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Am Anfang wollte ich nur ein wenig fremdgehen. Doch dann fand ich da diese Welt jenseits von Monogamie und sexueller Exklusivität. Diese Welt gefiel mir. Ich blieb. Ich suchte Sex und fand Menschen. Ein promisk lebender Mensch hat überdurchschnittlich viele sexuelle Begegnungen mit verschiedenen Personen. Wer denkt, das sei oberflächlich, der täuscht sich. Es sind keine oberflächlichen Begegnungen. Es sind einfach nur viele Begegnungen. Erstaunlich oft ist es tiefgründig und sehr emotional. Sexuelle Freizügigkeit hat aber auch Nebenwirkungen. Der Blick auf die Gesellschaft, die Moral, ja sogar der Blick auf den einzelnen Menschen verschiebt sich. Nach einer Weile sieht man die Probleme und Schwierigkeiten der Menschen in ganz anderem Licht. Es ist, als ob jemand die Lampe an die andere Ecke einer Bühne verschiebt. Was vorher dunkel war, liegt jetzt im Licht. Sexuelle Freizügigkeit ist nicht besonders beliebt. Promisk lebende Menschen ecken ständig an. Sie müssen sich verstecken, obwohl Verstecken gar nicht ihrer Mentalität entspricht. Die Kritik der Gesellschaft ist ätzend, vernichtend und nur selten qualifiziert. Es wird einem der Mund verboten, darüber gefahren, man wird in die Ecke gestellt. Sexuelle Freizügigkeit wird als verwerflich und oberflächlich denunziert. Wenn das so ist, na, dann darf ich auch mal zurückätzen, in Glossen zum Beispiel. Wenn man sich eine Weile in verschiedenen Betten herumtreibt, dann begegnet einem früher oder später eine Person mit dem Wunsch nach Härte und Schmerz. Das verwirrt. Lässt man sich darauf ein, betritt man eine eigene Welt. Ich berichte ein wenig davon. Es gehört nämlich hier her. Viele suchen genau das bei dem Kontakt in fremden Betten und wissen es nicht. Vierzig Geschichten und Fragmente habe ich notiert. Dinge und Begegnungen die ich erlebt habe oder so erlebt haben könnte. Frei erfunden sind die Dinge nicht, nur etwas in Form gegossen habe ich sie. Das muss man so machen. Das Leben ist nicht so glatt wie Papier.
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Seitenzahl: 212
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Danksagung
Danke Andrea. Danke für die Korrektur, das Anstupsen, die Motivation. Wir haben eine sehr fruchtbare Verbindung, findest du nicht?
Danke Bay. Danke für deinen Rat, die Korrektur. Es ist wunderschön, dass ausgerechnet du mein Buch dekorierst. Ich küsse dich.
Danke Mel. Wo immer du bist, wo immer du gerade anschaffst. Ich danke dir. Du weißt schon wofür. Dafür kommst du in den Himmel. Ganz bestimmt.
Danke Jule. Wo wäre ich ohne dich? Zwei Mal war ich ohne Navigation. Zwei Mal war mein Kompass kaputt. Du sagtest: „Da lang!“ Erinnerst du dich? Danke dafür.
2013
Paul Kaufmann
Luder sind mir willkommen
Erzählungen und Essays aus einem Leben in sexueller Freizügigkeit
www.tredition.de
© 2013 Paul Kaufmann
Umschlaggestaltung: Paul Kaufmann Model: Bay Lektorat, Korrektorat: Andrea
Verlag: tredition GmbH, Hamburg ISBN: 978-3-8495-7480-2
Inhalt
Vorwort
Erster Teil – Begegnungen
Abnehmen mit Etienne
Die Sache mit dem Tigerkäfig
Bleib weg vom Fenster
Die Jugend von heute
Sie und ich
Alles Fake
Maria und die Schlüssel
Delikat
Grünes Licht, schwarzes Haar
Du bist schön.
Kölsche Ehe
Das Kompliment
Von Frauen und Kerben
Ausgerechnet die Putzfrau
Rotbäckchen
So ist die Lage
Bevor das erste Blatt fällt
Zweiter Teil – Essays, Glossen, Gedanken
Edles Geflügel
Gut gemeint und reingelegt
Mein neues Konzept
Mein Lied vom Scheitern
Schneewittchen
Das Supermarktkassenanstehproblem
Warum nicht zu dritt?
