Love at First Sight (Die Statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick) - Jennifer E. Smith - E-Book

Love at First Sight (Die Statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick) E-Book

Jennifer E. Smith

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Beschreibung

Die Romanvorlage zum Netflix-Hit! Hadley könnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen, als auf der Hochzeit ihres Vaters Brautjungfer zu spielen. Dass sie dann allerdings ihr Flugzeug verpasst und erst einmal auf dem überfüllten New Yorker Flughafen festsitzt, hat sie dann doch nicht gewollt. Und genauso wenig hatte sie vor, sich ausgerechnet hier unsterblich zu verlieben: in den Jungen mit den verwuschelten Haaren und dem Puderzucker auf dem Hemd, der wie sie nach London muss. Hadley bleibt genau eine Fluglänge Zeit, um sein Herz zu gewinnen ...

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JENNIFER E. SMITH: DIE STATISTISCHE WAHRSCHEINLICHKEIT VON LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK

Aus dem Englischen von Ingo Herzke

Die Romanvorlage zum Netflix-Hit!

Hadley könnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen, als auf der Hochzeit ihres Vaters Brautjungfer zu spielen. Dass sie dann allerdings ihr Flugzeug verpasst und erst einmal auf dem überfüllten New Yorker Flughafen festsitzt, hat sie dann doch nicht gewollt. Und genauso wenig hatte sie vor, sich ausgerechnet hier unsterblich zu verlieben: in den Jungen mit den verwuschelten Haaren und dem Puderzucker auf dem Hemd, der wie sie nach London muss. Hadley bleibt genau eine Fluglänge Zeit, um sein Herz zu gewinnen …

WOHIN SOLL ES GEHEN?

Buch lesen

Viten

 

O JA, ES GIBT TAGE, DIE DES LEBENS

UND DES STERBENS WERT SIND! – Charles Dickens,

Unser gemeinsamer Freund

PROLOG

Es hätte auch alles ganz anders kommen können.

Stell dir vor, du hättest das Buch nicht vergessen. Dann hättest du nicht ins Haus zurücklaufen müssen, während Mom draußen mit laufendem Motor wartete und der Auspuff eine Abgaswolke in die bläuliche Dämmerung blies.

Oder noch früher: Stell dir vor, du hättest nicht so lange damit gewartet, das Kleid anzuprobieren, dann hättest du vielleicht eher bemerkt, dass die Träger zu lang waren, und Mom hätte nicht ihr altes Nähkästchen hervorkramen und die Küchentheke in einen OP-Tisch verwandeln müssen, um das arme, leblose, violette Seidenfähnchen in letzter Minute zu retten.

Oder später: Wenn du dich nicht am Papier geschnitten hättest, als du dein Onlineticket ausgedruckt hast, wenn du dein Handyladegerät nicht verlegt hättest, wenn nicht so viel Verkehr auf der Schnellstraße zum Flughafen gewesen wäre. Wenn ihr die Ausfahrt nicht verpasst hättet, oder wenn dir die Münzen für die Mautstation nicht aus der Hand gefallen und unter den Sitz gerollt wären, während die Autos hinter euch dauerhupten.

Wenn das Rad deines Rollkoffers nicht verbogen gewesen wäre.

Wenn du ein bisschen schneller zum Gate gerannt wärst.

Aber vielleicht hätte es auch nichts geändert.

Vielleicht ist es auch sinnlos, die Verspätungen des Tages zu sammeln. Wäre es nicht eine von diesen Sachen gewesen, dann eben etwas anderes: das Wetter über dem Atlantik, Regen in London, Gewitterwolken, die nur eine Stunde zu lange verweilen, bevor sie sich wieder auf den Weg machen. Hadley glaubt nicht so recht an Dinge wie Schicksal oder Bestimmung, aber andererseits hat sie auch nie so recht an die Pünktlichkeit der Flugindustrie geglaubt.

Wer hat je davon gehört, dass ein Flugzeug pünktlich startet?

Hadley hat noch nie im Leben einen Flug verpasst. Nicht ein einziges Mal.

Doch als sie an diesem Abend endlich am Gate ankommt, sieht sie die Angestellten gerade die Türen schließen und die Computer herunterfahren. Die Uhr über ihnen zeigt 18:48, direkt hinter den Fensterscheiben steht die Maschine wie eine mächtige metallene Festung und die Mienen der Menschen um Hadley herum sagen eindeutig, dass niemand mehr dort einsteigen wird.

Sie kommt vier Minuten zu spät, was gar nicht so viel scheint, wenn man darüber nachdenkt; eine Werbeunterbrechung, die kurze Pause zwischen zwei Schulstunden, die Zeit, die man zur Zubereitung eines Mikrowellengerichts braucht. Vier Minuten sind nichts. Auf jedem Flughafen der Welt erreichen tagtäglich Menschen im allerletzten Augenblick ihren Flug, verstauen heftig atmend ihr Handgepäck und lassen sich dann mit erleichtertem Seufzen auf ihren Sitz fallen, während das Flugzeug himmelwärts strebt.

