Love is War - Verlangen - R. K. Lilley - E-Book

Love is War - Verlangen E-Book

R. K. Lilley

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Beschreibung

Es ist Liebe. Es ist Krieg. Es ist Scarletts und Dantes Geschichte.

Scarlett hatte schon immer große Träume. Ihr Ziel war Hollywood. Aber in ihren wildesten Träumen hätte sie sich nicht ausgemalt, dass sie mit 28 Jahren pleite sein und in 10.000 Meter Höhe Drinks servieren würde. Sie war nichts als eine bessere Kellnerin über den Wolken. Und eines Tages saß er da, durchbohrte sie mit seinem heißen Blick und bestellte einen Gin Tonic. Es war Jahre her, seit sie ihn gesehen, seit er sie geliebt hatte. Dante wollte sie. Wieder. Und sie ihn. Sie würde mitspielen … aber dieses Mal war er an der Reihe. Sie würde IHN brechen. Denn letzten Endes ist Liebe Krieg.

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Seitenzahl: 387

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Das Buch

Scarlett hatte schon immer große Träume. Ihr Ziel war Hollywood. Eine schillernde Leinwandkarriere war ihr vorherbestimmt. Aber in ihren wildesten Träumen hätte sie sich nicht ausgemalt, dass sie mit 28 Jahren pleite und single sein und in 10 000 Meter Höhe Getränke servieren würde. Sie war nichts als eine bessere Kellnerin über den Wolken. Es war Jahre her, seit sie ihn gesehen hatte. Aber eines Tages saß er da, durchbohrte sie mit seinem Blick, bereit, alles von Neuem in Brand zu stecken. Dante wollte sie. Wieder. Na klar, sie würde mitspielen … aber dieses Mal war er an der Reihe. Sie würde IHN brechen. Denn letzten Endes ist Liebe Krieg.

Die Autorin

R. K. Lilley schreibt, seit sie denken kann. Aber sie hatte auch schon mehrere »normale« Jobs, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. U. a. arbeitete sie viele Jahre lang als Stewardess, und ihr war klar, dass sie eines Tages darüber schreiben würde. LOVE IS WAR ist ihre erste Serie bei Heyne.

R. K. LILLEY

LOVE IS WAR

Verlangen

ROMAN

Aus dem Amerikanischen von Sonja Häussler

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel Breaking Him.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Taschenbucherstausgabe 07/2017

Copyright © 2015 by R. K. Lilley

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Christiane Wirtz

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur GmbH, München unter Verwendung von FinePic®, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-21094-6V001

www.heyne.de

Dieses Buch ist zwei meiner liebsten Ladys auf der ganzen Welt gewidmet:Vilma, ich schätze mich jeden Tag glücklich, dich als Freundin zu haben. Du bist einer der freundlichsten und liebevollsten Menschen, die mir je begegnet sind. Du sorgst dafür, dass ich mich nicht so allein auf der Welt fühle, und unterstützt völlig ungeniert meine Shopping-Sucht. Ich liebe dich wie eine Verrückte.Anna Todd, du bist ein Rockstar und einfach großartig. Du inspirierst mich zum Schreiben wie keine andere. Du bist meine Muse, und ich bin dein größter Fan und werde es immer sein – versprochen. Ich lieb’ dich heiß und innig.

1

»Ich bin für den Sturm geboren, Flaute passt nicht zu mir.«

Andrew Jackson

HEUTE

Scarlett

Er war hier. Er war verdammt noch mal hier.

In diesem Flugzeug. Meinem Flugzeug. In meiner Kabine.

Wie konnte er es nur wagen?

Das war gegen die Regeln, und das wusste er, verdammt noch mal.

Aufgewühlt schlug ich mir immer wieder mit den zusammengerollten Unterlagen zu unserem Flug auf die Handfläche, als hätte ich einen nervösen Tick und könnte nicht damit aufhören.

»Oh, mein Gott«, murmelte Leona und spähte durch den Vorhang. »Was will der denn hier?«

Mich demütigen, lautete die Antwort, aber ich behielt sie für mich.

Dieser Mistkerl. Ich knirschte mit den Zähnen. Hörbar.

Leona richtete sich auf. Ihr freundlicher Blick war verständnisvoll, während sie mich eingehend musterte. »Ich übernehme dieses Mal die Kabine. Du kannst in der Bordküche bleiben. Dann brauchst du ihn nicht zu sehen.«

Leona war die Nummer zwei in unserem Flugbegleiterteam, und sie kannte mich gut genug, um über ihn Bescheid zu wissen.

Sie bildete den genauen Gegenpol zu mir: Sie war das brave Mädchen, ich das böse, sie war freundlich, ich oft bissig, sie war der Engel, ich der Teufel. Sie war die Friedensstifterin, während ich häufig aneckte. Sie war all das, was ich niemals sein würde. Dafür liebte ich sie und verehrte den Boden, auf dem sie ging.

Und sie wusste von Dante und mir und kannte unsere Geschichte. Sie war eine der wenigen, die beinahe alles wussten.

Ich schüttelte heftig den Kopf, um nicht weiter darüber nachzudenken. Er wusste, dass ich hier war, natürlich wusste er das. Aus irgendwelchen verkorksten Gründen saß er in diesem Flugzeug. Er hatte ein Ticket gekauft, nur um mich zu sehen. Aber ich würde ihm nicht die Genugtuung verschaffen und mir anmerken lassen, wie schwer es mir fiel, ihm gegenüberzutreten.

Stolz war schon immer meine beste Waffe gewesen, wenn es um Dante ging. Manchmal auch meine einzige Waffe, deshalb war sie tödlich scharf geschliffen.

»Ich schaffe das«, sagte ich zu ihr. Und das entsprach der Wahrheit. Es würde höllisch wehtun, aber ich kannte diesen Schmerz bereits.

Sie biss sich auf die Lippen und nickte. Sie war wahnsinnig lieb. Ich wünschte, ich könnte mehr wie sie sein, aber das gelang mir nicht. Ich hatte es ein-, zweimal versucht, mich damit aber nur lächerlich gemacht.

Leona war von Eltern aufgezogen worden, die sie abgöttisch liebten, in einer Welt, in der Freundlichkeit eine Tugend war.

Bei mir war es anders. Ich wurde von Kleinkariertheit und Geiz geformt, in einer Welt, die mich von Anfang an loswerden wollte und in der Härte der einzige Weg zum Überleben war.

»Ist er allein?«, fragte ich.

»Ich glaube schon. Bis jetzt jedenfalls.«

Sie sagte nicht ohne Grund bis jetzt. Als wir uns das letzte Mal begegnet waren, war er nicht allein gewesen, der Mistkerl.

Fairerweise muss gesagt werden, dass ich es wahrscheinlich nicht so persönlich hätte nehmen sollen. Er war selten allein.

Ich schlüpfte mit meinem Make-up-Beutel in den Toilettenraum, um mich ein wenig aufzuhübschen. Wie immer für die Arbeit hatte ich nur Lipgloss aufgelegt, aber für dieses Wiedersehen kramte ich nun meinen roten Lieblingslippenstift hervor.

Er hatte einen passenden Namen: Blood.