Der Dreiminutenmann
Tip für’s Leben
Du sollst nicht töten
Emanzipation begeht Diebstahl
Immer das Gleiche
Wilma hat es nie gegeben
Kein Problem
Machtspiele im Ehebett
Schlaft gut!
Dritter Teil - SM – Das kann weh tun
Wendung hart SM
Wenn…
Das Einmaleins des Sadismus
Ambivalent
Weil Dienstag ist
Der Weg zum Glück
Vierter Teil– zuletzt der Anfang
Der Dämon aus dem Garten
Vorwort
Ich werde Sie hier nicht mit meiner persönlichen Geschichte langweilen. Dieser Werdegang vom braven Familienvater zum umtriebigen Mann in offener Ehe ist zwar spannend, aber als Erzählung zu kompliziert.
Nein, ich werfe Ihnen Schnipsel zu. Geschichten und Fragmente habe ich notiert, Dinge und Begegnungen die ich erlebt habe oder so erlebt haben könnte.
Frei erfunden sind die Dinge nicht, nur etwas in Form gegossen. Das muss man machen. Das Leben ist nicht so glatt wie das Papier.
Das Buch besteht nicht aus einer großen Geschichte, wie etwa einem Roman. Es besteht aus vielen kurzen Geschichten und Essays. Das ist kein Zufall. So ist es hier, und so ist es in einem promisken Leben: lauter lose Geschichten und kaum Zusammenhang.
Das herrschende Gesellschaftsmodell fordert Monogamie und sexuelle Exklusivität innerhalb der Partnerschaft. Die Idee, promisk zu leben, steht dem diametral entgegen. Viele fühlen sich bedroht von sexueller Freizügigkeit. Sie sehen Ideen in Gefahr, die sie verbissen verteidigen und für die sie Opfer bringen: sexuelle Treue sei ein Liebesbeweis, man könne nur einen Menschen lieben, wer von der sexuellen Norm abweiche, sei krank. Das sind nur drei Beispiele. Die Liste ist viel länger.
Promiskuität stellt diese Ideen in Frage oder kratzt daran.
Lebt man promisk, so bietet sich eine Welt, die den meisten verschlossen bleibt. Kein Wunder: geheim lebt sich Promiskuität leichter. Ich erzähle hier davon.
Wenn man promisk lebt und nicht das Denken abstellt, dann entstehen Gedanken die das Mitteilen lohnen. Es verschiebt sich die Perspektive auf das, was wir in unseren Beziehungen leben. Da findet man viel. Da werden Dinge sichtbar, die man normalerweise nicht sieht.
Mal sind diese Dinge witzig, mal sind sie traurig. Manchmal bleibt mir nur, sie als Glosse zu formulieren. Zu sperrig, zu unsinnig erscheint mir das, was wir leben. Wir versperren uns etwas, das uns das Leben bietet: eine in jeder Hinsicht vielfältige Sexualität.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, denn Spaß soll es machen, das Leben.
Erster Teil – Begegnungen
Promisk leben bedeutet Menschen treffen. Ein promisk lebender Mensch hat überdurchschnittlich viele sexuelle Begegnungen mit verschiedenen Menschen. Wer denkt, das sei oberflächlich, der täuscht sich. Ganz im Gegenteil. Es sind keine oberflächlichen Begegnungen. Es sind einfach nur viele Begegnungen. Erstaunlich oft ist es tiefgründig und sehr emotional; natürlich nur, wenn man das kann und wenn man das will. Ich kann und will.
Einigen Menschen kommt man sehr nah, manche gewinnt man sehr schnell sehr lieb. Bei der berühmten Zigarette danach neigt man dazu, die Wahrheit zu sagen. Freimütig wird erzählt, was sonst der höchsten Geheimhaltung unterliegt. Es geht sehr schnell mit der Nähe im Bett. Das ist sehr intensiv.
Diese Nähe zwischen fremden Menschen ist etwas ganz Besonderes. Ich glaube nicht, dass es das in dieser Dichte woanders noch gibt.
