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M - immer wieder schreibt Skye Dearborn diesen Buchstaben, aus einer dunklen Erinnerung ihres Unterbewusstseins heraus. Wer sie wirklich ist, und warum sie von ihrer eigenen Mutter als Kind aus der Mitte der mächtigen Monarch-Familie gekidnappt wurde, erfährt sie erst, als das Schicksal zuschlägt. Denn getrieben von dem Wunsch, ihre Zukunft allein zu meistern, verlässt sie Chance McCord, den sie liebt, und wird eine erfolgreiche Schmuckdesignerin bei dem Mann, vor dem ihre Mutter sie immer schützen wollte. Jetzt ist er seinem Ziel ganz nah: Skye zu besitzen - oder sie zu töten
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Seitenzahl: 745
Macht des Schicksals
Seit Jahren ist Griffen Monarch von dem Wahn besessen, seine Halbschwester Skye Dearborn zu besitzen – oder sie zu töten, damit sie keinem anderen gehören kann. Skye ahnt nicht, warum sie von Jugend an mit ihrer Mutter, die sie vor Griffen verstecken will, von Jahrmarkt zu Jahrmarkt tingelt. Als ihre Mutter eines Tages verschwindet, geht sie bereitwillig mit Chance McCord mit. Ihm vertraut sie, er ist ihr Freund, und während Chance sich um sie kümmert, wird aus ihrer Freundschaft eine tiefe Liebe. Doch dann muss Skye Chance verlassen. Durch ihre Arbeit als Schmuckdesignerin gerät sie in Griffen Monarchs Nähe. Jetzt ist der Moment gekommen, auf den er gewartet hat. Skye gehört ihm. Bis dass der Tod sie scheidet.
Erica Spindler
Macht des Schicksals
Roman
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Fortune
Copyright © 1997 by Erica Spindler
erschienen bei: Mira Books, Toronto
Published by arrangement with
Harlequin Enterprises II B.V., Amsterdam
Übersetzung: Emma Luxx
Konzeption/Reihengestaltung: fredeboldpartner.network, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Titelillustration: Roland Pecher
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprise S.A., Schweiz
Satz: Berger Grafikpartner GmbH, Köln
ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-365-6 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-364-9
Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.
Der Preis diese Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund
„Sie lebt.“
Als der Mann am Schreibtisch diese Worte hörte, umklammerte er den Telefonhörer noch fester. „Sind Sie sicher?“ Seine sonst so kraftvolle und gleichmäßige Stimme klang mit einem Mal heiser und leise. „Sie sind schon früher auf falsche Fährten gestoßen.“
„Diesmal nicht“, erwiderte der Privatdetektiv. „Ich habe die Information aus einer sehr zuverlässigen Quelle. Von einem Fälscher, der ihr einen Pass ausgestellt hat.“
Mit seiner freien Hand nahm der Mann einen Bleistift auf und hielt ihn fest umschlossen. „Wollen Sie sagen, sie hat das Land verlassen?“
„Sieht so aus.“
„Irgendeine Ahnung, wohin?“
„Sie hat meinem Kontaktmann nichts darüber gesagt. Gut eine Woche nach dem Unfall war sie bei ihm aufgetaucht, hatte ihm mitgeteilt, was sie brauchte, und dann bar bezahlt.“
Mit dem Geld, das sie aus seinem Haus hatte mitgehen lassen. „Dieser Fälscher ... hat sich bei Ihnen gemeldet? Einfach so? Nach einunddreißig Jahren?“
„Er hat sich nicht bei mir gemeldet. Ich habe ihn aufgespürt.“
„Und wie?“ fragte er misstrauisch.
Der Detektiv schien sich an dem Verhörstil des Mannes nicht zu stören, er war so etwas gewöhnt. „Ich erledige ein paar Jobs für einen hiesigen Gangster, einen alten Fuchs mit Freunden, die alle an den richtigen Stellen sitzen. Ich habe ihm gesagt, ich müsse eine Frau finden, die vor über dreißig Jahren unter einem anderen Namen das Land verlassen haben könnte. Daraufhin hat er für mich den Kontakt mit dem Fälscher hergestellt.“
„Und wie heißt dieser Fälscher?“
Der Detektiv lachte auf. „Sorry, aber er möchte lieber ungenannt bleiben. Sie verstehen?“ Er machte eine kurze Pause. „Er wollte ohnehin erst reden, nachdem ich ihm fünf Riesen zugeschoben hatte. Ich hoffe, das ist so in Ordnung“, fügte er an, wobei er ein wenig unsicher klang. „Sie haben mir selbst gesagt, dass Geld keine Rolle spielen würde.“
Der Mann machte eine fahrige Handbewegung. „Das Geld kümmert mich einen Dreck, ich will nur sicher sein, dass er Sie nicht bescheißt.“
„Macht er nicht. Er hat die Frau auf einem Foto wieder erkannt, das die Polizei nach dem Unfall in der Umgebung verteilt hatte. Als sie zu ihm kam, trug sie eine dicke Brille, und sie hatte eine andere Haarfarbe. Aber es war eindeutig sie, dafür legt mein Mann die Hand ins Feuer.“
„Welchen Namen hatte sie benutzt?“
„Virginia Potter.“
Der Mann in dem abgedunkelten Zimmer atmete tief ein, um dann die Luft langsam aus seinen Lungen entweichen zu lassen. Sie war es. Ihre Mutter hieß Virginia.