Aber nicht Hadley Sullivan, die jetzt am Fenster steht, ihren Rucksack aus der Hand gleiten lässt und zusieht, wie die Maschine sich von der Gangway löst, wie sie langsam abdreht und zur Startbahn rollt – ohne sie. Auf der anderen Seite des Ozeans bringt ihr Vater einen letzten Trinkspruch aus, und die Bediensteten des Hotels polieren in weißen Handschuhen das Silberbesteck für die Feier am morgigen Abend. Hinter ihr isst der Junge mit der Platzkarte 18 C für den nächsten Flug nach London einen Donut mit Puderzucker und kümmert sich nicht um den weißen Staub auf seinem blauen Hemd.

Hadley schließt die Augen, nur einen Moment, und als sie sie wieder aufschlägt, ist das Flugzeug weg.

Wer hätte gedacht, dass vier Minuten alles ändern können?

1

18:56

EASTERN STANDARD TIME

23:56

GREENWICH MEAN TIME

Flughäfen sind Folterkammern, wenn man an Klaustrophobie leidet.

Das liegt nicht bloß am drohend bevorstehenden Flug – wo alle wie die Sardinen in Sitze gezwängt und dann in einem engen Metallrohr durch die Luft katapultiert werden – sondern auch an den Terminals selbst, am Gedrängel der Menschen, am schwindelig verschwimmenden Strudeln des ganzen Ortes, diesem tanzenden, benebelnden Summen, nichts als Bewegung und Geräusch, Hektik und Lärm, das Ganze von Glaswänden versiegelt wie eine monströse Ameisenfarm.

Das ist eins von vielen Dingen, an die Hadley nicht zu denken versucht, als sie hilflos vorm Ticketschalter steht. Draußen wird es langsam dunkel, ihr Flugzeug ist jetzt irgendwo über dem Atlantik, und sie spürt, wie sich irgendwas in ihr löst, wie bei einem Ballon, aus dem langsam die Luft entweicht. Zum Teil liegt es am bevorstehenden Flug, zum Teil am Flughafen selbst, aber vor allem – vor allem – an der Erkenntnis, dass sie nun zu spät zu der Hochzeit kommen wird, zu der sie eigentlich gar nicht gehen wollte, und dieser elende kleine Schicksalsschlag bringt sie beinahe zum Weinen.

Das Abfertigungspersonal hat sich hinter dem Tresen versammelt, und alle sehen ungeduldig und mit gerunzelter Stirn zu ihr rüber. Der Bildschirm hinter ihnen zeigt bereits den nächsten Flug von New York nach Heathrow an, der erst in über drei Stunden geht, und es ist offensichtlich, dass nur noch Hadley ihrem Dienstschluss im Weg steht.

»Es tut mir leid, Miss«, sagt eine der Angestellten mit hörbar unterdrücktem Seufzen. »Wir können nicht mehr tun als zu versuchen, Sie im nächsten Flug unterzubringen.«

Hadley nickt trübsinnig. Die letzten paar Wochen hat sie sich heimlich gewünscht, dass genau so etwas passieren möge, auch wenn ihre Szenarien zugegebenermaßen etwas dramatischer ausgefallen waren: ein umfassender Streik des Flugpersonals, ein historischer Gewittersturm mit Hagel, eine lähmende Grippeattacke oder gar Masern, die sie am Fliegen hindern würden. Lauter gute Gründe, warum sie leider nicht dabei sein konnte, wenn ihr Vater einer Frau sein Jawort gab, die sie noch nie gesehen hatte.

Aber vier Minuten zu spät zum Flugsteig zu kommen, klingt einfach etwas zu passend, fast ein wenig verdächtig, und Hadley ist nicht ganz sicher, ob ihr Vater und ihre Mutter einsehen würden, dass nicht Hadley an allem schuld war. Vermutlich wären ihre Eltern in diesem seltenen Fall einmal einer Meinung.

Hadley selbst hatte die Idee gehabt, das Probedinner am Vorabend sausen zu lassen und erst am Morgen der Hochzeit in London anzukommen. Sie hat ihren Vater seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, und sie konnte sich nicht vorstellen, mit allen ihm wichtigen Menschen einen Raum zu teilen und auf seine Gesundheit und sein Glück zu trinken, auf den Anfang seines neuen Lebens – mit all seinen Freunden und Kollegen, diese kleine Welt, die er sich selbst ein Weltmeer weit weg aufgebaut hat. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie nicht mal an der Hochzeit teilgenommen, doch das war nicht verhandelbar, wie sich herausstellte.

»Er ist immer noch dein Vater«, erinnerte ihre Mutter sie ständig, als könnte Hadley das vergessen. »Wenn du nicht hingehst, wirst du es später bereuen. Ich weiß, mit siebzehn kannst du dir das nur schwer vorstellen, aber glaub mir: Eines Tages wirst du es bereuen.«

Hadley ist sich da nicht so sicher.

