest man heute vermehrt die französische Schreibweise Emaille. Doch in der Kunst spricht man nach wie vor von Email. Und Kunst war die große Leidenschaft von Max Glaeser, dem Besitzer der Email-Fabrik auf der Eselsfürth.

Der Haupteingang von Villa Glaeser führte zum Kunst- und Präsentationsbereich.

KAISERTUM Das Munch-Museum in Oslo ist eins der weltweit größten Museen, das sich nur mit einem einzigen Künstler beschäftigt. Mehr als 1000 Gemälde und fast 5000 grafische Zeichnungen vermachte Edvard Munch der norwegischen Hauptstadt. Der Ausnahmekünstler hatte zu seinen Lebzeiten etwas geschafft, was anderen Malern erst nach ihrem Ableben gelang: Er galt als Wegbereiter und Erschaffer einer neuen Epoche, wurde innig geliebt oder abgrundtief gehasst – vor allem in Deutschland, dessen Kunstverständnis weitestgehend dem kaiserlichen Gedankengut entsprach. Als Berlin die große, internationale Kunstausstellung des Jahres 1891 vorbereitete, war Masse statt Klasse gefragt: Populäre Gemälde zeigten Landschaften, Berge und Schiffe. Neue Kunstrichtungen hatten keine Chance, galten als anarchistisch und umstürzlerisch. Daher wurden die eingeladenen Künstler ständig überprüft und bewertet und dann auch wieder ausgeladen – oder sie boykottierten die Veranstaltung gleich. Zu einer ausgeladenen Gruppe norwegischer Künstler gehörte Edvard Munch, der bis dato noch unbekannt war.

DER FALL MUNCH Doch auch in der Kunstwelt Deutschlands gab es Gegenpositionen zur konservativen Führungsriege. So wurde Munch ein Jahr später zu einer großen Einzelausstellung nach Berlin eingeladen. Seine 55 ausgestellten Gemälde brachten ihm plötzliche Berühmtheit und einen Abbruch der Ausstellung ein. Dabei waren es nicht einmal die Motive, die Munch so harsche Kritik einbrachten. Seine Technik, die Art, wie er die Farben auftrug, wieder abschabte und noch einmal übermalte, war bis dahin unbekannt und entsprach nicht dem ästhetischen Empfinden vieler Konservativer. Das Thema Munch beherrschte die Berichterstattung und teilte das Kaiserreich in zwei Lager. Die Presse sprach – vielleicht zum ersten Mal – von »entarteter Kunst«, einem Schlagwort, das 40 Jahre später in die NS-Propaganda einzog. Munchs Bilder waren dabei nur Nebensache. Wurden sie in den Artikeln erwähnt, dann meist in spöttischen Nebensätzen. Es verkaufte sich doch viel besser, wenn man die Entgleisung der Kunst im Allgemeinen verurteilte und als »Anstreicharbeiten« beschimpfte.

Hinter den lichtdurchfluteten Ausstellungsräumen befanden sich die Privaträume Glaesers.

SAMMLER Doch trotz aller Häme blieb Munch gute 20 Jahre in Deutschland, wo er in Berlin lebte und arbeitete. Dort hatte er Gelegenheit, sich mit anderen Künstlern, auch aus anderen Disziplinen, zu treffen. Dazu gehörten Dichter, Poeten und Kunsthistoriker. Sie unterstützten sich gegenseitig und bildeten bald die Berliner Avantgarde. Ihre Werke fanden sich natürlich nicht in den großen Kunstausstellungen, deren Exponate vom preußischen Staat angekauft wurden. Dennoch gelang es der Gruppe, sich eine Fangemeinde von privaten Sammlern aufzubauen. Mit deren Hilfe konnten die Künstler überleben und auf eigene Kosten Ausstellungen organisieren. Einer dieser Gönner und Sammler war Max Glaeser, Besitzer der Emailfabrik auf der Eselsfürth.

