MAHLZEIT! - Marlon Baker - E-Book

MAHLZEIT! E-Book

Marlon Baker

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Beschreibung

Mr Glover betreibt eine Pizzeria mit dem Namen Glover's Pizza Emporium in einer kleinen Stadt, die von aufsässigen Teenagern tyrannisiert wird. Kurz vor Ladenschluss kommen sie zum ihm, da er – trotz Androhung harter Strafen – den Teenagern auch Alkohol ausschenkt. Eines Abends belagern wieder eine Handvoll Teenager sein Geschäft, als Mr Baker anruft und sich eine Pizza Supreme bestellt. Mr Baker wohnt weit draußen im Wald, und Mr Glover will eigentlich nur noch den Laden schließen, da sein Pizzajunge für heute ohnehin schon Feierabend gemacht hat. Doch Mr Baker will unbedingt noch eine Pizza Supreme, und Mr Glover weiß sehr genau, was das bedeutet. Mr Glover fragt einen der Jungs, ob er sich auf die Schnelle ein Taschengeld verdienen will, und ausgerechnet der Jüngste sagt zu, obwohl er den Anschein erweckt, dass er nicht einmal Auto fahren darf. Jordan fährt die Mysteria Lane hinauf, an deren Ende ein Anwesen im Wald zu finden ist. Von dessen Bewohner weiß man nicht wirklich viel. Doch Jordan hätte es besser wissen müssen, sich hier nie mehr blicken zu lassen … Mr Baker überrascht ihn mit einem Angebot, das mehr als verlockend klingt: Er soll ihm in den nächsten 30 Tagen Gesellschaft leisten und erhält dafür 175 Dollar die Stunde – also 4200 Dollar am Tag und 126000 Dollar, wenn er auch die Versuchsanordnungen über sich ergehen lässt, sowie einige Prüfungen … Jordan, der für jede Schandtat bereit ist, willigt ein, auch wenn das heißt, dass er das Haus für 30 Tage nicht verlassen darf. Schließlich hätte er danach ausgesorgt, und könnte sich aus den Fängen befreien, in denen er gerade festsitzt … Doch nach einiger Zeit nehmen Dinge ihren Lauf, die das Leben des Jungen aus der Bahn werfen, und er sieht sich schon an dieser Herausforderung scheitern …

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Contents

Impressum

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Stay where you are

Der innere Schweinehund

Eine Lieferung

Versuchsanordnung # 1

Das Modell

Devotionalien

Versuchsanordnung # 2

Netter Versuch!

Mit Speck fängt man Mäuse

Hausschlachtungen

Das Buch zum Film

Marlon Baker

MAHLZEIT!

XXL

(Glover's Pizza Emporium)

Experimenteller Roman

Alle Texte, Textteile, Grafiken, Layouts sowie alle sonstigen schöpferischen Teile dieses Werks sind unter anderem urheberrechtlich geschützt. Das Kopieren, die Digitalisierung, die Farbverfremdung, sowie das Herunterladen z.B. in den Arbeitsspeicher, das Smoothing, die Komprimierung in ein anderes Format und Ähnliches stellen unter anderem eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung dar. Verstöße gegen den urheberrechtlichen Schutz sowie jegliche Bearbeitung der hier erwähnten Schöpferischen Elemente sind nur mit ausdrücklicher vorheriger Zustimmung des Verlags und des Autors zulässig. Zuwiderhandlungen werden unter anderem strafrechtlich verfolgt!

Die deutsche Originalausgabe erschien 2011

bei iBoox Publishing Europe [als DNL-E-Book]

www.iBoox.eu

© 2013 mysteria Verlag / www.mysteria-Verlag.de

Publishing Rights © 2013 Marlon Baker

Buchsatz & Cover: AutorenServices.de

Lektorat: Richard Allenberry für www.boox.co.nz

Cover-Illustration: © Jürgen Speh

ISBN-13: 978-1492848844 (fürs Paperback)

CreateSpace Independet Publishing Platform

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››Letzte Bestellungen, Jungs‹‹, wurde vom Ladenbesitzer ausgerufen, da er seine Pizzeria an diesem Abend pünktlich schließen wollte. Zwar verfügte er über keinerlei Alkohollizenz, um Bier und dergleichen ausschenken zu dürfen, doch das konnte ihn nicht davon abhalten, Selbiges trotz Androhung harter Strafen zu tun. In den Abendstunden trafen sie sich in seiner Pizzeria eine Handvoll Jugendlicher, die nicht unbedingt wegen der leckeren Speisen oder der Pizza Supreme in seinen Laden kamen. Vielmehr war es das Wissen, dass er Alkohol auch an Jugendliche ausschenkte, sobald die Ladentür verschlossen war.

