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GEMÜSE MIT GÄRFAKTOR: TAUCH AB MIT KIMCHI, KOMBUCHA UND CO.! Es blubbert und zischt, PRICKELT UND GLUCKST, erstrahlt in allen Farben der Welt und wird dich auf eine SAGENHAFTE GESCHMACKSREISE mitnehmen. Was hier los ist? Ist doch klar: FERMENTIEREN,BABY! Schick dein GEMÜSE AUF TAUCHSTATION, züchte deine eigenen Bakterien - und schaff dir damit UNGLAUBLICHE GERICHTE UND GETRÄNKE, die nicht nur lange haltbar sind und einzigartig schmecken, sondern mit ihren vitaminreichen und PROBIOTISCHEN INHALTSSTOFFEN auch noch richtig guttun. AB INS GLAS, DECKEL DRAUF - UND ABWARTEN, WAS PASSIERT. Aber der Reihe nach: Damit du vor lauter Fermentations-Fieber nicht untergehst, findest du in diesem Buch DETAILLIERTE ANLEITUNGEN ZU DEN VERSCHIEDENEN TECHNIKEN: von der KRAUT- UND LAKETECHNIK bis zum selbst gemachten ESSIG, von der JOGHURTKULTUR bis zum WASSERKEFIR. Du erfährst, wie man richtig schnippelt, knetet, siebt, auspresst, mixt und einlagert. IN 100 REZEPTEN LERNST DU DIE GEBALLTE GESCHMACKSVIELFALT DES FERMENTIERENS KENNEN. Immer mit dabei: REZEPTIDEEN AUS ALLER WELT, in denen deine Fermente die Hauptrolle spielen. Mit den Tipps der FERMENTATION NINJA MARCEL KRUSE UND GERU PULSINGER wirst du jedenfalls ganz einfach und Schritt-für-Schritt in das Fermentier-Universum abtauchen. FERMENTIEREN IST ... SCHNIPPELN, KNETEN, EXPERIMENTIEREN. UND: NACHHALTIGE GESCHMACKSEXPLOSIONEN ERLEBEN. Das Beste? Du kannst SOFORT LOSLEGEN. Das Einzige, was du brauchst, sind Einmachgläser, Gewichte zum Beschweren und vielleicht die ein oder andere Starterkultur - die du immer wieder weiterzüchten kannst. Und natürlich jede Menge Obst, Gemüse, Kräuter, Mehl oder Milch ... oder einfach ALLES, WAS DU IM GARTEN, IM WALD UND AUF DER WIESE FINDEST. Damit kannst du ausprobieren, experimentieren - und deinen Fermenten ein zufriedenes Glucksen entlocken. WAS REGIONAL WÄCHST, VERWANDELT SICH IN KUNTERBUNTE, INTERNATIONALE GERICHTE - OHNE AUFWAND, ENERGIEVERSCHWENDUNG UND OHNE MÜLL. Wer fermentiert, tut sich selbst und der Umwelt etwas Gutes und kann die Freiheit erleben, eigene, KOMPLETT NEUE LEBENSMITTEL UND GESCHMÄCKER ZU ERSCHAFFEN - die mit absoluter Sicherheit zum nächsten Lieblingsessen werden. - TAUCH MIT DEINEM GEMÜSE AB, werde süßsauer mit Essig und Kefir, gäre mit Nattō und Tempeh um die Wette. MIT DIESEN 100 REZEPTEN ENTDECKST DU VÖLLIG NEUE GESCHMACKSWELTEN! - Alles, was du fermentierst, ist probiotisch und leicht verdaulich - sprich: UNGLAUBLICH GESUND. Das passt in JEDEN SPEISEPLAN UND FÜR JEDE KÖNNERSTUFE: starte gleich los mit den Basics und FERMENTIERE DICH IN ZISCHENDE SPHÄREN. - FERMENTIEREN MACHT SÜCHTIG: Wenn du einmal damit angefangen hast, findest du ständig NEUE ZUTATEN FÜR DAS NÄCHSTE EXPERIMENT.
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Seitenzahl: 360
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Einmal Kimchi, immer Kimchi: Es war Liebe auf den ersten Biss!
Was dich in diesem Buch erwartet: eine kleine Gebrauchsanweisung
TEIL 1:BLUBBER-BASICS
Einleitung
Von Gärgemüse und „sauren“ Bakterien: Auf den Spuren der Fermentation
Mal von ganz vorne: Was ist Fermentation?
Was unsere Vorfahren schon gewusst haben: Fermentieren bringt’s!
Wem Magie nicht reicht: Das passiert beim Fermentieren
Mise en Place oder zu Fermentierdeutsch: Es ist angärichtet! Equipment
Hier geht’s rein: Gärgefäße
Handwerkszeug für die große Schnippelei: Messer, Siebe und Co.
Blitzeblank? Sauberkeit beim Fermentieren
Kleines Korn mit großer Wirkung: Salz
Bringen mehr Schwung ins Glas: Kräuter und Gewürze
Carpe diem: Deine innere Einstellung
Gruppenkuscheln und Wohlfühloase: Die richtigen Verhältnisse für Fermentation und Lagerung
Was wir dir sonst noch mitgeben möchten: Unsere persönliche Philosophie
Fermentieren geht über Studieren: Starterrezept
Gruppenzwang: Die Keil-Technik
Gewürzgemüse
TEIL 2:DAS GROSSE FERMENTIEREN KANN BEGINNEN
Rezepte
DIE WILDEN: MIT DIESEN REZEPTEN KANN ES GLEICH LOSGÄREN
Beginner’s Class: Milchsaure Fermentation
Basiskurs 1: Im eigenen Saft baden – die Kraut-Technik
Sauerkraut
Variante: Experimentelles Sauerkraut
Basiskurs 2: In Salzlake baden – die Lake-Technik
Saure Bohnen
Bring die Lake zum Blubbern: Tipps und Tricks für sicheres Gelingen
Runde Sache: Kohl und Co.