Keine andere Farbe kam infrage, wenn ich mich mit meinem Ex auseinandersetzen musste. Ich legte diesen Lippenstift auf, weil ich Blut sehen wollte.

Mir kam der Gedanke, dass ich diese Begegnung beinahe ebenso genoss, wie ich sie fürchtete. Das war nämlich nicht das erste Mal. Es passierte oft. Dante suchte mich, stellte mich zur Rede, wir bezogen beide Prügel und hinkten davon.

Normalerweise schrie ich ihm noch irgendetwas hinterher, während er mir schon den Rücken zuwandte.

Ein Teil von mir lebte dafür.

Mein gebrochenes Herz war nun schon sehr lange Zeit von Groll und Boshaftigkeit erfüllt, so lange und so vollständig, dass es daran zu ersticken drohte. Daher war es manchmal fast eine Erleichterung, ihm Luft zu verschaffen. Aber wie viel von seinem Leben konnte man dem Groll opfern?

Ich habe viel darüber nachgedacht.

Die Antwort war – in meinem Fall – traurig: viel zu viel. Große, mörderische Teile meines Lebens. Wichtige, existenzielle Teile.

Und alles wegen ihm. Dante, dieser Mistkerl.

Ich lockerte meine Krawatte und öffnete die drei obersten Knöpfe meiner Bluse, wodurch meine Uniform nicht mehr professionell, sondern mehr als nur einen Hauch von sexy aussah.

Ich besaß üppige Kurven. Eine schmale Taille, sinnliche Hüften, einen großartigen Hintern, ellenlange Beine und volle Brüste.

Ich hatte genau die Art von Körper, die ihn anzog wie ein Himmelfahrtskommando den Kamikazeflieger, deshalb würde ich diese Vorzüge natürlich gegen ihn einsetzen. Er hatte es nie geschafft, diesem Körper zu widerstehen, nicht ein einziges Mal in seinem ganzen Leben.

Ich schob meine Brüste nach oben und kniff mir in die Nippel, bis sie sich keck unter den Stoffschichten meiner Bluse und meiner Weste aufstellten.

Schnapp ihn dir, Tiger.

Ich lächelte mein Spiegelbild blutrünstig an und machte mich auf den Weg zurück in die Bordküche.

Der Vorhang war noch oben, aber Leona war draußen in der Kabine. Wahrscheinlich servierte sie gerade die erste Runde Champagner.

Ich schnappte mir mein Handbuch und machte eine rasche Durchsage. Dabei senkte ich die Stimme ein wenig zu einem geradezu verführerischen Schnurren. Und das tat ich aus einem einzigen Grund. Ich wusste, dass es bei ihm nicht ohne Wirkung bleiben würde. Ich wollte punkten, bevor ich überhaupt einen Blick auf ihn werfen musste.

Er besaß die Frechheit, in mein Territorium einzudringen.

Dafür würde er teuer bezahlen.

Ich reiste immer mit zwei Paar Schuhen. Eines hatte ich an den Füßen, das andere in meinem Handgepäck. Das eine hatte Arbeitsabsätze, das andere Killerabsätze. Die Arbeitsabsätze trug ich zur Arbeit, um bei den Routineaufgaben im Flugzeug in einer Höhe von über zehntausend Metern das Gleichgewicht halten zu können. Die Killerabsätze waren für die glamourösen Auftritte am Flughafen mit meiner Truppe umwerfender Mädels.

Na schön, okay, sie waren nicht glamourös. Nichts an dem Beruf der Flugbegleiterin war glamourös. Aber wir sorgten dafür, dass es so aussah, was meiner Meinung nach fast dasselbe war.

Ich riss meine Tasche aus dem Regalfach hinter meinem Notsitz und zog meine Killerabsatzschuhe heraus.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Die Schuhe mit den Arbeitsabsätzen waren nicht hässlich. Ich würde mich niemals in hässlichen Schuhen erwischen lassen. Sie waren aus schwarzem Lackleder, hatten knapp acht Zentimeter hohe Keilabsätze und eine süße kleine Schleife über den Zehen.

Aber jetzt war nicht die Zeit für süße Schuhe.

Ich wechselte in Rekordzeit das Schuhwerk und zog mir die knapp dreizehn Zentimeter hohen, zehenfreien roten Plateau-Stilettos an.

Meine Uniform war schlicht und elegant: schwarzer Bleistiftrock, weiße Bluse, schwarze Weste und Krawatte. Ich hatte jedes einzelne Teil maßschneidern lassen, damit die Uniform perfekt saß und meine Figur im besten Licht erscheinen ließ. In Kombination mit einem Paar sexy roter Stilettos sah ich einfach sagenhaft aus, das wusste ich.

Ich verstaute meine Tasche gerade wieder, als Leona in die Bordküche zurückkehrte.

»Ich habe die Speisekarten verteilt, aber der Champagner könnte nachgeschenkt werden«, teilte sie mir mit, dann eilte sie zurück in ihre eigene Bordküche, um sich auf den Start vorzubereiten.

In Ordnung. Ich war bereit.

Ich schnappte mir die offene Flasche Champagner und stolzierte hinaus in die Kabine.

Dabei summte ich Seven Nation Army vor mich hin.

Meinen Schlachtgesang.

Denn ich zog in den Krieg.

Ich schwankte ein wenig, als ich ihn sah, fing mich aber von einem Schritt zum nächsten wieder. Er wirkte niedergeschlagen, sein Blick war nicht auf mich gerichtet – Gott sei Dank, dann hatte er meinen Fehltritt wenigstens nicht bemerkt.

Sein Aussehen hatte mich schon immer fix und fertig gemacht.

Ich war ein dummes Ding mit einer Schwäche für Oberflächlichkeiten. Selbst jetzt, nach allem, was wir uns gegenseitig angetan hatten, berührte mich sein schönes Gesicht.

Er sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Sein Anblick war für mich ein Schlag in die Magengrube und riss mir einmal mehr das Herz heraus. Auf mich wirkte er immer wie der gut aussehende Schurke. Er sah verdammt attraktiv aus mit seinem goldenen Haar, den ozeanblauen Augen und dem ständigen Bartschatten um sein Kinn. Seine Augenbrauen waren ein paar Nuancen dunkler als seine Haare. Das stach einem gleich ins Auge und machte ihn interessant. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig und markant, mit schrägen Augen und einem sinnlichen Mund. Wenn man ihn ansah, kamen einem sofort Worte wie unheilvoll oder zwielichtig in den Sinn.

Vielleicht lag es ja auch an mir.

Er war außerordentlich groß – so groß, dass es sogar auffiel, wenn er saß. Wenn er aufstand, überragte er mich, selbst wenn ich meine Killerabsätze anhatte.

Er hatte breite Schultern, war muskulös, aber dabei schlank genug, um in den unsäglich teuren Anzügen, die er oft trug, elegant auszusehen.

Optisch war er genau mein Typ. Für zwielichtig aussehende Männer hatte ich einfach eine Schwäche.

Noch etwas, woran allein er schuld war.