In diesem ersten Teil des Buches geht es um genau diese Menschen und die Erlebnisse mit ihnen. Ich habe mal ein paar herausgepickt.
Abnehmen mit Etienne
Etienne, diese süße kleine arabische Schlange. Sie hat Augen- schwarz wie die Wüstennacht. Von dort hat sie ein Stück Himmel mitgebracht und bewahrt es in ihren Augen. Und gottseidank nicht nur in den Augen, sie ist ein Traum! Sie ist ganz zierlich, fest und eng. Sie ist stramm und wunderschön. Und frech und dreist und schnell und gelenkig. Und dass ich sie ab und zu haben darf, rechne ich ihr hoch an, wo sie doch mehr auf Frauen steht.
Und naja, wovon ich eigentlich erzählen wollte: Also wir liegen danach und davor, d.h. dazwischen im Bett und schauen in den Spiegel. Und was wir sehen, ist ein Spatz und ein Klops. Genau ein Klops!
„Ich bin zu fett!“ sage ich und sie pustet mir den Rauch ins Gesicht. „Deine Figur“ sagt sie mit der Herablassung des Wüstenvolkes, „ja, die ist jämmerlich. Mich stört dein Bauch beim Ficken, weißt du?! Ich komm gar nicht richtig ran mit meinem kleinen süßen Schlitz, warte ich zeig es dir…“ Da setzt sie sich, dürr und dominant wie sie ist, auf mich und auf meinen Schwanz und zeigt was passiert, wenn Bauch den Spaß verdirbt. „Schau, wie lang soll ein Schwanz sein, damit ich davon etwas habe?! - Ich muss mich richtig verbiegen und beim Blasen unten krieg ich Platzangst, verstehst du?!“ - Und das Wichtigste: Ihr Gesicht! - es trieft vor Verachtung! Diese typische Verachtung eines Kamelhändlers, wenn der Preis nicht stimmt. Ihre kohlrabenschwarzen Augen bleiben fixiert und sie fickt mich fertig, ganz ernst und ganz böse, nur mit dem Unterleib und Schenkeln, aber mit starrer Verachtung im Blick, hoch erhobenen Hauptes. - Die können ja vielleicht böse gucken, da unten in Arabien…
Und bei jedem nächsten Chip, jeder Schokolade, jedem Duschen, jedem Umziehen und jedem Blick auf meinen Bauch, denke ich an diese Verachtung. An diese harten ungeschönten Worte, die mir diese Schlange eingevögelt hat.
Dreiundzwanzig Kilo leichter und ein Jahr später liege ich wieder neben ihr, vor dem gleichen Spiegel, im gleichen Bett, mit anderen Zigaretten. Unsere Blicke treffen sich.
„Gut gemacht! Wie kommts?“ fragt sie.
„Ach,“ sage ich wie beiläufig „nur eine Frage der Motivation.“ – Ihre Augen blitzen auf, sie grinst und zeigt fragend auf sich. Ich nicke und da verstehe ich: Dieses Aas hat das ganz bewusst gemacht – und sie lacht und lacht und lacht. Bevor ich böse werde, greift sie in ihren Schritt und beginnt…
Die Sache mit dem Tigerkäfig
Der Tiger war erbost, aber das war ja auch neu für ihn! – Aber besser der Reihe nach:
„Sie müssen verstehen“, sag ich zu dem Wärter, „es ist so ein heimlicher Wunsch, so eine fixe Idee und sie spricht von nichts anderem.“ und zeige auf meine Freundin. Die schmunzelt nur. Der eine Wärter ist ein wenig empört, der andere grinst.
„Schauen sie, wir wissen, sie haben da hinten Räume, die keiner einsehen kann, und … nunja, also so absurd finde ich die Idee nicht. Sex im Tigerkäfig, davon träumen viele.“
„Der Tiger soll ja nicht im gleichen Käfig sein.“ ergänzt mein Schatz. „Nur so ein bisschen zugucken, das wäre nett von ihm, so für die Stimmung.“
Es war ihre Idee, eine typische Sarah-Idee. Ich habe Bedenken, jede Menge, vor allem eines: Krieg ich da einen hoch? Aber sie bohrt und nervt und es ist lustig. Deshalb stehen wir hier, vor diesen Wärtern und die drucksen herum und schütteln den Kopf.