Rotkohl mit Birnen
Curtido
„Ninja-Kimchi“: Paechu-Kimchi
White-Kren-Chi
Pink-Chi
Golden Kraut
Kohlrabi
Kartoffel-Rotkohl
Coleslaw
Piccalilli-Blumenkohl
Bunt und gesund: Gemüse-Mix
Karotten mit Grün
Gelbe-Karotten-Kaki-Kraut
Rote Bete
Süss-saures Rüben-Carpaccio
Rosa Rüben
Fenchelsalat
Asazuke – Schwarzer Winterrettich
Radieschen
Senfzwieblen
Torshi Seer
Schwarzwurzeln
Topinambur
Schalotten
Grüne-Spargel-Trio
Süßkartoffeln
Rhabarber süß-sauer
Prickeln auf der Zunge: Saure Früchtchen
Pflaumen à la Umezuke
Äpfel
Bae Kkakdugi – Kimchi-Birnen
Getrocknete Salzbrombeeren
Marokkanische Salzzitronen
Cranberrys
Aprikosen-Chutney
Unsere Lieblinge: Fruchtgemüse
Bunte Tomaten
Champagnertomaten
Kürbis
Auberginen-Baba-Ghanoush
Zucchini
Oi-Sobagi
Dillgurken
Chili
Probier dich durch die ganze Welt: Gewürzsaucen
Tomatenketchup
Variante: Spicy Ketchup
Kirschpflaumen-Ketchup
Tomaten-Mango-Jalapeño-Salsa
Chimichurri
Rote-Zwiebel-Relish
Variante: Zucchini-Gurken-Relish
Senf
Ajvar
Flüssiges Gold: Fermentieren mit Honig
Beeren in Honig
Kirschtomaten in Honig
Gurken in Honig
Immunbooster
Zisch dir das rein: Getränke
Rote-Bete-Kwass
Kaanji
Ginger-Bug
Turmeric-Bug
Tepache
Auf den Teller, fertig, Mahlzeit – fermentierte Gerichte zum Ersten
Pink-Chi-„Bruschetta“
Borschtsch
Quitten-Kraut-Strudel
Kichererbsen-Curry mit Salzzitronen und falschem Reis
Spargel mit fermentierter Wassermelone
Golden-Kraut-Cracker
Kürbispfanne mit Pilzen
Fermentierte Süßkartoffel-Pommes mit Kirschpflaumen-Ketchup
Rotkohl mit Süßartoffeln
Pasta mit getrockneten Salzbrombeeren
Kimchi-Pfannkuchen
Kärntner Reindling mit honigfermentierten Beeren
Kaffee-Kraut-Kuchen
DIE KULTIVIERTEN: EIN BISSCHEN STARTHILFE IST GEFRAGT
Die vielen Gesichter der Milch
Basiskurs 3: Im sauren Milieu suhlen – Dickmilch und Joghurt
Saure Milch/Dickmilch
Joghurt
Basiskurs 4: Lass die Kristalle funkeln – Milchkefir
Milchkefir
Wo Milch und Honig fließen: Milchfermente
Frischkäse aus Milchkefir
Frischkäse aus Ziegenmilch
Crème fraîche und Sauerrahmbutter
Fruchtbutter
Mozzarella
Basiskurs 5: Cremige Schlürfereien – Pflanzendrinks
Nuss- und Getreidedrink
Pflanztastisch: Fermente mit Pflanzendrinks
Haferjoghurt
Mandelricotta
Gereifter Cashewkäse
Dein neuer gefräßiger Mitbewohner: Sauerteig
Let’s talk about: Sauerteig
Basiskurs 6: Wir wollen hoch hinaus – Sauerteig
Sauerteigbrot
Was tun, wenn …? Sauerteig-Kummerkasten
Kefir-Sauerteig
Kefir-Hafer-Sauerteig brot
Wenn die Mutter sauer ist: Essig
Basiskurs 7: Genialer Glibber – eine Essigmutter züchten
Essigmutter
Lass dir die Säure zu Kopf steigen: Essigfermente
Weinessig
Beerenessig
Birnen-Kräuter-Essig
Shrubs
Jetzt wird’s prickelnd: Getränke mit „Kult“-Status
Basiskurs 8: Mach deine Limo einfach selbst – Wasserkefir
Traditioneller Wasserkefir
Geht da noch mehr? Klar: Aromatisierter Wasserkefir
Basiskurs 9: Wellness-Durstlöscher – Kombucha
Traditioneller Kombucha (Schritt 1)
Einmal mit allem, bitte! Aromatisierter Kombucha (Schritt 2)
Legen wir noch einen drauf: Dreifach-Fermentation
Her mit den Aromen: spritzige Kombucha-Varianten
Ahorn-Gewürz-Kombucha
Hagebutten-Kombucha
Kaffee-Kombucha
Birnen-Basilikum-Kombucha
Jun
Lass die Gläser klirren: Getränke
Brot-Kwass
Şalgam
Ingwerbier
Kurkuma-Fizz
Sirup aus Beeren
Das interessiert uns schon die Bohne: Hülsenfrüchte
Süßlupinen-Hummus
Nattō
Miso
Idli
Tofu
Tempeh
Auf den Teller, fertig, Mahlzeit – fermentierte Gerichte zum Zweiten
Miso-Suppe
Kishk-Käse
Bagel mit Frischkäse
Linsen mit Kwass-Chutney
Ciabatta mit Hummus
„Steirische“ Kärntner Kasnudeln
Tempeh-Burger mit Golden Kraut, Süßkartoffel-Pommes und Kokos-Mayo
Kaiserschmarren
Crème brûlée
Mango-Kefir-Kokos-Jelly
DIE VERRÜCKTEN: EXPERIMENTE AUS UNSERER VERSUCHSKÜCHE
Einmal und immer wieder: Diese Experimente haben sich gelohnt!
Kohlrabi-Quitten-Kraut
Süßkartoffel-Ingwer-Kraut
Wassermelone
Kaki-Kimchi
Feigenbutter
Sweet-Potato-Fly
Apfelstrudel-Drink
Kalter Borschtsch
Maiwipferl
Was sonst noch im Glas landet: fermentierte Spezialitäten
Die Be-Hüteten: Fermentierte Pilze
Rumgeeiert: Ei-nmal um die Welt
Daran sind wir gescheitert: Unsere unvergesslichen Fermentations-Fails
Rosenkohl-Bananen-Kimchi
Spinat
Barba di frate
Bärlauch-Kimchi
Man wird ja wohl noch träumen dürfen: Was auf unserer Liste noch fehlt, Exoten und Skurriles
Ein Blüten- und Blättermeer: Magnolienblüten, Kirschblätter, Zucchiniblüten und Ahornblätter
Aus dem Fermentier-Mekka Japan: Kōji, Takuan und Shiokara
Dunkel wie die Nacht: Schwarzer Knoblauch, Nüsse, Früchte und Gemüse
Nichts für feine Näschen: Kiviak, Hákarl und Surströmming
TEIL 3:ALLES, WAS ZUM FERMENTIEREN GEHÖRT
Anhang
FAQ: Tipps und Pannenhilfe
Fermentistas sprechen eine eigene Sprache: Glossar
Für Wissbegierige: Literaturquellen und Lesetipps
Wo krieg ich denn das her? Hier, bitte schön: Bezugsquellen
Ein großes Dankeschön
Als ich vor vielen Jahren auf dem hintersten Regal in Marcels Keller ein verstaubtes Glas „Etwas“ fand, war mir noch nicht klar, dass dies der Anfang einer faszinierenden und spannenden Reise sein sollte. Einer, die unser beider Leben verändern würde.
Für mich begann alles erst einmal mit einem skeptischen Blick auf dieses undefinierbare orange-bräunliche Gemisch, das vielleicht einmal essbar gewesen, dann aber jedenfalls vergessen worden war und nun in diesem 2-Liter-Einmachglas in der Kellerecke vor sich hin dümpelte. Auf meine verwunderte Frage „Was ist das denn?“ antwortete Marcel, seinerseits über mein Unwissen erstaunt, gleichzeitig sichtlich stolz: „Kimchi!“ „Nun ja, das war vielleicht mal Kimchi“, erwiderte ich. Marcel lachte. „Nein, nein, das kann man immer noch essen.“
So recht traute ich ihm nicht, aber wir nahmen das Glas mit nach oben in die Küche, um es näher zu inspizieren. Kaum hatten wir es geöffnet, verbreitete sich ein seltsamer, unbekannter, für mich damals noch leicht unangenehmer Geruch in der ganzen Küche. „Koste!“, forderte mich Marcel auf. Ich sah ihn mit großen, entsetzten Augen an. „Niemals! Das ist doch schon verdorben!“, protestierte ich. Aber Marcel tauchte seine Gabel in das Glas und schob sich genüsslich eine Kostprobe in den Mund. Ich fasste all meinen Mut zusammen und tat es ihm gleich. Und – oh, wow! Ich war nicht darauf vorbereitet, welche unglaublichen, verschiedenen, köstlichen Geschmäcker sich da gleichzeitig auf meiner Zunge ausbreiteten: sauer, salzig, scharf, fruchtig, kohlhaltig, erdig. Und etwas gänzlich Neues, etwas, das sich nur mit Worten wie „mehr“ und „Fülle“ beschreiben ließ. Heute nennen wir es: „Leben“.
Alles begann … mit dem allerbesten Kimchi der Welt
Angeregt durch mein plötzliches Interesse an dem Kimchi-Glas begann Marcel begeistert, noch weitere Einmachgläser hervorzukramen, und stellte sie mir vor die Nase: in Salzlake eingelegte Karotten, Gurken, Rote Bete. Es war ein absolut faszinierendes Farbenspiel, das sich da vor meinen Augen vollzog. Marcel erzählte mir von seiner Ausbildung zum Paleo-Coach, von Lagerfeuern und „Foraging“, also dem Suchen und Sammeln von Wildpflanzen, von ursprünglicher Ernährung und davon, dass dabei fermentierte Lebensmittel eine große Rolle spielen.
Aus meiner Tätigkeit als gelernter Koch und Ernährungstherapeut war mir Fermentiertes zwar ein Begriff, ich konnte mich aber ehrlich gesagt nur noch schwach an Omas Sauerkraut erinnern. In meinem Kopf fing es an zu rattern. Erneut tauchte ich meine Gabel in das Kimchi-Glas, dessen Rezeptur aus Korea stammte, wie Marcel mir mitteilte. Ich wollte unbedingt wissen, wie man es herstellt. Und so kam es, wie es kommen musste: Wir forderten uns gegenseitig zu einer Challenge heraus. Wer von uns beiden schafft es, das beste Kimchi der Welt zu zaubern?