»Dante«, schnurrte ich lächelnd, als ich neben ihm stand. »Was verschafft mir die Ehre deines unliebsamen, unwillkommenen Besuchs?«

Er hatte auf sein Handy hinuntergeschaut, während ich mich genähert hatte, doch beim Klang meiner Stimme atmete er tief ein. Dann hielt er einen langen Augenblick die Luft an, bevor er sie wieder ausstieß und einen weiteren Moment wartete, um mit seinen meerblauen Augen zu mir aufzublicken.

Oh, süße Qual.

Vor diesem Moment fürchtete ich mich immer am meisten. Wenn sich unsere Blicke trafen und mir alles – jeder schreckliche, wunderbare, schmerzliche, hässliche, zauberhafte, qualvolle, zerstörerische, schmutzige Moment zwischen uns – wieder in den Sinn kam.

Es war schon schlimm genug, wenn ich ihn nicht sehen musste. Aber wenn ich ihn sah … diese köstlichen Qualen mit einem Hauch von Lust, so konzentriert, so unbarmherzig rein, dass sie mein Leben ruiniert hatten.

Mein Herz war gebrochen.

Meine Seele ausgeweidet. Was von dieser armseligen Seele noch übrig gewesen war, hatte ich selbst ausgekratzt, in kleine Teilchen zersägt und weit hinter mir gelassen.

»Hallo Scarlett«, erwiderte er mit dieser klangvollen Stimme, die ich abgrundtief hasste. Sie hatte ein sehr tiefes Timbre und war einfach unwiderstehlich. So unwiderstehlich, dass sie einen fast schon beherrschen konnte. Wenn sie wärmer wurde, wurde auch mir wärmer. Wenn sie kühler wurde, fror ich. Seine Stimme war ein schmutziger Trick. Eine unfaire Waffe.

Am liebsten hätte ich ihm die Hände um die Kehle gelegt, um sie unschädlich zu machen.

Nun ja, um ehrlich zu sein, hätte ich ihn aus zahlreichen Gründen am liebsten erwürgt. Einige fielen mir auf der Stelle ein, nicht zuletzt der, dass der Gedanke daran mich anturnte.

»Wie schmeichelhaft, dass du dich dazu herablässt, mit einer kommerziellen Airline zu fliegen, nur um mir den Tag zu ruinieren.« Meine Stimme triefte vor Gehässigkeit.

»Wie schmeichelhaft, dass du meinetwegen extra deinen roten Lieblingslippenstift aufgelegt hast«, entgegnete er seinerseits mit einem blutrünstigen Lächeln.

Scheiße.

Ein Punkt für den Mistkerl. Er musste schon einen Blick auf mich erhascht haben, bevor ich ihn aufgetragen hatte, sonst wäre ihm der Unterschied nicht aufgefallen.

Sein Blick wanderte zu meinen Füßen hinunter, und ein Hauch von einem Lächeln umspielte seine Lippen. »Und dann noch die Schuhe. Ich fühle mich mehr als geschmeichelt. Deine Bemühungen bleiben nie unbeachtet, mein Engel.«

Noch ein Punkt.

Um fair zu sein, sogar zwei.

Mein Engel. Der Mistkerl.

Ich konnte mir mein »Leck mich«-Lächeln kaum verkneifen.

So nannte er mich nicht, weil ich so engelsgleich war. Offensichtlich meinte er es ironisch. Er hielt mich für den Teufel, und was ihn anging, war ich das auch.

Aber das war nicht der Grund, weshalb mich seine Worte trafen. Es schmerzte, weil es ein sehr alter Spitzname war, aus den Tagen, als wir einfach nur dumm und verliebt gewesen waren und er es tatsächlich so gemeint hatte.

Früher einmal war ich sein Engel gewesen. Die Erinnerung daran war aber nur ein weiterer Grund, weshalb ich ihm liebend gern den Hals umgedreht hätte.

»Noch Champagner?«, bot ich ihm an, während ich die Flasche hochhob und mich fragte, ob es den anderen Passagieren wohl auffallen würde, wenn ich sie ihm stillschweigend über den Kopf kippen würde.

Er schaute weg, und ich sah, wie er verächtlich den Mund verzog.

Ich knirschte mit den Zähnen.

Es war beschissener Champagner, billiger als der, an den er gewöhnt war, und er konnte seine Abneigung nicht verbergen.

Gott, er war ja so ein Snob, und das hasste ich am meisten an ihm. Es stand ganz oben auf einer sehr langen Liste.

»Oh, ist dir die Marke zu zweitklassig? Du armer Kerl. Darüber solltest du auf deinem Blog schreiben: totalverzogeneroberklassesprössling.com.«

Jetzt waren wir an dem Punkt angelangt, an dem er einen schneidenden Kommentar darüber abgeben würde, dass ich aus einer Wohnwagensiedlung stammte, oder er mir vorhalten würde, wie tief ich gesunken war, weil ich in einem Flugzeug Getränke ausschenkte, oder an dem er hinterhältig nachfragen würde, wie meine gescheiterte Schauspielkarriere lief.

So funktionierte unser kleines Spiel.

Aber er tat es nicht.

Er hob nur seinen mit einem Mal sehr müden, traurigen Blick zu mir und sagte: »Wir müssen reden, Scarlett.«

Das brachte mich so richtig in Fahrt. Hier saß er nun, verschwendete meine Zeit, und dann erhielt ich von ihm nicht mal die Reaktion, die ich wollte.

Streichen Sie das.

Die Reaktion, die ich brauchte.

»Oh ja, klar«, sagte ich leichthin. Ich tat, als wäre ich abgelenkt, und ließ den Blick demonstrativ durch die Kabine schweifen, um ihn wissen zu lassen, dass er meiner Aufmerksamkeit kaum wert war. »Dann mal los. Rede.« Ich schnippte mit den Fingern. »Aber beeil dich. Es ist immer noch genug Zeit, deinen privilegierten Hintern aus dem Flugzeug zu schwingen, bevor wir die Türen schließen.« Meine Stimme klang abweisend und gelangweilt.

»Nicht hier«, presste er hervor. An seinem angespannten Tonfall konnte ich erkennen, dass ich ihn reizte.

Treffer – noch ein Punkt für mich und meine vorgetäuschte Lässigkeit.

Ich wusste ganz genau, welche Knöpfe ich bei ihm drücken musste. Ich hatte sie so lange gedrückt, bis mir die Finger abgefallen oder er weggegangen war.

Ich bemerkte, wie eine meiner anderen Kolleginnen, Demi, mir einen seltsamen Blick aus der Touristenklasse zuwarf.

Verdammt, ich hatte einen Moment lang völlig vergessen, dass ich gerade arbeitete. Ich würde in den nächsten fünf Minuten mindestens hundert Sachen erledigen müssen. Ich hatte jetzt keine Zeit, diese Hasstirade zu genießen.

»Entschuldige mich«, sagte ich kalt zu Dante, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, und ging weg.

2

»Warum sollte man ihnen nur mit Federn auf die Hand schlagen, wenn man ihnen mit dem Vorschlaghammer eins über den Schädel ziehen kann?«

Katherine Hepburn

Als ich die Bestellungen fürs Abendessen aufnahm, sprach ich ihn wieder an. Auf meiner ersten Runde hatte ich ihn ausgelassen und war erst zu seinem Sitz gegangen, als alle anderen versorgt waren. Bei jedem anderen Fluggast hatte ich höflich gefragt, was er von der Speisekarte wünschte.