„Dat kommt nich in Frage, wo kommen wir denn dahin, wenn da jeder käme…“, sagt er und schiebt die Hände tatsächlich hinter die Träger seiner Latzhose, was für ein Klischee!
„Aber da kommt nicht jeder, nur wir.“ Sag ich noch.
„Ja, dat stimmt, da sagen sie ja was, junger Mann.“ Und da muss auch er grinsen.
„Aber dat iss jejen jede Vorschrift, niemand darf da rin, die Viecher können ganz schön durch die Stangen langen …“
„Nein nein,“ stoppt Sarah mit zuckersüßem Augenaufschlag, „wir bleiben weg von den Tigern, es geht um den Käfig und…“
Da wirft er sich ins Zeug, Raubtierwärterehre, dem wird es zu bunt: „So, jetzt ist aber auch nun mal gut, jetzt verschwinden Sie mal mit ihrem Unsinn und…“
Und sie strahlt ihn an: „Sie können ruhig zuschauen, fänd ich gut….“
So und nun stehen wir im Raum mit dem Gitter und dem Fenster und einem erbosten Tiger vier Schritt weg. Er will uns hier nicht haben, das ist offensichtlich. Uns schlägt das Herz bis zum Hals, man bepisst sich fast vor Angst, trotz der Gitterstäbe.
Säbelzahntiger, Löwe, Puma, Tiger – so alte Feinde haben sich eingebrannt ins Gehirn, die haben ganz private Angstzentren im Menschenkopf – aus gutem Grund.
Es ist pures Adrenalin!
Ich hab mal was von „Auge in Auge mit dem Tiger“ gelesen – so ein Quatsch – man sieht gar nix mehr, keine stechenden Augen, fletschende Zähne, oder irgend so ein mieses Detail. Nur eine wütende Bestie nimmst du wahr, irgendwo da hinten, gelb-weißschwarze verwischte Bewegungen und ein donnerndes Grollen aus einer Kehle, von der du wirklich nichts wissen willst. Angst und pures Entsetzen, alles ist schnell und langsam zugleich. Fast mechanisch bewegt man sich, irgendwas zwischen Panik und Erstarrung, ganz ehrlich, ich weiß es nicht mehr.
Und Sarah hatte recht; du wirst so geil, dass du platzt. Die scheiß Decke die uns die Wärter gegeben haben, ist längst vergessen. Du willst retten was zu retten ist und im Zweifel sind das eben die Gene. Da ist kein Vorspiel, keine Frage wie man anfängt! – Angst und Geilheit gehören zusammen! Und deshalb fick ich sie direkt auf den Fliesen und an der Wand.
Da geht es nicht um Liebe, um Zärtlichkeit oder so einen Firlefanz, das ist Arterhaltung, Stammhirn, pure, rohe Biologie.
Wir rutschen ab, Fliesen sind glatt und nass und schmierig, wir stoßen uns, wir schlagen auf, hart wie Fliesen nun mal sind, scheißegal – ich will in sie reinficken und zwar schnell und dann weg hier. Und Sarah tobt, sie tobt wie noch nie, ein Mörderritt, sie greift und klammert, versucht sich irgendwie, irgendwo zu halten. Wir rutschen über den Boden, die Wand entlang, alles unkontrolliert, ungehemmt – nur eines passiert automatisch: nie Richtung Tiger!
Der einzige Halt ist der andere und auch der ist blitzschnell nass vor Schweiß und was weiß ich. So packst du fest ins Fleisch, in die Haare in die Öffnungen des anderen – nur irgendeinen Halt, damit du fest stoßen kannst, wohinein auch immer. Das ist schwer und glatt und schmierig. Sehr schnell, sehr steil wird das ganze und verzweifelt packst du sie, damit er drin bleibt- in welchem Loch auch immer. Sie schreit mich an, beißt sich fest, krallt sich mit allem was geht – ganz kurz sehe ich klar: Sarah spiegelt mich! Ich bin genau wie sie – Tier für die Dauer eines Ficks! Die Magie eines Tigerkäfigs!