„Das bin ich, Geru. Toll, dass du mit uns in die spannende Welt der Fermentation eintauchst.“
„Hallo, Marcel hier. Hä, mit Karotten auf den Augen? Das sieht man auch nicht alle Tage. Aber, zugegeben: ein bisschen Spaßvogel bin ich ab und zu schon.“
Gesagt, getan. First Step: Ran an den Computer. Unsere Recherche förderte eine schier überwältigende Vielfalt an Rezepten und Varianten zu Tage. Es schien, als hätte jede koreanische Familie ihr eigenes, ganz persönliches Rezept. So erfuhren wir, dass Kimchi nichts anderes bedeutet als „sauer Eingelegtes“. Und diese eine sagenhafte, lebensverändernde Version aus Marcels Keller wird „Paechu-Kimchi“ genannt. Das heißt übersetzt so viel wie: „Chinakohl-Kimchi“. Wir erfuhren, dass viele KoreanerInnen ihr Kimchi erst so richtig mögen, wenn es viele Wochen oder sogar viele Monate fermentiert und gezogen hat. Im Rückblick war es also wenig überraschend, dass uns Marcels Kimchi, das bereits über ein Jahr lang fermentieren durfte, so gut geschmeckt hatte. Für Fermentier-Grünschnäbel wie mich anfangs gewöhnungsbedürftig. Nach dem zweiten, dritten Bissen aber ganz eindeutig: mit absolutem Suchtpotential.
Ab diesem Zeitpunkt gab es für uns kein Stoppen mehr. Keine Rübe, keine Knolle, kein Kraut und kein Früchtchen auf dem Wochenmarkt war mehr sicher vor uns. Die Küche mutierte zum Fermentier-Labor, im Flur mussten Schuhregal und Kleiderschrank den neuen Lagerregalen weichen und der Keller war bald voll mit Gläsern, Gärkolben und noch mehr Gläsern. Zwischenzeitlich führten wir mit anderen NachhaltigkeitsverfechterInnen eine Experimentierküche in Berlin und füllten es voll mit unseren Gläsern und Ideen. Dort teilten wir unsere Erfahrungen und Freude am wilden Fermentieren an unzähligen Workshops. Unser Projekt „Fermentation Ninja“ war geboren. Und so kam es, dass wir auszogen und mit unseren Workshops quer durch Europa reisten. Von Berlin nach Graz, von München nach Bern und sogar bis an die Atlantikküste nach Portugal. Eines hatten wir immer mit im Gepäck: die Neugier auf Unbekanntes, die Faszination für Neues, die Suche nach abenteuerlichen Rezepten und Geschmäckern. Genau das möchten wir nun mit unserem Buch auch in dir wecken.
Kimchi-Picknick! Könnte man ruhig öfter machen.Die Fermente folgen uns jedenfalls überall hin.
Der Beginn einer Freundschaft für die Ewigkeit: Die Fermente und wir
Heute schlagen unsere Herzen noch immer für Klassiker wie Sauerkraut, Kefir und Sauerteigbrot. Natürlich hat auch das Kimchi nach wie vor einen besonderen Stellenwert für uns. (Unser ganz spezielles „Ninja-Kimchi“ stellen wir dir übrigens auf Seite 63 vor.) Mittlerweile widmen wir uns aber auch insbesondere kreativen Fermenten, bei denen wir uns so richtig austoben und experimentieren können. Dabei entdecken wir nicht nur neue Geschmacksnuancen, sondern lernen mit jedem Mal unfassbar viel über das Zusammenspiel unterschiedlicher Zutaten. Wir lieben es, auf Reisen jede erdenkliche Fermentier-Rarität aufzustöbern, zu kosten und natürlich zuhause gleich selbst eigene Varianten auszuprobieren.
Was dabei in unseren Gläsern landet? Neben Obst und Gemüse aus unseren eigenen Gärten oder aus überquellenden Beeten von FreundInnen auch jede Menge Wildfrüchte, Pilze und andere Schätze aus Wald und Wiese. Der Besuch beim wöchentlichen Bauernmarkt ist für uns fixer Bestandteil – und seltene Obst- und Gemüsesorten sorgen nicht nur für farbliche Hingucker, sondern ermöglichen es auch, die Vielfalt fortbestehen zu lassen.
Wahrscheinlich ist dir jetzt schon aufgefallen: Über die Hauptakteure und Helden des Fermentierens haben wir bisher noch gar kein Wörtchen verloren. Keine Sorge: Die wirst du in diesem Buch noch zur Genüge kennenlernen. So viel sei verraten: Was sich im Glas abspielt, sind höchst komplexe Umwandlungsprozesse, zu denen die verschiedensten Mikroorganismen beitragen. Das sorgt nicht nur dafür, dass die Lebensmittel haltbar werden, sondern lässt sie auch bekömmlicher – ja, richtiggehend gesundheitsfördernd werden. Aber keine Angst, das Fermentieren bekommen die Organismen ganz von alleine hin. Du musst ihnen nur ein bisschen auf die Sprünge helfen, indem du ihnen ein Wohlfühlmilieu bietest, in dem es sich wunderbar vor sich hin blubbern lässt. Näheres zu den winzigen verfressenen „Fermentierchen“ erfährst du auf Seite 21. Infos zur gesundheitlichen Wirkung der Fermente findest du auf Seite 24.
Was wir wollen? Gemeinsam mit dir abtauchen, gären und losblubbern!
Dieses Buch dreht sich nicht nur um die fantastischen Fermente. Es geht uns darum, dir diese unbändige Lebensfreude und die naturnahe Philosophie des Fermentierens näherzubringen. Wir wollen dir spannende Hintergründe mitliefern und von unseren Fermentier-Erlebnissen erzählen. Wir möchten dir die nachhaltige Lebensweise vorstellen, mit der du ab jetzt Gläser über Gläser in deinem Vorratsschrank stapeln wirst. Weil: Wenn du fermentierst, verschwendest du nichts, weder deine übervolle Ernte noch unnötige Verpackungen. Es geht darum, sich selbstbestimmt zu ernähren, fernab von industrieller Produktion, ohne Konservierungsmittel oder andere Lebensmittelzusätze. Und es bedeutet auch, etwas Jahrtausendealtes wiederzubeleben, das über Generationen weitergegeben und verfeinert wurde, in der Zwischenzeit aber in Vergessenheit geraten ist. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, diesen alten Traditionen neues Leben einzuhauchen. Neben klassischen Rezepten und Herangehensweisen zeigen wir dir somit auch moderne Interpretationen und Zubereitungsmethoden.
Fermentieren ist eine kreative Kunst und eine Lebenseinstellung, ein „Ja“ zum Leben. Diese Liebe zu Bakterien & Co. sowie unser über Jahre zusammengetragenes Wissen möchten wir dir hier gerne vermitteln. Mit diesem Buch wollen wir dir mit Inspiration und Rat zur Seite stehen. Damit es auch bei dir zuhause munter vor sich hin blubbert, du deinen Hunger nach ehrlichen und naturbelassenen Zutaten stillst, deinen Geschmacksknospen neue Welten eröffnest und deiner Verdauung neues Lebenschenkst.
Kurz gesagt: Fermentieren setzt ein Zeichen gegen Verschwendung, lässt sich low-budget umsetzen, macht gesund und schmeckt noch dazu einfach unfassbar gut! Das klingt doch genial, oder? Wir möchten dir zeigen, wie unglaublich bereichernd es ist, in das Fermentier-Universum abzutauchen. Wir laden dich ein, gemeinsam mit uns loszublubbern. Du wirst sehen: Es gibt kein Halten mehr, sobald du das Fermentier in dir herauslässt!
Wir wünschen dir viel Vergnügen beim Experimentieren und bombastische Geschmackserlebnisse!
Deine Fermentation Ninja Geru und Marcel
Unser Anliegen ist es, dir die ursprüngliche Einfachheit der Fermentation zu zeigen. Darum legen wir statt langer Erklärungen einen größeren Wert auf Rezepte, die du mit einfachen Hilfsmitteln zuhause umsetzen kannst, ohne dafür Dörrautomaten oder spezielle Gärkammern anschaffen zu müssen. Und keine Angst: Eine Gärgrube buddeln musst du auch nicht.
