Männerüberraschung - Vogt Fabian - E-Book

Männerüberraschung E-Book

Vogt Fabian

0,0

Beschreibung

Manchmal ist das Leben wie ein Überraschungsei: Du ziehst die glitzernde Folie ab, in die sich Männer so gerne hüllen, und entdeckst plötzlich die wahren Schokoladenseiten des Daseins. Lecker! Und dann siehst du: Wow, darunter verbirgt sich meist sogar noch eine Überraschung - ein Charakterzug, den du noch gar nicht kanntest, oder einige verheißungsvolle Bauteile, aus denen man herrlich was basteln kann. Davon erzählt der Kabarettist Fabian Vogt, höchst unterhaltsam! Vom Mannsein, vom Alltag - und von den großen Fragen des Lebens. Also: Packen wir's aus?!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 145

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fabian Vogt

MÄNNER-ÜBER­RASCHUNG

Was zum Schmunzeln, was zum Genießen, was zum Weiterdenken

SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27080-8 (E-Book)

ISBN 978-3-417-00052-8 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2023 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Alle Texte sind als Kolumnen zuerst in der MOVO erschienen.

Gesamtgestaltung: Christina Custodis

Autorenfoto: © Pietro Stutera

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

INHALT

Über den Autor

Paradiesisch. Fast …

Überraschung!

Tarzan-Gene

Feinfühlig

Zahn um Zahn

Hand aufs Herz

Tierisch gut

Total abgehoben

Echt abgefahren!

Macht nichts

Sockenschuss

Offenbarung

Mit Ecken und Kanten

Hobbyist

Fatherboard

Das machen doch alle

Licht am Horizont

Augen zu und Dorsch

Heringssalat

Ich will’s wissen

Immer sportlich bleiben

Damentausch

Wer zieht zuerst?

Saiten-Weise

Mut-Bürger

Abgekocht

Was für eine Story!

Waschbärbauch

Pantoffelheld

Ein umgezogener Junge

Pfarrer-Flucht – nach vorne

Frischluft-Theologie

Zurückgeblieben

Beweise dich!

Cool und lässig

Weihnachtsbriefe

Geschenkt

Schwungvoll

Das große Ganze

Wag’ den Sprung

Vortänzer

Ab in die Tonne!

Work-Wife-Balance

Tolle Tolle

Stress à la carte

Jetzt mal langsam!

Zeit fürs Fasten Fasten

Prayback-Karte

Gast auf Erden

Ab in den Himmel

Im Prinzip Hoffnung

Midlife-Chance

Sei jetzt mit dabei

Fabian Vogt (Jg. 1967) ist Schriftsteller, Theologe und Künstler. Er arbeitet bei »midi«, der Zukunftswerkstatt für Kirche und Diakonie – wenn er nicht gerade als Autor oder Kabarettist nach neuen Geschichten schürft. Er lebt mit seiner Frau in Berlin.

PARADIESISCH. FAST …

Vorwort von Rüdiger Jope

19 Väter, 26 Kinder. Drei Nächte im Zelt, zwei Tage im Kanu auf der Fulda. Eisvögel. Nutrias. Greifvögel. »Papa, kann ich aus dem Kanu ins Wasser springen?« 14 Grad! Mut. Überschwang. Lachen. Feuermachen. Ralf, der fantastische Geschichtenerzähler, fesselt Kinder eine Stunde am Feuer mit seinen Erzählungen über Robinson, Freitag und Joseph. »Papa, könnte er nicht Lehrer in meiner Schule werden?« Jungs- und Männerglück. Ein Paradies nach Corona.

Paradiesisch. Fast …

8 Grad Celsius. Ich kuschle mich in den Schlafsack. 20 km Paddeln stecken mir in den Knochen. Ich höre noch den Ruf eines Kauzes, einen rumpelnden Güterzug und tauche erschöpft ab ins Reich der Träume. 0:35 Uhr. Ich schrecke hoch. Mein Sohn würgt vor sich hin. »Papa, mir ist so schlecht!« Schon folgt der nächste Schwall. Hektisch suche ich nach der Taschenlampe. Mir offenbart sich ein Malheur. Ich bin hellwach. Frustriert. Wütend. Hilflos. Funktioniere. Er flüstert: »Papa, ich wollte dir nicht das Wochenende vermiesen.«

Paradiesisch. Fast …

Ich pelle ihn aus Schlafsack und Schlafanzug. Stecke den fröstelnden Jungen in seine Sportklamotten und in meinen Schlafsack. Er dämmert sofort weg. Ich hole mir in der Zeltküche eine Küchenrolle, einen Müllsack, organisiere mir eine (zu dünne) Ersatzdecke, eine Plastikschüssel … Im Licht der Taschenlampe versuche ich der Bescherung aus Malzbier, Gyros, Stockbrot und Eis Herr zu werden.