Und sie kommt hart, sehr hart und ich auch. Orgasmus mit Kopf in der Tigerpissrinne, das hatte noch nicht jeder. Ihre Hand wischt das Sperma ab, versucht es irgendwo zu lassen, an den Fliesen hält es nicht, da leckt sie es einfach ab. Hier darf man das.
Wir sind fix und fertig. Und der Tiger? – Er liegt seelenruhig hinter den Stäben und schaut uns zu. Seine Schwanzspitze zuckt, er hat verstanden, bestimmt! – Na kein Wunder, es ist ein Weibchen.
Bleib weg vom Fenster
Ich sitze im Zug und phantasiere ein bisschen: Ich träume vom Sex in der Bahn, ganz klassisch mit einer Fremden in einem Abteil. So bei ratterndem Zug auf schnellen Gleisen, meist ist es ein Nachtzug. Ein Nachtzug ist angenehmer, schon wegen der Liegen, ein wenig Bequemlichkeit muss sein. Natürlich ist es halbdunkel und der Zug ist halbleer, das wäre optimal. Der Zug ist ein wenig Orient-Express, alles ist in stimmigen Farben und ist dekoriert mit Schnörkeln und Messing hier und da.
Die Frau die ich begehre ist schön und hochgradig ästhetisch, natürlich, wie könnte es auch anders sein! Immer lehnt sie zuerst am geöffneten Fenster, ihr Gesicht abgewandt und ihr Haar weht leicht im Wind, es ist lang und kastanienbraun. Das ist immer so, immer beginnt genau so mein Traum. Ihre Haltung ist ein wenig gelangweilt, auch in stiller Erwartung, aber immer lädt ihre Silhouette zur Umarmung ein. Und nicht nur das, nicht nur zur Umarmung, neinnein. Sie ist natürlich von Anfang an willig, lässt sich ohne Kenntnis meines Gesichtes auf alles ein. Ich darf ohne Begrüßung ihren Körper umfangen, in ganz mutigen Träumen dringe ich direkt in sie ein.
Selbstverständlich ist alles wortlos, das Rattern des Zuges reicht als Geräusch völlig aus. Kein Zucken als ich mich ihr nähere, nein im Gegenteil: sie erwartet mich schon. Selbstredend duftet die Schöne ganz wunderbar nach Frau, vielleicht auch nach einem Hauch Parfum, versprüht an besonders schönen Nischen ihres Körpers. Der Kuss hier wie dort schmeckt natürlich nicht bitter nach Parfum, neinnein, sie schmeckt nach Honig, mindestens Honig, und ihre Haut glüht wohlig und warm.
Sinken wir nieder auf die halb improvisierten Lager, so wird es immer perfekt, warm und rein. Ein Festival der Sinne! Sie ist zugetan zärtlich und bereit zum Empfangen, sie giert nach Berührung und zerfließt in Gefühl, wird sie da angefasst, wo ich es will. Natürlich finden wir sofort die richtigen Stellen, obwohl wir uns nicht kennen, wissen wir alles vom Anderen ganz genau. Dann wird es heiß und heißer, bis wir fast verglühen. Alles ohne Worte, ganz zärtlich, ganz warme Küsse und natürlich mehrfach und alles schmeckt köstlich, ach was ist das fein. Während diesen perfekten Sexes in gestärkten, duftenden Laken, klappert draußen auf dem Gang dumpf der Teewagen und es scheppert feines Geschirr. Höchstens, allerhöchstens unverständliches Gemurmel unbekannter Statisten, weit entfernt im übernächsten Abteil, mehr Störung darf gar nicht sein. Alles ist bequem, immer stimmig, keine Unterbrechung, kein eingeschlafenes Bein.
Da kommt kein Schaffner und sprengt unsere Eskapade und kommt er doch, so sieht er gut aus und tritt ein. So geht das eine ganze Weile. Wie lange weiß ich nicht. Träume sind zeitlos, sie haben nur Anfang und Ende, dazwischen misst niemand die Zeit.