Ein paar Rezepte stammen von entlegenen Ecken der Welt und sind ohne ihre spezifischen exotischen Zutaten nicht umsetzbar. Unser Hauptaugenmerk liegt aber auf Produkten, die du regional und saisonal erhältst.
Manche Themen bedürfen einer ausführlichen Einleitung, um die Prozesse gut zu verstehen. Ebenso müssen manche Rezepte detailreicher geschildert werden, damit bei der Herstellung nichts schiefläuft. Aus diesem Grund haben wir die „Basiskurse“ entwickelt, die dir einen schnellen Überblick und alle wichtigen Infos zu den notwendigen Techniken und Hilfsmitteln liefern. Im Buch findest du die Basiskurse zu „Kraut-Technik“ (Seite 48), „Lake-Technik“ (Seite 52), „Dickmilch und Joghurt“ (Seite 167), „Milchkefir“ (Seite 172), „Pflanzendrinks“ (Seite 184), „ Sauerteig“ (Seite 194), „Essig“ (Seite 200), „Wasserkefir“ (Seite 212) und „Kombucha“ (Seite 218).
Wenn möglich, haben wir die Rezepte kurz und knapp gehalten, damit viele Worte nicht vom Wesentlichen ablenken. Und wir haben die Rezepte so wiedergegeben, wie sie für uns funktionieren. Viele Wege führen nach Rom, sagt man. Und so gibt es manchmal auch für die Herstellung von ein und demselben Produkt verschiedene Herangehensweisen.
Damit dir das Eintauchen in die Welt der Fermentation und das Navigieren in diesem Buch leichter fällt, findest du hier einen Überblick über die verschiedenen Teile sowie Hauptkapitel des Buches.
TEIL 1:
Blubber-BasicsEinleitung
Der erste Teil dieses Buches schafft einen Überblick zur Geschichte und Kultur der Fermentation und bietet einen ersten Einblick in die Tätigkeit unserer kleinen Helferlein, der Mikroorganismen. Detailliertere Informationen zu den unterschiedlichen Fermentationstechniken findest du bei den Basiskursen oder jeweils zu Beginn eines jeden Rezepts. Du erfährst die verschiedenen Gründe, warum du mit dem Fermentieren gleich loslegen solltest, und was deine Laune mit den Milchsäurebakterien zu tun hat. Daneben stellen wir dir die wichtigsten Gerätschaften für deine Fermentierküche vor. Ganz Ungeduldige finden am Ende des Kapitels ein schnelles Starterrezept.
TEIL 2:
Das große Fermentieren kann beginnen –Rezepte
Um dir die Planung zu erleichtern, findest du zu jedem Rezept eine Infobox mit Zutaten, Hilfsmitteln, Fermentationszeit und Haltbarkeit. Darüber hinaus erfährst du, wie du einzelne Fermente noch aufpeppen könntest: Wir stellen dir Varianten oder Ideen zur Weiterverarbeitung vor und verraten dir, wie du sie auf dem Teller in Szene setzen kannst.
TEIL 2, KAPITEL 1:
Die Wilden: Mit diesen Rezepten kann es gleich losgären
Das erste Kapitel widmet sich den wilden Fermenten. Hier dreht sich alles um das Fermentieren von Gemüse, Obst und Kräutern mit Hilfe von Milchsäurebakterien. Die Einteilung der Rezepte erfolgt nach den Grundzutaten. Es gibt eigene Unterkapitel für Kohl, Fruchtgemüse, Gewürzsaucen, Getränke und vieles mehr. So findest du direkt nach einem Rundgang durch Garten oder Gemüsemarkt alle Rezeptideen, um die geernteten oder gekauften Schätze gleich zu verarbeiten. Am Ende des Kapitels stellen wir dir Rezepte vor, zu denen deine Fermente perfekt dazupassen.
Rezepte mit ganz viel Gemüse, Obst und Milchsäuregärung. Belebend, sauer, wohltuend!
TEIL 2, KAPITEL 2:
Die Kultivierten: Ein bisschen Starthilfe ist gefragt
Im zweiten Rezepte-Kapitel geht es um Fermente, die nicht „von allein“ fermentieren. Für diese Fermente müssen die gewünschten Mikroorganismen erst aktiviert (selber gezüchtet) bzw. die jeweiligen Starterkulturen zugeführt werden. Was dich erwartet? Um nur einige wenige zu nennen: Joghurt, Käse, Sauerteig, Essig, Shrubs, Wasserkefir, Kombucha und andere fermentierte Getränke. Auch Fermente mit Hülsenfrüchten wie Miso, Nattō und Tempeh kommen hier ganz groß raus. Am Ende des Kapitels findest du wieder unsere Lieblingsrezepte zum gleich Ausprobieren.
Kefir, Käse, Sauerteig und Co. warten schon auf dich!
TEIL 2, KAPITEL 3:
Die Verrückten: Experimente aus unserer Versuchsküche
Die Experimentierküche: Im dritten Kapitel plaudern wir aus dem Nähkästchen. Wir teilen Lieblingsrezepte und verrückte Ideen aus vielen Jahren heller Experimentierfreude. Und auch, wenn einmal etwas nicht geklappt hat, so haben wir daraus zumindest etwas gelernt und oft auch darüber gelacht. Wir erzählen dir, was wir schon immer mal ausprobieren wollten und woran wir gescheitert sind. Was dabei auch nicht fehlen darf: eine kurze Vorstellung der übergeschnapptesten (oder sollen wir sagen: übergeschwapptesten?) Fermente aus aller Welt.
Ahorn fermentieren? Ja klar! In diesem Kapitel dreht sich alles ums Ausprobieren.
TEIL 3:
Alles, was zum Fermentieren gehörtAnhang
In den Anhang haben wir noch jede Menge Infos für dich gepackt. Dort findest du neben Glossar, Register und Bezugsquellen auch noch eine FAQ-Runde sowie Tipps dafür, wenn deine Fermente, anstatt fröhlich zu glucksen, plötzlich stöhnende Laute von sich geben. Sprich, noch mehr vergären, als sie es sollten. Und: Was du dagegen tun kannst.
Kimchi – unseren Liebling – gibt’s auf Seite 63.
Die Fermentationszeiten bei den jeweiligen Rezepten können dabei nur ungefähr angegeben werden. Sie werden durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst: Frische der Lebensmittel, Salzgehalt, Temperatur, Anzahl der natürlich vorkommenden Bakterien etc. Auch die Haltbarkeit hängt von verschiedensten Faktoren ab, wie z. B. dem Säuregehalt. Die Infos zu Gärbehälter und Lagerung können daher ebenfalls nur ungefähr angegeben werden. Aber das gehört dazu: Beim Fermentieren geht es auch darum, selbst auszuprobieren, neue Erfahrungen zu sammeln und immer wieder verschiedene Geschmäcker kennenzulernen.
Starterpaket für angehende Fermentistas? Neugier, Lust aufs Experimentieren – und das ein oder andere Wissenshäppchen, damit du weißt, was in deinem Einmachglas überhaupt vor sich geht. Bevor wir uns also ins Rezeptgetümmel stürzen, liefern wir dir hier ein paar Hintergrundinfos: zur Geschichte des Fermentierens, deinen winzig-tüchtigen Helferlein im Gärprozess und zur Grundausstattung für dein eigenes Fermentierlabor (alias: deine Küche). Und nicht zu vergessen: Wir legen dir noch einmal ans Herz, warum das Fermentieren so unsagbar toll ist – und was du dir damit alles Gutes tust. Am Ende des Kapitels findest du einen Überblick über die weiteren Inhalte des Buches. Und dann? Zum Rezept blättern, losschnippeln und versenken!
INHALT:
Von Gärgemüse und „sauren“ Bakterien: Auf den Spuren der Fermentation
Mise en Place oder zu Fermentierdeutsch: Es ist angärichtet! Equipment
Was wir dir sonst noch mitgeben möchten: Unsere persönliche Philosophie
Fermentieren geht über Studieren: Starterrezept
Erst mal: Frische Zutaten besorgen – auf dem Wochenmarkt oder aus Garten, Balkon und Co. Und natürlich noch: Grundlagen checken. Die gibt’s in diesem Kapitel.
