Maddrax 523 - Oliver Fröhlich - E-Book

Maddrax 523 E-Book

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

Maddrax feiert sein 20-jähriges Jubiläum! Und was wird im Roman passieren? Nicht weniger als eine Sensation:
Matt Drax und Aruula geraten selbst in eine Parallelwelt - die Erde des Jahres 1971 - und treffen in der Wüste Gobi auf einen Mann, der gerade von der ersten Mondlandung zurück ist und sich anschickt, mit der Hilfe einer außerirdischen Macht einen drohenden Weltkrieg zu verhindern ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Crossover

Leserseite

Grußwort

20 Jahre MADDRAX

Cartoon

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

Autor: Oliver Fröhlich

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9314-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber etwas geht schief: Areale aus verschiedenen Parallelwelten manifestieren sich plötzlich auf der Erde …

Matt und Aruula wissen nicht, was bei dem Unfall geschah. Vom Untergang der Kasynari im Ringplaneten-System und dass Colonel Aran Kormak mit seiner Flucht durch das Wurmloch zur Erde die Katastrophe ausgelöst hat, ahnen sie nichts. Sie entdecken aber fünfzig Kilometer durchmessende Parallelwelt-Areale, die von hohen Dornenhecken umgeben sind und in deren Zentrum es eine Verbindung beider Universen zu geben scheint.

Um sie aufzuspüren, nutzen sie ein im Erdorbit installiertes Satelliten-Netzwerk. Mit einem Gleiter des Androiden Miki Takeo überwinden sie den Pflanzenwall, begleitet vom Sauroiden Ydiel, der mit einer Stadt intelligenter Saurier-Nachfahren in Yucatán, Mexiko auftauchte.

Eine ihrer Reisen führt sie in ein paralleles Rom, das von einem zeitreisenden Archivar namens Patrem regiert wird, der nun in Agartha ein neues Machtzentrum errichten will. Doch auch das Königreich im Himalaja wurde in eine Parallelwelt versetzt. Patrem kommt ums Leben; zurück bleibt seine BagBox mit gefährlichen Artefakten. Matt will sie im Hort des Wissens in Sicherheit bringen.

Da taucht Kormak auf! Er hat einen Gleiter von Takeo gestohlen und stellt die Gefährten bei Nürnberg zum Kampf. Dabei wird Ydiel von einer Artefaktwaffe auf Insektengröße verkleinert. Matt kann Kormaks Gleiter lahmlegen, doch die Suche nach ihm bleibt ergebnislos und wird abgebrochen, als ein weiteres Areal erscheint: die Stadt Coellen – und darin ein lebender Rulfan und ein inhaftierter Professor Dr. Smythe! Die Freude über das Wiedersehen mit dem in ihrer Welt verstorbenen Freund währt nur kurz, denn Smythe kommt frei, kann aber gestoppt werden. Rulfan schließt sich den Freunden an. Kormak nimmt derweil Kontakt zu den Reenschas auf, die in Glasgow herrschen, wird deren Chefexekutor und greift den Hort des Wissens an, scheitert aber und wird von seinen neuen Verbündeten inhaftiert.

Inzwischen wächst Ydiel langsam wieder zu seiner ursprünglichen Größe heran. Dabei hilft ihm eine alte Drakullin – eine ebenfalls reptiloide Spezies –, in der Kanalisation Nürnbergs zu überleben. Als sie stirbt, bittet sie Ydiel, ihr Dorf am Kratersee aufzusuchen. Nachdem er wieder zu Matt und Aruula gestoßen ist, fliegen sie ihn mit dem Gleiter hin. Er will einige Tage dort verbringen. Seine beiden Freude nutzen die Zeit, das Gebiet des ehemaligen Agartha aufzusuchen …

Die Hauptersonen des Romans:

Matthew Drax – Der Mann aus der Vergangenheit wird zu einem Mann aus der Zukunft.

Aruula – Die Kriegerin macht sich mit „Murphys Gesetz“ vertraut.

Dalton Shair – Der Archivar braucht Hilfe bei seinem Beutezug.

Perry Rhodan – Der Raumfahrer erlebt ein vergessliches Abenteuer.

Crest – Der Arkonide fürchtet sich vor zu viel Wissen.