„Sie hatte auch eine Adresse in Seattle hinterlassen“, fuhr der Detektiv fort. „Ich habe sie überprüft, aber sie war falsch.“
Auch wenn ihn die Nachricht wie ein Schock traf, war er nicht wirklich überrascht. Er war anfangs einer der wenigen und schließlich der Einzige gewesen, der diesen lächerlichen Quatsch vom „Unfalltod“ nicht geglaubt hatte.
„Verstehen Sie nicht, was sie getan hat?“ hatte er den Polizeibeamten angebrüllt, der die Ermittlungen leitete. „Sie hat ihren Tod vorgetäuscht! Sie hat ihren Wagen über die Klippe geschoben und ist dann ganz gemütlich davonspaziert.“
Die Behörden waren davon zwar nicht überzeugt gewesen, hatten dann aber doch für die gesamte mittelkalifornische Küste eine Personenbeschreibung herausgegeben, während Taucher den Meeresboden absuchten. Außer dem Wagen wurde aber nur ein Koffer voller Kleidung gefunden – ihre Kleidung und die des Babys.
Am Abend des dritten Tages hatte die Polizei die Suche eingestellt, die Frau und ihr Kind waren offenbar ertrunken und wurden später offiziell für tot erklärt.
Er dagegen hatte niemals die Suche beendet.
Die Erinnerung an jene tragische Nacht war nie verblasst, so dass der Hass wieder in ihm aufstieg und seine Kehle zuschnürte. Diese elende Schlampe! Er hatte sie bei sich aufgenommen und sie wie sein eigen Fleisch und Blut behandelt. Und wie hatte sie sich revanchiert? Indem sie das tötete, was für ihn das Kostbarste war. Sein erstgeborener Sohn, sein Mario.
Jetzt endlich waren seine Gebete erhört worden. Sie lebte. Er schwor sich, dass er herausfinden würde, wo sie sich verkrochen hatte. Nicht, um sie vor Gericht zu bringen und verurteilen zu lassen – das Gefängnis war noch viel zu milde für das, was sie getan hatte –, sondern damit er selbst sie bestrafen konnte. Er würde das Miststück leiden lassen, schön langsam. Und wenn er mit dieser Frau fertig war, dann würde der Tod für sie die Erlösung sein.
Der Gedanke, endlich den Tod seines Sohnes auf eine Weise zu rächen, wie nur er sie sich ausmalen konnte, ließ ihn vor Erwartung fast schon schwindlig werden. Ja, das lange Warten würde sich am Ende doch noch gelohnt haben.
Langsam straffte er seine Schultern. Als er schließlich weitersprach, war seine Stimme wieder kraftvoll. „Finden Sie sie“, sagte er zu dem Anrufer, während er den Bleistift in zwei Stücke zerbrach.
„Courtney!“ In ihrem Pariser Hotelzimmer am rechten Seine-Ufer blickte Rachel Spaulding mit gespieltem Entsetzen auf ihre Fingernägel. „Was machst du mit mir?“
Rachels Nichte, eine fünfzehn Jahre alte, temperamentvolle und selbst erklärte Modeexpertin, schlug ihr leicht auf die Hand. „Ich lasse dich nur ein bisschen heißer aussehen. Und jetzt halt still, ja? Oder willst du überall auf deinen Händen Nagellack haben?“
„Wir haben von einer Maniküre gesprochen“, protestierte Rachel. „Nicht davon, dass du meine Fingernägel in Nuttenrot lackierst.“
Courtney kicherte, hielt aber ihren Kopf weiter über Rachels Hand gebeugt. „Das ist der allerneueste Farbton. Und er heißt nicht Nuttenrot, sondern Rouge de Passion“, fügte sie in fast perfektem Französisch an. „Die Verkäuferin hat gesagt, dass dieser Farbe kein Mann auf der ganzen Welt widerstehen kann.“
„Ja, schon, aber ich bin nicht hier, um Leidenschaft zu wecken, sondern um Monsieur Fronsac zurück ins Boot zu holen.“
„Und das wirst du auch.“ Courtney tauchte den Pinsel wieder in das Fläschchen und strich den überschüssigen Nagellack am Rand ab. „Französische Männer lieben Frauen, die keine Angst haben, ab und zu ein wenig draufgängerisch zu sein.“
Rachel konnte sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen: „Und seit wann bist du eine Expertin für französische Männer?“
Courtney hielt in ihrer Bewegung inne und warf Rachel einen wissenden Blick zu. „Ich bin fast sechzehn Jahre alt, Tante Rachel, keine sechs.“
„Ich verstehe.“
Rachel betrachtete liebevoll ihre Nichte, die in zwei Monaten ihren sechzehnten Geburtstag feiern würde. Courtney Aymes war das, was man gerne als typisch kalifornisches Mädchen bezeichnete. Sie hatte langes und seidiges blondes Haar, die für alle Spaulding-Frauen charakteristischen blauen Augen und lange, wohlgeformte Beine, die am Vortag auch dem Zöllner am Flughafen Charles de Gaulle nicht entgangen waren.