Fermentieren – das ist für uns ein ganz und gar magischer Begriff. Dahinter verbergen sich eine ganze Reihe von faszinierenden mikrobiologischen Prozessen, eine erstaunliche Vielfalt an unterschiedlichsten Rezepten, ein ganzes Versuchslabor an Möglichkeiten und Herangehensweisen – und nicht zuletzt ungeahnte, sensationelle Geschmäcker. Bist du bereit für diese grandiose, überwältigende, atemberaubende Reise?
In den letzten Jahren haben immer mehr Menschen diese Kunst für sich entdeckt. Unzählige Fermentistas auf der ganzen Welt setzen ihre Kombucha- und Essigkulturen an, schnippeln, kneten und versenken, was das Grünzeug hält. Ihnen gemeinsam ist vor allem eines: die unbändige Freude am Selbstgemachten, die rasenden Versuche, den Fermenten noch mehr und andere Geschmäcker zu entlocken. Ein Gefühl, das man gar nicht recht beschreiben kann, sondern selbst für sich ausprobieren muss. Sei gewarnt: Wer einmal damit angefangen hat, kann sich nicht mehr losreißen.
Auch, wenn du mit dem Fermentieren bisher noch nichts am Hut hattest: Es ist dir mit Sicherheit schon oft in deinem Leben begegnet (welche alltäglichen Lebensmittel aus Fermentation entstehen, erfährst du auf Seite 20). Vielleicht bist du mit dem „kontrollierten Vergären“ auch schon ein bisschen vertraut und hast eine gewisse Vorstellung davon, was alles dahintersteckt und warum es auf so vielen Ebenen so unglaublich guttut. Oder du bist bereits einE waschechteR Fermentista und die Bakterien sind schon lange deine besten Freunde? Dann kannst du gleich vorblättern zu den Rezepten (Seite 44) – oder du schenkst uns noch kurz deine Aufmerksamkeit. Wir möchten dir hier erzählen, wie das Fermentieren entstanden ist und welche Vorgänge sich überhaupt in deinem Einmachglas abspielen. Wir schauen uns genauer an, was sich dem menschlichen Auge zunächst gar nicht erschließt. Mit der Zeit wirst du deine Fermente immer näher kennenlernen und genau wissen, wie du ihre Launen und Macken interpretieren kannst – und ihnen ein zufriedenes Glucksen entlockst.
Ganz allgemein verstehen wir unter Fermentation unterschiedliche Prozesse, bei denen Mikroorganismen zur Konservierung, aber auch Potenzierung der in Lebensmitteln enthaltenen Mikronährstoffe eingesetzt werden. Dabei verstoffwechseln Bakterien, Hefen und Pilze lebendige, organische Stoffe in Säure, Gas und Alkohol. Die Lebensmittel verändern dadurch ihren Geschmack und ihre Textur. Ganz nebenbei vermehren sich die Mikroorganismen dabei und machen das Endprodukt dadurch umso lebendiger. Die einen produzieren zusätzliche Vitamine, andere eine funktionelle Schutzschicht.
Das Prinzip ist dabei denkbar einfach: Wir wollen, dass sich die winzigen Kerlchen vermehren! Und sorgen dafür, dass sie hierfür günstige Bedingungen vorfinden. Dazu gehört die richtige Gesellschaft (das umgebende Milieu), die richtige Temperatur und, ganz wichtig: das richtige Verhältnis zum Sauerstoff. Die meisten Fermentationsprozesse finden anaerob, also unter Ausschluss von Sauerstoff, statt. Diese Variante wird auch klassischerweise als Gärung bezeichnet. Dazu gehören das Fermentieren in Salzlake und die „wilde Fermentation“, bei der die Bakterien bereits natürlich auf den Zutaten vorkommen. Letztere kann auch als „Spontangärung“ bezeichnet werden. Deswegen ist es hier wichtig, dass du deine Gläser stets fest verschließt, damit dem lustigen Treiben kein jähes Ende gesetzt wird. Diese Beobachtung hat übrigens auch der französische Biochemiker Louis Pasteur gemacht. Der erfand nämlich nicht nur die nach ihm benannte Konservierungsmethode, sondern beschäftigte sich auch intensiv mit dem Gärprozess. Dazu stellte er sinngemäß fest: „Fermentation, das ist das Leben ohne Luft“. Machen wir es ihm nach: Luftanhalten und Abtauchen ist angesagt!
Auf der anderen Seite gibt es Fermente, die den faulen Zauber nicht von alleine hinbekommen. Sie brauchen Starterkulturen, also zugesetzte Bakterien, Hefen oder Pilze. Dieser Vorgang wird auch „kontrollierte Fermentation“ genannt. Dabei ist es mitunter durchaus gewollt, dass ab und zu Sauerstoff an sie gelangt. Ist dies der Fall, spricht man von aerober Fermentation.
Diese Unterscheidung haben wir uns auch für dieses Buch zum Vorbild genommen. Als "die Wilden" bezeichnen wir Fermente, die die nötigen Mikroorganismen bereits selbst mitbringen. Alles, was wir tun müssen, ist, ihnen das Wohlfühlmilieu zu erschaffen, in dem sie sich ungehindert vermehren können. Dazu gehört vor allem eine wichtige Zutat: Salz (Seite 33). Es sorgt dafür, dass sich keine unerwünschten Gäste (pathogene Bakterien oder Keime) in die Fermentations-Party einschleichen. Zur wilden Fermentation gehört allen voran die Milchsäuregärung (ab Seite 22). Wenn du gleich mit diesen Rezepten loslegen möchtest, nimm die Kapitel zu den Basiskursen für Kraut-Technik (Seite 48) und Lake-Technik (Seite 52) genauer unter die Lupe. Die zweite Gruppe nennen wir „die Kultivierten“. Für diese Rezepte benötigen wir zusätzliche Fermentationsbooster in Form von Bakterien- oder Hefekulturen. Damit kannst du zum Beispiel Milchkefir (Seite 173), Essig (Seite 203) und Kombucha (Seite 220) herstellen oder Milchprodukte wie Joghurt (Seite 170) und Frischkäse (Seite 175).
Dicht gedrängt warten die Fermente schon darauf, von dir verkostet zu werden.
Lass die Blubberparty steigen!
Du bist dir noch nicht sicher, ob Fermentieren dein Ding ist? Okay, okay, du hast bereits dieses Buch in den Händen – der erste Schritt ist also schon getan. Wir versprechen dir: Damit liegt dir eine ganz neue Welt zu Füßen. Es gibt so viele Gründe, warum du mit dem Fermentieren anfangen solltest:
•Bye-bye, Gammelgemüse! Bevor es dazu kommt, landet ihr im Glas: Wenn du fermentierst, verderben deine Lebensmittel garantiert nicht mehr. Ab jetzt erntest du einfach all deine Gartenfrüchte und verfrachtest sie schnurstracks in die Gläser.
•Alles, was dein Herz begärt. Und dein Darm. Und überhaupt dein gesamter Organismus. In fermentiertem Gemüse stecken unzählige probiotische Nährstoffe und Vitamine. Damit schmeichelst du nicht nur deinem Bäuchlein, sondern wirst automatisch glücklicher, zufriedener, energiegeladener (Seite 24).
•Dein ganz persönlicher Vergnügungspark: Kneten, raspeln, kosten – das alles macht unheimlich viel Spaß. Die coolsten Attraktionen findest du ab jetzt auf deinem Küchenregal: Die kunterbunten Fermente warten nur darauf, von dir probiert zu werden.
•Bring Leben in deine Bude! Deine neuen Mitbewohner werden dein Leben künftig auf den Kopf stellen. Da wäre der Sauerteig, der munter vor sich hin blubbert und gefüttert werden will (Seite 190). Oder der SCOBY (Seite 218), der sich wieder einmal ein ausgiebiges Bad in deinem Kombucha-Ansatz gönnt.
•Ein Gemeinschaftsgefühl: Nicht nur die Fermente leisten dir Gesellschaft – hol dir gleich noch andere Fermentistas ins Boot. Gemeinsam könnt ihr experimentieren, euch gegenseitig Tipps geben – und das Warten bis zur ersten Kostprobe verkürzen.
•No waste – no problem! Unnötige Verpackungen und kompliziertes Equipment sind hier fehl am Platz. Vom Stiel bis zum Blatt landet alles im Glas. Nachhaltiger geht’s nicht!