1:10 Uhr. Meine Hände sind gewaschen. Fröstelnd liege ich auf der Thermarestmatte. Ich ziehe mir zusätzlich Pulli, Jacke und Hose an. Die Zehen bleiben kalt.

Paradiesisch. Fast …

1:35 Uhr. Noch liege ich wach. Mein Sohn fährt hoch. »Papa, ich muss …« Ich halte ihm die Schüssel hin. Ich streichle ihm über den Kopf. Flüstere ihm zu: »Ich halte zu dir. Komm, du schaffst das. Du bist ein tapferer Kerl.« Ich wische ihm den Mund ab. Entleere die Schüssel vor dem Zelt.

2:05 Uhr. Immer noch liege ich wach. Mein Sohn fährt hoch. »Papa, ich muss …«

2:28 Uhr: »Papa, ich muss …«

3:11 Uhr, 3:48 Uhr, 4:22 Uhr: »Papa, ich muss …«

Paradiesisch. Fast …

Um kurz nach sechs schlurfe ich durchs taunasse Gras. Wer schaut mir da aus dem Spiegel entgegen? Ich setze mich ans glimmende Lagerfeuer. Die Restwärme tut gut. Ein Reißverschlussgeräusch. Joshua blinzelt blass in die Sonne. »Du, Papa, ich bin aus Versehen mit meinen Sportklamotten schlafen gegangen und in deinen Schlafsack gekrochen.«

Paradiesisch. Fast …

Wieder Zu Hause. Ich bringe meinen Sohn ins Bett. Ich frage ihn, was ihm am Vater-Sohn-Wochenende am besten gefallen hat: »Das Kanufahren und dass du ein so toller Papa bist.« Sagt er und schlingt seine Arme um mich: »Ich habe dich lieb!« Schluckend drücke ich ihn ebenfalls. »Ich dich auch, mein Großer! Aber noch lieber bist du mir ohne Magen-Darm-Virus.« Lachen. »Und wir halten zusammen wie Robinson und Freitag.« »Machen das Beste aus dem Scheiß-Virus, wie Joseph in Ägypten.«

Paradiesisch. Fast …

Diese Wirklichkeit spiegeln auch die Männergeschichten von Fabian Vogt wider. Es sind Storys in Moll und Dur. Zwischen Himmel und Erde, Abend und Morgen, Gelingen und Scheitern, Siegen und Fallen. Sie nehmen Männer und Frauen mit hinein ins pralle Leben, schildern mit einem humorvollen Zungenschlag den paradiesischen Schein und das alltägliche Sein. Fast …

Männerüberraschung ist eine Einladung zum Lachen, Mitfiebern, Vorlesen, Diskutieren, Schmunzeln, Sich-Widerfinden, Weiterkämpfen und Reifen, Lieben und Entspannen als Männer und Frauen mitten im Alltag.

Paradiesisch. Fast …

IhrRüdiger JopeChefredakteur Männermagazin MOVO

PS: Einen Tag später erwischte Papa das Virus zu Hause. O-Ton Joshua: »Heute Abend lese ich dir im Bett vor.« Dem Wort folgte die Tat. Stolz wie Bolle las er seinem blassen Papa das erste Mal vor. Wir lachten beide über Karlsson vom Dach und den tobenden Hausbock.

ÜBERRASCHUNG!

Ü-EInleitung

Manchmal ist das Leben wie ein Überraschungsei: Du ziehst die glitzernde Folie ab, in die wir uns als Männer so gerne hüllen, und entdeckst plötzlich die wahren Schokoladenseiten des Daseins. Lecker! Und wenn du die so richtig genossen hast, dann siehst du: Wow, darunter verbirgt sich meist sogar noch eine Überraschung – entweder ein Charakter(zug), den du noch gar nicht kanntest … oder einige verheißungsvolle Bauteile, aus denen man herrlich was basteln kann.

Ich liebe Überraschungseier! Oder wie echte Fans sagen: Ü-Eier. Und ich liebe Erfahrungen, die diesen Überraschungsei-Effekt in sich haben – und mir Lust machen, den verborgenen Facetten des Mannseins spielerisch auf den Grund zu gehen. Nach dem Motto: Lasst uns das Leben auspacken!

