Mach keinen Quatsch - Janosch Kühn - E-Book

Mach keinen Quatsch E-Book

Janosch Kühn

3,0

Beschreibung

»Mach keinen Quatsch« ist die unglaubliche und atemberaubende Erzählung von drei Jungen aus der Provinz, die eines der erfolgreichsten deutschen Start-ups aufgebaut haben. Daniel, der Stratege. Janosch, der Strippenzieher. Und Oliver, der gelassene Coder. Ihre Freundschaft hält den Laden zusammen. Was sie nicht können, lernen sie schnell. No limits! Ehrlich, sympathisch und auf den Punkt erzählen sie ihre Geschichte. Mit dem Abstand, den sie in den wilden Zeiten ihres Start-ups nie hatten. Das Spiel: Idle Miner Tycoon. 150 Millionen Spieler weltweit. Eine Geschichte, die man so nie erfinden könnte. Eine Geschichte, von der alle Start-ups träumen, wenn sie auf die Reise gehen. Drei junge Studenten in Karlsruhe. Studium, erste Start-up-Erfahrungen. In ihrer WG herrscht Enge. Bewerbungsgespräche erden im kleinen Badezimmer geführt. Pizzaschachteln stapeln sich an der Eingangstür. Die drei versuchen die ganz große Nummer. Ein Handyspiel für die ganze Welt. Größenwahn, sagen die einen. Inkompetent, die anderen. Investoren blocken ab. Wird eh nichts. Die Szene belächelt sie. Doch das spornt sie an. Unerschrocken, unbeirrbar, volle Pulle. Erste kleine Erfolge. Jeden Tag werden es mehr Spieler. Jede User-Reaktionen wird akribisch bearbeitet. Dann der Umzug nach Berlin. Ihre Büros werden zweimal ausgeraubt. Egal, weiter! Die Firma wächst schneller, als alle es erwarten würden, immer nach dem Motto: Mach keinen Quatsch! Am Ende in der Suite eines Londoner Nobelhotels. Firma und Spiel sind verkauft. Neue Türen gehen auf. Ab in ein neues Abenteuer.

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INTRO

Im Jahr 2016 beschließen ein paar Karlsruher Studenten, die Gaming-Welt zu erobern. Doch die Welt hat sich gegen sie verschworen. Die WG am Karlsruher Hauptfriedhof ist zu klein, der Hausmeister will sie rauswerfen, IT-Experten lachen sie aus, Investoren winken ab und der erste Entwurf eines Spiels fällt krachend durch – so sehen Verlierer aus. Eigentlich, doch Level für Level bewegt sich das Start-up aus der WG in die Gewinnerzone. Die Freunde vertrauen ihrem Motto »Mach keinen Quatsch« und entwickeln mit großem Durchhaltevermögen und viel Disziplin ein unglaubliches Start-up. In diesem Buch ist zu lesen, wie sich das eingeschworene Trio gegen alle Widerstände behauptet, einen Gaming-Bestseller entwickelt und – ohne jegliches Fremdkapital – in der Start-up-Hauptstadt Berlin ein Unternehmen etabliert, das die Welt erobern wird. Dies ist ihre Geschichte: Daniel, Janosch und Oliver.

Inhalt

Intro

Kapitel 0Zoom-in oderdas Sandwich-Level

Kapitel 1 Kraft sucht Richtung oderdas Schnitzel-Level

Kapitel 2Was uns in Schwung bringt oderdas Katzenurin-Level

Kapitel 3Selbstbewusstsein tanken oderdas Schuhstapel-Level

Kapitel 4 Neue Erfahrungen suchen Auslöser oderdas Baumkuchen-Level

Kapitel 5Fast-Absturz oderdas Alter-Audi-Level

Kapitel 6Heimat wird eng oder das Cyberspaß-Level

Kapitel 7Luft holen oderdas Sparkassen-Level

Kapitel 8Mitten in die Prärie reiten oderdas Go-West-Level

Kapitel 9All-in oderdas Ick-will-nach-Berlin-Level

Kapitel 10Es geht immer weiter oder das Panzerschrank-Level

Kapitel 11Da waren’s nur noch drei oderdas Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Level