Die Frau von der Fluggesellschaft bearbeitet inzwischen mit beinahe wütender Heftigkeit ihre Tastatur und lässt dabei ihren Kaugummi knallen. »Sie haben Glück«, sagt sie und hebt beide Hände in einer überschwänglichen Geste. »Ich kann Sie heute Abend noch in der Maschine um zehn Uhr vierundzwanzig unterbringen. Platz 18 A. Am Fenster.«

Hadley traut sich kaum zu fragen, tut es aber trotzdem: »Und wann kommt der Flug an?«

»Neun Uhr vierundvierzig«, sagt die Angestellte. »Morgen früh.«

Hadley sieht die zarte Kalligrafie auf der elfenbeinfarbenen Hochzeitseinladung vor sich, die seit Monaten auf ihrer Kommode steht. Die Feierlichkeiten beginnen morgen um zwölf Uhr mittags, und das heißt, wenn alles nach Plan läuft – der Flug und der Weg durch den Zoll, die Taxis und der Verkehr, wenn das Timing haargenau stimmt – besteht immer noch die Chance, dass sie rechtzeitig ankommt. Wenn auch nur knapp.

»Einsteigen können Sie hier an diesem Gate ab einundzwanzig Uhr fünfundvierzig«, sagt die Angestellte und reicht ihr die Papiere, alle ordentlich in einem kleinen Umschlag gefaltet. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.«

Hadley schiebt sich in Richtung Fenster und überblickt die Reihen trist graubrauner Sitze, die meisten davon belegt, bei den anderen quillt gelbe Füllung aus den Nähten wie bei vielgeliebten Teddys. Sie stellt ihren Rucksack auf den kleinen Handgepäckkoffer und wühlt nach ihrem Handy, scrollt im Telefonbuch nach der Nummer ihres Vaters. Er ist unter dem Titel »Der Professor« aufgelistet – das Etikett hat sie ihm vor ungefähr anderthalb Jahren angehängt, kurz nachdem er ihr mitgeteilt hatte, dass er nicht nach Connecticut zurückkehren werde, denn das Wort »Dad« rief bei jedem Aufklappen des Handys nur unschöne Erinnerungen wach.

Jetzt schlägt ihr Herz schneller, als sein Telefon zu klingeln anfängt; er ruft zwar ziemlich oft an, aber sie kann an einer Hand abzählen, wie oft sie seine Nummer gewählt hat. Drüben ist es fast Mitternacht, und als er endlich abnimmt, klingt seine Stimme schwer von Schlaf oder Alkohol oder vielleicht beidem.

»Hadley?«

»Ich habe meinen Flug verpasst«, sagt sie in dem knappen Tonfall, den sie ihrem Vater gegenüber in letzter Zeit ganz von allein anschlägt, ein Nebeneffekt ihrer allgemeinen Missbilligung.

»Was?«

Sie seufzt und wiederholt: »Ich habe meinen Flug verpasst.«

Im Hintergrund kann Hadley Charlotte murmeln hören, und etwas flammt in ihr auf, eine plötzliche Wut. Seit Dad dieser Frau einen Antrag gemacht hat, kommen ständig zuckersüße Mails von ihr. Sie erzählt von ihren Hochzeitsvorbereitungen, schickt Fotos von der Parisreise und flehentliche Gesuche, dass Hadley doch bitte an der Feier teilnehmen möge, immer mit einem übermotivierten xxoo unterzeichnet (als würde ein Kuss und eine Umarmung nicht reichen). Und trotzdem hat Hadley vor einem Jahr und sechsundneunzig Tagen beschlossen, sie zu hassen, und es braucht viel mehr als die Berufung zur Brautjungfer, um das zu revidieren.

»Und«, sagt Dad, »hast du einen anderen gekriegt?«

»Ja, aber der kommt erst um zehn an.«

»Morgen?«

»Nein, heute Abend«, sagt sie. »Ich fliege auf einem Kometen.«

Dad geht nicht weiter darauf ein. »Das ist zu spät. So kurz vorm Gottesdienst. Dann kann ich dich nicht abholen«, sagt er, und man hört gedämpfte Geräusche, als er den Hörer zuhält, um mit Charlotte zu flüstern. »Tante Marilyn müsste dich eigentlich abholen können.«

»Wer ist Tante Marilyn?«

»Charlottes Tante.«

»Ich bin siebzehn«, erinnert Hadley ihn. »Ich bin ziemlich sicher, dass ich es schaffe, mir ein Taxi zur Kirche zu nehmen.«

»Ich weiß nicht«, sagt Dad. »Du bist zum ersten Mal in London …« Seine Stimme verebbt, dann räuspert er sich. »Meinst du, deine Mutter hätte nichts dagegen?«

»Mom ist nicht mit«, sagt Hadley. »Ich glaube, sie war bei der ersten Hochzeit dabei.«

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

»Ist schon in Ordnung, Dad. Wir sehen uns morgen in der Kirche. Hoffentlich komme ich nicht allzu spät.«

»Okay«, sagt er leise. »Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen.«

»Ja«, sagt sie, denn sie bringt es nicht über sich, das Gleiche zu erwidern. »Bis morgen.«

Erst nach dem Auflegen merkt Hadley, dass sie nicht mal gefragt hat, wie das Dinner denn gelaufen ist. Sie weiß auch gar nicht, ob sie das so genau wissen will.