Dante bekam wie immer eine Sonderbehandlung von mir.

»Alles außer Huhn ist aus«, sagte ich rundheraus. »Nimm es, oder lass es sein, Prinzessin.«

Verdammt, jetzt hatte ich es übertrieben. Es brachte ihn tatsächlich zum Lächeln.

»Ich nehme es«, sagte er und klang belustigt.

Ich hasste es, wenn er belustigt klang. Dann würde ich nämlich am liebsten lächeln – und ihm perverserweise gleichzeitig einen stumpfen, schweren Gegenstand über den Schädel ziehen.

»Schön, dich zu sehen, Scarlett.« Der Mistkerl schaffte es sogar, so zu klingen, als würde er das ernst meinen. »Du siehst wie immer überwältigend aus. Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?«

Halt die Klappe, hätte ich am liebsten gesagt. Sprich nicht weiter.

Lass mich einfach in Ruhe.

Für immer.

Aber niemals würde ich irgendwas davon aussprechen. Es würde sich anfühlen, als würde ich ihn gewinnen lassen.

Und wenn er gewann, würde ich verlieren.

Ich hatte genug verloren.

»Hervorragend«, stieß ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»Ich habe diese Werbung gesehen, die du gemacht hast. Die für Bodylotion. Du warst echt gut.«

Er machte sich natürlich über mich lustig.

»Leck mich«, sagte ich leise.

Er zog die Augenbrauen zusammen und sah mich aus seinen hellen Augen an. »Das war nicht sarkastisch gemeint. Du warst gut. Schön. Bezaubernd. Charismatisch. Ich würde jede Menge Geld darauf wetten, dass du einige Angebote bekommst, weil du die Hüllen hast fallen lassen.«

»Was für Angebote denn? Sag schon. Lass hören? Als Stripperin? Als Prostituierte?«

Er seufzte. »Für eine Rolle. Gott, du machst es einem aber auch nie leicht. Ich habe gerade versucht, dir etwas Nettes zu sagen.« Er klang aufrichtig.

»Warum?« Mein Tonfall war unverhohlen feindselig.

Sein Mundwinkel zuckte. Er sah mich eindringlich an, als er leise antwortete: »So verrückt das auch ist – ich vermisse dich.«

Er klang, als meinte er es auch so.

Das machte mich wahnsinnig aggressiv. Ich kam so aus dem Konzept, dass ich nicht an mich halten konnte und mir ein leises, aber vehementes »Fick dich« nicht verkneifen konnte.

Ich drehte auf dem Absatz um und stürmte davon.

Noch ein Punkt für den Mistkerl.

Lassen Sie sich nichts vormachen. Dante konnte ein Charmeur sein, aber er war genauso schwierig wie ich. Dies war kein Szenario, in dem ich einen netten, verliebten Mann quälte.

Ich hatte ein paar nette Männer gequält, Herzen gebrochen und Träume zerstört. Männer waren wie Sandsäcke, und ich hatte einen mörderischen rechten Haken. Doch (leider) gehörte keines dieser gebrochenen Herzen Dante. Sein Herz war schwarz und kalt und bestand aus härterem Material als die meisten anderen.

Ich hatte es einmal versucht und alles darangesetzt. Rechtschaffene Wut hatte mich dazu getrieben, im Namen der Rache ein paar schreckliche Dinge zu tun. Mein einziges – und völlig aussichtsloses – Ziel war es gewesen, sein schwarzes Herz unter meinen Absätzen zu zermalmen, aber am Ende hatte ich mir selbst mehr geschadet als ihm.

Damit will ich nicht sagen, dass ich nicht in der Lage wäre, ihm wehzutun. Das kann ich sehr wohl und habe es auch schon viele Male getan.

Aber es war nie genug.

Es würde erst reichen, wenn er ein ebenso gebrochener Mensch wäre wie ich selbst.

Ich versuchte, ihn für die Dauer des Fluges, so gut es ging, zu ignorieren, aber es war nicht möglich, ihn so richtig vor den Kopf zu stoßen. Immerhin wurde ihm alles ganz zuletzt und mit diversen Unverschämtheiten serviert.

Ich grinste höhnisch, als ich ihm sein Essen brachte. Es war verbrannt. Ich hatte es zehn Minuten länger im Ofen gelassen. Absichtlich.

»Danke«, sagte er fröhlich zu mir. Ich spürte, wie sein Blick mein Gesicht musterte, aber ich weigerte mich, ihn anzusehen. »Würde ein Gin Tonic zu viele Umstände bereiten?«

»Ja«, sagte ich knapp und stürmte davon.

Doch als ich wieder in der Bordküche war und das Champagnerglas eines anderen Passagiers auffüllte, fiel mir wieder ein, wie sehr es mir gefiel, ihn sturzbesoffen zu sehen. Also machte ich ihm einen dreifachen Gin im größten Glas, das ich finden konnte, und gab einen lächerlichen Spritzer Tonic dazu. Ich nahm keine Eiswürfel, rührte nicht um und steckte keinen Strohhalm hinein. Wir hatten zwar Limetten, aber auch die sparte ich mir.

Ich wollte, dass es ein bitteres Getränk war. Er sollte die Gefühle, die er bei mir auslöste, ruhig schmecken.

Allein der Gedanke, ihn betrunken zu machen, versetzte mich in Hochstimmung, entschädigte mich für die Niederlage in der Runde zuvor und bestärkte mich wieder in dem Entschluss, dieses Spiel weiterzuspielen.

Mit einem strahlenden Lächeln reichte ich ihm den bitteren Drink.

Er beäugte es misstrauisch. »Was ist das?«

»Dein Gin Tonic. Trink.«

Er prostete mir leicht zu und nahm einen Schluck. Sein Blick blieb dabei auf mich gerichtet, deshalb sah ich, wie er die Augen zusammenkniff, als er den vollen Geschmack registrierte.

»Schmeckt er nicht?«, fragte ich ihn neckisch. »Zu stark für dich? Brauchst du etwas Schwächeres?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, schon gut. Ich werde ihn trinken. Fast hätte ich vergessen, wie sehr du es liebst, mich ohne triftigen Grund betrunken zu machen.«

»Wenn du immer noch dieses Gespräch über weiß Gott was führen willst, das du vorhin erwähnt hast, dann ja – dann wäre es mir lieber, wenn du betrunken bist. Dann bist du umgänglicher.«

»In Ordnung.«

»Und cleverer.«

»Echt?«

Nein. Das war eine Beleidigung, du Arsch.

Ich hasste es, wenn er nicht mitspielte.

»Absolut. Du bist sogar richtig lustig, wenn du betrunken bist. Himmel, mit einem Schwips bist du fast so etwas wie ein Mensch.«

Er zuckte zusammen. Das hatte gesessen.

Treffer. Ein Punkt für mich.

Ich drehte eine weitere Runde durch die erste Klasse, dann eine schnellere durch die Touristenklasse. Auf Abendflügen ist man nonstop beschäftigt, und noch nie war ich darüber so froh wie auf diesem Flug.