Rachel bewunderte ihre Nichte, die das völlige Gegenteil ihrer Mutter – ihre Schwester Annie – darstellte. Sie war warmherzig, humorvoll, mitfühlend und fast schon zu loyal. Es war auch kein Geheimnis, dass Courtney mehr mit Rachel gemein hatte als mit ihrer eigenen Mutter. Diese Tatsache war für Annie immer wieder Grund genug, ihre feindselige Haltung gegenüber ihrer jüngeren Schwester zu unterstreichen.
Diese Feindseligkeit hatte Annie auch dazu veranlasst, Courtney rundweg zu verbieten, mit Rachel nach Paris zu reisen, obwohl die Schule noch nicht wieder angefangen hatte. Erst als Grandma sich eingemischt und darauf gepocht hatte, die kurze Reise würde Courtney gut bekommen, hatte Annie schließlich doch ihre Erlaubnis gegeben.
„Fertig.“ Das Mädchen setzte sich aufrecht hin, um die Arbeit zu begutachten. „Wie findest du’s?“
„Also ...“ Rachel betrachtete einige Sekunden lang ihre perfekt lackierten Nägel. „Ich selbst hätte diese Farbe nicht ausgesucht, aber ich muss sagen, dass sie nicht so schlimm ist, wie ich gedacht hatte.“
Courtney grinste breit. „Da bist du ja bestimmt froh, dass du mich mitgenommen hast, wie?“
„Rasend. Ich wüsste gar nicht, wie ich ohne dich zurechtkommen sollte“, antwortete Rachel lachend.
Courtney lehnte sich in ihrem Sessel zurück, betrachtete Rachel von Kopf bis Fuß und nickte dann zustimmend. „Du siehst scharf aus.“
Wieder reagierte Rachel amüsiert auf Courtneys Wortwahl. Das Mädchen tat ihrem Ego wirklich gut. „Danke, mein Schatz.“
Während Rachel die Hände vom Körper forthielt, um den Nagellack nicht zu verschmieren, ging sie hinüber zu dem großen goldverzierten Spiegel über dem offenen Kamin und warf einen prüfenden Blick auf ihr Abbild. In letzter Minute hatte sie auf Courtneys Vorschlag hin dem schlichten, aber eleganten schwarzen Anzug den Vorzug vor dem blauen Kleid gegeben. Da sie um ihr Aussehen nie viel Aufhebens machte, hatte sie ihr kurzes braunes Haar einfach nach hinten gebürstet und ihr Make-up auf ein Minimum reduziert: ein Hauch Rouge auf den Wangen und einen roten Lipgloss. Das war schon deutlich mehr als zu Hause in Calistoga, wo sie sich praktisch immer einfach und bequem kleidete. Aber jetzt waren sie in Paris, wie Courtney unermüdlich betonte.
Ihr Blick wanderte zu ihrer linken Hand, an der der vier Karat schwere Diamantring funkelte, den Preston ihr im letzten Monat zur Verlobung geschenkt hatte. Als der Juwelier seiner Mutter aus San Francisco für eine private Präsentation ins Farley-Haus gekommen war, hatte Rachel dem Mann erklärt, dass sie einfachen, unauffälligen Schmuck bevorzugte. Aber sowohl Preston als auch seine Mutter hatten sich als unerbittlich erwiesen. Als zukünftige Ehefrau eines der viel versprechendsten Anwälte von Kalifornien musste Rachel ihrer Rolle entsprechend aussehen. Mit anderen Worten: Sie musste standesgemäß aussehen. Sie hatte es nicht übers Herz gebracht, die beiden zu enttäuschen.
Der Gedanke, den Ring im Hotelsafe zurückzulassen, verschwand so schnell, wie er gekommen war. Sie musste sich an das verdammte Ding gewöhnen. Außerdem gab der teure Edelstein ihr das Gefühl, dass Preston an ihrer Seite war und ihr Mut zusprach. Ein wenig mehr Selbstbewusstsein hätte ihr jetzt wirklich gut getan. Das Meeting mit Monsieur Fronsac und seinen zwei Teilhabern lag ihr schwer im Magen. Annie, die Marketingleiterin des Weinguts, hatte ihr gesagt, der Mann verleihe dem Wort Arroganz eine völlig neue Bedeutung. Genau deshalb hatte Rachel zunächst auch die Bitte ihrer Großmutter abgeschlagen, nach Paris zu reisen und den Geschäftsabschluss zu retten.
„Annie ist diejenige, die ihn beleidigt hat“, hatte sie protestiert. „Soll sie doch hinfliegen und sich entschuldigen.“
Doch Fronsac, Eigentümer der größten Supermarktkette in Frankreich, wollte mit Annie Spaulding und eigentlich sogar mit Spaulding Vineyards insgesamt nichts mehr zu tun haben. Schließlich war Rachel nichts anderes übrig geblieben, als ihrer Großmutter beizupflichten. Wenn Spaulding Vineyards auf dem französischen Markt Fuß fassen wollte, dann musste Monsieur Fronsac umgestimmt werden.
„Du siehst aus, als würde die Guillotine auf dich warten“, sagte Courtney kichernd.