•Abstauben und loslegen: Schon unsere Urahnen haben ihre Ernte in Gärtöpfe gepackt – oder im Garten vergraben. Wenn du fermentierst, folgst du einer uralten Tradition – und entdeckst sie jedes Mal neu!
Die Geschichte des Fermentierens ist eng verbunden mit dem Wunsch, Erntefrüchte und Getränke dauerhaft haltbar zu machen. Schon klar: Kühlschränke sind eine Erfindung aus jüngerer Zeit. Aber auch im Keller halten sich eingelagerte Gemüse nur für begrenzte Zeit. Mit dem Fermentieren haben die Menschen früh eine Möglichkeit gefunden, Lebensmittel (quasi) dauerhaft genießbar zu halten.
Auf der anderen Seite gibt es Vermutungen, dass viele Kulturen durch Zufall darauf gestoßen sind: Liegen Gebliebenes hatte zwar sein Aussehen verändert, roch und schmeckte aber umso intensiver. Sauer gewordener Teig ließ sich dennoch backen und das daraus entstandene Brot wies nicht nur einen feineren Geschmack auf, sondern hielt sich länger. Das wussten schon die Ägypter vor gut 4.000 Jahren. Und bereits vor 5.000 Jahren stellten die Babylonier Käse her. Auch Wein kannte man damals schon. Unser Lieblingsferment, das Kimchi, wurde vermutlich bereits vor 3.000 Jahren auf der koreanischen Halbinsel entwickelt. Die Entdeckung der Fermentation selbst liegt aber wahrscheinlich noch viel weiter zurück: Archäologische Funde deuten darauf hin, dass manche Kulturen bereits vor 10.000–15.000 Jahren Fermentation für sich genutzt haben. So wurden beispielsweise in Israel und China Krüge aus dieser Zeit gefunden, in denen sich Spuren fermentierter Getränke aus Reis, Weizen und Gerste befanden. Die lassen außerdem darauf schließen, dass damals bereits Zweifach- und Dreifachfermentation bekannt waren – und somit alkoholische Getränke produziert wurden.
Wann genau die Menschen mit der Fermentation begannen, kann niemand eindeutig festlegen. Wissenschaftler fanden jedoch heraus, dass sich, lange bevor der Homo sapiens die Weltbühne betrat, etwas Entscheidendes im Genom unserer Ahnen veränderte. Vor rund 10 Millionen Jahren entwickelten sie ein Enzym zur Verdauung von Alkohol. Das heißt: Auf natürliche Weise fermentiertes, also vergorenes, Obst und Gemüse musste bereits ein Bestandteil der Nahrung gewesen sein. Damit orientierte sich der Mensch am Vorbild der Natur: Über Äonen beobachtete natürliche Prozesse wurden irgendwann intuitiv verstanden, kopiert und weiterentwickelt.
Die Einfachheit der Fermentation war wohl auch der Schlüssel für ihre weltweite Verbreitung. Ohne biochemische Kenntnisse oder aufwendige Gerätschaften wurden Gemüse eingelegt und Bier gebraut. Dass das Endprodukt dabei nicht immer gleich aussah und gleich schmeckte, war damals noch nicht wichtig. Es ging den Menschen in erster Linie darum, ihre Lebensmittel haltbar zu machen. Dafür sorgte nicht zuletzt ein weiterer Meilenstein in der Menschheitsgeschichte: das Sesshaftwerden und die damit einhergehenden Anfänge von Ackerbau und Viehzucht. Dabei spielte die Vorratshaltung naturgemäß eine wesentliche Rolle. Die frühen Methoden haben auch noch heute eine Bedeutung für die Fermentation. Viele uralte Techniken wie z. B. Fermentationsgruben blieben bis in die Gegenwart erhalten.
Mit der Zeit entwickelten sich immer feinere Rezeptvarianten und auch regionale Besonderheiten. Jede Kultur und Landschaft beheimatet nicht nur lokal angepasste Obst- und Gemüsesorten oder Wildfrüchte, sondern zudem ihre ganz eigenen Bakterienstämme. So entstanden etwa eine Vielzahl unterschiedlicher Wein- und Käsesorten. Aber auch das unvergleichliche Aroma von Kakao, Vanille oder Kaffee verdanken wir den Fermentationsprozessen von Mikroorganismen, die den roh bitteren Bohnen oder Schoten den Geschmack verleihen, den wir heute so lieben.
Raus in die Natur, sammeln und zuhause gleich ins Glas packen. So machen es die Menschen schon seit Urzeiten.
Fermentation is all around:
Du denkst, du kannst ohne Fermentation leben? Das wird dir wahrscheinlich nur schwer gelingen. Fast ein Drittel unserer alltäglichen Lebensmittel hat an dem einen oder anderen Punkt in seiner Herstellung einen Fermentationsprozess durchlaufen. Klingt unglaublich? Schau mal hier:
•Milchprodukte: Joghurt, Käse und Butter entstehen aus vergorener Milch, der noch weitere Milchsäurebakterien (Lactobacillales) zugesetzt werden. Unsere Rezepte dafür findest du ab Seite 164.
•Schokolade: Nach der Ernte dürfen sich die Samenkerne der Kakaobohne 5–10 Tage in der tropischen Hitze suhlen. Dabei wird ihre Keimfähigkeit unterdrückt, die Bitterstoffe verschwinden und werden in die „schokoladigen“ Aromen umgewandelt.
•Vanille: Die geernteten Schoten landen erst in heißem Wasser, anschließend in luftdichten Behältern, dann geht es zum Trocknen ins Freie. Was dabei passiert? Die anfangs grünen Schoten schrumpfen zu dunklen Stangen – und das charakteristische Vanille-Aroma, das Vanillin, entsteht.
•Oliven: Rohe Oliven sind für uns ungenießbar. Abhilfe schafft eine Salzlösung, der Milchsäurebakterien zugesetzt werden. Dort rasten die aromatischen Früchte mehrere Monate, bevor sie abgefüllt werden.
•Würzsaucen: Sojasauce, Chilisauce, Senf … sie alle bestehen aus fermentierten Ausgangsprodukten: mit dem Kōji-Pilz (Seite 297) versetzte Sojabohnen, zerkleinerte und gesalzene Chilischoten, gemaischte Senfsaat. Fertig ist die Geschmackssensation – na ja, fast: In den meisten Fällen musst du noch ein paar Monate (oder Jahre) warten, bis du in ihren Genuss kommst – unsere Rezepte dauern zum Glück nicht so lange (ab Seite 116).
•Brot: Genau genommen ist jedes Hefebrot fermentiert: Der Gärprozess vollzieht sich, während dein Teig luftig und locker vor sich hin „geht“. Bei Sauerteigbroten kommt der Fermentation ein besonderer Stellenwert zu: Hier passiert die Fermentation im Mehl-Wasser-Gemisch deines Anstellgutes. Wie du Sauerteig selbst herstellen kannst, erfährst du auf Seite 190.
•Bier: Beim Maischen wird das Getreide, meist Gerste oder Gerstenmalz, mit Wasser leicht erhitzt. Stärke tritt aus, die später den Hefepilzen als Nahrung dient, welche wiederum Alkohol produzieren. Ähnliche Verfahren kommen auch bei der Herstellung von Whiskey oder Schnaps zum Einsatz.
•Wein: Nach dem Keltern, also dem Auspressen des Traubensafts, wird der so entstandene Most gegärt. Die Hefe wandelt den Zucker in Alkohol um. Chin-chin!
•Tee: Sollen die Blätter der Teepflanze (Camellia sinensis) einmal Schwarztee werden, müssen sie erst vergären. Beim Welken werden Zellsäfte und ätherische Öle freigesetzt, die anschließend die Fermentation in Gang bringen. Grüntee stammt übrigens von der gleichen Pflanze – der wird aber nicht fermentiert, sondern gedämpft und anschließend getrocknet.
•Kaffee: Die grob geschälten Kaffeebohnen wandern für 12–36 Stunden ins Wasserbad. Die in den Bohnen enthaltenen Pilze sorgen dafür, dass die bitteren Gerbstoffe abgebaut werden und neue, balanciertere Aromastoffe entstehen.
Wo sind sie denn, die Mikroorganismen?