Einen langen Augenblick bleibt sie einfach so stehen, das Handy fest umklammert, und versucht nicht daran zu denken, was sie alles auf der anderen Seite des Atlantiks erwartet. Vom Buttergeruch eines nahen Brezelstands wird ihr leicht übel, und am liebsten würde sie sich hinsetzen, aber der Flugsteig ist voller Passagiere, die von überall hierher geströmt sind. Es ist das Wochenende des vierten Juli, des Nationalfeiertags, und die Wetterkarten auf den Bildschirmen zeigen kreiselnde Unwetterstrudel, die weite Teile des Mittelwestens bedecken. Die Leute sichern sich ihr Revier, beanspruchen Abschnitte des Warteraums, als wollten sie sich dort dauerhaft niederlassen. Koffer werden auf leeren Sitzen abgestellt, Familien lagern sich um ganze Ecken herum, fettige McDonald’s-Tüten liegen auf dem Boden verstreut. Als Hadley über einen Mann steigt, der auf seinem Rucksack schläft, wird ihr plötzlich deutlich bewusst, wie niedrig die Decke hängt und wie eng die Wände sich heranpressen, wie sehr sich die Menschenmassen um sie drängen, und sie muss sich selbst ans Atmen erinnern.

Als sie einen leeren Sitz erspäht, hastet sie darauf zu, manövriert ihren Rollkoffer durch ein Meer von Schuhen und versucht nicht daran zu denken, wie zerknüllt das blöde lila Kleid bei ihrer Ankunft morgen sein wird. Der Plan war eigentlich, ein paar Stunden Zeit zur Vorbereitung zu haben, aber jetzt muss sie wie wahnsinnig zur Kirche hetzen. Von allen momentanen Sorgen steht diese nicht so weit oben auf Hadleys Liste, aber es ist trotzdem ein bisschen unangenehm, sich vorzustellen, wie entsetzt Charlottes Freundinnen sein werden. Keine Zeit zum Frisieren zu haben, dürfte nach ihrer Auffassung als mittelschwere Katastrophe gelten.

Bereuen ist mit ziemlicher Sicherheit ein zu schwaches Wort für ihre nachträglichen Gefühle angesichts der Zusage, Brautjungfer zu spielen, aber Charlottes unablässige Mails und Dads endlose Bitten hatten sie schließlich weichgeklopft, ganz zu schweigen von Moms überraschendem Einsatz für diese Idee.

»Ich weiß, er ist im Moment nicht gerade beliebt bei dir«, hatte sie gesagt, »und bei mir bestimmt auch nicht. Aber willst du wirklich eines Tages das Hochzeitsalbum durchblättern, vielleicht mit deinen eigenen Kindern, und bereuen, dass du nicht dabei gewesen bist?«

Hadley glaubt nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde, aber sie merkte schon, worauf das Ganze hinauslief, und es schien einfacher, alle glücklich zu machen, auch wenn man dafür Haarspray und unbequeme Absätze und das Hochzeitsfoto erdulden musste. Als die anderen Hochzeitsgäste – vor allem Charlottes Freundinnen, alle in den Dreißigern – erfahren hatten, dass ein weiblicher amerikanischer Teenager dazustoßen würde, war Hadley mit einer Unmenge von Ausrufezeichen in ihre Rundmailliste aufgenommen worden. Und obwohl sie Charlotte noch nie gesehen hatte und in den letzten anderthalb Jahren viel Wert darauf gelegt hatte, dass es so blieb, kannte Hadley jetzt die Vorlieben dieser Frau auf einem weiten Feld von hochzeitsrelevanten Themen – wichtige Fragen wie Riemensandalen oder geschlossene Zehenpartie, Schleierkraut ja oder nein, und am schlimmsten und höchst beängstigend: die Dessous-Vorlieben für den Junggesellinnenabschied, oder, wie sie es nannten, den »Hennenabend«. Was für eine Menge von Mailverkehr so eine Hochzeit auslösen konnte, war wirklich atemberaubend. Hadley wusste, einige der Frauen waren Charlottes Kolleginnen aus dem Kunstbuchladen der Universitätsgalerie von Oxford, aber es war schon erstaunlich, dass auch nur eine von ihnen noch Zeit hatte, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Eigentlich sollte Hadley sie alle morgen früh im Hotel treffen, aber jetzt sieht es so aus, als müssten sie wohl ohne Hadley ihre Kleider zumachen, ihre Lidstriche ziehen und ihre Locken drehen.