Auf meinem Weg zur vorderen Bordküche kam ich wieder an ihm vorbei. Er nippte an seinem Glas Gin-ohne-alles.

Das würde nicht reichen.

Ich mixte ihm noch einen Drink und servierte ihn mit einem Lächeln, das nur aus Zähnen bestand.

Ich stellte das zweite Glas neben das erste.

Er blickte sie an, danach mich.

»Oh, tut mir leid. Soll ich noch einen Sauger zum Nuckeln bringen?«

Er lachte.

»Du hast früher getrunken wie ein Mann«, sagte ich unbeirrt.

Er trank das erste Glas aus, wobei er die ganze Zeit den Blick auf mich geheftet hielt.

Das war auch so eine Sache, die ihn ausmachte: Er schreckte selten vor einer Herausforderung zurück.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das zu den vielen Dingen zählt, die ich an ihm hasste, aber frustrierenderweise traf das nicht zu. Diese Eigenschaft hatte mich gerettet, als wir Kinder waren. Wer weiß, durch welche Hölle ich noch hätte gehen müssen ohne seine verdammte Dickköpfigkeit.

Ich nahm das leere Glas mit und wollte es gleich wieder nachfüllen.

Als ich zurückkam, war der zweite Drink fast leer.

Wortlos stellte ich den dritten vor ihn hin.

Ich behielt ihn im Auge und servierte den vierten, als er mit dem dritten fertig war. Und dann den fünften.

»Du machst das mit Absicht.« Selbst wenn er hackedicht war, lallte er kaum. Aber ich erkannte die Zeichen. Er war extrem betrunken.

Treffer. Noch ein Punkt für mich.

Den Rest des Fluges war ich beschäftigt, und Dante war weiterhin betrunken.

Wir waren gerade dabei, aus dem Flugzeug auszusteigen, als mir einfiel, dass er das vielleicht gar nicht ohne Hilfe schaffen würde. Alle Passagiere waren schon weg, nur er saß immer noch schwankend auf seinem Platz.

»Was sollen wir mit ihm machen?«, fragte Demi, die Jüngste in unserer Crew. Sie war ein liebes kleines Ding, und irgendwie nervte es mich bei ihr gar nicht, dass sie so nett war.

Das Kabinenpersonal stand schon an der Tür, bereit zum Gehen, und die Piloten warteten auf der Gangway auf uns.

Alles, was uns noch aufhielt, war dieser Mistkerl.

»Er ist heiß«, sagte Farrah, die in der hinteren Bordküche arbeitete. »Den würde ich gern vernaschen.«

»Er ist zu betrunken«, bemerkte Demi. »Das wäre Vergewaltigung.«

»Ich mache es ja nicht«, sagte Farrah mit einem schiefen Grinsen.

»Sollen wir einen Sanitäter holen?«, fragte Leona, während sie ihn betrachtete. »Das erfordert eigentlich das Protokoll bei diesem Ausmaß an Trunkenheit am Boden.«

Ich verdrehte die Augen. »Nein. Ich kümmere mich um den Wichser.«

Ich seufzte verärgert und ging auf ihn zu. »Wir sind gelandet«, sagte ich streng zu ihm. »Schwing deinen besoffenen Hintern aus dem Flieger.«

Schwankend stand er auf.

»Wir müssen immer noch reden«, artikulierte er langsam.

»Wenn du dieses Flugzeug nicht ohne fremde Hilfe verlassen kannst, rufen wir einen Sanitäter für dich«, sagte ich kalt.

Ja, ich war für seinen Zustand verantwortlich. Das hieß aber nicht, dass ich ihm helfen würde.

Er nickte ruckartig und wollte an mir vorbeigehen.

Ich erstarrte, als er sich im Gang an mir vorbeidrückte. Dabei näherte er sich mit seinem betrunkenen Gesicht meinen Haaren und atmete tief ein.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten, doch er entfernte sich von mir, noch bevor ich irgendetwas Sinnvolles tun konnte – ihm ins Gesicht schlagen oder so.

Ich nahm seine Sachen aus dem Fach über seinem Sitz. Wenigstens hatte er nicht viel dabei, nur ein kleines Handgepäckstück, das so gut wie nichts wog.

»Wir haben deine Taschen unter uns aufgeteilt«, rief mir Leona zu. »Du nimmst das, und wir kümmern uns um dein Zeug.«

Die Mädchen verließen nacheinander hinter dem volltrunkenen Dante das Flugzeug. Ich war die Letzte, die auf die Gangway hinaustrat. Dante war schon auf einem Stuhl geparkt worden, als ich die anderen einholte.

»Was sollen wir mit ihm machen?«, fragte mich der Kapitän. Als leitende Flugbegleiterin fiel Dante tatsächlich in meinen Zuständigkeitsbereich.

Ich stellte Dantes Tasche neben ihm ab. Er starrte mich an, aber ich gönnte ihm nicht einen einzigen direkten Blick. Dann wandte ich mich meiner Crew zu, die mich erwartungsvoll ansah. »Wir lassen ihn hier. Er ist ein großer Junge und kann sich allein durchschlagen.«

Ich erntete ein paar seltsame Blicke, aber alle wollten Feierabend haben, deshalb widersprach niemand.

»Diese Runde geht an dich!«, rief Dante mir nach. »Aber ich werde dich wieder finden!«

Ich ging ganz hinten in unserer Truppe und verlangsamte meinen Schritt nicht, als ich die Hand hob und ihm zum Abschied einen einzigen ausdrucksstarken Finger zeigte.

3

»Er ist mehr ich, als ich es selber bin. Woraus auch immer unsere Seelen gemacht sind – seine und meine sind aus demselben Stoff.«

Emily Brontë

DAMALS

Wir hatten zum ersten Mal vor dem Büro der Konrektorin wirklich miteinander geredet, als wir in der vierten Klasse waren.

Man hatte uns beide beim Raufen erwischt.

Wir waren uns an diesem Tag nicht zum ersten Mal begegnet, hatten auch nicht zum ersten Mal gezwungenermaßen Zeit miteinander verbracht, aber ich erinnerte mich sehr gut daran, dass mir damals zum ersten Mal aufgefallen war, dass wir uns ähnlich waren. Ich erkannte, dass es da noch ein anderes Kind wie mich gab, jemanden, der all die Wut und die Unsicherheit nachvollziehen konnte, die ich jede Sekunde des Tages mit mir herumschleppte.

Äußerlich waren wir in fast jeder Hinsicht genau das Gegenteil voneinander.

Ich war dürr. Er war gut gebaut.

Meine Kleider waren zu klein und abgetragen, seine passten ihm perfekt und sahen in meinen jungen, ungeübten Augen so teuer aus, dass ich es nicht gewagt hätte, sie mit meinen schmutzigen Händen anzufassen.

Sogar seine Haare waren perfekt. Nicht so kurz wie die der anderen Jungen, aber auch nicht lang, mit Gel gestylt und seitlich gescheitelt. Kein anderer Junge frisierte sich jeden Tag vor der Schule wie ein Erwachsener.