Wo Fermentation ist, entsteht Leben. Und umgekehrt: Wo Leben ist, entsteht Fermentation. Was wir damit meinen? Zunächst einmal die Tatsache, dass sich in und auf jedem unbehandelten, organisch entstandenen Lebensmittel eine Vielzahl von Bakterien, Pilzen und Hefen tummelt: etwa auf der Schale von Obst und Gemüse oder in Milchprodukten. Auch im menschlichen Körper finden sich unzählige Mikroorganismen. Die Anzahl an Bakterienzellen im Darm wird beispielsweise auf knapp 100 Billionen geschätzt – und die wollen auch gepflegt werden (was das mit der Fermentation zu tun hat, erfährst du auf Seite 24). Aber keine Angst, von menschlicher Spontangärung haben wir bisher noch nie gehört …
Für die Lebensmittel bedeutet das, dass diese Mikroorganismen unter günstigen Bedingungen beginnen, Einfachund Vielfachzucker (Kohlenhydrate oder Saccharide) zu verstoffwechseln, und sich dadurch vermehren. Ihr Metabolismus ist optimal darauf programmiert, die vorhandenen Zucker in Säure, Gase und Alkohol zu spalten. Man könnte Fermentation genauso gut eine „Veredelung“ von Nahrungsmitteln nennen. Im Gegensatz zur unkontrollierten Fäulnis wird bei der gezielten Gärung der pH-Wert der Lebensmittel verändert. Die dadurch entstehenden Substanzen, wie antimikrobielle Peptide, Milch- oder Essigsäuren und Alkohole, unterbinden ein Wachstum von pathogenen Keimen und das fermentierte Gut kann nachträglich auch nicht mehr befallen werden.
Tut sich da schon was?
Je nachdem, welche Umgebung sie vorfinden, fühlen sich unterschiedliche Mikroorganismen mehr oder weniger wohl, arbeiten alle gleichzeitig oder entwickeln sich nacheinander. So erschaffen sie sich gegenseitig ein optimales Milieu – echtes mikrobiologisches Teamwork eben!
Sie sind die Stars unter den Fermentationsmikroben und immer zur Stelle, wenn es darum geht, den Zucker aus Obst, Gemüse, Getreide oder Milch zu schnabulieren und in fantastische Fermente zu verwandeln: die Milchsäurebakterien (Lactobacillales), darunter v.a. Gattungen wie Leuconostoc, Oenococcus, Pediococcus, Streptococcus oder Tetragenococcus. Sie sind es auch, die am Reifungsprozess der meisten alltäglichen Speisen beteiligt sind (Seite 20). Wenn wir ihnen die richtigen Voraussetzungen schaffen, bilden diese Bakterien aus den enthaltenen Einfachzuckern (z. B. Glucose und Fructose) Milchsäure. Die ist einerseits für den typischen sauren Geschmack verantwortlich, zum Beispiel von Joghurt. Andererseits entstehen dabei als Nebenprodukte Gase – die für das feine Prickeln von Gemüse und für die Blubberblasen im Sauerteig sorgen.
Wir können zwischen den unterschiedlichen Temperaturvorlieben der Lactobacillales unterscheiden. Bei der wilden Fermentation von Gemüsen treten mesophile Milchsäurebakterien in Aktion. Da diese im Temperaturbereich von 18–26 °C am besten arbeiten, ist es für uns relativ einfach, diese Fermente zuhause herzustellen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Bügelgläser und Gärtöpfe sich in weder zu kalter noch zu warmer Umgebung befinden. Daneben gibt es thermophile Milchsäurebakterien, die zum Beispiel in der Herstellung von Joghurt zum Einsatz kommen. Sie bevorzugen ein kuschlig-warmes Milieu von ca. 42–45 °C. Für uns interessant ist außerdem die Unterscheidung zwischen homofermentativen Bakterien, die ausschließlich Milchsäure produzieren, und heterofermentativen Vertretern, bei denen auch noch weitere Nebenprodukte wie Kohlensäure oder Essigsäure entstehen. Letztere lieben es zwar ein paar Grad kühler als ihre Kollegen, sind jedoch gerade bei der wilden Fermentation von Gemüse hauptverantwortlich für die starke Kohlensäurebildung in der initialen Phase. Das wiederum bildet eine ideal saure Schutzumgebung, in der sich pathogene Bakterien gar nicht erst ausbreiten können. Essigsäure als Nebenprodukt spielt vor allem bei der Sauerteigzubereitung eine Rolle. Die homofermentativen Milchsäurebakterien sind jedoch sechsmal effizienter im Abbau der Kohlenhydrate und vermehren sich somit schneller.
Altersvergleich: Ein frisch angesetztes Ferment vs. ein mehrere Wochen altes Ferment. Siehst du, wie die Farbe in die Lake übergegangen ist?
Am Beispiel der Lake-Technik (Seite 52) können wir die Arbeit der Milchsäurebakterien im Detail beobachten:
•Tag 1 und 2: Nach dem Abfüllen geben die Bakterien so richtig Vollgas. Das Salz macht die Fasern des Gemüses porös und Zellsaft, die Nahrung der Helferlein, tritt aus. Der im Gemüse vorhandene Sauerstoff wird zu Kohlendioxid umgewandelt – du siehst ihn als Bläschen aufsteigen. Am schnellsten geschieht das bei einer Umgebungstemperatur von 20–26 °C.
•Tag 3: Der zweite Gärprozess beginnt: die Milchsäuregärung, bei der Hefen zusammen mit den Milchsäurebakterien das Lebensmittel konservieren und dessen Geschmack verändern. Erkennbar ist dieser Prozess durch eine Trübung der Salzlake.
•Tag 10–20: Die Milchsäuregärung ist beendet. Das Ferment braucht aber noch ein paar Tage bis zur vollen Reife.
•Nach 2–3 Wochen: Du kannst dein Ferment kosten. Aber Vorsicht: Einmal geöffnet, sollte es innerhalb weniger Tage aufgebraucht werden. Oder du gönnst ihm noch eine kleine Ruhepause – und wirst mit noch intensiveren Geschmacksnoten belohnt.
Während Gemüse überwiegend von Milchsäurebakterien besiedelt wird, findet man auf Obst eine Überzahl von wilden Hefen. Hefen sind niedere Pilze, sogenannte Sprosspilze. Sie vermehren sich durch Sprossung oder Spaltung, wodurch neue Hefezellen heranwachsen. Die bekannteste Hefe ist die Saccharomyces cerevisiae, auch Bäckerhefe genannt.
Die Hauptarbeit der Hefen besteht darin, Zucker in Ethanol (Alkohol) und Kohlenstoffdioxid abzubauen. Das Kohlenstoffdioxid bleibt in der geschlossenen Umgebung gebunden und wird durch den Kontakt mit Wasser in Kohlensäure umgewandelt. Der Alkohol wirkt konservierend und hemmt unerwünschtes Wachstum feindlicher Mikroorganismen. Und bietet Nährstoff für die Essigsäurebakterien, die den Alkohol in Essigsäure umwandeln.
Ob du wilde Hefen oder Zuchthefen verwendest, wirkt sich weder qualitativ noch geschmacklich auf das Lebensmittel aus. Je mehr Hefen vorhanden sind, desto mehr und schneller wird Alkohol produziert. Somit benötigst du z. B. Zuchthefen nur bei zuvor gekochtem Obst. In der Lebensmittelindustrie werden aus Produktionsgründen meist Zuchthefen verwendet. Sie garantieren eine komplette Durchgärung des Obstes, denn: je höher der Alkoholgehalt, desto mehr Hefen sterben ab. Die einzelnen Hefearten vertragen dabei unterschiedliche Alkoholkonzentrationen. Wilde Hefen dagegen starten den Gärprozess langsamer. Der Luftsauerstoff kann besser mit den Phenolen (Gerbstoffen) des Obstes reagieren, die Farbe stabilisiert sich.
Schimmelpilze sind üblicherweise ungern gesehene Gäste bei der Fermentation. Treten sie auf den Plan, ist es mit dem schönen Ferment meistens auch schon wieder vorbei (Seite 293). Es gibt aber auch solche Schimmelpilze, die bewusst bei der Lebensmittelherstellung eingesetzt werden: Sogenannter „Edelschimmel“ verfeinert beispielsweise Käse oder Salami. Besonders in der japanischen Küche kommen Schimmelpilze zum Einsatz, allen voran der „Kōji-Pilz“ (Aspergillus flavus var. oryzae), mit dessen Hilfe Sojasauce und Miso (Seite 243) hergestellt werden. Für die Zubereitung von Tempeh (Seite 247) werden verschiedene Arten der Gattung Rhizopus verwendet.