Kapitel 12Mehr leisten, nicht unbedingt mehr arbeiten oderdas Smart-Work-Level

Kapitel 13Ein gutes Spiel ist ein gutes Spiel oderdas Krass-Komplex-Level

Kapitel 14Heuhaufen oderdas Fritz-Box-Level

Kapitel 15Der neue 360-Grad-Blick oder das Oben-auf-dem-Dach-Level

Kapitel 16Eine beiderseitige Gewinnbeziehung oderdas Exit-Level

Kapitel 17Es geht immer weiter oderdas Schluss-Level

Kapitel 18One World oderdas Danke-Level

Die Autoren

Mitten in der Nacht klopfte der Zimmerservice. Eine weitere Ladung Sandwiches war im Anmarsch. Auf dem Tisch stand bereits eine Platte, dazu ein Berg Pommes. Irgendwie hatten wir versäumt, das ganze Essen rechtzeitig abzubestellen. Später kamen noch mehr Sandwiches, alle sauber aufgespießt an kleinen Hölzchen, »with ham« und »with turkey«. Und Chips. Und es floss reichlich Alkohol, vielleicht etwas zu viel Alkohol. Vielleicht hat auch irgendeiner von uns immer wieder nachbestellt. Immerhin war es das Four Seasons in London, eine riesige Suite, und offenbar hatten wir komplett den Durchblick verloren. Wir waren angekommen, endlich am Ziel.

Den Abend hatten wir in einem viel zu teuren Lokal in London verbracht, ein Restaurant ohne Speisekarte, ohne Festpreise, bei dem man am Eingang nur sein »Budget« nennt. Mit unseren Hoodies, mit den Jeans und T-Shirts standen wir vor der Tür und die Frau am Empfang war, sagen wir mal: sehr freundlich und professionell. 40 Pfund müsste man schon so als Budget pro Person rechnen, sagte sie und blickte uns tief in die Augen. Jeder kennt das Gefühl, nicht auf Augenhöhe zu sein. Dennoch: 40 Pfund traute sie uns zu. Maximal. Wir nickten, das ginge schon klar. Wir waren in euphorischer Stimmung, der Kopf komplett in den Wolken – und vor allem waren wir an diesem kühlen Abend im Januar 2020 bereit, so ziemlich jedes Klischee von Start-up-Gründern zu erfüllen.

Es war kurz vor Corona. Wir hatten die Firma verkauft. Katapultiert in eine ganz andere Welt. Und wenn dort eine gegrillte Königskrabbe 1000 Pfund kostet, dann kostet sie eben 1000 Pfund. Wir erlaubten uns diesen Kurzurlaub in die Dekadenz – nachdem wir ein paar Jahre zuvor in einer WG, die nach Katzenurin roch und über einem Beerdigungsinstitut lag, etwas begonnen hatten, das unser aller Leben sehr grundlegend verändern sollte. Wir, das sind Daniel, Janosch und Oliver, wir kommen alle ursprünglich aus Heidenheim von der Schwäbischen Alb. Wir waren Mitte 20, als wir in Karlsruhe aus einer WG heraus eine Firma für Mobile Games gründeten, dann das Spiel »Idle Miner Tycoon« entwickelten, das später weltweit 150 Millionen Downloads verzeichnete, um dann wenige Jahre später »unser Baby« in andere Hände zu geben. Und nicht wenige würden sagen, damit echt Kasse zu machen.

Im Rückblick ging das alles so rasend schnell – von der Studenten-WG zum globalen Spieleanbieter. Hier wollen wir nun unsere Geschichte festhalten. Aber nicht nur zeigen, wie es uns von Level zu Level nach oben gedrückt hat. Sondern auch unsere Learnings nicht vergessen. Das, was uns in bestimmten Situationen weitergeholfen hat. Kleine Tipps und Tricks, wie man als Start-up im Haifschbecken überleben kann.

Es war eine atemlose, eine berauschende Zeit. Mit diesem Buch wollen wir anderen Mut machen, auch diesen Weg zu gehen. Ja, er ist ruppig, ja es ist ein ungerader Weg, es wird einem nichts geschenkt, ständig drohen Gefahren und Abstürze, man wird belächelt, bemitleidet, nicht ernst genommen, sorgt sich um Geld und Zukunft, kämpft mit Konkurrenten und Plagiatoren – und doch war es eine fantastische Zeit mit einem großartigen Happy End.

Okay, wir sind vielleicht etwas naiv in dieses Abenteuer gestolpert, aber wir hatten immer einen klaren Kompass vor Augen, wir haben uns immer eine Sache vorgenommen: Lass uns keinen Quatsch machen. Wir haben weder die Zeit noch die Energie, um sie mit Quatsch zu vergeuden. Das war und das ist unser Mantra, unsere Leitidee. Und ihr werdet in diesem Buch eine Menge möglichen Quatsch kennenlernen, der uns womöglich das Leben hätte schwer machen können.