Sobald er dazu aufforderte, die letzten Bestellungen aufzugeben, war es immer das gleiche Schauspiel, das sich in seinem Laden vollzog. Einer der Jugendlichen schob den Riegel vor die Tür, wendete das Schild am Fenster, womit für alle weiteren Nachtschwärmer erkennbar war, dass nun die Pizzeria nicht nur geschlossen, sondern auch unter ››Fremdherrschaft‹‹ war.

Und Mr Glover hatte sich dieses Treiben nicht selbst ausgesucht, noch viel weniger hatte er dazu beigetragen, das es dazu kam, das spätestens um 22 Uhr Grenzen überschritten wurden, Grenzen, zu deren Einhaltung er als guter Gastronom eigentlich verpflichtet war. Doch mit dieser Regel nahm es Mr Glover nicht so genau. Er hatte Gesetze und Regeln schon immer etwas großzügiger ausgelegt. Und das wussten auch die Jugendlichen, die nun seine Theke belagerten und nur das eine wollten. Sie mussten ihren Wunsch nicht einmal laut aussprechen.

Es war vielmehr ein stilles Abkommen unter ihnen, eine Art Pakt, wenn man so will, den sie einst geschlossen und mit ihrem Blut besiegelt hatten. Die Jugendlichen kannten ein Geheimnis, mit dem sie Mr Glover nicht nur das Leben schwer machen konnten, es eignete sich vielmehr auch dazu, ihm das Leben auf Erden zur Hölle zu machen. Denn welcher Geschäftsmann wollte sich schon mit diesen Typen anlegen, die doch die halbe Straße unter ihrer Kontrolle hatten; und bestimmt würden noch weitere Straßen aber vor allem auch Geschäfte hinzukommen, wenn sich daran nichts änderte, dass die Polizei großzügig über diese Machenschaften hinwegsah.

Und damit waren nicht nur die vielen Grenzüberschreitungen gemeint. Der Polizei war es schlichtweg egal, wenn ein Geschäftsmann unter diesen Jugendlichen zu leiden hatte. Warum das so war, konnte sich kaum einer erklären, doch irgendein Geheimnis trugen auch diese Jugendlichen mit sich herum, die sie für die anderen unantastbar machte.

Mr Glover hatte es schlichtweg aufgegeben, sich diesen Zwängen zu entziehen. Er wusste was passieren würde, wenn er den Mut aufbrächte, sich gegen diese Meute zu stellen.

An diesem späten Freitagabend waren es insgesamt fünf Jugendliche, die seinen Laden belagerten. Keiner von ihnen war älter als sechszehn oder siebzehn, und der Jüngste von ihnen vielleicht gerade einmal dreizehn oder vierzehn. Dennoch hatten diese Jungs etwas an sich, das einschüchternd wirkte.

Zahlreiche Gerüchte und Halbwahrheiten machten ihre Runde, und niemand wollte den tatsächlichen Wahrheitsgehalt dieser sonderbaren Geschichten überprüfen, geschweige denn sich ihrer annehmen. Und so hielt es auch Mr Glover, der den Jungs zwei Dutzend Bierdosen auf die Theke stellte. Er hatte aufgehört, die Jungs davon überzeugen zu wollen, dass dies einmal ihren Tod heraufbeschwören könnte, da sie alle mit ihren Autos oder Mopeds unterwegs waren.

Mr Glover holte gerade die letzte Pizza des Abends aus dem Steinofen, die er den Jungs an den Tisch brachte, an dem sie sich zurückgezogen hatten, als das Telefon klingelte:

››Glovers Pizza Emporium! Was kann ich für sie tun?‹‹, sagte Mr Glover und hoffte, so wie an jedem Freitagabend, dass ein besorgter Vater hier anriefe, um zu erfahren, ob sein Sohn bei ihm wäre. Doch auch heute sollte sich dieser Wunsch nicht erfüllen. Am anderen Ende der Leitung hörte er die heisere Stimme eines Stammkunden, der diese Bezeichnung eigentlich nicht verdiente.