Crossover

von Oliver Fröhlich

Semei, UdSSR, August 1969

Trotz der kühlen fünfzehn Grad im Testraum des Labors stand Schweiß auf Fedor Tarkovskiys Stirn. Vor Anspannung, vor Anstrengung – und vor Angst, ein weiteres Mal zu versagen.

Die Haut unter den Messsonden an der Schläfe, im Nacken, den ausrasierten Stellen am Hinterkopf und auf der Brust juckte. Kein Wunder bei dem aggressiven Klebstoff, der selbst dem feuchten Untergrund widerstand. Was die Forscher nicht abhalten würde, ihm die Kontakte nach dem Experiment ohne Feingefühl von der Haut abzureißen. Oder mitsamt der Haut.

Einmal mehr fragte sich Fedor, ob es eine gute Idee gewesen war, sich freiwillig zu melden.

Einmal mehr sagte er sich, dass es seine Pflicht gewesen war. Fürs Wohl des Vaterlands und für die Ehre.

Er sah sich im Testraum um, obwohl der ihm inzwischen bestens vertraut war. Immerhin hatten die neunundvierzig vorherigen Experimentreihen ebenfalls an diesem Ort stattgefunden. Die neunundvierzig überwiegend gescheiterten Experimentreihen, um genau zu sein.

Auf fünf Metalltischen standen Messgeräte, die seine Körperdaten aufzeichneten: Puls, Sauerstoffsättigung, Hirnwellen, Körpertemperatur und was sonst noch alles. Davor saßen zwei Wissenschaftler, die aussahen, als wären sie einem klischeebeladenen Roman entsprungen: beide Mitte fünfzig, beide mit weißen Kitteln bekleidet, beide mit lichtem blondem Haar, dicken runden Brillengläsern vor den Augen und teigigen Gesichtern. Sie kritzelten in ihre Kladden, notierten Fedors Werte und gaben sich ganz allgemein den Anschein größtmöglichen Beschäftigtseins. In Wirklichkeit warteten sie auf den Befehl, die Versuchsreihe fortzusetzen.

Eine Wand des kleinen Raums bestand aus einem Spiegel. In ihm sah Fedor seine schmächtige, von den Experimenten ausgelaugte, fast ausgemergelte Gestalt, die unmittelbar vor der gegenüberliegenden Wand stand und reichlich verloren wirkte. Er stellte fest, dass er eine Rasur nötig hätte.

Hinter dem Spiegel und für ihn unsichtbar saßen die wahren Herren des Experiments. Die, auf deren Befehl die Wissenschaftler warteten. Hochrangige Militärs, in deren Fänge sich Fedor freiwillig begeben hatte, weil er sein einzigartiges Talent dem Vaterland zur Verfügung stellen wollte. Er hatte gehofft, die Wissenschaftler würden es erforschen, fördern und verstärken.

Doch anstatt daraus eine allzeit beherrschbare Fertigkeit zu machen, hatten sie ihm seinen geliebten Wodka verboten und ihn stattdessen mit Seren, Aufbaupräparaten, Hormonen und Chemikaliencocktails vollgepumpt. Gut, das hatten sie genau zu diesem Zweck getan – aber das Gegenteil damit erreicht.

Ob es wirklich daran lag, dass Fedor nach winzigen Erfolgen in den ersten drei Versuchsreihen nur noch versagt hatte, wusste er nicht. Doch der Gedanke gefiel ihm besser als die Alternative, denn die würde bedeuten, dass er der Versager wäre, für den ihn die Militärs gewiss längst hielten.

Der Lautsprecher an der Zimmerdecke knisterte. „Weitermachen!“, drang eine blecherne Stimme daraus hervor.

Die Wissenschaftler nickten einander zu und kritzelten rasch noch etwas. Einer stand auf und kam mit einer Spritze auf Fedor zu.

Fedor konnte nicht sagen, was ihm größeres Unbehagen bereitete: die viel zu lange, viel zu dicke Nadel oder die grünlich schimmernde Flüssigkeit im Kolben.

Er schloss die Augen und wartete ergeben auf den Einstich. Seine Unterarme und die Ellenbogenbeugen bestanden seit geraumer Zeit nur noch aus einem flächendeckenden Bluterguss.