Rachel drehte sich zu ihr um: „Das merkt man, oder?“
„Würde ich schon sagen.“ Courtney steckte das Fläschchen Nagellack zurück in ihren Make-up-Koffer. „Ich weiß nur nicht, warum du dir so viele Gedanken machst. Ich habe neulich Grandma und Preston reden hören. Sie sind beide der Meinung, dass es nur einen gibt, der den alten Bock von Fronsac besänftigen kann. Und das bist du.“
„Grandma und Preston überschätzen gerne meine Fähigkeiten“, erwiderte Rachel, obwohl sie innerlich über das Vertrauen erfreut war, das sie in sie setzten. Vor allem Preston. Ihr gut aussehender Verlobter, Sohn eines hochrangigen Richters und einer Frau aus der Oberschicht von San Francisco, war nicht so leicht zu beeindrucken. Zwangsläufig verteilte er auch nur höchst selten Komplimente.
Sie kämpfte gegen ihre innere Unruhe an und wedelte mit ihren Händen. „Trocken?“
Courtney sprang von ihrem Sessel auf und prüfte mit einer Fingerspitze einen Nagel, dann nickte sie. „Jawohl, Ma’am.“
Rachel ging zum Himmelbett, auf dem ihre Aktentasche lag. Sie kontrollierte rasch den Inhalt, um festzustellen, dass sie alles hatte, was für das Meeting erforderlich war. „Wünsch mir was“, sagte sie und grinste ihre Nichte schief an.
„Mach ich.“ Courtney umarmte sie kurz. „Und ruf mich an, wenn dein Meeting vorbei ist, ja? Wir müssen deinen Sieg mit einem total abgefahrenen Lunch feiern.“
Rachel lachte. „Weißt du was?“ fragte sie und legte den Arm um die Hüfte des Mädchens, während sie Seite an Seite zur Tür gingen. „Ich bin froh, dass du mitgekommen bist.“
Um zehn nach elf verließ Rachel das aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäude in der Rue Saint Jacques, das Fronsacs Büro beherbergte. Noch immer unter Anspannung stehend, lehnte sie sich gegen die Hauswand und atmete erleichtert aus.
Nach nervenaufreibenden eineinhalb Stunden mit Fronsac und seinen beiden Teilhabern hatte sich der Geschäftsmann letztlich – wenn auch alles andere als selbstlos – bereit erklärt, die Vergangenheit ruhen zu lassen und eine Auswahl von Spaulding-Weinen in seinen fünfhundert Supermärkten ins Angebot zu nehmen.
Es war weder ein leichter noch ein billiger Sieg gewesen. Annies kleiner Ausrutscher hatte das Weingut einen gewaltigen Rabatt von fünfzig Prozent gekostet, der damit fünf Prozentpunkte über dem lag, was Fronsac ursprünglich ausgehandelt hatte. Sie wusste nicht, über wen sie sich mehr ärgerte – über Annie oder über den Franzosen.
Ihre Anstrengungen hatten sich dennoch bezahlt gemacht. Immerhin hatte Fronsac nicht nur den Vertrag unterzeichnet, sondern zusätzlich darauf bestanden, den Abschluss zwischen Supermarchés Fronsac und Spaulding Vineyards auf einer Pressekonferenz bekannt zu geben.
Innerhalb von nur zwanzig Minuten hatte sich ein halbes Dutzend Reporter der verschiedenen Tageszeitungen und Magazine eingefunden, gefolgt von einem Kamerateam des Senders France 2, um sie mit Fragen zu bombardieren – zum Glück auf Englisch.
Jetzt, da die Aufregungen abgeklungen und die Verträge unterzeichnet waren, spürte sie, dass sie sich endlich entspannte. Courtneys Vorschlag eines abgefahrenen Lunchs klang jetzt noch verlockender als zuvor.
Rachel fiel ein, dass sie ihre Nichte anrufen wollte, und sie sah sich nach einer Telefonzelle um. Wenige Meter von der Sorbonne entfernt entdeckte sie eine. Sie holte ihre Telefonkarte aus der Handtasche und strebte auf die berühmte Universität zu, während sie die frische Herbstluft tief einatmete.
Paris war schon immer einer ihrer Lieblingsorte gewesen. Und nirgends war die Stadt der Lichter reizvoller und französischer als im Quartier Latin.
Das Viertel, das lange Zeit als Oase der Künstler und Intellektuellen und als Heimat solch namhafter Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway, Jean-Paul Sartre und Maurice Chevalier gegolten hatte, steckte voller Leben und war für viele Herz und Seele von Paris.
Rachel hatte keine Ahnung, warum sie sich so mit Frankreich verbunden fühlte. So wie die meisten Amerikaner hatte sie ihre erste Reise durch Europa unmittelbar nach dem Wechsel auf die High School unternommen. In diesen zwölf hektischen Tagen hatte sie auch Deutschland, Italien und die Schweiz gesehen, doch Frankreich hatte bei ihr den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen.
Sie war seitdem oft wieder hergekommen, wenn die wenige freie Zeit einen Kurzurlaub gestattete. Fasziniert hatte sie die reichhaltige Geschichte in sich aufgesogen, war durch die üppigen Landschaften gereist und hatte reizende kleine Dörfer abseits der bekannten Routen entdeckt. Und ganz nebenbei hatte sie die Landessprache erlernt.