Denn Mr Baker war alles andere als ein häufiger Anrufer. Im Grunde kam es nur drei Mal vor, dass er bei Glovers Pizza Emporium anrief. Die Auszeichnung eines Stammkunden hatte er sich auch nur verdient, da er diese drei Anrufe nun schon zum fünften Mal in Folge tätigte – jedes Jahr im Sommer, wenn Mr Baker in seinem Haus in der Mysteria Lane an einem neuen Buch arbeitete, rief er jeweils zum ersten Freitag eines Monats an, um sich eine Pizza Supreme zu bestellen. So auch heute:

››Ich hätte gern noch eine Pizza Supreme mit Extra-Käse, wenn das möglich ist. Ich weiß, es ist schon spät und sicher schließen Sie gerade, doch ich würde Ihnen auch den doppelten Preis zahlen‹‹, sagte Mr Baker in seinem typischen Tonfall.

››Das Problem ist nicht, ob ich Ihnen noch eine Pizza backen kann, Mr Baker, vielmehr wird es ein Problem der Auslieferung sein, da mein Botenjunge für heute schon Feierabend gemacht hat‹‹, erwiderte Mr Glover, der den gleichen sonderbaren Tonfall annahm, wann immer er von Mr Baker angerufen wurde.

››Und wenn Sie einen der Jungs fragen?‹‹, schlug Mr Baker vor, und Mr Glover stellte nicht einmal infrage, dass auch Mr Baker von der Belagerung seines Ladenlokals wusste; auch wenn Mr Baker noch nie einen Fuß über die Schwelle seines kleinen Ladens gesetzt hatte.

››Da wird sich doch bestimmt einer finden lassen, der bereit ist, für ein entsprechendes Trinkgeld zu mir raufzukommen. Ich weiß, es ist eine lange Anfahrt, doch ich wäre bereit, dem Lieferanten eine angemessene Entlohnung zu zahlen. Plus Trinkgeld!‹‹

››Warten Sie bitte, ich werde die Jungs fragen‹‹, sagte Mr Glover und legte den Telefonhörer beiseite, um zu den Jungs hinüber zu gehen.

Mr Baker lauschte an der Hörmuschel seines Telefons. Sowohl die Jungs als auch Mr Glover waren wegen ihrer lauten Organe sehr gut zu hören.

››Hätte einer von euch Lust, sich auf die Schnelle was zu verdienen? Es muss noch eine letzte Pizza ausgeliefert werden‹‹, stellte Mr Glover in den Raum, ohne einen bestimmten Jungen angesprochen oder aufgefordert zu haben. Er wusste nicht einmal, wie die Jungs darauf reagieren würden.

Doch in dieser Hinsicht waren sich wohl alle Jungs gleich. Wer wollte schon nicht auf die Schnelle ein paar Dollar verdienen? Mr Glover blickte jeden der Jungs an. Eine bedeutungsschwangere Stille zog auf.

Die Luft war zum Schneiden dick. Dann plötzlich eine Reaktion. Einer der Jungs zog fünf Strohhalme aus einem Glas, das auf dem Tisch stand. Einen davon kürzte er. Dann sagte der Junge: ››Das werden wir unter uns ausmachen!‹‹

Mr Glover ging hinüber zum Telefon und teilte Mr Baker mit, dass es überhaupt kein Problem sei, noch liefern zu können.

››In etwa vierzig Minuten wird der Junge bei Ihnen sein, Mr Baker. Vielen Dank für Ihre Bestellung!‹‹

Dann legte Mr Glover auf, um sich gleich dranzumachen, die Pizza zu belegen. Glücklicherweise hatte er den Steinofen noch nicht abkühlen lassen, und so war die Pizza in weniger als zehn Minuten fertig.

Inzwischen war auch bei den Jungs eine Entscheidung getroffen worden, oder besser gesagt, es hatte einen der Jüngeren getroffen, der noch immer entsetzt auf den kurzen Strohhalm blickte.

Zwar hatte ihnen Mr Glover nicht gesagt, wer die Pizza bestellt hatte, doch allein schon die Adresse reichte aus, um dem Jungen das Blut in den Adern gefrieren zu lassen, der sich von einem seiner Freunde den Autoschlüssel geben ließ.

››Bist du überhaupt schon alt genug, um Auto fahren zu dürfen?‹‹, hätte Mr Glover den Jungen am liebsten fragen wollen, denn der Junge, der den Auftrag erledigen wollte, war alles andere als groß. Mr Glover schätzte ihn auf 1,65 Meter.