Waren die Wissenschaftler während der ersten Versuchsreihen noch vorsichtig bei der Injektion gewesen und hatten ihm sogar gelegentlich aufmunternde Worte geschenkt – „Gleich piekst es ein wenig; es könnte sein, dass das Serum ein leichtes Brennen verursacht; mach dir keine Sorgen, Genosse, falls du geringfügige Halluzinationen bekommst, aber das Mittel regt die Hirntätigkeit an.“ –, rammten sie ihm die Spritzen inzwischen ohne jedes Mitgefühl in den Arm. Offenbar verloren auch sie allmählich die Geduld mit ihm.

Für einen Moment fühlte sich der Einstich an, als kaute ein Raubtier auf seinem Unterarm und zerfleischte ihn bis auf die Knochen. Fedor biss die Zähne zusammen und versuchte, ein Aufstöhnen zu vermeiden.

„Testreihe fünfzig, Versuch sechs“, sagte der Wissenschaftler, dessen Namen Fedor nicht einmal kannte. „Serum KN Schrägstrich F mit siebzigprozentiger Konzentration. Warte, bis das Schmerzempfinden nachlässt, Genosse Tarkovskiy, und beginne dann.“

Es dauerte etwa zehn Sekunden, bis die Bestie den Geschmack an Fedors Unterarm verlor. Der Schmerz flaute ab und wich einem dumpfen Druck. Nicht angenehm, aber durchaus erträglich.

Fedor öffnete die Lider.

Der Wissenschaftler saß bereits wieder auf seinem Stuhl und beobachtete einen Monitor mit hektisch auf und nieder zuckenden Linien. War die Heftigkeit der Ausschläge normal? Fedor wusste es nicht.

Hitze durchströmte ihn. Schweiß rann ihm in die Augen.

Er atmete tief durch, drehte sich um, achtete darauf, dass sich die Kabel zwischen den Klebekontakten und den Messgeräten nicht verhedderten, hob beide Hände und legte sie gegen die Wand.

Er fühlte die kühlen Ziegel unter den Fingern.

Er fühlte die rissige Struktur und die Hohlräume in den Steinen.

Er fühlte, wie sich seine Muskeln anspannten, während er fester zudrückte. Bizeps, Brust und Nacken verhärteten, wurden massiver als die Wand selbst.

Nein!, schrie es in ihm. Arbeite nicht gegen die Wand. Arbeite mit ihr!

Ein schnell auf- und abschwellendes, rasselndes Geräusch umgab ihn. Es verging beinahe eine Minute, ehe er es als seinen eigenen Atem erkannte.

Die Wand vor ihm schlug Wellen und bildete Strudel. Sie sah aus, als müsste er in sie eindringen können, doch noch immer lag sie kalt und unnachgiebig unter seinen Fingern.

Sie war das einzige Kühle, das er fühlte.

Nun stöhnte er doch auf.

Die Stimmen der Wissenschaftler redeten durcheinander. Sie klangen aufgeregt, hörten sich für Fedor aber an wie sinnbefreite Laute. Auch sie schlugen Wellen und bildeten Strudel. So wie die Wand. So wie die ganze Welt.

Ihm wurde übel. Seine Knie zitterten. Er glaubte, innerlich zu verbrennen.

Die Wand kippte von ihm weg. Etwas hieb ihm gegen den Hinterkopf, und plötzlich starrte er zur Decke. Auch hier: Wellen und Strudel.

Er begriff zweierlei. Die Verzerrung der Welt war nicht real, sondern ein Produkt seines überstrapazierten Gehirns. Und: Er war steif wie ein Brett nach hinten umgefallen.

Hände griffen ihn unter den Achseln. Jemand massierte ihm den Brustkorb. Aus dem Meer sinnloser Laute stiegen erste Bedeutungen auf.

„Puls normalisiert …“

„… verabreiche ein Muskelrelaxans.“

Ein Gesicht schob sich über ihn. Wellen und Wirbel kamen zur Ruhe, und Fedor erkannte in dem Mann einen General.

Der Militär schenkte ihm nur einen kurzen Blick. Dann sah er zu den Wissenschaftlern. „Das war der letzte Versuch“, knurrte er. „Es reicht. Das Projekt ist gescheitert. Werft ihn raus.“

Gegenwart, Jahr 2550

Unter dem Gleiter zog eine triste Landschaft dahin: eine unendlich erscheinende Wüste aus Steinen, Kies und Geröll, durchbrochen von gelegentlichen scharfkantigen Felsformationen. Keine Pflanze fand auf dem Boden Halt, kein Tier verirrte sich in diese unwirtliche Gegend. Schon der Anblick konnte einen schwermütig machen.