An diesem Stück Tempeh gut erkennbar: Der Rhizopus-Schimmelpilz hüllt die Bohnen mit seinen weißen, watteartigen Pilzfäden ein und hält sie so zusammen.
Während auch manche heterofermentative Milchsäurebakterien (Seite 22) über die Eigenschaft verfügen, Essigsäure zu produzieren, machen sich für die Herstellung von Essig (Seite 200) die „echten“ Essigsäurebakterien (Acetobacter) an die Arbeit. Sie wandeln den durch die Hefen aus dem Zucker der Früchte produzierten Alkohol in Essigsäure um. Sauerstoff ist dabei durchaus erwünscht, um die Fermentation in Gang zu bringen. Ihre erfolgreiche Arbeit ist mit der Zeit als „Essigmutter“, einer gallertartigen Masse, an der Oberfläche des Essigs erkennbar.
Über die gesundheitsfördernden Eigenschaften fermentierter Lebensmittel und die im Gegensatz dazu der Gesundheit abträglichen Wirkung industriell hochprozessierter Produkte gibt es mittlerweile unzählige Studien. Wir wollen hier auch gar nicht zu tief in dieses Thema einsteigen: Unser Buch soll kein Ernährungsratgeber sein, sondern eine Anleitung zum erfolgreichen Fermentieren. Manche Rezepte haben wir mit Infos zu Inhaltsstoffen und Wirkung ergänzt. Sagen wir einfach mal so: „Some fermented food per day keeps the doctor away!“
Alle fermentierten Lebensmittel verbindet eines: Die Mikroorganismen haben sie bereits „vorverdaut“. Und zwar auf die gleiche Weise, wie Enzyme deines Speichels und die Mikroorganismen, die in deinem Mund leben, die Lebensmittel bereits in der ersten Sekunde der Nahrungsaufnahme befallen und mit der Zersetzung in biochemische Bestandteile beginnen. Dieser Prozess wird dann im Magen und Darm weitergeführt. Dank dieser mikrobiellen Vorverdauung sind die Nährstoffe schneller für dich verfügbar. Das bedeutet, dass du selbst weniger Energie in ihre Aufspaltung investieren musst. Die schnellere Verdauung belastet dich weniger und macht dich weniger „verdauungsträge“.
Hier, probier mal. Fermentiertes schmeckt nicht nur fantastisch, sondern tut dir auch noch richtig gut.
Ganz nebenbei produzieren die Mikroorganismen bei ihrer Tätigkeit für dich wertvolle „Abfallprodukte“ in Form von Enzymen und Vitaminen. JedeR kennt die Geschichten über die Seefahrer der Entdeckerzeit, die in ihren Schiffen Sauerkraut in rauen Mengen gebunkert hatten. Es war einer der wenigen Vitamin-C-Lieferanten für die monatelangen Reisen auf offener See und schützte die Besatzung vor Skorbut und anderen Krankheiten. Moderne Studien belegen für verschiedene Fermente das potenzierte Vorkommen von vielerlei gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffen: Vitamin A, B12 und C sowie von verschiedenen Enzymen und Eisen, Magnesium, Phosphor, Folsäure u. v. m. Dabei liefern z. B. 100 Gramm Sauerkraut 20–30 Milligramm Vitamin C – also doppelt so viel wie 100 Gramm Äpfel. Wenn du Sauerkraut leicht erwärmst (allerdings nicht über 40 °C), nimmt der Vitamin-C-Gehalt sogar noch zu, denn Weißkohl enthält außerdem einen großen Anteil an Ascorbinsäure, eine Vitaminvorstufe, die durch das Erhitzen in Vitamin C umgewandelt wird. Und so kannst du es schaffen, mit nur einer Portion Sauerkraut deine empfohlene Tagesdosis von 100 Milligramm Vitamin C abzudecken. Cool, oder?
Und wenn du jetzt denkst: Das brauch ich ja gar nicht, dafür gibt es immerhin Nahrungsergänzungsmittel – im Gegensatz zu probiotischen Präparaten findest du in den selbst gemachten wilden Fermenten eine unendlich größere Diversität an Mikroorganismen. Zusätzlich liefern sie auch noch bestes „Futter“ für deine Darmbakterien in Form von wasserlöslichen Ballaststoffen, den sogenannten Präbiotika. Du kannst gekaufte Präparate mit Agrar-Monokulturen vergleichen: Je unterschiedlicher Fauna und Flora sind, desto gesünder ist ein Biotop. In deinem Magen-Darm-Trakt sieht es genauso aus: Je unterschiedlicher die Bakterienkulturen sind, desto gesünder ist dein Mikrobiom. Übrigens leben bis zu 2 Kilogramm Mikroorganismen in deinem Verdauungstrakt.
Moderne Forschungen zeigen außerdem, dass über 1 Billion lebender Mikroorganismen Einfluss auf dein Essverhalten und auch auf deine Stimmung nehmen. „Du bist, was du isst“ bedeutet also vielmehr: „Du fühlst, was du isst“. Je nachdem, welche Nahrungsmittel du zuführst, gewinnen spezielle Bakterienstämme die Oberhand. Denn: Im Reich der Bakterien geht es immer um den Konkurrenzkampf. Haben einige wenige Arten erst mal die Vormachtstellung erlangt, verlangen sie ständig nach ihren bevorzugten Nährstoffen. Sie senden Botenstoffe an deinen Hypothalamus, der dich schon fast ferngesteuert zu genau diesen Lebensmitteln greifen lässt. Das erklärt auch, warum es so schwer für viele Menschen ist, von einfachzuckerhaltigen Füllstoffen loszukommen. Es liegt nicht an fehlender Disziplin, sondern an einem unausgeglichenen Mikrobiom.
Wenn du auf fermentierte Lebensmittel „umsteigst“ und dein Körper noch nicht an die probiotischen Inhaltsstoffe gewöhnt ist, solltest du es langsam angehen. Nimm nur kleine Portionen zu dir: 1 Esslöffel pro Tag ist völlig ausreichend. So gewöhnst du deinen Magen-Darm-Trakt schonend an den mikrobiellen Mix. Wenn du es zu schnell angehst, musst du mit übermäßigen Blähungen rechnen. Die verschwinden aber schnell wieder nach einer ersten Eingewöhnungsphase. Davon abgesehen: Ein gelegentliches Pupsen ist Bestandteil einer gesunden organischen Ernährung und ein gutes Zeichen für eine funktionierende Verdauung. In der Anfangsphase oder bei hohem Konsum von fermentierten Speisen zeigen sich typische, reinigende und entleerende Detox-Symptome, welche gesundheitlich unbedenklich sind.
Eine bunte und ausgewogene Vielfalt von Bakterienkulturen unterbindet eine Ausbreitung krankmachender Bakterien. Die in Fermenten produzierten Milchsäuren, Essigsäuren, Buttersäuren etc. sorgen für ein saures Milieu, in dem unerwünschte Eindringlinge nur schwer überleben. Ein gesundes Mikrobiom sorgt für ein starkes Immunsystem. Dies beeinflusst unser körperliches Wohlbefinden gleich wie unsere Psyche. Also: Nicht ein voller Magen, sondern ein gesunder Magen macht glücklich.
Keine Angst vor: Botulismus
Ein Vorurteil, das dem Fermentieren immer wieder entgegengebracht wird, ist die scheinbare Gefahr des Botulismus. Diese seltene Lebensmittelvergiftung wird durch das Gift Botulinumtoxin hervorgerufen und zumeist mit Konserven in Verbindung gebracht. Da Fermente meist bei Raumtemperatur reifen, haben manche Menschen Bedenken, dass dieses dabei entstehen könnte. Da das Gift aber keine Säure verträgt, kann es sich im sauren Milieu deiner Fermente gar nicht erst ausbreiten. Mit Salzlake fermentierte Lebensmittel weisen etwa einen pH-Wert von unter 4,2 auf. Bei fermentiertem Obst und Gemüse brauchst du also keine Angst haben. Ganz davon abgesehen: Wenn mit deinem Ferment etwas nicht stimmt, wirst du es recht schnell merken – es riecht komisch oder bildet Schimmel (