Vor allem aber hatten wir uns. Wir wollten Erfolg, wir haben uns jeden Tag von morgens bis in die Nacht für das Unternehmen reingehängt, hartnäckig wie ein schwäbischer Mittelständler und visionär wie Tekkies aus »dem Valley«.

Und es erwies sich als »chance of a lifetime«.

Als wir damals von Sandwich-London zurückflogen, nach dieser Nacht im Four Seasons, jeder von uns mit dem jeweiligen Mageninhalt kämpfte, wir mit dem Vomex liebäugelten und Janosch noch euphorisch meinte, wir könnten »uns jetzt Döner leisten, wann immer wir wollen«, waren es nur noch wenige Stunden, bis wir unserem Team in Berlin mitteilen sollten: »Das war es! Wir verkaufen die Firma! Lasst uns feiern!!«

Das war so nicht abzusehen. Denn unser erster Versuch, ein Hunde-gegen-Katzen-Spiel, erwies sich als großer Flop.Was uns auch sehr deutlich gesagt wurde.

Here comes »the story of the Hurricane«, der als laues Lüftchen begann. Wir befinden uns in einem Kreisstädtchen irgendwo in Süddeutschland. Zoom-in.

»Das Spiel taugt nichts!« Er sprach sehr laut: »Schlecht, richtig schlecht!« Da war er sich sehr sicher. Und es kam noch schlimmer. Er sagte auch, wir würden als Entwickler nichts taugen, wir »könnten nix«, wir wären »dumm«. Es prasselte nur so nieder, wir wurden richtig fertiggemacht. »Das ist richtig scheiße, das sieht auch komplett scheiße aus«, sagte der Spieleexperte eines großen Gaming-Unternehmens. »So etwas Schlechtes habe ich noch nie gesehen.« Daniel stand bedröppelt neben dem Mann, wir hörten fassungslos zu. Fast eine halbe Stunde dauerte der Monolog. Wir kamen von unten, nur jetzt hatten wir das Gefühl, weiter unten gebe es nicht mehr. Das war richtig ganz unten.

Wir waren sprachlos und konnten nichts erwidern. In Karlsruhe fand an diesem Abend im Sommer 2016 ein Gaming-Stammtisch in einem Co-Working-Space statt. Entwickler und Start-ups konnten Experten und Unternehmen ihre neuen Ideen vorstellen. Alle waren gespannt auf deren Urteil. In unserem Fall verlief das äußerst mies. Der Experte kritisierte jedes einzelne Detail unseres Spiels. Wir hatten sechs Monate am Hund-gegen-Katze-Spiel »Front Yard Wars« gearbeitet – und in dieser halben Stunde wurde die Arbeit eines halben Jahres vernichtet. Das Einzige, was Daniel nach dieser Tirade noch herausbrachte, war: »Das hätte er aber auch netter sagen können.« Hatte er aber nicht. Ein absoluter Tiefpunkt, wir waren wie in Schockstarre. Da hatte uns gerade jemand komplett zusammengefaltet, bei einer Sache, die uns sehr wichtig war, von der wir uns sehr viel versprochen hatten.

Auf den einschlägigen Seiten wurde das Spiel bereits im Vorfeld entsprechend promotet: »Beim Karlsruher Entwicklerstudio Fluffy Fairy Games handelt es sich um ein Start-up, welches sich besonders für Tiere begeistert. ›Front Yard Wars‹ ist ihr größtes Projekt, es bringt ein ganz neues Szenario in das Genre. Wir sind sehr gespannt, ob es seine Versprechen halten wird!«, frohlockte es noch auf der Branchenseite »Spielesnacks«. Dabei war längst klar: wird es nicht. Versprechen wird nicht gehalten.

Volle Breitseite wegen Hunden und Katzen

Gut, vielleicht war die Idee, einen Krieg zwischen Hunden und Katzen spielerisch abzubilden, nicht ganz ausgereift. Sechs Monate hatten wir an »Front Yard Wars« gearbeitet, hatten Katzen und Hunde unter anderem mit Laserschwertern ausgerüstet, um epische Schlachten im Vorgarten zu führen. Die Spieler hatten die Möglichkeit, sich für ihre Lieblingshaustierart zu entscheiden, um als tierische Allianz gegen die gegnerische Fraktion in den Krieg zu ziehen. Unser Ziel war auf jeden Fall, das Fantasy-Mittelalter-Klischee zu umgehen. Es sollte nicht diesen Spielepathos haben, mit den erhabenen Helden und den von sich selbst ergriffenen Kriegern. Nicht sehr originell, aber wir haben halt Katzen auf Hunde gehetzt und umgekehrt – und bekamen nun die volle Breitseite. Ohne Laserschwert.