Zumindest Matthew Drax erging es so.

„Hoffentlich findet Ydiel, wonach er sucht“, sagte Aruula.

Matt löste den Blick von der Tristesse außerhalb des Gleiters. Erst nach einigen Augenblicken wurde ihm bewusst, worüber die Kriegerin von den Dreizehn Inseln sprach: von dem Dorf am Kratersee, in dem sie den Sauroiden Ydiel zurückgelassen hatten. Inzwischen lag es über hundert Kilometer hinter ihnen.

„Wonach sucht er denn?“, fragte Matt. „Er will doch lediglich die Drakullen näher kennenlernen.“

„Jeder sucht nach irgendwas. Nach Weisheit, nach Erleuchtung, nach Ruhe oder Frieden. Und Ydiel … Vielleicht ist er sich dessen nicht bewusst, aber ich glaube, er sucht nach Vergebung.“

„Vergebung wofür?“

„Für den Tod dieser Drakullin: Gel’eta. Sie hat Ydiel in der Kanalisation von Nuunbeg1) gerettet und ist gestorben, bevor er sie retten konnte. Das frisst an Ydiels Seele.“

Stimmte ihre Vermutung? Matt hatte den Wunsch ihres Begleiters, zurückbleiben zu dürfen, eher dessen Neugier zugeschrieben. Immerhin stammte er aus einer Welt, in der ferne Nachfahren der Dinosaurier die vorherrschende Spezies der Erde darstellten. Für ihn war die Welt der „Weichhäute“ weiterhin voller Neuheiten, die es zu erforschen lohnte. Und auf die Gesellschaft der Drakullen zu treffen, deren echsenartige Mitglieder den Sauroiden aus Ydiels Volk sehr ähnelten, dürfte sein Interesse besonders geweckt haben.

Andererseits fiel es Matt immer noch schwer, die Gestik und Mimik des Freundes zu interpretieren. Vielleicht lag Aruula also tatsächlich richtig.

Egal. Viel mehr beschäftigte ihn im Augenblick das, wonach sie selbst seit einiger Zeit suchten: nach Antworten auf die Frage, warum Teile ihrer Welt den Platz mit Arealen aus Parallelwelten tauschten – und vor allem, wie sie diese Entwicklung rückgängig machen oder zumindest aufhalten konnten, ehe der Planet einen Flickenteppich aus Alternativ-Erden darstellte.

In der Hoffnung, dem Rätsel etwas tiefer auf den Grund zu gehen, waren sie mit dem Gleiter in Richtung Tibet aufgebrochen, um im Zentrum der dortigen Anomalie vielleicht Kontakt zu dem in eine Parallelwelt versetzten Stadtstaat Agartha zu bekommen.

Eine vage Hoffnung, gewiss, aber nachdem der Vorhang zwischen den Welten in der Mitte der Areale gelegentlich dünn, durchscheinend und womöglich sogar passierbar wurde, war sie nicht völlig aus der Luft gegriffen.

„Wie weit ist es noch?“, fragte Aruula mit einem Blick aus dem Fenster.

Matt musste bei ihrem Tonfall grinsen, weil er ihn an die Ungeduld von Kindern bei der Fahrt in den Urlaub erinnerte. Rasch wurde er ernst. Sie flogen nicht in den Urlaub. Sie versuchten, die Welt zu retten.

„Wir sind doch gerade erst aufgebrochen“, antwortete er. „Achtzehn- bis neunzehnhundert Kilometer nach Agartha, würde ich schätzen.“

„Aber doch bitte nicht nur über diese fürchterliche Steinhölle. Gebe Wudan, dass wir nicht ausgerechnet hier notlanden müssen!“

„Diese ‚fürchterliche Steinhölle’ ist die Wüste Gobi. Eine durchaus abwechslungsreiche, vielgestaltige Gegend, wenn ich im Erdkundeunterricht gut aufgepasst habe. Nun ja, zumindest für eine Wüste. Und wie kommst du darauf, dass wir notlanden müssten? Der Gleiter hat uns bisher nicht im Stich gelassen.“