Die Wirklichkeit ist dann doch ein klein bisschen anders: Nix Orient! Ich sitze im Zug von Delmenhorst nach Wanne-Winkel, alles ein wenig typisch Bahn: klebrig und unter dem Sitz kullert ne Pulle von links nach rechts und retour. Hier ist es Orientzug-antigemütlich, so ist die Lage! – von Nostalgie keine Spur. Kein Nachtzug und kein romantisches Abteil, alles ist Großraum und die Passagiere starren müde vor sich hin.
Und die einzige Frau, die auch nur annähernd, räusper, also wirklich ganz ganz annähernd in Frage käme, trägt eine Jacke von Jack Wolfskin und hat vielleicht Parodontitis – eine Krankheit, die es im Traum gar nicht gibt.
Vergleiche ich also meinen Traum mit dem was sich hier bietet, kann ich nur hoffen: Gute Frau Wolfskin, geh nicht ans Fenster, sonst wird real, was ich träume. Und das wird unvergleichlich schäbig, ganz bestimmt! Also: Bleib weg vom Fenster, lass mir den Traum!
Die Jugend von heute
IKEA – Warenausgabe: Da sitze ich mit dem Zettel in der Hand und der Langeweile auf dem Schoß, schiele ständig zur Tafel und glotze ins Nichts: Ware noch nicht da! Zum Rest kein Kommentar.
Kein Kommentar zum Ambiente, wohl aber zum Auftritt: Dem Auftritt eines Mädchens mit Kleid. So ein Sommerkleid, frische Farbe, mittellang, sie zeigt zu viel Haut, um brav zu sein, zu wenig, um primitiv zu sein.
„Schönes Kleid“, sag ich, denn es ist mein Recht schöne Frauen zu kommentieren und es macht Spaß und vertreibt Zeit. Und es gefällt mir wirklich das Kleid, noch mehr gefällt mir der Inhalt. Der Inhalt ist jung, halb so alt wie ich, doch das reicht für ohne Staatsanwalt. Sie ist schlank, glatte Beine in frech hohen Schuhen. Ihr Gesicht mittelmäßig, doch ist das Kleid schulterfrei. Mal ehrlich: Wer schaut da zum Gesicht?
Sie lächelt mich kurz an und macht die Formalitäten. Nun kommt sie tatsächlich und setzt sich mir vis-a-vis. Keine drei Meter entfernt zückt sie ihr Handy und chattet Ist ja heute so üblich, mach ich ja auch. Ich schau sie mir an: geiles Teil! Gerade mal zwanzig, so eine gewisse Leichtigkeit. Sie ist nicht obszön, aber weit jenseits von brav. Da wird man hungrig, als halbalter Sack, der ich bin.
An dieser Stelle ein Einschub, eine Erklärung vorab für meine Frechheit von gleich: Keine drei Stunden zuvor war ich mit einer Dame in den Kissen. Eine fantastische Schlacht, kühn und wild. Einmal erfüllte es mich und einmal eben nicht und genau das war mein Problem. Da blieb so eine Spannung, so ein Gefühl, so ein Drängen. Ich denke, Ihr wisst was ich meine. – Ich gebe zu, ich bin kein Casanova, diese Dame war gekauft. Ich mag sie sehr, sie ist mir sehr teuer, in jeder Hinsicht, an dieser Stelle: schöne Grüße, Jasmin!
Also sitze ich jetzt, drei Stunden später, unerfüllt und angespannt bei IKEA und schau auf dieses Mädchen. Sie wird mir immer hübscher, erscheint mir fast wie ein Biest. Sie schaut kurz auf und schlägt das linke Bein übers das rechte. Sie schaut noch mal und wippt mit dem Fuß.
Verdammte Axt, das drängt jetzt sehr! Ihren nächsten Blick halte ich fest. Und sofort rutscht es mir raus, ungeplant, ich schwöre: „Hör auf mit dem Fuß zu wippen, sonst leg ich dich flach!“ Ihr Wippen setzt aus, sie hält dem Blick stand, und … wippt weiter! Da soll mal einer sagen, Direktheit zahle sich nicht aus!