Hinter den Fenstern des Flughafengebäudes ist es inzwischen fast völlig dunkel, und außer den stecknadelkopfkleinen Positionslichtern der Flugzeuge sieht man nur ein verschwommenes Spiegelbild des Wartebereichs. Hadley sieht sich selbst, ihr blondes Haar und die großen Augen, das Gesicht, irgendwie schon so zerknittert und zerfurcht, als liege die Reise hinter ihr. Sie zwängt sich auf den Sitz zwischen einem älteren Herrn, der seine Zeitung so heftig umblättert, dass sie ihm fast aus der Hand fliegt, und einer Frau mittleren Alters, auf deren Rollkragenpullover eine Katze gestickt ist und die an etwas strickt, das am Ende alles Mögliche werden könnte.

Noch drei Stunden, denkt sie, umarmt ihren Rucksack und merkt dann, dass es wenig Sinn hat, die Minuten bis zu einem Ereignis herunterzuzählen, vor dem man Angst hat. Es wäre viel passender zu sagen: noch zwei Tage. Noch zwei Tage, dann ist sie wieder zu Hause. Noch zwei Tage, dann kann sie so tun, als sei das alles nie passiert. Noch zwei Tage, und sie wird das Wochenende überlebt haben, vor dem sie – so fühlt es sich jedenfalls an – schon seit Jahren Angst hat.

Sie rückt den Rucksack auf ihrem Schoß zurecht und denkt eine Spur zu spät daran, dass sie den Reißverschluss nicht richtig zugezogen hat, weshalb ein paar von ihren Sachen zu Boden purzeln. Hadley greift zuerst nach ihrem Lipgloss, dann nach den Klatschmagazinen, aber als sie das schwere schwarze Buch aufheben will, das ihr Vater ihr geschenkt hat, kommt ihr der Junge von der anderen Seite des Gangs zuvor.

Er wirft einen kurzen Blick auf den Umschlag, ehe er das Buch zurückgibt, und Hadley bemerkt ein erkennendes Flackern in seinen Augen. Es dauert eine Sekunde, bis sie begreift, dass er sie jetzt für die Sorte Mensch halten muss, die am Flughafen Dickens liest, und beinahe verrät sie ihm, dass das nicht stimmt. Tatsächlich hat sie das Buch schon ewig und es noch nicht einmal aufgeschlagen. Doch stattdessen lächelt sie nur pflichtschuldig und wendet sich demonstrativ zum Fenster, falls er vorhaben sollte, ein Gespräch anzufangen.

Denn Hadley ist nicht nach Unterhaltung, nicht mal mit einem so süßen Jungen. Sie hat ehrlich gesagt überhaupt nicht das Gefühl, hier zu sein. Der Tag, der vor ihr liegt, kommt ihr wie etwas Lebendiges, Atmendes vor, das mit erschreckender Geschwindigkeit auf sie zugerast kommt, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis es sie flach auf den Rücken wirft. Sie hat Angst in das Flugzeug zu steigen, und noch größere vor der Ankunft in London – und diese Angst spürt sie in ihrem ganzen Körper. Sie muss auf ihrem Sitz hin und her rutschen, mit den Beinen wippen und den Fingern zucken.

Der Mann neben ihr putzt sich geräuschvoll die Nase, reißt dann seine Zeitung wieder gerade, und Hadley hofft, dass sie auf dem Flug nicht neben ihm sitzt. Sieben Stunden sind eine lange Zeit, ein so großer Teil des Tages, dass man ihn eigentlich nicht dem Zufall überlassen dürfte. Niemand würde von einem erwarten, stundenlang mit einem Unbekannten im Auto zu fahren, aber wie oft war sie schon neben einem Wildfremden nach Chicago oder Denver oder Florida geflogen, war mit ihm, Ellbogen an Ellbogen, Seite an Seite, übers Land geschossen worden? Das ist das Komische am Fliegen: Man kann sich stundenlang mit jemandem unterhalten, ohne seinen Namen zu kennen, man kann die tiefsten Geheimnisse teilen und ihn dann nie wiedersehen.

Als der Mann den Hals reckt, um einen Artikel zu lesen, streift er Hadley mit dem Arm, und sie steht abrupt auf. Um sie herum wimmelt es immer noch von Menschen, sie schaut sehnsüchtig in Richtung Fenster und wünscht sich, jetzt sofort draußen zu sein. Sie weiß nicht, ob sie hier noch drei Stunden sitzen kann, aber die Vorstellung, ihren Koffer durch die Massen zu schleifen, ist ebenso entmutigend. Sie schiebt ihn näher an den leeren Sitz heran, damit er besetzt aussieht, und wendet sich an die Dame im Katzenpullover.