„Weil ich manchmal den Eindruck habe, dass unser Leben genau so funktioniert: Wenn etwas schiefgehen kann, tut es das auch.“

„Das nennt sich Murphys Gesetz.“

„Wer ist Mörfi?“

„Nicht so wichtig. Mach dir keine Sorgen. Der Gleiter bringt uns sicher nach Agartha und zurück.“

„Dein Wort in Wudans Ohr.“

Matt konzentrierte sich auf die Instrumentenkonsole. Er wollte es nicht zugeben, aber ein wenig beunruhigten ihn Aruulas Befürchtungen doch. Aber weder der zweite, noch der dritte Check deutete auf Probleme hin. Der Gleiter war in Ordnung.

Was nicht für die Welt außerhalb des Cockpits galt.

Schlagartig wurde es draußen dunkel – abgesehen von einem Nordlicht, das plötzlich über ihnen am Himmel flackerte.

„Verdammt!“, keuchte Matt und konnte sich in der nächsten Sekunde nicht mehr erinnern, weshalb er geflucht hatte.

Alles drehte sich um ihn. Sämtliche Gedanken flogen frei und ziellos umher. Sein Kopf, sein Hirn, sein gesamtes Bewusstsein jedoch schien in einem Sumpf festzustecken, aus dem ihn selbst langsame mühevolle Schritte nicht befreien konnten.

Neben ihm stöhnte Aruula auf. Er wollte zu ihr schauen, doch die Muskulatur gehorchte ihm nicht.

Genauso schnell, wie ihn die Benommenheit überfallen hatte, verschwand sie wieder. Die Erinnerung kehrte zurück. Und mit ihr das Wissen um die Bedeutung des Nordlichts.

Erneut war es zu einem Austausch mit einer Parallelwelt gekommen. Doch diesmal steckten sie mittendrin! Die Benommenheit war offenbar dem Übergang geschuldet.

Shit!

„Mörfis Gesetz“, sagte Aruula ebenfalls hörbar benommen und mit leichtem Zungenschlag. Sie klang resigniert. Aber auch ein wenig trotzig: Wusste ich’s doch!

„Alles in Ordnung?“, fragte Matt.

„Geht schon. Ich bin nur ein bisschen benebelt. Wie nach zu viel Brabeelenwein.“

Erneut checkte Matt die Instrumente. Seine Finger flogen über Schalter und Regler, klopften sinnlos auf Anzeigen, und das alles nur, um das nervöse Zittern zu verbergen.

„Die Verbindung zum Satellitensystem der Pancinowa ist abgebrochen“, sagte er. Wenn es eines letzten Beweises bedurfte, dass sie sich nicht mehr in ihrer eigenen Welt befanden, dann hatten sie ihn damit bekommen.

Unzählige Sterne und der Mond erhellten den Himmel. Ein intakter Mond allerdings, von dem kein kosmisches Wesen vor Jahren beim Aufprall ein Stück herausgebrochen hatte.

Und das stellte dann wohl den allerletzten Beweis dar.

Wir sind in eine fremde Welt gewechselt.

Immer wieder hämmerte dieser eine Gedanke von innen an seinen Kopf und versuchte, sich Gehör zu verschaffen. Doch Matt wollte nicht zuhören, denn das hätte bedeutet, die Schlussfolgerung zuzulassen: Sie saßen in dieser fremden Welt fest.

„Wir müssen umkehren!“, rief Aruula, obwohl ihr sicherlich klar war, dass das nichts brachte.

Oder?

Matt musste an die dünne Stelle im Gewebe zwischen den Welten denken. Falls sie das Zentrum der Anomalie fanden und es dort eine Schwachstelle gab, und falls sie groß genug war, mit dem Gleiter hindurchzufliegen, könnten sie dann zurückkehren?

Wahrscheinlich nicht. Dafür kam in seinen Überlegungen zu oft das Wörtchen „falls“ vor.

Andererseits, welche Wahl blieb ihnen? Sich in einer fremden Welt zurechtzufinden und dort ein neues Leben zu beginnen, wie Ydiel es getan hatte? Darauf zu hoffen, dass sie der ihren ähnlich genug war, um nicht gleich in der ersten Woche einer Seuche, einem größenwahnsinnigen Präsidenten, radioaktiver Strahlung oder einem weltbeherrschenden Stamm von Kannibalen zum Opfer zu fallen?