Lichtband am Hauswirtschaftsturm über dem Nebeneingang

WOHNGALERIE Wann und wie sich Max Glaeser, der beruflich viel unterwegs war, und Edvard Munch zum ersten Mal begegnet sind, ist nicht belegt. Doch das Munch-museum ist im Besitz von Handschriften und Briefwechseln, die untermauern, dass sich Glaeser und Munch persönlich kannten. Glaeser kaufte mehrere Bilder des Norwegers, darunter auch die »Landschaft mit rotem Haus«, dessen Verbleib heute nicht geklärt ist. Um die Bilder Munchs und anderer Künstler besser in Szene zu setzen, beschloss der gesundheitlich stark angeschlagene Unternehmer, sich in den Jahren 1928/29 gleich neben seiner Fabrik ein neues Domizil zu errichten. Es sollte gleichzeitig Wohnhaus und Kunstgalerie sein. Mit der Ausführung wurde kein Geringerer als Hans Herkommer aus Schwäbisch Gmünd beauftragt.

HANS HERKOMMER Der Schwabe steht seinerseits, so wie Munch in der Malerei, für das Neue Bauen in der Architektur. Seine Gebäude begeistern die Betrachter noch heute und bilden Markenzeichen in Städten und Gemeinden. Dazu zählen der Becker-Turm in Sankt Ingbert, die Frauenfriedenskirche in Frankfurt oder das Rathaus von Villingen-Schwenningen. Seine Planungen wurden vielfach beachtet und besprochen, da sie Althergebrachtes über Bord warfen und seine Räume eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Freiheit vermittelten. Eines seiner Meisterstücke war die Villa Glaeser, mit ihren drei asymmetrisch verschachtelten Kuben in unterschiedlicher Höhe. Jeder einzelne war einem bestimmten Zweck gewidmet: Ausstellungsräume für die Kunstsammlung, Herrensalon und Wirtschaftsteil. Der Besuch und das Studium des einmaligen und denkmalgeschützten Gebäudes stand noch vor wenigen Jahren auf dem Pflichtprogramm des Architekturzweiges der TU-Kaiserslautern.

Ursprünglich überraschte Villa Glaeser mit einer rosa eingefassten Putzfläche sowie weißen und gelben Fensterrahmen.

VERFALL UND VANDALISMUS Max Glaeser konnte das Haus nicht lange genießen. Er starb schon 1932, nur drei Jahre nach der Fertigstellung, infolge seines Herzleidens. Doch sein Erbe wurde gut verwaltet. Noch im Jahre 2007 befand sich Villa Glaeser in ordentlichen Zustand mit der originalen Ausstattung, wie Herkommer es geplant hatte. Sicher, es lagen ein paar Schönheitsreparaturen am denkmalgeschützten Gebäude an, doch soll es sich um nichts Weltbewegendes gehandelt haben. Dann zogen die Mieter aus und das Haus stand zu Verkaufszwecken leer. Rapide verschlechterte sich die Bausubstanz. Doch der Verkauf ging noch über die Bühne. Wer hoffte, dass damit neues Leben an der Eselsfürth einzog, irrte: Der Käufer blieb unsichtbar, das Gebäude verkam. Waren es Kupferdiebe, die das Dach entwendet und ihren Reibach gemacht haben? Wer weiß, jedenfalls ist es nicht mehr da. Seither regnet es in die Räume hinein. Die Decken sind eingestürzt, die Räume stark einsturzgefährdet und nicht mehr betretbar. Die Situation ist fatal. Falls überhaupt noch etwas zu retten ist, dann müsste es sehr schnell geschehen.

Das besondere Erlebnis

Rätselhafte Zeichen finden sich nördlich der Villa Glaeser im Wald. Dort führt ein alter Pflasterweg aus vermutlich vorrömischer Zeit durch den Wald. Unterwegs finden sich noch Menhire aus alter Zeit und wer möchte, kann bis auf den alten Keltenberg, den Donnersberg, wandern. Für den kürzeren Ausflug in die Vergangenheit bietet sich ein 12 Kilometer Rundwanderweg an.

 2 

EINGEMEISSELT

Felseneremitage, Bretzenheim

Das ist einmalig nördlich der Alpen: eine dreischiffige Kirche aus dem roten Sandstein herausgehauen; kleine Fenster, die ein wenig Licht in die kargen Zellen der Felsenwohnung lassen, ein Beichtstuhl. Die Wache: ein steinerner Ritter. Und alles unter dem Zeichen des Kreuzes. Mehr Mittelalter geht kaum.