»Könnten Sie wohl eine Minute auf mein Gepäck aufpassen?«, fragt sie, und die Frau hält ihre Stricknadeln sehr still und schaut missbilligend zu ihr auf.

»Das ist nicht gestattet«, sagt sie nachdrücklich.

»Es ist ja bloß für ein oder zwei Minuten«, erklärt Hadley, aber die Frau reagiert mit einem leichten Kopfschütteln, als wolle sie auf keinen Fall in die Ereignisse verwickelt werden, die sich anzubahnen scheinen.

»Ich kann darauf aufpassen«, sagt der Junge von gegenüber, und Hadley sieht ihn zum ersten Mal richtig an. Sein dunkles Haar ist ein bisschen zu lang, sein Hemd voller Krümel, aber er hat auch etwas Besonderes. Vielleicht ist es der Akzent, den sie für britisch hält, oder das Zucken seiner Mundwinkel, als er ein Lächeln zu unterdrücken versucht. Jedenfalls sackt ihr das Herz unerwartet nach unten, als er sie anschaut und seine Augen zwischen ihr und der Frau hin- und herhüpfen, deren Lippen zu einer schmalen Linie des Missfallens zusammengepresst sind.

»Das ist gegen das Gesetz«, flüstert die Frau und blickt verstohlen zu den beiden massigen Sicherheitsbeamten in der Nähe.

Hadley schaut wieder zu dem Jungen, der sie mitfühlend anlächelt. »Schon gut«, sagt sie. »Dann nehme ich ihn eben mit. Aber vielen Dank.«

Sie sucht ihre Sachen zusammen, klemmt sich das Buch unter den Arm und wirft sich den Rucksack über die andere Schulter. Die Frau zieht ihre Füße kaum merklich zurück, als Hadley den Koffer an ihr vorbei manövriert. Am Ende des Wartebereichs geht der farblose Teppichboden ins Linoleum des Gangs über, und ihr Koffer schwankt bedenklich auf der Gummileiste, die beide Beläge trennt. Er wiegt sich von einem Rad aufs andere, und als Hadley ihn auszurichten versucht, rutscht ihr das Buch unterm Arm weg. Sie bückt sich, um es aufzuheben, da fällt auch noch ihr Sweatshirt zu Boden, das sie sich umgehängt hat.

Das soll wohl ein Witz sein, denkt Hadley und bläst sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Doch als sie alles aufgehoben hat und wieder nach dem Koffer greift, ist er plötzlich nicht mehr da. Sie dreht sich hastig um und sieht verblüfft den Jungen neben sich stehen, der seine eigene Tasche über die Schulter gehängt hat. Ihr Blick wandert nach unten, wo er ihren Koffergriff umklammert.

»Was machst du denn da?«, fragt sie blinzelnd.

»Du hast ausgesehen, als könntest du Hilfe gebrauchen.«

Hadley starrt ihn bloß an.

»Und so ist alles vollkommen legal«, fügt er grinsend hinzu.

Sie zieht die Augenbrauen hoch, und er richtet sich ein wenig auf, wirkt nicht mehr so selbstsicher. Ihr kommt der Gedanke, dass er womöglich vorhat, ihren Koffer zu stehlen, aber wenn es so wäre, hätte er die Sache schlecht geplant. Es ist auch nicht viel mehr darin als ein Paar Schuhe und ein Kleid. Und die loszuwerden, würde Hadley rein gar nichts ausmachen.

Sie bleibt einen langen Moment stehen und überlegt, was sie wohl getan hat, einen Gepäckträger anzulocken. Die Menschenmassen strömen um sie herum, ihr Rucksack hängt ihr schwer auf der Schulter, und die Augen des Jungen forschen mit irgendwie einsamem Blick in ihrem Gesicht, als wollte er jetzt auf keinen Fall allein zurückgelassen werden. Und das kann Hadley gut verstehen, also nickt sie schließlich zustimmend, er neigt den Koffer nach vorn auf die Räder, und sie gehen los.

2

19:12

EASTERN STANDARD TIME

00:12

GREENWICH MEAN TIME

Eine Ansage kommt über die Lautsprecher, dass bei einem Flug noch ein Passagier fehlt, und Hadley kann nicht verhindern, dass sich ein Gedanke in ihren Kopf schleicht: Und wenn sie nun selbst ihren Flug schwänzen würde? Doch als könnte er ihre Gedanken lesen, schaut der Junge vor ihr sich kurz um, will sichergehen, dass sie noch da ist, und sie merkt, wie dankbar sie ist, ausgerechnet an diesem Tag Gesellschaft zu haben, auch wenn sie so unerwartet kommt.

Sie gehen an einer Reihe Gitterfenster vorbei, durch die man das Rollfeld sieht, wo die Maschinen aufgereiht stehen wie Wagen eines Festumzugs, und Hadleys Herz schlägt schneller beim Gedanken, bald eine davon besteigen zu müssen. Von allen engen, geschlossenen Räumen auf der Welt, von allen Ecken und Winkeln und Löchern lässt sie nichts so sehr erzittern wie der Anblick eines Flugzeugs.