Ich selbst hatte lange, zerzauste Haare – ein Durcheinander, das ich tagelang nicht kämmte.

Er roch nach Seife, ein raffinierter Duft, irgendwie würzig und sehr angenehm.

Ich roch einfach.

Er war stinkreich.

Ich war bitterarm.

Aber wir hatten einige wenige, jedoch entscheidende Gemeinsamkeiten: eine negative Einstellung und ein aufbrausendes Temperament.

Ich kam schon mit einem Komplex zur Welt und war deswegen wahnsinnig empfindlich. Meine harte Seite war viel dominanter als meine weiche. Und wenn sie tatsächlich mal zum Vorschein kam, war ich deswegen doppelt vorsichtig und sofort bereit, sie zu verteidigen. Mit aller Härte und jederzeit.

Aus diesem Grund hatte ich auch diese dumme Ziege an den Haaren gezogen, bis ich dicke Strähnen davon ausgerissen hatte. Sie sollte es bereuen, meine schwache Seite getroffen zu haben.

Ich blickte auf meine Hände hinunter. Noch immer hielt ich ein paar lange blonde Strähnen fest – das hatte ich zuvor gar nicht gemerkt. Ich sah mich um und ballte die Haare zu einem Knäuel zusammen, das ich hinter meinen Stuhl fallen ließ.

Als würde das zu diesem Zeitpunkt noch eine Rolle spielen. Ich war ja eh schon erwischt worden.

Und ich bereute nichts. Die dumme Göre hatte es verdient.

Aber Junge, Junge – dieses Mal war ich fällig. Meine Großmutter würde dafür sorgen, dass ich es bereute, schon wieder die Beherrschung verloren zu haben, daran gab es keinen Zweifel.

»Hast du dich auch wieder geprügelt?«, fragte ich Dante.

Wir redeten selten miteinander. Er löste ihn mir gemischte Gefühle aus. Meine Großmutter arbeitete für seine Mom, und er war mir gegenüber immer ziemlich reserviert. Na ja, eigentlich war er das jedem gegenüber.

Seine Familie hatte mehr Geld als irgendjemand anderes hier. Ich dachte damals, er würde vielleicht glauben, dass wir alle unter seiner Würde wären.

Ich war mir ziemlich sicher, dass er ein Snob war.

Er grunzte nur als Antwort.

»Warum?«, fragte ich nach. Ich verspürte ihm gegenüber einen seltenen Anflug von Freundlichkeit. Auch er war nicht zum ersten Mal dabei erwischt worden war, wie er sich prügelte. Deswegen mochte ich ihn. Vielleicht empfand ich ihm gegenüber sogar ein wenig Respekt. Ich wurde sehr oft beim Raufen erwischt. So oft, dass ich dieses Mal bestimmt von der Schule fliegen würde.

Ohne mich anzuschauen, zuckte er mit den Schultern.

»Haben sie sich wieder über dich lustig gemacht, weil du so reich bist?«, fragte ich ihn und ließ sein Gesicht nicht aus den Augen.

Er zuckte mit den Schultern.

»Haben sie sich wieder über deine schönen Haare lustig gemacht?« Ich versuchte, sanft zu klingen, damit er wusste, dass ich ihn nicht runtermachen wollte.

Endlich sah er mich an. Die Wut in seinen hellen Augen berührte mich tief im Inneren.

Ich war mir ziemlich sicher, dass er sauer auf mich war, weil ich das gesagt hatte, aber dieser Gesichtsausdruck, diese Augen, das Gefühl, das er in mir hervorrief – das alles war spannend. Magisch. Als hätte ich plötzlich eine Aufgabe für mich entdeckt. Ein schillerndes neues Abenteuer. Etwas, das mir einen Daseinszweck schenkte.

Ich lächelte ihn an. »Ich mag deine Frisur. Ich finde, sie sieht echt schön aus. Diese kleinen Scheißer« – ich war stolz auf mich, dass ich ein gutes Schimpfwort für ihn aus dem Hut zaubern konnte – »wünschten doch nur, sie hätten deine Haare. Sie wünschten sich, sie hätten irgendetwas von dir an sich.«

Er presste den Kiefer zusammen, und ich dachte mir, wie gut aussehend er doch war. Niemand konnte ihm das Wasser reichen. Sein ernstes Gesicht war makellos.

»Nichts von dem, was sie sagen, sollte dir etwas ausmachen«, fuhr ich fort. »Du bist besser als sie.«

»Dasselbe gilt für dich«, erwiderte er schließlich. »Dir sollte auch nichts von dem, was sie sagen, etwas ausmachen.«

Ich strahlte ihn offen an. Ich hatte noch nie zuvor gespürt, dass sich mein Gesicht auf diese Weise bewegte, als könnte es gar nicht breit genug lächeln.

»Ich mag deine Oma«, sagte ich, und das stimmte auch. Sie gab mir immer Süßigkeiten und sagte, dass ich hübsch sei. Sie war die netteste Erwachsene, der ich je begegnet war.

»Gram mag dich auch«, erwiderte er. Seine Stimme klang nicht so, wie ich sie sonst kannte. Normalerweise brüllte er Leute an. Aber wenn er leise redete, klang seine Stimme richtig schön. Ich beschloss, dass mir das gefiel. Sehr sogar.

»Willst du wissen, warum ich mich geprügelt habe?«, fragte ich ihn. Ich wollte ihm die Geschichte erzählen. Ich wollte, dass er davon beeindruckt war.

Tatsache war jedoch, dass es nicht viel brauchte, um mich in eine Prügelei zu verwickeln.

Großmutter sagte immer, dass ich ein kratzbürstiges kleines Ding sei. Sie war keine Freundin schöner Worte, aber selbst ich wusste, dass man das Ganze nicht noch mehr hätte beschönigen können.

Ich war ein fieser, hasserfüllter kleiner Kotzbrocken.

Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, warum. Was mich angeht«, sagte er auf die ihm eigene Art und Weise, als wüsste er nur, wie man mit Erwachsenen spricht, »so hattest du jedes Recht, es zu tun.«

Mir schwoll vor Stolz die Brust. Nicht ein einziges Mal in meinem ganzen erbärmlichen Leben hatte mich jemand derart ermutigt, schon gar nicht für etwas, von dem selbst ich wusste, dass es ungezogen war.

Ich mochte ihn wirklich sehr, als er so mit mir sprach.

Ich klappte den Mund auf, um etwas zu ihm zu sagen – keine Ahnung, was, aber es müsste etwas Gutes sein, etwas Ermutigendes, um ihm ein ähnlich positives Gefühl zu geben wie er mir gerade.

Doch in diesem Moment tauchte seine Mom auf.

Sofort schloss ich den Mund wieder und schaute weg. Sie schüchterte mich ein, und ich wollte ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich lenken.

Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Sie sah mich gar nicht, ihr missbilligender Blick galt allein ihrem aufrührerischen Sohn.

»Fang gar nicht erst an, ich will es nicht hören«, murrte er, bevor sie überhaupt etwas sagen konnte.