Der Junge war von einer hageren Gestalt, sah sogar etwas abgemagert aus, als hätte er sich vorgenommen, mit seiner Schwester in einen Wettstreit zu treten, wer von ihnen sich schneller herunterhungern konnte. Doch Mr Glover wagte es nicht, derartige Fragen in den Raum zu stellen, nicht zuletzt deshalb, da nun alle Augen auf ihn gerichtet waren, als sich der Junge die auszuliefernde Pizza schnappte und den Laden verließ.

Jetzt war Mr Glover mit den anderen allein. Insgeheim hoffte er noch immer darauf, heute pünktlich Feierabend machen zu können, da er seine Frau noch mit einem Geschenk überraschen wollte, dass ihm heute Morgen zugestellt worden war.

Per Expresslieferung hatte er einen kleinen weißen Karton erhalten, mit der Aufforderung, es sich mit seiner Frau schmecken zu lassen.

Auf dem Parkplatz von Glovers Pizza Emporium war das Aufheulen eines Motors zu hören. Offensichtlich hatte der Junge so seine Schwierigkeiten, mit einer Gangschaltung umzugehen. Die Jungs im Laden, die sich erneut an der Theke versammelt hatten, lachten und forderten Mr Glover auf, noch eine weitere Runde auszugeben.

››Ihr wollt doch nicht etwa auf euren Freund warten, bis er zurückkommt? Das kann länger dauern‹‹, sagte Mr Glover und öffnete den Kühlschrank um das letzte Sixpack herauszuholen, dass er hatte.

Er bekam jedoch keine Antwort.

Unter lautem Ächzen und Stöhnen bewegte sich das Auto vom Parkplatz. Schon jetzt war der Getriebeschaden zu hören, der das Auto wohl in kürzester Zeit lahmlegen würde.

Auf dem Beifahrersitz lag die Pizza, die nicht einmal in einer Warmehaltebox lag. Glaubte der Junge vielleicht, dass er die Strecke unter 15 Minuten schaffen würde?

Niemals!

Auf einem Zettel, den sich der Junge ans Lenkrad geheftet hatte, stand die Adresse:

MYSTERIA LANE, Hausnummer 7

Der Junge versuchte, sich daran zu erinnern, wer dieses sonderbare Anwesen bewohnte, in das sie nicht nur einmal eingestiegen waren, um sich an den Dingen anderer Leute zu bereichern.

Schon oft waren er und seine Freunde auf Beutezug gewesen, und in der Mysteria Lane, in der sehr viele reiche Menschen wohnten, hatte es schon immer die absonderlichsten Dinge gegeben. Es war kein Geheimnis, dass in der Mysteria Lane auch Exzentriker und Selbstdarsteller wohnten.

Doch wer in der Hausnummer 7 wohnte, wollte dem Jungen nicht einfallen. Allerdings fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, das dies genau jenes Haus war, das ihm einst die dickste Gänsehaut becherte, die er je in seinem Leben gehabt hatte.

Stundenlang hatten sie versucht, in diesem Haus Beute zu machen. Doch alles, was sie gefunden hatten, waren Ekel und Entsetzen. Die Bilder waren zwar ein wenig abgeschwächt, doch er hatte sie nie vergessen können. Sie verfolgten ihn sogar in seinen Träumen.

Und jetzt war er auf dem besten Wege, ausgerechnet diesem Typen eine Pizza zu bringen.

Er klappte den Deckel der Pizzaschachtel auf. Dann zog er inbrünstig allen Schleim hinauf, den seine Lunge produzierte. Er rotze geradewegs auf die Pizza und schlug den Deckel wieder zu.

››Dieser Mistkerl! Wegen ihm konnte ich wochenlang nicht einschlafen und sehe immer wieder diese schrecklichen Bilder vor mir!‹‹

Dass der Junge bereits auf halber Höhe der Mysteria Lane war, wurde auch in der Hausnummer 7 wahrgenommen. Das Aufbrausen des Motors, das Heulen und Quietschen des betagten Vehikels war nicht zu überhören. Mr Baker hüllte sich in einen Bademantel, der an einem Kleiderbügel an der Badezimmertür gehängt hatte. Eilig lief er zur Vordertür. Dort lag bereits ein Utensil bereit, um den späten Gast zu überraschen.