Matt zog den Gleiter herum und versuchte den Ort des Übergangs zu lokalisieren. Doch die Landschaft war so eintönig, dass er es an keiner Landmarke festmachen konnte: Steine, Kies und Geröll, so weit das Auge reichte.

Es dauerte eine Weile, bis Matt bewusst wurde, dass etwas fehlte – die schnell und hoch wuchernde Dornenhecke nämlich, die bisher immer kreisförmig am Rand der Anomalie gewuchert war. Lag das an der lebensfeindlichen Gegend der Gobi? Blieb die Hecke aus, weil es nichts gab, was sie von der anderen Realität trennen musste?

Er wusste es nicht. Nur eins wurde ihm klar: Das Zentrum der Anomalie machte lediglich einen Flecken Wüste von ein paar Metern Größe aus, der sich die meiste Zeit über weder optisch noch energetisch von der Umgebung unterschied.

Das überstrapazierte Bild von der Suche nach der Nadel im Heuhaufen fiel ihm ein. Es war aussichtslos.

Trotzdem überflog er während der nächsten Stunden das Gebiet wieder und wieder. In großen und kleinen Kreisen, in parallelen geraden Strecken, in wirren zufälligen Kurven.

Als der nahende Tag allmählich die Nacht verdrängte, fragte Aruula: „Und was machen wir jetzt?“

Ich habe keine Ahnung, wollte Matt zugeben. Mit mehr Zuversicht, als er fühlte, sagte er stattdessen: „Wir müssen herausfinden, wann und wo wir gelandet sind.“

„Und dann?“

„Sehen wir weiter.“

Er betrachtete die im Bordcomputer hinterlegte Karte der Gegend, die mit den realen Gegebenheiten natürlich nur bedingt übereinstimmte. Schließlich stammte sie aus einer anderen Welt, in der der Einschlag eines vermeintlichen Kometen die Erdachse leicht verschoben, Gebirge aufgeworfen und einen riesigen Kratersee in Asien verursacht hatte.

Sie mussten eine Siedlung aufstöbern – aber wo fand man eine in der Wüste? Natürlich nahe einem Gewässer!

Matt tippte auf die Karte. „Hier verläuft ein Fluss.“ Er beugte sich vor und las: „Morin-gol. Noch nie gehört.“

Ohne ein Satellitensystem, das die eigene Position übermittelte und mit der Karte abglich, war es nicht einfach, sich zurechtzufinden – und in einer Einöde wie der Gobi erst recht. Dennoch brauchte er nur eine halbe Flugstunde, um den Flusslauf zu entdecken und ihm zu folgen.

Vorsichtshalber hielt er sich so tief, dass er jedes Radar unterflog, falls diese Welt technisiert war.

Bei diesem Gedanken richtete er sich im Pilotensessel auf und konnte nur mit Mühe den Drang unterdrücken, sich mit der Hand gegen die Stirn zu schlagen. Der Schock hatte offenbar die naheliegendsten Gedankengänge unterdrückt. „Ich bin so dämlich!“

„Was denn?“, fragte Aruula.

„Das Funkgerät! Falls wir in einer technisierten Epoche gelandet sind …“ Anstatt den Satz zu beenden, deutete er auf den Frequenzregler. „Sieh nach, ob du Funkverkehr findest.“

Und tatsächlich, auf verschiedenen Frequenzen flogen die Nachrichten nur so hin und her. Dank ihrer implantierten Universal-Translatoren verstanden Matt und Aruula die Funksprüche in Chinesisch, Indisch und Russisch. Nur begreifen konnten sie sie nicht.

Da war von einem in der Sahara entstandenen Vulkan die Rede, von der Bedrohung des labilen Weltfriedens durch eine Provokation seitens der Amerikaner. Man sprach von gegenseitigen Vorwürfen und Ausflüchten. Und von einer Panzereinheit, die sich kürzlich nach einem erfolglosen Angriff auf einen Eindringling aus dem Sperrgebiet in der Wüste Gobi zurückgezogen hatte.

Matt wusste nicht, ob ihm das Wort Panzereinheit oder Sperrgebiet mehr missfallen sollte. Er glaubte sogar herauszuhören, dass es irgendwo in der Nähe zu einer Atombombenexplosion gekommen war.