Zur Beruhigung sagten uns andere Teilnehmer, dieser Experte sei grundsätzlich immer etwas negativ eingestellt, seine Kritik deshalb auch irgendwie normal. Was es nicht besser machte. Immerhin sechs Monate unseres Lebens für die, nun ja, für die Katz’. Durch den Kopf ging uns an diesem Abend: das war es wohl. Schöne Idee mit dem Spiel. Aber machen wir lieber das Studium weiter, wir können ja in eine Beraterfirma oder einen Techkonzern gehen, aber auf keinen Fall werden wir noch mal Spiele entwickeln. Game over! Diese Gedanken brachten uns irgendwie durch die Nacht. Eigentlich war das Gaming-Business für uns gestorben.

Aber nur eigentlich.

Denn dieser Abend im April 2016 hatte etwas bewirkt. Geht nicht gibt’s nicht! Rückblickend gesehen, hatte der Verbalangriff etwas in uns ausgelöst, ja, er hat uns motiviert. Ein halbgares Lob hätte uns nicht halb so viel geholfen wie diese komplette Vernichtung. Auf der anderen Seite hat es uns klar vor Augen geführt, dass es nur funktionieren kann, wenn gilt:

Mach keinen Quatsch!

Prüfe alles doppelt und dreifach, bevor du es von der Leine lässt!

Am anderen Morgen setzten wir uns zusammen und machten reinen Tisch: Ja, es war schlecht. Es war unser allererstes Spiel, wir sind vielleicht etwas überheblich an die Sache rangegangen. Wir hatten zwar Spiele gespielt, aber wir hatten keine Ahnung, wie viel Arbeit es eigentlich macht, eines zu entwickeln. Zudem wollten wir zu viel: Es sollte ein sehr komplexes Spiel werden, ein komplexes Mehrspielerspiel, ein Multiplayer-Game. Aber wir hatten ja nicht mal den Singleplayer zum Laufen gekriegt. Wir hatten überall ein bisschen am Spiel gewerkelt, von jeder Seite, ohne echten Plan, und tatsächlich war nichts Halbes, nichts Ganzes dabei herausgekommen.

Je länger wir sprachen, desto offener wurden wir. Ja, es war inhaltlich nicht gut, wir hatten viele Anfängerfehler gemacht, und auch wenn der Typ unverschämt und seine Wortwahl unterirdisch war, so hatte er doch in fast allen Punkten recht, sehr bitter.

Die Erinnerung ist bei uns allen dreien identisch. In dieser gemeinsamen Analyse begann etwas Neues. Es hatte uns nicht umgehauen. Unser Wille war nicht »gebrochen«, um es jetzt etwas dramatisch zu formulieren. Der Ausbruch des Experten, sein – nun ja – Feedback hatte uns eher ermutigt, weiterzumachen, im Sinne von: jetzt erst recht! Und ohne Katzen. Angefangen hatte unsere gemeinsame Geschichte, deren ersten Rückschlag die herbe Kritik war, einige Monate zuvor – an einem für Studierende wichtigen Platz.

In der Mensa wurden die Weichen gestellt

Kennt jemand von euch die Schnitzelbar im KIT? Wohl nicht. Nun, die Mensa des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat eine eigene Ausgabestelle nur für Schnitzel. Da gibt es jeden Tag Schnitzel, und die Schlange davor ist so etwas wie die Priority Lane für Schnitzelesser. Wir alle drei kannten die Schlange gut. Wir haben viel Zeit in der Schnitzelschlange verbracht, vielleicht zu viel. Jedenfalls haben wir in der Mensa zum ersten Mal als Trio zusammengesessen – das war einige Monate vor der vernichtenden Kritik. Oliver kannte Daniel, Daniel kannte Janosch. Und Daniel brachte alle drei zusammen, beim Schnitzel. Was wir besprachen, klang groß. Daniel und Janosch wollten ein Unternehmen hochziehen, ein Start-up. Und Olli galt als herausragender Programmierer, als eine wichtige Stütze auf der technischen Seite.