Ich riss die Augen auf. In meiner Welt waren Erwachsene Furcht einflößend, und man widersprach nicht, wollte man keine Ohrfeige riskieren, dass einem die Ohren klingelten. Höchstens anderen Kindern gegenüber konnte man sich widersetzen.

Aber sie ohrfeigte ihn nicht. Sie starrte ihn nur ein paar Sekunden lang an, dann fingen ihre Lippen an zu beben, und sie wandte sich ab.

Meine Augen wurden noch größer. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn an diesem Tag noch mehr mögen könnte, doch genau das hatte er geschafft. Er war knallhart, und das liebte ich.

Als die Konrektorin ihn und seine Mom in ihr Büro bat, warf er mir einen raschen Blick zu. Auf seinen Lippen lag ein kleines verschwörerisches Lächeln.

Ich war hin und weg. Mir fiel in diesem Moment wirklich niemand ein, der mich mehr beeindruckte. Ich wollte in seiner Nähe sein, ihm seine Geheimnisse entlocken.

Wie konnte es sein, dass er keine Ohrfeige kassiert hatte, als er so mit seiner Mom sprach? Wie kam es, dass er sie stattdessen zum Weinen gebracht hatte?

Knallhart.

Die Konrektorin, Ms. Colby, machte sich nicht die Mühe, die Tür zu schließen. Wahrscheinlich war es einfach unwichtig, dass ich hier draußen stand, aber was immer der Grund war, ich konnte völlig ungeniert lauschen, wie seine Mutter und die fiese Schlange, die unsere Konrektorin war, versuchten, ihn herunterzuputzen.

»Ms. Colby«, begann seine Mutter das Gespräch mit ernster Stimme. Die Tränen waren verschwunden, stattdessen klang ihre Stimme jetzt verächtlich. »Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie das hier tun wollen? Warum haben Sie meinen Sohn wegen einer Prügelei in Ihr Büro gerufen? Er bekommt Schwierigkeiten, und dieser andere Junge, dieser Rotzlöffel, hat keinerlei Konsequenzen zu befürchten? Haben Sie irgendeine Ahnung, wie sehr unsere Familie diese Schule unterstützt?«

»Der andere Junge, Arnold, hat sich nicht gewehrt.« Die fiese Ms. Colby stieß ihre Worte gepresst hervor, sie war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Ich kannte diesen Tonfall gut. Ich war oft genug der Grund dafür gewesen, dass sie ihn benutzte. »Dante hat angefangen«, fuhr sie fort. »Er hat Arnold schlimm zugerichtet, und wussten Sie schon, dass sich Ihr Sohn nie entschuldigt? Wie soll ich Ihrer Meinung nach damit umgehen? Er war gewalttätig, und jetzt verspricht er mir nicht mal, es nicht wieder zu tun!«

Dantes Mom versicherte Ms. Colby lang und breit, dass das natürlich niemals wieder passieren würde, und dass Dante das alles selbstverständlich leidtue.

Sie klang sehr überzeugend, bis sie zu dem Teil kam, in dem sie ihren Sohn fragte: »Nicht wahr, Dante? Versprich Ms. Colby, dass das nicht wieder vorkommen wird. Das ist ganz einfach. Sag, dass es dir leidtut, und wir können die Sache vergessen.«

Ich verzog verächtlich den Mund und schmollte. Das Ganze kotzte mich an. Er würde sich entschuldigen und ungeschoren davonkommen, aber ich nicht. Meine Bestrafung würde bald beginnen und nie enden. Außerdem bröckelte mein Bild von Dante als knallhartem Kerl, je länger ich seiner Glucke von Mutter zuhörte.

»Nein!«, knurrte Dante zurück. »Der kleine Wichser hat es verdient, und ich würde es jederzeit wieder tun!«

Ich grinste von einem Ohr zum anderen. Alle meine Zweifel an ihm waren verflogen.

»Was hat dir dieser Junge angetan, mein Sohn?«, fragte seine Mutter verärgert. Sie griff nach jedem Strohhalm, um ihr Kind von jedweder Schuld zu entlasten.

»Es liegt daran, wie er redet. Sie alle reden so. Die Lehrer hören es, und es ist ihnen egal – und die kommen damit durch, obwohl sie totale Drecksäcke sind. Ich habe das so satt! Es tut mir nicht leid, und ich werde es wieder tun!«

»Liebling, was hat er denn zu dir gesagt?«, fragte ihn seine Mutter in einem albernen Ton, als spräche sie mit einem Baby. Die gleiche Stimme wurde einen Moment später stahlhart, und ich wusste, dass sie sich nun wieder an Ms. Colby wandte. »Angriffe können auch durch Worte geführt werden! Ich werde nicht zulassen, dass mein Sohn gemobbt wird. Er hat das Recht, für sich selbst einzustehen!«

Ms. Colbys Stimme war mehr als nur angewidert, als sie fragte: »Was unterstellst du den anderen, was haben sie zu dir gesagt, Dante?«

»Nicht zu mir. Ich habe es nur mitbekommen. Und zwei Lehrer auch. Aber anstatt die kleinen Drecksäcke dafür zur Rechenschaft zu ziehen, haben sie gelacht! Sie sind echt das Letzte! Was für eine Schule ist das denn hier? Die Lehrer sind so schlimm wie die mobbenden Schüler!«

Ms. Colbys Seufzer war so laut, dass man ihn zwei Zimmer weiter hören konnte. »Und was genau hast du mitbekommen?«

»Das wissen Sie doch selbst«, brüllte Dante sie an. »Sie sind genauso schlimm wie die. Sie wissen, wie die anderen Kinder sie behandeln, und schauen weg. Ich aber nicht. Ich werde es wieder tun. Merken Sie sich das.«

Knallhart.

Aber von wem redete er da? Wer war sie?

»Was meint er damit, Ms. Colby?«

Noch ein lauter Seufzer. Ich hasste ihre Seufzer wirklich. Ich musste sie mir verdammt oft anhören.

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Ms. Colby ausweichend, doch obwohl ich in einem anderen Raum war, hörte sie sich wie eine Lügnerin an.

»Sie lügen«, sagte Dante zu ihr. Zu einer Lehrerin. Zu niemand Geringerem als der Konrektorin.

Knallhart.

»Würde mir das bitte jemand erklären!«, rief Dantes Mutter.

»Sie haben wieder auf Scarlett herumgehackt«, sagte er. Seine Stimme war jetzt leiser, so leise, dass ich näher an die Tür treten musste, um ihn zu hören. »Das tun sie ständig. Sie nennen sie Müllmädchen. Das ist echt scheiße. Und niemand tut etwas dagegen! Nicht die Lehrer. Und auch nicht die Konrektorin. Das ist doch total scheiße!«

Seine Mutter klang, als würde ihr etwas im Hals stecken, das sie dann herauswürgte. »Du hast dich ihretwegen geprügelt? Machst du Witze?«

Mir war ganz elend vor Scham, aber gleichzeitig wurde mir warm ums Herz.

Er hatte sich meinetwegen geprügelt.

Aber da war auch dieses Mitleid in seiner Stimme.

Müllmädchen. Selbst er kannte mich unter diesem Namen.