Der Junge ging in die Eisen. Das Auto kam zum Stehen. Wohl auf beiden Seiten baute sich eine Spannung auf, die sich erst entlud, als sich die Haustür schlagartig öffnete, und wohl beiden ein Stein vom Herzen fiel.

Keiner von ihnen hatte mit einer solch angenehmen Erscheinung gerechnet. Mr Baker zeigte sich überrascht, wie zierlich dieser Junge doch war; und der Junge gewann allmählich wieder an Gesichtsfarbe, als er feststellte, wer da in der Tür stand.

Doch dann wurde der Junge mit etwas überrascht, was ihn erneut verunsicherte. Ein heller Blitz raubte ihn für mehrere Sekunden die Sicht. Mr Baker hatte ein Polaroidbild von ihm geschossen, und warum das so war, erklärte Mr Baker wie folgt:

››Nächtliche Gäste halte ich stets im Bild fest. Man kann ja nie wissen, wer einem in der Nacht noch einen Besuch abstattet.‹‹

Der Junge hatte schon davon gehört, dass in der Mysteria Lane recht sonderbare Gepflogenheiten zelebriert wurden. Doch es störte ihn nicht, soeben ››abgeschossen‹‹ worden zu sein.

››Hier! Ihre Pizza. Das macht 19,80 Dollar‹‹, sagte der Junge, der so schnell wie möglich diesen unwirklichen Ort verlassen wollte. Er hatte ihn anders in Erinnerung.

Chaotischer. Blutrünstiger.

Mr Baker nahm die Pizza entgegen und warf einen prüfenden Blick auf das ausgekühlte Etwas, das seine Nachtzehrung sein sollte.

››Mir ist heute doch nicht nach Pizza‹‹, sagte er und warf die Schachtel geradewegs auf einen Sessel, der nur unweit von der Tür entfernt war.

››Sie werden aber nicht drum herum kommen, die Pizza dennoch zu bezahlen. Ich muss Mr Glover das Geld bringen‹‹, sagte der Junge und ihm war anzumerken, dass er sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut fühlte.

››Glovers Pizza Emporium hat doch längst geschlossen. Du wirst niemanden mehr dort antreffen, wenn du jetzt dorthin zurückkehrst‹‹, erwiderte Mr Baker und schob ein süffisantes Lächeln hinterher.

Mr Baker kannte die Gepflogenheiten, die dort unten in der Stadt herrschten. Er wusste auch, dass nicht gerade wenige Personen Angst vor diesen Jugendlichen hatten, die, wenn sie gemeinsam auftraten, einem schon Angst einjagen konnten. Daran bestand nicht der geringste Zweifel. Doch dieser Junge hatte sich von seiner Gruppe entfernt, war allein gekommen –

››Was zahlt dir der alte Glover, wenn du für ihn Lieferungen machst?‹‹, fragte Mr Baker und kannte doch schon die Antwort, die er zu hören bekäme. Schließlich hatten ihm nicht minder acht Jungs ihr Leid geklagt, dass ihnen Mr Glover lediglich einen Hungerlohn zahlte.

››3,50 Dollar die Stunde‹‹, sagte der Junge mit schwacher Stimme, und als müsse er diese Summe in irgendeiner Weise rechtfertigen, fügte er noch rasch hinzu:

››Plus Trinkgeld!‹‹

››Und damit gibst du dich zufrieden?‹‹

››Habe ich denn eine Wahl?‹‹

››Vielleicht schon. Das kommt ganz darauf an.‹‹

››Es gibt aber kaum einen gut bezahlten Job, der zudem noch Spaß macht.‹‹

››Nun, zuerst einmal solltest du deinen Dienst bei Mr Glover quittieren, nur so kannst du dein Glück selbst in die Hand nehmen. Solange du einer unterbezahlten Tätigkeit nachgehst, kann aus dir kein reicher Mann werden‹‹, sagte Mr Baker und gab dem Jungen zu verstehen, dass er ins Haus kommen solle.

Nur zögerlich überschritt der Junge die Schwelle zu diesem Haus. Es war nicht gut, noch einmal an einen Tatort zurückzukehren, das wusste er. Und erst recht war es nicht gut, mitten in der Nacht einen Mann zu besuchen, von dessen Motiven er nur eine schwache Vorahnung hatte. Denn wegen einer Pizza hatte Mr Baker bestimmt nicht bei Mr Glover angerufen. Mr Baker erweckte vielmehr den Anschein, als verlange es ihm nach einem Dessert – etwas Süßes, dass er noch vernaschen wollte.