Wir aßen also Schnitzel, sprachen über Chancen und dachten an Erfolg, an Durchbruch, an einen Umzug nach London. Das hörte sich sehr cool an. Wir waren angefixt. So ein bisschen Was-kostet-die-Welt-Feeling. Gleichzeitig schien das für jeden von uns auch der Ausweg aus der akademischen Enge zu sein. Der Weg schien eher in die Forschung und Entwicklung hochkomplexer technologischer Lösungen zu gehen. Daher war diese neue Idee für uns eine absolute Alternative auf die Frage: Was wollen wir machen? Wir starten ein Business! Klar! Wir waren entflammt vom Gedanken an das eigene Unternehmen. Wir sahen ein Ziel vor Augen, hatten einen Plan, zumindest im Kopf. Das Gespräch in der Mensa war – noch vor dem niederschmetternden Urteil des Spieleexperten – der Moment, ohne den es später das Unternehmen Kolibri Games nie gegeben hätte.

An der Uni gab es einen Kellerraum, einen Raum ohne Fenster, sehr dunkel, aber mit einer sehr leistungsstarken Klimaanlage. Dort trafen wir uns zum Herumspinnen und Diskutieren. Es gab ein paar verschlissene Sofas, einen alten Tisch und an der Wand hing eine Schultafel. Auf die kritzelten wir Ideen und Pläne für ein mögliches Business. Wegen der Klimaanlage war es immer kalt, manchmal schossen wir uns aus Langeweile mit den Nerf Guns, diesen Plastikgewehren, ab. Und irgendwann klärte sich da unten im Keller etwas Grundlegendes: Ja, lasst uns ein Spiel bauen. Ein paar Tage zuvor hatte Daniel schon eine Nachricht an Olli geschickt: »Was hältst du von Gaming?« Einfach so. Daniel war etwas in den Kopf gekommen und er fragte Olli: »Sollen wir ein Spiel entwickeln?« Als wir später im fensterlosen Raum zusammensaßen, waren wir uns einig: Machen wir!

WER SIND WIR? JANOSCH

Das Internet setzte sich bei uns zu Hause nur mühsam durch. Das hatte einen einfachen Grund: Meine Schwester war 13 Jahre alt, als sie auf einen Online-Abo-Scam reingefallen war, irgendwo hatte sie falsch angeklickt und aus Versehen ein Abo abgeschlossen. Es gab Ärger, Post vom Anwalt kam, die Kosten des unfreiwilligen Abos beliefen sich auf 200 Euro. Das war eine Menge Geld für meine Mutter, und eine bittere Erfahrung. Danach hatte sie einen Riesenrespekt vor dem Netz – und wollte das Internet auf gar keinen Fall zu Hause haben.

Für mich hieß das: nicht wie die coolen Leute ins Netz gehen, nicht wie die coolen Leute von der Schule auf dem Radio-Chat oder auf dem Messenger-Dienst ICQ mitreden können. Zumindest nicht zuhause. Ich bin dann immer zehn Kilometer ins Nachbardorf zu meinem Opa gefahren, der hatte Netz und ich war dann auch online, so wie die Coolen.

Eigene WLAN-Antenne gebaut

»Das Internet ist superwichtig für die Schule«, versuchte ich meine Mutter zu überzeugen. Sie hatte mir inzwischen die deutsche Wikipedia auf DVD geschenkt, das gab es damals wirklich. Es war zwar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, aber von da an habe ich mich nächtelang von Wiki-Link zu Wiki-Link durch das Wissen der Welt gelesen. Einmal habe ich sogar versucht, mit Styropor, Nägeln und Kabel eine WLAN-Antenne zu bauen, um irgendwie beim Nachbarn mitzusurfen. Doch mein Homemade-Internetanschluss funktionierte nicht. Irgendwann kamen die ersten internetfähigen Smartphones – zwar mit Edge, aber immerhin. Mit einem bisschen Umbauen konnte ich die Handys an den PC anschließen und hatte endlich Internet!

Ansonsten bin ich in Herbrechtingen bei Heidenheim aufgewachsen. Bis zur zehnten Klasse war ich wirklich kein guter Schüler. Lange dachte ich, ich müsse mich nur bei den Abiturprüfungen anstrengen, dann würde es schon für eine akademische Laufbahn reichen. Meine Eltern waren keine Akademiker, ich sah in der Uni die große Chance, beruflich weiterzukommen. Irgendwann kapierte sogar ich, dass bereits die zwei Jahre zuvor mit in die Abinote einfließen, also strengte ich mich an. Ich wollte unbedingt einen guten Schnitt erreichen, damit ich auf die Uni gehen könnte. Ansonsten war ich ein klassischer Nerd, ich zockte viel, verbrachte viel Zeit vor dem Computer. Hat es mir geschadet? Nein.