Die Texte in diesem Buch sind solche Ü-Ei-Storys. Kurz und knackig, haben sie alle mit einem der letzten Mysterien des 21. Jahrhunderts zu tun: Was bedeutet es, ein Mann zu sein? Kein Wunder: Die meisten dieser frechen Texte habe ich für das Männermagazin MOVO geschrieben. Und weil ich nicht nur Autor, sondern auch Kabarettist bin, zeige ich besonders gerne, wie viel Komik in den Situationen steckt, in die wir Männer gelegentlich geraten.

Nebenbei: Ein Ü-Ei enthält genau 20 Gramm Schokolode. Das ist zwar eine ziemlich sinnlose Information – kann aber auf mancher Party oder in der Frühstückspause im Büro schwer Eindruck schinden. Darum haben wir meine heiteren Texte mit ein bisschen »Angeberwissen« angereichert. Wer weiß, wofür es gut ist! Und wenn wir schon dabei sind: Ü-Eier gibt es in Deutschland seit 1974 … jedes Jahr mit rund 150 verschiedenen Bausätzen und etwa 20 Figuren-Serien. Das sind so lustige kleine Statuen, die dann in der Werbung animiert rumhüpfen und singen: »Wir sind jetzt mit dabei – in jedem siebten Ei.« Großartig.

Trotzdem haben die meisten Männer, wenn sie das Wort »Überraschungsei« hören, als Erstes einen Werbefilm im Ohr, der gefühlte Ewigkeiten zu sehen war: »Was wollt ihr, Kinder? Etwas Spannendes, etwas zum Spielen und Schokolade. Das sind ja gleich drei Sachen auf einmal«, sagt das lächelnde Elternteil und weiß natürlich, wie man diese Dreieinigkeit kindlicher Wünsche erfüllt. Ich hoffe, dass meine kleine Sammlung von Ü-Ei-Storys ebenfalls auf mehrfache Weise guttut: weil sie zum Schmunzeln bringt, weil man sie genießen kann und weil sie Lust zum Weiterdenken macht.

Mich überrascht (und verblüfft) übrigens regelmäßig, in wie vielen existenziellen Themen spirituelle Aspekte mitschwingen. Vielleicht, weil die großen Fragen des Lebens (und des Mannseins) eben doch nicht aus uns selbst heraus zu beantworten sind. Also nicht wundern, wenn ich als Teilzeit-Pfarrer gelegentlich eine Prise »Theologie« mit einfließen lasse. Mir zumindest hilft das, mich und meinen Testosteronspiegel besser zu verstehen.

Und wenn mich jetzt jemand fragt, wie man das Phänomen »Mann« denn halbwegs umfassend beschreiben kann, dann antworte ich gerne mit dem zweitbekanntesten Slogan der Überraschungseier. Männer? Ganz klar: Die sind »gemacht, um die Welt zu überraschen«!

In diesem Sinne wünsche ich eine anregende Lektüre, viele Schokoladenseiten und jede Menge Überraschungen.

Fabian Vogt

TARZAN-GENE

Hier! Der Neandertaler lebt«, rief Jochen und hielt uns eine Zeitung entgegen, während er wieder mal zu spät zu unserem Männerkreis kam. »Nee«, raunzte Thomas, »der ist vor 30 000 Jahren ausgestorben.«

»Eben nicht!« Jochen war ganz beglückt. »Er lebt. In uns! Hier steht’s: Zwei Prozent unserer DNA stammen vom Neandertaler.« Schweigen. Leise murmelte Andreas: »Nun, wenn ich dich so anschaue, könnten es auch deutlich mehr sein. Achtzig vielleicht.«

»Haha, ganz witzig.« Erneut hielt Jochen seine Zeitung hoch. »Mal ernsthaft: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es offensichtlich Liebesbeziehungen zwischen dem Homo sapiens und den Neandertalern gegeben hat.«

»Ach, so Kraul-mich-auf-dem-Mammutfell oder was?« Thomas musste sich ein Lachen verkneifen. »Ich vermute mal, es war eher so: Der Neandertaler stürmte auf ein Homo-sapiens-Weibchen zu und grunzte: ›Brust … oder Keule!?‹«

Jochen schüttelte den Kopf. »Egal. Wie dem auch sei: In uns ist Neandertaler-DNA und man weiß jetzt auch, dass dieses Erbgut maßgeblich das Risiko für einige Krankheiten erhöht: zum Beispiel für Diabetes, Nikotinsucht oder Depression.«

»Ja«, bemerkte ich, »vermutlich sind die Neandertaler deshalb auch ausgestorben. Depressiv-diabetische Kettenraucher haben ja ohne Insulin keine besonders lange Lebenserwartung.«

Allmählich wurde Jochen sauer: »Könnt ihr bitte einmal bei der Sache bleiben. Die Neandertaler-DNA hat nämlich wesentlich dazu beigetragen, dass der aus Afrika kommende Homo sapiens überhaupt im kalten Norden überleben konnte. Außerdem …«