Sie näherte sich der Telefonzelle, als sie von einer lebhaften Interpretation von „When the Saints Go Marching In“ abgelenkt wurde. Ein Saxofonist, einer von vielen Straßenmusikanten, die überall in Paris ihr Können zum Besten gaben, stand mitten auf dem Fußweg und spielte mit großer Inbrunst, während die Zuschauer im Takt in die Hände klatschten.
Als Rachel sich endlich einen Weg durch die ständig größer werdende Menge gebahnt hatte, war die Telefonzelle besetzt. Anstatt zu warten, zuckte sie kurz mit den Schultern, steckte die Karte zurück in ihre Handtasche und ging zum nächsten Taxistand.
Die Sonne erhob sich langsam über die Howell Mountains, ihre warmen Strahlen durchfluteten das Tal und verwandelten die mit Tau bedeckten Trauben in winzige Juwelen.
Auf ihren Stock gestützt, ging Hannah Spaulding an einer Reihe von Weinstöcken entlang, wie sie es zu dieser Jahreszeit seit fünfundfünfzig Jahren jeden Morgen machte.
Es waren wunderbare Jahre, dachte sie, während ihr Blick über jene 200 Hektar wanderte, über die sich die in der Kleinstadt Calistoga gelegenen Spaulding Vineyards ausdehnten. Nicht immer war es einfach gewesen. Die Prohibition hatte die aufblühende Weinindustrie im Napa Valley beinahe zugrunde gerichtet, gefolgt von der Großen Depression und dem Zweiten Weltkrieg. Über hundert Winzer in der Umgebung hatten in diesen schwierigen Jahren ihren Betrieb aufgeben müssen. Doch die Spaulding Vineyards hatten so wie eine Hand voll weiterer Weinkellereien überlebt.
1968 geschah dann etwas Außergewöhnliches. Bei einer Weinprobe in Frankreich wurden drei Cabernet Sauvignons mit hohen Auszeichnungen geehrt, darunter einer aus der Produktion von Spaulding, der Spitzenweine aus Bordeaux und Burgund auf die hinteren Plätze verwies. Mit einem Mal waren die Weine zu beiden Seiten des Atlantiks im Gespräch, die bis dahin niemand hatte ernst nehmen wollen, und veränderten nachhaltig die Einstellung zu amerikanischen Weinen.
Erneut schossen Weinkellereien wie Pilze aus dem Boden, manche von ihnen wurden so groß, dass sie auf dem Weltmarkt Fuß fassen konnten. Spaulding war mit einer Produktion von 500.000 Kisten pro Jahr kaum noch als Familienbetrieb zu bezeichnen, doch ein Mitmischen im ausländischen Wettbewerb war nie möglich gewesen. Bis vor kurzem.
Hannah ging langsam weiter. Wenn Rachel es schaffte, den Abschluss mit Fronsac zu retten – und sie war sicher, dass ihr das gelingen würde -, dann waren Spaulding keine Grenzen gesetzt. Darum war sie auch so unwillig, die Kontrolle über das Weingut aus ihren Händen zu geben. Hannah wollte an dem teilhaben, was auf Spaulding wartete. Doch ihr Alter von neunundsiebzig Jahren und zwei Herzinfarkte hatten ihren Arzt veranlasst, ihr sehr strenge Vorschriften zu machen. Sie musste jeglichen Stress vermeiden und statt sechzig maximal zwanzig Stunden pro Woche arbeiten. Für diese lachhafte Vorgabe hatte sie nur Spott übrig.
„Spätestens nach einer Woche bin ich tot, weil ich nichts zu tun habe“, hatte sie Dr. Warren gesagt. „Dann können Sie mich genauso gut jetzt gleich beerdigen.“
Sie hatten sich schließlich auf dreißig Stunden geeinigt, wobei Hannah hier und da immer noch eine Stunde mehr herausholte.
Ihre Mädchen, wie sie ihre beiden Enkelinnen bezeichnete, hatten den Großteil der Arbeit unter sich aufgeteilt, wobei jede von ihnen sich mit den Dingen befasste, die ihr am besten lag. Annies offene, ausgelassene Persönlichkeit hatte sie zur perfekten Wahl für das Marketing gemacht, während Rachel schon früh Begeisterung für die Weinproduktion und eine Liebe zum Land hatte erkennen lassen, die so ausgeprägt waren wie bei Hannah.
Ein schwaches Lächeln umspielte Hannahs Lippen, als sie daran dachte, wie Rachel als kleines Kind die schweren Trauben in ihren tollpatschigen Händen hielt, um an ihnen zu riechen. Mit fünf Jahren kannte sie den Namen jeder Traubensorte, die Spaulding Vineyards anbaute, und konnte sie exakt dem Wein zuordnen, der aus ihnen gekeltert wurde. Mit zehn Jahren führte sie ihre Klassenkameraden über das Gut, und als sie sechzehn war, arbeitete sie voller Eifer in den Kellern, sprühte die Betonböden sauber, schrubbte vor der Ernte die Tanks und tat einfach alles, was man ihr auftrug.
Inzwischen war sie einunddreißig Jahre alt und auf dem besten Wege, die jüngste und begabteste Winzerin im gesamten Tal zu werden. Hannah bedauerte nur, dass die Mädchen es nie geschafft hatten, miteinander auszukommen. Auch jetzt noch genügte es, Rachel zu erwähnen, und schon sträubten sich Annies Haare. Vor drei Jahren hatte Rachel genug davon, mit Annie unter einem Dach zu leben, und war aus Hannahs Haus ausgezogen, um sich in den Hügeln von Calistoga ein eigenes Anwesen zu kaufen.