Im Hotel zeigt sich der Vorteil des Kleides: es ist nicht nur schön, man zieht es schnell aus. Und das ist wichtig, denn sie ist wild, sie hat es nötig, mindestens so wie ich. Das Kleid geht nach unten, der Slip geht gleich mit. Mit gespreizten Beinen lässt sie sich fallen, Schuhe noch an, mit dem Rücken aufs Bett. Oh mein Gott, „einundzwanzig bin ich“, erwidert sie auf die Frage, „und jetzt mach es mir hart und bestimmt.“
Konnte sie haben, ich war ja sozusagen noch in Schwung. Was für ein Spaß, so ein junges Ding, so stramm, fest und gelenkig. Jugend und Erfahrung verlötet mit Lust – ein herzerfrischender Ritt.
In den ersten Minuten danach sollte man schweigen, das wäre echte Weisheit, denn in keinen anderen Minuten sagt man so viel Wahres und deshalb Unkluges, wie in diesem hormonschwangeren Moment. Ich bin nicht immun und auch ich mache diesen Fehler: Ich erzähle das von Jasmin – der Hure von eben und wie es dazu kam, zu dieser Frechheit. Da lacht sie dreckig, die Kleine von IKEA, stellt sich breitbeinig über meinen Schwanz und grinst: „Jetzt in den Arsch und noch mal so wie eben!“
Schön dass die Jugend weiß was sie will.
Sie und ich
„Bist du eigentlich doof?“, fragt sie mich. Aus ihren Augen sprühen Funken, ihre Hand mit der Zigarette steht nicht still. Sie wedelt damit herum. Sie erzeugt muntere Kreise aus Rauch um ihre Hand.
Ich sage erst einmal nichts. Das ist besser so. Sonst werde ich laut. Ich lehne mich zurück in meinen Stuhl und atme betont ruhig. Diese Frau regt mich fürchterlich auf.
Wir kennen uns jetzt genau drei Minuten und schon haben wir Streit.
Sie und ich, das geht gar nicht. Wir haben ein völlig unterschiedliches Temperament. Wir sind beide stürmisch, aber wir rennen aneinander vorbei.
Sie ist Skorpion! Das sagt schon alles! Dieses Wort regt mich schon auf. Ein Insekt ist sie oder so etwas Ähnliches. Hinterfotzig ist sie, sie lauert und sticht dann schmerzhaft zu.
Ich bin Widder! Das ist doch mal ein Sternzeichen! Das hat Schwung, das stürmt vor, das ist gradlinig. Der Widder stößt etwas an!
Doch ich glaube, sie sieht das ganz anders. Sie sitzt in ihrem Budapester Kaffeehausstuhl, die Arme verschränkt und brütet vor sich hin. Gleich sticht sie bestimmt wieder zu.
Wir streiten um nichts! Es sind Kleinigkeiten. Das war schon in den ersten Mails so. Wir kommen auf keinen grünen Zweig. Und statt, dass sie einmal Fünfe gerade sein lässt, nimmt sie den Streitpunkt immer wieder auf. Da, sie macht es wieder, sie sticht mit ihrer Zigarettenhand auf mich ein:
„Ich zahle die Hälfte von dem Zimmer.“, zischt sie laut. Es kann niemand hören, weil niemand da ist. Wir sitzen zwar in der Pianobar eines Hotels, aber der Raum ist leer. Wir sind allein.
„Ich lasse mich doch nicht aushalten wie ein Nütt- chen.“, sagt sie. Sie zieht an ihrer Zigarette und bläst den Rauch nach oben in die Luft. Ihr Fuß wippt unter dem Tisch. „Und den Kaffee zahle ich auch.“, schickt sie als Botschaft an mich.
Ich lächle. Nix wird sie. Ich habe das Zimmer schon bezahlt. Kreditkarte! Aber, sie wird sich etwas einfallen lassen, das weiß ich auch. Die Kleine ist ein Biest.
Wenn wir vernünftige Menschen wären, würden wir jetzt aufstehen und gehen, sie nach rechts, ich nach links. Wahrscheinlich würden wir sogar über die Richtung streiten.
Wir sind aber keine vernünftigen Menschen. Ich bin Widder, sie ist Skorpion! Wir können nicht anders. Kampf ist Kampf! Das macht Spaß. Da geht man nicht einfach so.
Außerdem, und das gestehe ich mir schon ein, finde ich sie total steil. Blasses Gesicht, Pagenkopf, schwarze Haare, schlanke Silhouette. Ich will sie auf der Matte haben, unbedingt. Sie ist mir zwar unsympathisch, trotzdem und gerade deshalb… Verdammt sieht die gut aus.