Der Junge war nicht auf den Kopf gefallen. Natürlich wusste er, wer ihm da gegenüberstand.

››Und wo sollte ich einen lukrativen Job finden, wenn nicht in der Stadt?‹‹, sagte der Junge und ließ sich nur widerwillig auf einen der Sessel nieder.

Das Wohnzimmer war nur schwach beleuchtet. Ein paar Kerzen spendeten gerade genügend Licht, um nicht im Dunkeln zu sitzen. Es gestaltete sich daher etwas schwieriger, mehr sehen zu können.

Ob darin vielleicht eine Absicht des Gastgebers liegt, dachte der Junge und ließ seine Blicke nach wie vor im geräumigen Wohnzimmer wandern. Das Haus war weniger eine Wohnung, vielmehr war es ein großzügig eingerichtetes Loft, das so manchen Luxus bot. Allerdings hätte der Junge schwören können, dass das Haus noch vor wenigen Monaten völlig anders eingerichtet war.

Hatte es vielleicht seinen Besitzer gewechselt?

Unmöglich!

Noch immer wohnte dieser komische Typ in diesem Haus, den man nur selten unten in der Stadt zu sehen bekam. Und was wurde sich nicht das Maul über diesen Typen zerrissen, der es doch tatsächlich gewagt hatte, der Gesellschaft eine Abfuhr zu erteilen. Nie hatte er sich auf irgendwelchen Partys blicken lassen, hatte stets vermieden, dass irgendwelche Fotos von ihm im Umlauf waren.

››Na hier! Wo sonst!‹‹, sagte Mr Baker, nachdem er seine Beine übereinandergeschlagen hatte und sich umsah, als wolle er nach weiteren Personen Ausschau halten, die es natürlich hier nicht gab.

››Hier? Aber was könnte ich hier schon Großartiges tun?‹‹

››Mir Gesellschaft leisten beispielsweise‹‹, erwiderte Mr Baker und griff nach einer Tasse, um sich die Lippen zu benetzen. Seine Lippen waren nach dem heißen Bad noch immer spröde und trocken. Doch das heiße Bad hätte er um keinen Preis verschieben wollen. Eine Grundreinigung seines Körpers, aber auch seiner Seele, war ihm wichtiger, als in einem anderen Zimmer des Hauses für Ordnung zu sorgen.

››Gesellschaft leisten? Inwiefern?‹‹, fragte der Junge, der nur eine schwache Vorstellung von dem hatte, was sein Gegenüber meinen konnte. Und seine Bilder im Kopf reichten aus, um ihn rot werden zu lassen, was vielleicht sogar noch eine Untertreibung war. Es trieb ihm regelrecht die Schamesröte ins Gesicht, als er sich vorstellte, auf was dieser Mann hinaus wollte.

››Hier oben kann es oft sehr einsam sein‹‹, sagte Mr Baker und setzte die Tasse ab, aus der er heiße Honigmilch geschlürft hatte. ››Sehr einsam!‹‹

››Sie haben da einen Milchbart‹‹, sagte der Junge und deutete an, dass sich Mr Baker einmal über die Oberlippe fahren sollte, um die Spuren zu beseitigen.

Ohne dies zu kommentieren, leckte sich Mr Baker an der Oberlippe. Dann lachte er.

››Ich habe noch immer nicht meinen Heißhunger stillen können‹‹, sagte Mr Baker, nachdem er seine Beine auf die andere Seite gewechselt hatte.

Der Junge konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hatte dem Typen geradewegs in den Schritt blicken können, als der seine Beine ein weiteres Mal übereinanderschlug.

››Wollen wir uns die Pizza warm machen?‹‹, fragte der Junge, obwohl er genau wusste, dass er sie vor wenigen Augenblicken erst besudelt hatte.

››Ich sagte doch bereits, mir ist nicht länger nach Pizza‹‹, sagte Mr Baker.

Der Junge schien irritiert.

Warum bestellt sich jemand eine Pizza, wenn er sie dann nicht einmal essen will?

››Was ist nun? Kannst du dir vorstellen, für mich zu arbeiten? Als, nun ja, nennen wir es meinethalben PA?‹‹

››PA?‹‹