„Grandma!“
Als Hannah Annies Stimme hörte, konnte sie sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um zu sehen, wie ihre älteste Enkelin von Electra abstieg, der Stute, die ihr im Rahmen der vierten Scheidung zugesprochen worden war. Mit ihren eng anliegenden Reithosen, den braunen Stiefeln und ihren feurig roten Haaren, die in der Morgensonne leuchteten, sah Annie einfach grandios aus.
Jedes Mal, wenn Hannah sie sah, wurde sie an ihren verstorbenen Sohn Jack erinnert. Er hatte das gleiche, vor Leben sprühende und gute Aussehen besessen, und eine Zeit lang war er genauso ungezähmt und unberechenbar gewesen wie Annie. Die Ehe und ein Baby hatten ihn gottlob verändert, während Heirat und Mutterschaft bei Annie nichts bewirkt hatten. Mit neununddreißig Jahren und nach vier gescheiterten Ehen waren bei ihr keine Anzeichen zu erkennen, dass sie zur Ruhe kam. Das war einer der Gründe, warum Hannah sie an diesem Morgen zu sich gebeten hatte.
„Ich bin froh, dass du gekommen bist, meine Liebe“, sagte sie, während ihre Enkelin sie auf die Wange küsste.
Annie wickelte die Zügel ihres Pferds um ihre Hand und lief im Gleichschritt neben Hannah her. „Ich werde mir doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, mit dir ein wenig Zeit zu zweit zu verbringen, Grandma. Das weißt du ja.“ Sie zeigte Hannah ein schelmisches Grinsen. „Selbst wenn ich dafür in aller Herrgottsfrühe aufstehen muss.“
„Du warst früher auch mal eine Frühaufsteherin.“
„Das ist lange her.“ Annie strich ihr Haar zurück, das beim Reiten durcheinander geraten war. „Heute arbeite ich hart, da brauche ich meine acht Stunden Schlaf.“
„Die du auch hättest“, gab Hannah zurück, „wenn du zu einer vernünftigen Zeit zu Bett gehen würdest, anstatt bis zum letzten Augenblick in irgendeinem Nachtclub in San Francisco zu bleiben.“
Als hätte sie diese Bemerkung nicht gehört, blieb Annie an einem Weinstock stehen, pflückte eine einzelne Traube und steckte sie in den Mund. „Mmmh. Die Cabernet-Trauben sind reif, nicht wahr?“
„Fast.“
„Vorsicht.“ Annie sah nach Westen zu den Mayacamas, jener Gebirgskette, die Napa Valley vom Pazifik trennte. „Es sieht jetzt noch nicht danach aus, aber es kommt Regen.“
Hannah folgte ihrem Blick. Auch wenn der Himmel im Moment strahlend blau und die Luft angenehm warm war, wusste sie aus Erfahrung, wie schnell das Wetter in dieser Jahreszeit umschlagen konnte. „Die Lastwagen stehen bereit“, sagte sie zustimmend. „Rachel ist ziemlich sicher, dass wir am Freitag mit der Lese anfangen werden.“
„Wann hast du von ihr gehört?“ fragte Annie beiläufig.
„Heute Morgen. Sie war vor dem Treffen mit Fronsac ein nervliches Wrack. Dabei ist das völlig unnötig, sie wird das schon schaffen.“
Annie blickte in die Ferne. „Nicht so wie ich, die immer nur Mist baut.“
„Das habe ich nicht gesagt“, protestierte Hannah.
„Aber gedacht.“
„Nein, habe ich nicht.“
„Ach, komm schon, Grandma, jeder weiß, dass zwischen dir und Rachel ein besonderes Band existiert.“
„Wenn du mir wieder mal ...“, Hannah betonte diese beiden Worte ganz besonders, „... unterstellen willst, ich würde deine Schwester mehr lieben als dich, dann muss ich wieder mal sagen, dass du dich irrst. Dieses Band, von dem du sprichst ... das existiert. Aber nur weil Rachel und ich für die Herstellung von Weinen die gleiche Leidenschaft besitzen.“
„Und diese Leidenschaft macht sie zu etwas Besonderem.“
„In gewisser Weise ja. Aber das ändert nichts daran, dass ich euch beide gleichermaßen liebe.“ Hannah betrachtete nachdenklich den starrsinnigen Zug auf Annies Gesicht und fragte sich, ob sie jemals zu ihr durchdringen würde. „Ihr beide seid für mich die liebsten Menschen in meinem Leben, auch wenn ihr so verschieden seid wie Tag und Nacht.“
„Aber du hast Rachel nach Paris geschickt.“
Hannah lachte auf. „Oh, Darling, dich hätte ich ja wohl schlecht dorthin schicken können. Meinst du nicht auch? Wenn Monsieur Fronsac die entsprechende Macht hätte, würde er dir sogar verbieten, überhaupt nach Frankreich einzureisen.“
„Fronsac ist ein Schwachkopf.“
„Vielleicht. Aber er ist auch unsere Eintrittskarte für den französischen Markt.“ Ihr Blick ruhte auf ihrer hübschen, nie um Worte verlegenen Enkelin. „Was hast du dir bloß dabei gedacht, Darling, französische Weine als minderwertig zu bezeichnen und damit seinen gallischen Stolz zu verletzen?“
„Er hat mich wütend gemacht.“ Annie trat gegen einen Stein, der weit durch die Luft flog. „Er hat von mir erwartet ... nein, das stimmt so nicht, er hat von mir verlangt, dass er einen Rabatt von fünfundvierzig Prozent pro Kiste bekommt. Als ich ihn daraufhin gefragt habe, ob er im Gegenzug die Spaulding-Weine auch in speziellen Ständern präsentieren würde, hat er mich ausgelacht und gesagt, die seien den französischen Weinen vorbehalten. Du hättest ihn hören müssen, Grandma. Er hat sich so benommen, als würde er uns einen Gefallen tun, wenn er unsere Weine kauft.“ Sie drehte sich zu Hannah um. „Hast du mich deswegen herkommen lassen? Damit wir uns über diesen alten Querkopf unterhalten?“
„Nein.“ Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. „Ich wollte mit dir über deine neue ... Eroberung sprechen.“
Annie hob eine Augenbraue und erinnerte damit Hannah einmal mehr an ihren verstorbenen Sohn. „Du meinst Rick Storm?“
„Ja. Ich habe gehört, dass du ihn letzte Nacht mit aufs Weingut gebracht hast.“
„Woher weißt du das?“
„Das Dröhnen einer Harley lässt einen nur schwer durchschlafen“, sagte Hannah trocken.