Nach dem Abi schrieb ich mich dann am KIT in Karlsruhe für Wirtschaftsingenieurwesen ein. Parallel studierte ich noch Psychologie an der Fernuniversität in Hagen.

DANIEL

Mit zwölf Jahren habe ich eine Lektion gelernt. Damals trug ich jedes Wochenende Zeitungen aus, bei Wind und Wetter, immer mehrere Stunden. Teilweise sind mir die Rucksäcke gerissen, weil ich zu viele Zeitungen mitgeschleppt habe, um nicht gleich wieder umdrehen und neue holen zu müssen. Viel Geld habe ich nicht dafür bekommen, meist waren es nur 50 Euro im Monat. Aber das habe ich gemacht, bis ich 16 Jahre alt war. Es war zwar hart, aber ich habe gelernt, etwas zu Ende zu bringen, eine Sache durchzuziehen. Mit dem Geld habe ich mir unter anderem ein C++-Programmierbuch gekauft. Mehr als 1000 Seiten, das war ein Riesenwälzer, den ich mir da vorgenommen hatte. Aber ich wollte unbedingt Programmieren lernen – leider habe ich zunächst nichts verstanden, das war alles kryptisch.

Für den Erfolg wollte ich alles tun

Danach ließ ich es für zwei Jahren bleiben. Bis zur zehnten Klasse war ich kein guter Schüler. Was mich interessierte, war Programmieren, waren Programmiersprachen. Das brachte ich mir selbst bei und ich vertiefte mich immer mehr in die Computerwelt. Ich wuchs in Heidenheim auf, also auf der Schwäbischen Alb. Heidenheim hat ganz klassisch ein großes Familienunternehmen, bei dem viele Heidenheimer beschäftigt sind. Wenn vom schwäbischen Mittelstand gesprochen wird, dann ist eine Stadt wie Heidenheim gemeint.

Bei uns zu Hause war Geld immer Thema, aber nicht, weil es zu viel davon gab. Meine Eltern bemühten sich nach Kräften, mir und meinem Bruder ein gutes Leben zu ermöglichen. In der zehnten Klasse legte ich dann den Schalter um, das kam einfach so: Ich wollte Erfolg haben, wollte alles für den Erfolg tun, wollte finanziell unabhängig sein. Ich wollte hoch hinaus. Raus aus der Welt, in der jeder Cent umgedreht werden muss. Das nahm ich mir fest vor und in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends schien IT dafür genau der richtige Weg zu sein. Und dann schrieb ich mich am KIT in Karlsruhe für Wirtschaftsinformatik ein.

OLIVER

Seit ich ein Kind war, sitze ich vor dem PC. Mich hat es immer fasziniert, dass man Strom an einen Kasten anschließt und er dann farbige Bilder auf einen Monitor projiziert – und dass man mit dem Gezeigten interagieren und etwa mit den PC-Spielen richtig viel Spaß haben kann. Der Tag, als ich meinen ersten PC mit Internetzugang gekauft habe, damals eine DSL-Leitung, veränderte vieles. Von da an verbrachte ich viel Zeit mit Blick auf den Bildschirm. Ich wollte alles verstehen, und nicht nur irgendwie, ich wollte jedes Detail verstehen und habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, wie Computer funktionieren, wie man sie programmiert – und wie ich sie dazu bringen kann, Sachen zu machen, die ich will. Jeder Befehl, der funktionierte, war ein kleiner Erfolg. Außerdem verbrachte ich sehr viel Zeit auf Google, um noch mehr zu verstehen, noch mehr zu lesen – und mir das Entscheidende eben schon recht früh selbst beizubringen. Später verfestigte sich mein Wissen, ich hatte begonnen, eigene Roboter zu bauen.

Ein sehr guter Ruf

Es war schon früh klar, dass ich Informatik studieren wollte. Und der Traum war, irgendwann in eine große Firma zu gehen, ins Silicon Valley, zu Google oder Apple. Ich lernte Programmieren, las Bücher übers Programmieren, richtig dicke Wälzer. In der Schule hatte ich weniger gute Noten, doch irgendwie schaffte ich einen ordentlichen Abischnitt. Ich schrieb mich in Karlsruhe am KIT für Informatik ein. Die Uni hat, was Informatik angeht, einen sehr guten Ruf im deutschsprachigen Raum.