Es war letztes Jahr, als es zum ersten Mal passierte, diese schwindelnde Angst, eine herzrasende, magenkrampfende Panik. In einem Hotelzimmer in Aspen, bei heftigem, schwerem Schneefall vorm Fenster, als ihr Vater im Nebenzimmer telefonierte, da hatte sie plötzlich das Gefühl, dass die Wände zu nah waren und immer näher kamen wie ein langsamer, aber stetig wandernder Gletscher. Sie versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen, während das Herz ihr so laut in den Ohren pochte, dass es fast die gedämpfte Stimme ihres Vaters jenseits der Wand übertönte.

»Ja«, hörte sie ihn sagen, »und heute Nacht soll es noch mal fünfzehn Zentimeter geben, morgen haben wir also perfekte Bedingungen.«

Sie waren schon zwei ganze Tage in Aspen gewesen und hatten sich sehr bemüht, diese Frühjahrsferien wie alle anderen scheinen zu lassen. Jeden Morgen standen sie früh auf und brachen zum Berg auf, bevor die Pisten zu voll wurden, danach saßen sie mit ihren Bechern heißer Schokolade in der Hütte, abends spielten sie vorm Kamin Brettspiele. Aber in Wirklichkeit waren sie so darauf bedacht, nicht über Moms Abwesenheit zu reden, dass sie beide an überhaupt nichts anderes denken konnten.

Außerdem war Hadley ja nicht blöd. Man ging nicht für ein Semester nach Oxford, unterrichtete Lyrikseminare und beschloss dann plötzlich ohne vernünftigen Grund, sich scheiden zu lassen. Obwohl Mom kein Sterbenswörtchen darüber verloren hatte, im Grunde überhaupt kein Wort mehr über das Thema Dad sprach, wusste Hadley, es musste an einer anderen Frau liegen.

Sie hatte vorgehabt, ihn im Skiurlaub darauf anzusprechen, gleich beim Aussteigen aus dem Flugzeug mit anklagend erhobenem Zeigefinger auf ihn loszugehen und zu fragen, wieso er nicht wieder nach Hause kam. Aber als sie zur Gepäckausgabe kam, wo er auf sie wartete, da sah er total anders aus, hatte einen rötlichen Vollbart, der gar nicht zu seinem Haar passte, und lächelte so breit, dass sie seine Kronen sehen konnte. Bloß sechs Monate hatten sie sich nicht gesehen, doch in dieser Zeit war er fast ein Fremder geworden, und erst als er sich herunterbeugte, um sie zu umarmen, kehrte sein altes Selbst zurück. Er roch nach Zigarettenrauch und Aftershave, seine Reibeisenstimme flüsterte ihr ins Ohr, wie sehr er sie vermisst habe. Und irgendwie war das noch schlimmer. Letztlich sind es nicht die Veränderungen, die einem das Herz brechen, sondern die vertrauten Eigenarten.

Also hatte sie gekniffen und stattdessen die ersten beiden Tage abgewartet und beobachtet, versucht, seine Gesichtsfalten wie eine Landkarte zu lesen, nach Hinweisen geforscht, die erklären konnten, wieso ihre kleine Familie so unverhofft zerbrochen war. Als er im letzten Herbst nach Oxford gegangen war, hatten sie das alle aufregend gefunden. Bis dahin war er Professor an einem kleinen Mittelklasse-College in Connecticut gewesen, darum war die Verlockung eines Forschungsstipendiums in Oxford – an einer der besten Literaturfakultäten der Welt – unwiderstehlich. Aber Hadley hatte gerade ihr zweites Highschool-Jahr angefangen, und Mom konnte ihr kleines Tapetengeschäft nicht vier Monate lang sich selbst überlassen, also hatten sie beschlossen, dass sie beide bis Weihnachten zu Hause bleiben und ihn dann für zwei Wochen Sightseeing besuchen würden – danach wollten sie alle zusammen nach Hause zurückkehren.

Dazu war es natürlich nie gekommen.

Damals hatte Mom schlicht verkündet, die Pläne hätten sich geändert, sie würden Weihnachten bei ihren Eltern in Maine verbringen. Hadley hatte halb erwartet, Dad würde dort als Überraschung auftauchen, aber Heiligabend war nur Mom da und die Großeltern, die sie mit so vielen Geschenken überhäuften, dass Hadley das Ganze sofort als Ablenkungsmanöver durchschaute.

Tagelang hatte Hadley zuvor durch die Belüftungsschlitze des alten Hauses die angespannten Telefonate ihrer Eltern und das Schluchzen ihrer Mutter belauscht, aber erst auf der Rückfahrt von Maine hatte Mom schließlich verkündet, dass Dad noch ein Semester in Oxford bliebe.