„Tut mir Leid, Grandma. Daran hatte ich nicht gedacht. Ich hätte ihm sagen sollen, dass er die Maschine am Tor abstellt ...“
Hannah machte eine ungeduldige Handbewegung. „Das interessiert mich überhaupt nicht. Was mir wirklich Sorgen macht, ist die Tatsache, dass du dich überhaupt mit ihm eingelassen hast.“
„Hast du jemals einen der Männer gemocht, mit denen ich ausgegangen bin?“ Annies Tonfall war neckisch und ein wenig vorwurfsvoll zugleich.
„Ganz bestimmt. Abgesehen von diesem argentinischen Gigolo, der nur an dein Geld kommen wollte, habe ich alle deine Ehemänner gemocht. Aber dieser Rick Storm ...“ Sie schüttelte ablehnend ihren Kopf. „Dieser Mann ist eine Gefahr für die Allgemeinheit. Es vergeht keine Woche, in der er nicht in irgendeiner Bar in eine Schlägerei verwickelt ist oder einen Paparazzo verprügelt oder mit 160 Stundenkilometern durch San Francisco rast.“
„Er ist ein Rockstar, Grandma. Dieses Leben immer hart an der Grenze gehört zu seinem Image.“
„Und du bist eine Spaulding“, gab Hannah zurück. „Du musst auch einem Image gerecht werden.“ Sie seufzte hilflos. Diese eindringlichen Gespräche mit Annie kamen in jüngster Zeit immer häufiger vor, und auch wenn sie hoch und heilig versprach, sich zu ändern, geschah das doch nie. Nach vier Ehen, die alle an ihrer unverhohlenen Untreue gescheitert waren, benahm sich Annie noch immer so wild wie in ihrer Zeit auf dem College.
„Du musst dir keine Gedanken machen“, sagte Annie, während sie wieder kleine Steine aus dem Weg kickte. „Rick ist Vergangenheit.“
„Oh.“ Wenigstens eine gute Nachricht. „Und wieso?“
„Er hatte mir gesagt, dass er für eine Party in der nächsten Woche verschiedene Spaulding-Weine bestellen wollte. Ich war natürlich einverstanden, ihn erst probieren zu lassen. Darum hatte ich ihn auch gestern Abend mit hierher gebracht. Als mir klar wurde, dass er sich eigentlich nur zusammen mit mir besaufen wollte, habe ich ihn rausgeschmissen. Ich glaube kaum, dass ich in nächster Zeit von ihm hören werde.“
„Gut.“ Hannahs Tonfall wurde sanfter. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. „Ich bin stolz auf dich, dass du dich gegen ihn durchgesetzt hast, Annie. Du hast richtig ...“
Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch Hannahs Brust, und sie krümmte sich vornüber.
„Grandma!“ Annie ließ ihre Stute los und umfasste Hannah. „Was ist denn? Was ist los? Oh, mein Gott!“ schrie sie, während Hannahs Beine langsam unter ihr wegsackten. „Hast du einen Herzinfarkt?“
Hannah wollte etwas sagen, doch ein weiterer stechender Schmerz bohrte sich durch ihren Körper und strahlte in ihren gesamten Brustkasten aus. Es ist ein Herzinfarkt, dachte sie, während sie mit aller Macht versuchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren, und er ist schlimm.