Das strenge Feedback der Berater

Unser Plan stand fest. Aber ein paar kalte Füße standen auch noch herum. Wir trauten uns nicht so ganz – und hatten einen Plan B. Sozusagen Team Sicherheit. Dieser Plan hieß: McKinsey. Wenn alle Stricke reißen, gehen wir in die Unternehmensberatung. Und das war nicht anmaßend. Wir hatten bereits eine Menge Erfahrung gesammelt. An der Universität in Karlsruhe gibt es eine studentische Unternehmensberatung, eine eigenständige Firma mit Namen »delta«, bei der man sich im Kontakt mit Kunden ausprobieren, echte Erfahrungen sammeln konnte. Es ging darum, in kleinen Teams Lösungen für Herausforderungen von Unternehmen zu finden. Beispielsweise war eine Aufgabe: Ein großer Technologiekonzern in Walldorf sucht qualifizierten Nachwuchs. Helft uns, die richtigen Leute zu finden, helft uns, präsenter zu werden. Bei einem Projekt für BMW ging es darum, eine Ideenmanagement-Software zu implementieren. Wir gingen in die Unternehmen, wir tauschten uns mit den Leuten aus, stellten Fragen, hörten zu, entwickelten Strategien, die wir dann präsentieren mussten.

Diese Projekte liefen parallel zum Studium und waren sehr kompetitiv angelegt, alles stand immer im Wettbewerb. Man musste gegen andere Studentengruppen um den Auftrag pitchen. Wir, Janosch und Daniel, engagierten uns sehr stark bei delta – und wir lernten eine Menge dabei. Denn es wurde einem absolut nichts geschenkt. Auf Präsentationen gab es sehr ehrliches und meist auch sehr kleinliches Feedback: »Warum ist die Überschrift auf Folie 14 in Schriftgröße 18 und auf Folie 15 nicht?« Und dann standst du da und musstest vor 40, 50 anderen Studierenden erklären, warum die Überschriften nicht konsistent waren. Und das war noch das harmlose Feedback.

Wir lernten in dieser Phase etwas ganz Entscheidendes: Gib dich nie zufrieden. Misstraue dem Gefühl des Absolutsicherseins. Es gab Kritik an Analysen und Projektideen, Kritik am Stil der Präsentation, oft eben sehr hartes Feedback. Wir waren meist sehr nervös vor den Feedbackrunden. Zumal auch unverhohlen und schonungslos die jeweiligen Stärken und Schwächen der einzelnen Teilnehmer angesprochen wurden, das war zum Teil richtig heftig. Du bist Student, hast kaum Lebenserfahrung und dir wird vorgehalten, nicht überzeugend genug zu sein. Es war eine sehr harte Schule. Aber es war eben auch eine wertvolle Praxiserfahrung. Wir lernten, wie Unternehmen wirklich funktionierten, wir lernten, was prozessorientierte Beratung ist, und wir lernten ganz allgemein sehr viel über Prozesse. Immer ging es direkt zur Sache, sehr hart, sehr ehrlich. Kein Terrain für Labertaschen. Sofort auf den Punkt kommen. An der Uni ist das Lernen hingegen abstrakt, es ist eine sehr methodische Arbeit, du sitzt von morgens bis abends in der Bibliothek und lernst in Monaten nicht, was du in einem Beraterprojekt in wenigen Stunden lernst. Das hat uns fasziniert. So sehr, dass wir im Hinterkopf immer den Gedanken hatten: Wir können immer noch Berater werden. McKinsey war infolgedessen der Plan B. Den wir dann allerdings nicht brauchten.

Die gemeinsame Gründung

Zum Zeitpunkt unserer Gründung war Olli bereits an Bord. Olli ist richtig gut, der perfekte Mann für technische Herausforderungen, ein Topentwickler – und die beste Unterstützung bei der Realisierung einer Spielidee. Das war für uns der Moment, es fix zu machen, zu gründen.

Wir waren damals zu fünft. Mit an Bord waren noch Tim Reiter und Sebastian Karasek. Sie hatten beide hohen Anteil am Aufbau unseres Unternehmens – und vor allem einen hohen Anteil an der Entwicklung des Spiels. Sebastian ist ein Mann mit einem sehr präzisen Blick auf technische Details, Tim ist Generalist, jemand, der von sehr vielen Dingen sehr viel Ahnung hat – und der zum damaligen Zeitpunkt bereits wusste, wie ein Spiel entwickelt wird. Wir werden die beiden noch näher vorstellen, sie sind ein wichtiger Teil unserer Firmen-DNA, ein wichtiger Teil dieser Geschichte.