Und die Chancen stehen ja gut. Wir sitzen ja hier nicht einfach so. Wir sind zum Sex verabredet. Im Internet haben wir uns getroffen. Schon da haben wir uns gestritten. Verabredet haben wir uns trotzdem. So gelangen wir hier hin, in diese sehr beliebige Pianobar.
Ich habe mich ein wenig beruhigt. Ich weiß aber nicht, ob Skorpione das können. Ich glaube, sich beruhigen können sie nicht. Haben sie das Gift einmal im Stachel, muss es heraus, ob mit Sinn oder nicht. Das habe ich einmal gelesen.
Ich schaue sie an. Ich suche ihren Blick. Aber sie sucht meinen nicht. Sie weicht mir aus und schaut an mir vorbei.
„Ich finde dich gut.“, sage ich. Dass ich damit nur ihr Aussehen beschreibe, sage ich ihr nicht. Ihr Blick springt zu mir. Sie hat Verachtung im Blick. Na, obwohl, so ganz echt ist die Verachtung nicht. Es ist Zorn.
„Ich finde dich zum Kotzen.“, sagt sie. Zieht an ihrer Zigarette und drückt sie mit kantigen Bewegungen im Aschenbecher aus. Langsam entweicht aus ihrem Mund der Rauch.
„Ich habe dich auch lieb!“, sage ich sanft. Ich kann nicht anders, ich muss sie einfach provozieren.
„Du willst jetzt nicht wirklich mit mir ins Bett oder?“, fragt sie, als sei das das Abwegigste der Welt. Es ist eine strategische Frage. Sie meint das nicht so, denn, bei allem Gezänk, ich sehe es ihr an: Sie will es auch. Sie wippt mit dem Fuß, ihre ganze Gestik, ihr Blick, all das sagt mir: es gefällt. Ihr macht die Zankerei Spaß. Es macht sie geil. In diesem Punkt verstehe ich sie. Da sind wir genau gleich.
„Aber natürlich! Ich habe dich bezahlt. Also ich meinte das Zimmer. Sorry!“, sage ich süffisant. Ich muss sie provozieren, sagte ich ja. Sie wirft mir einen sehr bösen Blick zu. Obwohl, da war ein ganz kurzes Zucken um ihren Mund. Sie konnte es nicht unterdrücken. Ein Bruchteil eines Lächelns war da.
„Das kannst du vergessen.“, sagt sie grollend. Dann besinnt sie sich eines anderen Tons. Ihre Stimme wird kalt: „Nein, tut mir leid.“, sagt sie und entzündet eine Zigarette. „Mit dir geht das nicht. Du bist mir zu arrogant. Die Mails waren nett…“, sagt sie weiter und pickt mit spitzen Fingern ein imaginäres Staubkorn vom Bein, „… aber du bist mir zu schmierig.“ Sie schaut mir ins Gesicht, eiskalt sind ihre Augen. Wahrscheinlich wirke ich gerade wirklich arrogant, denn ich muss mich sehr beherrschen. Nicht weil ich wütend bin, sondern weil ich traurig bin. Sie hat mich getroffen. Schmierig bin ich nicht. Sie hat mich wirklich getroffen. Schmierig will ich nicht sein.
Ich brauche all meine Kraft, die Fassade zu wahren. Sie sitzt da, raucht und ist kalt wie Eis. Aber dann fällt es mir wieder ein: Sie ist Skorpion! Kaltes Blut! Das ist völlig normales Verhalten für so ein Biest. Gut, dann bin ich Widder. Heißes Blut!
„Gut“, sage ich und stehe auf, „Zimmer dreihundertvier! Lass dir Zeit…“, ich zeige auf ihre Zigarette, „aber nicht zu lange. In einer halben Stunde bin ich weg.“ Ich drehe mich weg, dann aber doch noch einmal zu ihr hin. „Dreißig Minuten!“, sage ich, „spiele damit nicht, in einundreißig Minuten bin ich weg. Ich würde mich freuen, dich zu sehen.“ Ich bringe ein Lächeln zustande.