Annie kniete sich neben sie. „Stirb nicht, Grandma“, schluchzte sie. „Bitte stirb nicht.“ Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie etwas tun musste, und sie hielt Hannahs Kopf fest, bis er den Boden berührte. „Ich hole Hilfe. Du bewegst dich nicht, ich ...“
Als Annie jedoch aufstehen wollte, umschloss Hannahs Hand fest ihr Handgelenk. „Nein.“
„Nein? Was soll das heißen? Du bist krank, Grandma. Du wirst sterben, wenn ich keine Hilfe hole!“ Wieder schluchzte Annie laut. „Was soll aus mir werden, wenn du stirbst?“
Trotz der unerträglichen Schmerzen wollte Hannah lachen. Typisch Annie. Nur sie konnte in einem solchen Moment an sich selbst denken. „Keine Hilfe, Annie. Zu spät ... muss ... dir ... was ... sagen.“
„Nicht jetzt, Grandma, ich muss ...“
„Hör mir zu.“ Hannah versuchte durchzuatmen, zuckte aber, als sich die Muskeln in ihrem Oberkörper noch stärker zusammenzogen. Es fühlte sich an, als würde eine große, starke Faust ihr Herz umschließen, um langsam und gnadenlos das Leben aus ihrem Körper zu pressen. „Es geht um Rachel ...“
Annie presste die Lippen aufeinander und sagte nichts.
Hannah schloss die Augen. Sie atmete nur noch flach, und die Sonne, die wenige Momente zuvor noch so hell und warm geschienen hatte, erschien ihr zunehmend dunkler. Mit der Kraft der Verzweiflung drückte sie wieder Annies Hand. „Sag Rachel ... ihre Mutter ... ihre leibliche Mutter ... Alyssa ... sie lebt ...“
Annie öffnete den Mund und riss ihre blauen Augen vor Entsetzen und Unglauben weit auf. „Aber ... das kann nicht sein. Sie starb bei der Geburt.“
„Das ist ... nicht wahr.“ Hannah fuhr mit der Zunge über ihre Lippen und atmete zaghaft ein. „Rachel muss es erfahren. Sag ihr ... Schwester Mary-Catherine ... im Kloster ... ,Our Lady of Good Counsel‘ in Santa Rosa ... wird ihr helfen.“
Hannah versuchte, ihre Augen offen zu halten, während es immer dunkler zu werden schien. Die Zeit wurde knapp, aber sie hatte noch so viel zu sagen. „Versprich mir ... du ... sagst es ... Rachel.“
Während sie auf eine Antwort wartete, versuchte Hannah ihren Blick auf Annie zu richten, doch an deren Stelle sah sie das Gesicht ihres verstorbenen Ehemannes. In dem grauen Morgenmantel, den er am Tag ihrer Hochzeit getragen hatte, sah Henry attraktiver aus als jemals zuvor. Nicht eine Falte war auf seinem Gesicht zu sehen. Das vertraute betörende Lächeln, mit dem er ihr vor so vielen Jahren den Kopf verdreht hatte, umspielte seine Lippen. „Meine liebe Hannah.“
Als sie seine Stimme hörte, schien der Schmerz in ihrer Brust nachzulassen, und die Panik, die sie gerade eben noch empfunden hatte, verschwand. „Henry ...“
„Grandma! Grandma!“
Annies angsterfüllter Schrei holte Hannah zurück, und einen Moment lang verspürte sie große Traurigkeit, als sie daran dachte, was ihre Mädchen würden durchmachen müssen. „Ich liebe dich“, murmelte sie.
Sie wollte noch „und Rachel“ hinzufügen, aber Henry war inzwischen näher gekommen. Während er ihr seine Hand entgegenstreckte, fiel die Sonne auf seinen goldenen Ehering und ließ ihn aufblitzen. „Komm, Hannah“, sagte er sanft. „Ich habe auf dich gewartet.“
Hannah sah ihn an, dann ergriff sie mit einem leisen Seufzer seine Hand.
„Tante Rachel, komm schnell!“ Courtney winkte ihr zu, als sie das Hotelzimmer betrat. „Du bist im Fernsehen!“
„Schon?“ Rachel blickte gerade noch rechtzeitig auf den Bildschirm, um zu sehen, wie sie und Monsieur Fronsac in die Kamera lächelten.
„Oh, verdammt“, sagte Courtney, als das Bild verschwand und der Nachrichtensprecher weitere Meldungen verlas. „Das wars.“ Ihre Enttäuschung war aber nur von kurzer Dauer, denn ihre Augen strahlten bereits wieder vor Begeisterung, als sie Rachel ansah. „Du hast es geschafft, Tante Rachel! Grandma wird so stolz auf dich sein.“
Rachel warf ihre Aktentasche auf ein Sofa aus blauem Brokat. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass das erledigt ist. Deine Mutter hatte Recht. Mit Monsieur Fronsac zu verhandeln, ist eine Tortur. Und diese französischen Reporter erst mal.“ Sie rollte mit den Augen. „Die waren unerbittlich.“
„Na ja, aber du musst irgendetwas richtig gemacht haben“, sagte Courtney voller Stolz. „Sie lieben dich nämlich. Sie nennen dich eine moderne Pionierin – die erste amerikanische Winzerin, die ihre Weine über Supermarchés Fronsac vertreibt. Du kannst mir glauben, sie haben es als richtig große Sache dargestellt.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Ich weiß was. Warum versuchen wir nicht, eine Kopie von dem Band zu bekommen, bevor wir abfliegen? Vielleicht kann Grandma einen von unseren Lokalsendern dazu überreden, es zu zeigen. Überleg mal, was das für eine Publicity für das Weingut wäre.“
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