Zwar sind Tim und Sebastian den gemeinsamen Weg nicht bis zum Ende mitgegangen, haben aber die Anfangszeiten gleichermaßen geprägt und waren wie wir auch mit dieser Mischung aus Unerschrockenheit, Blauäugigkeit und einem Willen, etwas auf die Beine zu stellen, ausgestattet. Echte Mitstreiter und Kämpfer.

Also machten wir uns alle fünf zu »Co-Foundern«, was den entscheidenden Vorteil hatte, dass man »Co-Founder« nicht bezahlen muss, dass »Co-Founder« kein Gehalt fordern – von da an waren wir Unternehmer. Mal wieder. Daniel hatte bereits mit Janosch und Sebastian zusammen die digitale Plattform »Uberachiever« gegründet, auf der man sich verpflichtet, eine Leistung zu erbringen, also beispielsweise dreimal die Woche schwimmen zu gehen – und bei Nichterreichen der Ziele eine karitative Einrichtung finanziell zu unterstützen. Also beispielsweise 100 Euro an Unicef zu spenden, wenn man nicht regelmäßig schwimmen geht. Die Plattform war durchaus beliebt, wir hatten zwischenzeitlich 1000 bis 2000 Nutzer. Daniel hatte zuvor auch schon die Jobplattform »tibuga« aufgebaut, auch Janosch hatte bereits gegründet. Wir wollten so eine Art wie Absolventa.de bauen, wir hatten bereits ein MVP (Minimum Viable Product), also eine noch nicht ganz ausgereifte, aber funktionierende Version, und sogar an die großen Beraterfirmen Bosten Consulting Group und McKinsey Zugänge verkauft. Aber auch da stockte es, es ging noch nicht durch die Decke. Doch dabei lernten wir unter anderem, wie eine Plattform aufgebaut wird und wie man Nutzerinnen und Nutzer anspricht. Aber wirklich eine Ahnung davon, wie man ein Unternehmen baut, was Marketing bedeutet, hatten wir alle noch nicht.

Fünf Jungs und die flauschige Fee

Es war von Anfang an ein Abenteuer, wie ein Spiel, unser erstes gemeinsames Unternehmensspiel. Wir hatten neben der Uni begonnen, etwas unternehmerisch zu wagen. Und der Plan war: ein Spiel bauen und erfolgreich werden. Aber das Wichtigste fehlte. Wir hatten keinen Namen.

Wie sollte das Unternehmen heißen?

We did it our way und fütterten im Netz einen Zufallsgenerator mit allen möglichen Fantasiebegriffen. Irgendwas mit Games, der englische Begriff »fairy« gefiel uns. Und dann spuckte der Zufallsgenerator seltsame Namen aus wie »Fluffy Fairy Unicorn«. Das schien selbst uns etwas zu schräg, zudem war der Name bereits vergeben. Plötzlich tauchte der Name »Fluffy Fairy Games« auf – wir griffen zu.

Ab da waren wir Fluffy Fairy Games. Ein Unternehmen, noch ohne eigene Rechtsform, einfach fünf Typen, die ein Unternehmen bildeten.

Es ist Mitte 2016. Ein regnerischer und eher kühler Sommer steht bevor. Wir starten. Das erste Level ist zweifellos nur das Einsteigerlevel. Erste Abenteuer, hinfallen, aufstehen, wenig Orientierung, viel Energie und Leidenschaft. Kraft sucht Richtung. Wer soll uns aufhalten? Hybris. Was kostet die Welt?

Level 2 in Sicht. Wir wollen es jetzt wissen – und bauen eine frühe Version eines Handyspiels, die unser Leben grundlegend verändern wird. Auch weil es uns gelingt, die Seele des Spiels zu entdecken. Doch zunächst müssen wir das Papierproblem in den Griff bekommen.

Papier. Wir hätten nie gedacht, dass Papier zu einem so großen Problem werden kann. 240 Liter fasst die städtische Papiertonne in Karlsruhe. Aber in einem Mietshaus mit mehreren Parteien ist sie recht schnell voll. Vor allem, wenn im Dachgeschoss ein paar junge Menschen versuchen, im Gaming-Business durchzustarten. Zehn Leute, davon fünf studentische Praktikanten, arbeiteten am Ende der ersten Phase bei uns in der WG. Und wenn sie Hunger hatten, wurde Pizza bestellt oder asiatisches Fast Food – und immer kam das Essen in Kartons. Immer wieder Kartons, Kartons, Kartons. Irgendwann begannen die Kollegen, sich Sachen von Amazon »ins Büro«, also zu uns in die WG, schicken zu lassen, und schon wieder kamen neue Kartons an.