Aus genau demselben Grund war ich in meine Prügelei geraten. Es fing immer mit einem fiesen Sprechchor an – Hey, Müllmädchen – und endete damit, dass ich jemanden schlug oder trat oder an den Haaren zog oder jemandem die Hausaufgaben zerriss.

Doch nun hörte ich zum ersten Mal, dass sich jemand meinetwegen geprügelt hatte.

Das war neu.

Nein. Das war unglaublich. Es stellte sogar meine Scham darüber, dass er wusste, dass man mich Müllmädchen nannte, in den Schatten.

Natürlich wusste er, wie man mich nannte. Das hätte mich nicht schockieren sollen. Immerhin war es seine Großmutter gewesen, die mich gerettet hatte.

Ich kannte die Geschichte, seit ich denken konnte. Meine Großmutter sagte viele hässliche Dinge zu mir, wenn sie böse auf mich war – was oft vorkam –, und so kam meine Geschichte häufig und schon sehr früh aufs Tapet.

Als ich noch ein kleines Baby war, haben meine Eltern mich ausgesetzt. Ich war nicht an der Tür eines Waisenhauses oder an einem Kirchenportal zurückgelassen worden, in einem rüschenbesetzten Körbchen von einer weinenden Mutter. Selbst das wäre noch eine viel zu romantische Geschichte für mich.

Ich wurde in einer Abfalltonne zurückgelassen. Vermutlich sollte ich dort sterben. Zumindest redete mir meine Großmutter das ein, wenn sie mir die Geschichte erzählte.

Nicht einmal sie wusste, wer mein Dad war, aber meine Mom war ihre Tochter, und nachdem ich sie einmal so lange genervt hatte, mir Geschichten von meiner verschollenen Mutter zu erzählen, erklärte sie mir: »Manche Frauen sollten niemals Mütter werden. Ich bin eine davon. Meine Tochter ebenso. Sie wird nicht zurückkommen. Das garantiere ich dir. Du hast Glück, dass ich noch da bin. Ich kann nirgends anders hin, sonst wäre ich auch längst weg.«

Das war so ungefähr das Höchstmaß an Mitgefühl, das man in meiner Familie erwarten konnte. Außerdem wusste ich, dass meine Großmutter mich niemals bei sich aufgenommen hätte, wenn ihre Kindheitsfreundin – Dantes Großmutter – nicht darauf bestanden hätte.

Ich kannte sie nicht gut, aber mir war klar, wie viel ich seiner Großmutter zu verdanken hatte. Meine Großmutter rieb mir das ständig unter die Nase. Wenn sie sauer wurde, bekam ich oft Schimpftiraden ab, die in etwa so anfingen: »Du solltest Mrs. Durant bei jeder sich bietenden Gelegenheit danken. Sie war diejenige, die mich dazu überredet hat, dich bei mir aufzunehmen. Du kannst deinen frechen kleinen Hintern darauf verwetten, dass das nicht meine Idee war.«

Offenbar war ich irgendwann in einer Abfalltonne gefunden worden. Niemand wollte mir sagen, wie alt ich da gewesen war, aber ich war ganz sicher noch ein Baby, ein ziemlich kleines. Jemand hatte mich weinen hören und die Cops gerufen, was mich am Ende in die Nachrichten und ins örtliche Krankenhaus gebracht hatte.

Großmutter hatte das Ganze im Fernsehen gesehen. Ich kenne nicht alle Einzelheiten, aber sie hatte eins und eins zusammengezählt und gewusst, dass ihre Tochter vor Kurzem ein Kind zur Welt gebracht hatte, deshalb war sie ins Krankenhaus gegangen, um mal einen Blick auf mich zu werfen.

Ein einziger Blick hatte genügt, schwor Großmutter, und sie konnte es unmöglich verleugnen, dass Renée Theroux meine Mutter war.

Das fand ich seltsam. Für mich sahen alle Babys gleich aus.

Doch Dantes und meine Großmutter waren sich sicher gewesen, und Dantes Großmutter hatte meine gedrängt. Der Rest war Geschichte.

Großmutter hatte mich bei sich aufgenommen und in ihrem winzigen Trailer für mich Platz gemacht. Dort gab es tatsächlich ein extra Zimmer. Sie brachte gern zur Sprache, wie sie dieses Zimmer geliebt hatte. Sie hatte es genossen, Platz für sich selbst zu haben, wo sie nähen und Dinge verstauen konnte. In unzähligen Gesprächen erinnerte sie mich immer wieder an all die Gründe, weshalb ich eine Belastung für sie war.

Dabei war ich nicht undankbar. Der Trailer war das letzte Loch, aber die Tatsache ließ sich nicht leugnen, dass er immer noch besser als eine Abfalltonne war.

Leider kannte hier in der Gegend jeder die Geschichte, deshalb hatte ich mich von meinem ersten Schultag an bis heute nicht davon reinwaschen können, dass ich wie Müll weggeworfen worden war.

Aber das war noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass ich tief in meinem Inneren wusste, dass ich Müll war. Niemand wollte mich, so viel stand fest.

Natürlich war das ein wunder Punkt, und ich rastete ziemlich schnell aus, wenn ich damit aufgezogen wurde, was oft vorkam.

Manche Tage fühlten sich an, als wäre mein Leben ein einziger langer Kampf.

Aber dieser Tag war anders. An diesem Tag wurde mir klar, dass ich in diesem Kampf vielleicht gar nicht allein war.

Als Dante aus dem Büro kam, war er in meinen Augen siegreich. Immerhin war er nur beurlaubt worden, obwohl er sich geprügelt und danach die Konrektorin zusammengestaucht hatte.

Ich lächelte ihn breit an.

Er schenkte mir seinerseits ein kleines Lächeln.

Und das war es dann. Er war mein allererster Freund. Ganz einfach.

Ich dachte oft an diese ausschlaggebende Begegnung zurück, und jedes Mal stellte ich mir am Ende zwei Fragen. Wie die meisten Dinge in meinem Leben waren sie total widersprüchlich.

Hatte mich diese Begegnung gerettet?

Oder hatte sie mein Leben zerstört?

4

»Liebe ist wie Krieg. Leicht zu beginnen, aber sehr schwer zu beenden.«

H. L. Mencken

HEUTE

In San Francisco hatten wir vierundzwanzig Stunden Aufenthalt. Zeit genug, um auszugehen und sich zu betrinken und vor dem nächsten Flug zu schlafen.

Und wie ich mich betrinken wollte.

Der Tag war echt der Hammer gewesen, und ich wollte mich nur noch ins Koma saufen. Meine Mädels standen mir zur Seite. Leona wusste mehr über Dante als die anderen, doch Demi und Farrah wussten auch genug, um zu verstehen, dass ich ausgehen und mich ablenken musste.

Unsere feste Crew war alle zwei Wochen in San Francisco, und wir kannten genau die richtige Bar dafür. Dort gab es billige Drinks und heiße Männer, und man konnte zu Fuß zurück ins Hotel torkeln.

Die Piloten bestanden darauf, uns zu begleiten. Das taten sie immer. Flugbegleiterinnen wirkten auf Piloten besonders anziehend, und jedes Mädchen unserer Crew war gut aussehend, deshalb waren wir vierfach anziehend.