»Wir werden uns trennen«, sagte sie und wandte den Blick von der Straße zu Hadley, die wie betäubt neben ihr saß und die Neuigkeiten in kleinen Schritten sacken ließ – zuerst: Mom und Dad lassen sich scheiden, dann: Dad kommt nicht wieder.

»Zwischen euch liegt ein ganzer Ozean«, sagte Hadley leise. »Mehr Trennung geht doch gar nicht, oder?«

»Es geht um eine Trennung im juristischen Sinn«, sagte Mom seufzend.

»Müsst ihr euch dazu nicht erst mal treffen? Ehe man so etwas entscheidet?«

»Ach, Süße«, sagte Mom und tätschelte kurz Hadleys Knie. »Ich glaube, die Entscheidung ist längst gefallen.«

Und so stand Hadley kaum zwei Monate später mit der Zahnbürste in der Hand in einem Hotelzimmer in Aspen, während die Stimme ihres Vaters aus dem Nebenzimmer drang. Vor einer Sekunde war sie noch überzeugt gewesen, Mom riefe an, ob alles in Ordnung sei, und das hatte sie froher gestimmt. Doch dann hörte sie ihn einen Namen sagen – Charlotte –, ehe er wieder die Stimme senkte.

»Nein, alles in Ordnung«, sagte er. »Sie ist gerade auf dem Klo.«

Plötzlich wurde Hadley am ganzen Körper kalt, und sie fragte sich, seit wann ihr Vater das Bad einfach »Klo« nannte, seit wann er an Hoteltelefonen mit fremden Frauen flüsterte, mit seiner Tochter in den Skiurlaub fuhr, als würde es ihm etwas bedeuten, als wäre es ein Versprechen, um dann in sein neues Leben zurückzukehren, als wäre nichts gewesen.

Sie trat näher an die Tür heran, ihre Füße wurden kalt auf den nackten Fliesen.

»Ich weiß«, sagte er jetzt ganz sanft. »Ich vermisse dich auch, Schatz.«

Natürlich, dachte Hadley und schloss die Augen. Natürlich.

Es half kein bisschen, dass sie Recht gehabt hatte; wann war davon je irgendwas besser geworden? Sie spürte, wie tief in ihr drinnen ein Groll seine Wurzeln schlug. Wie ein kleiner, harter, schäbiger Pfirsichkern, eine Bitterkeit, die sich nie wieder auflösen würde, da war sie sicher.

Sie trat von der Tür zurück, ihre Kehle verengte sich, ihr Brustkorb schwoll an. Im Spiegel sah sie, wie ihr Blut in die Wangen stieg, und in der Wärme des kleinen Badezimmers verschwamm alles vor ihren Augen. Sie krallte die Finger um den Waschbeckenrand, bis die Knöchel weiß wurden, und zwang sich zu warten, bis er aufgelegt hatte.

»Was ist denn los?«, fragte Dad, als sie endlich aus dem Bad kam, ohne ein Wort schnurstracks an ihm vorbei marschierte und sich auf eins der Betten fallen ließ. »Alles in Ordnung bei dir?«

»Mir geht’s gut«, hatte Hadley knapp geantwortet.

Aber am nächsten Tag war es wieder passiert.

Als sie am nächsten Morgen mit dem Fahrstuhl ins Foyer hinunterfuhren, schon warm eingepackt in ihrer Skikleidung, gab es einen heftigen Ruck, und sie blieben plötzlich stehen. Nur sie beide waren in der Kabine, und sie tauschten einen ratlosen Blick, ehe Dad die Achseln zuckte und auf den Notrufknopf drückte. »Blöder bescheuerter Fahrstuhl.«

Hadley starrte ihn wütend an. »Meintest du nicht blöder bescheuerter Lift?« Sie sprach den britischen Ausdruck verächtlich aus.

»Wie bitte?«

»Ach nichts«, murmelte sie und hieb wahllos auf die Tasten, die eine nach der anderen aufleuchteten, so wie in ihrem Inneren langsam die Panik aufstieg.

»Ich glaube, das wird nicht helfen …«, hob Dad an, aber er brach ab, als er merkte, dass irgendwas nicht stimmte. »Alles in Ordnung?«

Hadley zupfte am Kragen ihrer Skijacke, öffnete dann den Reißverschluss. »Nein«, sagte sie, und ihr Herz klopfte wild. »Ja. Weiß nicht. Ich will hier raus.«

»Es kommt sehr bald jemand«, sagte er. »So lange können wir nichts –«

»Nein, jetzt, Dad«, sagte sie in einem Anflug von Verzweiflung. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Aspen hatte sie ihn Dad genannt; bis dahin hatte sie mehr oder weniger vermieden, ihn direkt anzusprechen.

Ende der Leseprobe

INHALT

Cover

Jennifer E. Smith: Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick

Wohin soll es gehen?

Motto

Prolog

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Jennifer E. Smith

Ingo Herzke

Impressum