Felsen im Guldental, nahe der Kreuznacher Diakonie, 55559 Bretzenheim, Eremitagerweg 944, Landkreis Bad Kreuznach GPS 49.88742, 7.87090 Anfahrt Mit der Bahn RB bis Bretzenheim, ca. 3 km Fußmarsch über gut ausgebaute ebene Feldwege oder mit dem Auto A61 Ausfahrt Bad Kreuznach, Über Gensingen, Langenlonsheim nach Bretzenheim, erste Straße rechts, Eremitagenweg ca. 2 km ganz durchfahren

Die Kultstätte aus heidnischer Zeit wurde über Jahrhunderte hinweg zum Felsenkloster und Wallfahrtsort weiterentwickelt.

DER WEG ZUM CHRISTENTUM Die ältesten Felsräume halten sich für unsere Augen unsichtbar unterhalb des Erdhügels, der heute den Boden bildet, verborgen. Die ersten Arbeiten am Fels fanden wohl schon in vorgeschichtlicher Zeit statt. Vermutet wird eine heidnische Kultstätte. Warum sie gerade hier im Guldental entstanden ist und warum es kein ähnliches Bauwerk nördlich der Alpen gibt, lässt sich kaum sagen. Nicht unmöglich, dass jemand das Wissen über den Höhlenbau aus Vorderasien oder Südeuropa in die Pfalz mitgebracht hat. Reisen über die Alpen gab es ja schon vor mehr als 5000 Jahren. Als sich im ersten Jahrhundert in der römischen Zeit der Mithraskult auch nördlich der Alpen verbreitete, waren die künstlichen Höhlen wie geschaffen für die geheimen Zusammentreffen. Ähnlich den Urchristen führten die Mithrasjünger ihre Versammlungen im Untergrund und im Geheimen durch. Überhaupt gab es erstaunliche Parallelen zum Christentum. Taufe, Auferstehungsglaube, Abendmahl, sogar ein Hochfest am 25. Dezember gehörten zu den Glaubenspraktiken. Experten sind sich bis heute nicht darüber einig, ob der Mithraskult Wegbereiter oder Nachahmer des Christentums war. Einflüsse des von Zarathustra gestifteten indo-iranischen Glaubens soll es ebenfalls gegeben haben: Vielleicht haben sich die Mithrasleute einfach von allen bekannten Religionen genommen, was ihnen gefallen hat? Als sich Kaiser Theodosius I zum Christentum bekannte, erhob er es im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion. Andere Glaubensrichtungen wurden verboten und die Anhänger verfolgt. Der Mithraskult ging sehr schnell im frisch verordneten Glauben auf. Warum sollte man sich auch wehren? Man wurde immer noch getauft und konnte das Abendmahl zusammen feiern. Nicht nötig, den Ort der Zusammenkünfte zu wechseln: Wie bei vielen anderen Mithraskultstätten auch geschehen, wurde aus der Eremitage in Bretzenheim ein christlicher Ort.

DAS FELSENKLOSTER Die umherziehenden Missionare des Frühmittelalters suchten gerne die alten Kultstätten auf, um an diesen mystischen Orten zu lagern und zu predigen. Da es sich dabei oft um zugige Berggipfel oder vor Feuchtigkeit klamme Lichtungen im Wald handelte, waren sie wenig Komfort gewöhnt. Die Höhlenwohnung muss ihnen wie ein 4-Sterne-Hotel vorgekommen sein. Sie fingen an, sich einzurichten, erweiterten die Höhlen nach ihren Bedürfnissen und bauten eine Kirche. Unterlagen in den Archiven belegen die Weihe des heute nicht mehr existierenden Altars der Felsenkirche im Jahre 1043. Bei dem, was heute noch zu besichtigen ist und was einem Opfertisch ähnelt, handelt es sich in Wahrheit um eine Kelter. Sie entstand nach 1830 – aus einem Altar. Man muss ja Prioritäten setzen. Die erste Kirche wurde im Jahre 1567 bei einem Erdrutsch zerstört. Danach wurde es still um die Eremitage. Sehr wahrscheinlich, dass sie aus Angst vor weiteren Katastrophen verlassen war.

Wahrscheinlich stand ein Ritter aus der Region Pate für das Steinbildnis.

Die Felsenwohnung kann zurzeit wegen eines Felsrutsches nicht besichtigt werden.

WALLFAHRTSORT