Er musste plötzlich grinsen: »Angeblich wollen Frauen ja, dass wir Männer wieder den strammen Naturburschen in uns entdecken. Ihr kennt doch bestimmt das schöne Chanson: ›Ein Neandertaler, ein Neandertaler, gegen den wär’n mir die andern Männer schnurz. Die sind niedlich, die sind schwächlich, so ’nen strammen Tarzan möcht’ ich.‹ Da hört ihr’s. Wir müssen den in uns angelegten Tarzan wiederentdecken und dann rauslassen.«

Thomas nickte: »Super Idee. Ich glaube auch nicht, dass ein Neandertaler jemals die Geschirrspülmaschine ausräumen musste. Das heißt: Meine Unlust an der Hausarbeit ist genetisch. Ich kann da gar nichts für. Was für eine Erleichterung.«

Man mag es nicht für möglich halten, aber nach diesem Einstieg hatten wir tatsächlich einen großartigen Abend zusammen. Einen Abend, in dem es um die herausfordernde Frage ging, wie sehr wohl ein Mensch von seinem Erbmaterial geprägt wird. Und da kamen wir von den Neandertalern ganz schnell zu den Eigenschaften, die wir von unseren Eltern und Großeltern mitbekommen haben. Und viele ertappten sich dabei, dass sie bestimmte Entscheidungen in ihrem Leben auch deshalb gefällt haben, weil ihnen Wesenszüge ihrer Vorfahren in die Wiege gelegt wurden.

Da konnte ich dann zum Glück auch mal den Theologen heraushängen lassen: »Wisst ihr, der Kirchenvater Augustinus hat den Begriff Erbsünde damals gar nicht erfunden, um den Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern um zu verdeutlich, wie sehr wir von Anfang an von unserem Erbe bestimmt werden.«

Als ich abends ins Schlafzimmer schlich, überkam es mich plötzlich: Ich gab einen animalischen Brunftlaut von mir. Tarzanmäßig. Doch meine Frau kicherte nur: »Du hast bestimmt den Artikel über die Neandertaler gelesen. Vergiss es!«

FEINFÜHLIG

Meine Frau nimmt die Wirklichkeit anders war als ich. Völlig anders! Wäre unser Leben ein Science-Fiction-Roman, würde ich sogar behaupten: Sie lebt in einer Parallelwelt. In einem fernen Universum, in dem zufällig die gleichen Möbel stehen. Und in dem Frauen so ganz anders sind als … äh … Menschen.

Neulich zum Beispiel: Wir kommen von einer Party bei Freunden zurück. Und während ich im Auto in erwartungsvoller Hoffnung auf einen leidenschaftlichen Tagesausklang meine Hand auf ihr Bein gleiten lasse, sagt sie: »Das ist echt unglaublich …«

Voller Panik ziehe ich meine Hand zurück. Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Darf man nach den ganzen Sexskandalen bei den Promis nicht mal mehr die eigene Frau streicheln? Wird sie mich demnächst anzeigen? Oder denkt sie an irgendeine andere »Sünde«, die ich in ihren Augen begangen habe – kürzlich oder irgendwann mal? Bei meiner Frau gibt es nämlich keine Verjährungsfrist. Die kann längst vergangene Fehler meinerseits noch nach Jahrzehnten mit vorwurfsvollster Stimme aufs Tablett bringen, wenn es gerade passt: »Damals hast du doch …«

Also: Was ist es diesmal? War ich ihr zu fordernd? Habe ich den Müll nicht richtig getrennt? Durften die Kinder zu lange an ihren Computern spielen? (Gut, ich habe natürlich mitgespielt.) Habe ich dummerweise versprochen, den Keller aufzuräumen – und mein Versprechen nicht gehalten? Oder habe ich heute Abend auf der Party mit einer anderen attraktiven Frau zu engagiert geredet?

»Hättest du das gedacht?«, stört meine Frau meinen inneren Reflexionsprozess.

Ja, mein Gott, was denn? Erklär mir doch einfach mal, worum es geht, bevor ich mich vor lauter Verzweiflung selbst zerfleische. Was willst du von mir, Wesen?

»Sag nur, du hast nichts gemerkt?«

Jetzt bleibt mir nur die Improvisation. »Doch! Der Rioja war letztes Mal süffiger.«

Sie seufzt. Und zwar so, dass darin mitschwingt: Hätte ich einen Amboss geheiratet, wäre der wahrscheinlich deutlich feinfühliger. Schnippisch sagt sie: »Nein. Andrea und Karsten haben eine massive Krise und stehen kurz vor der Scheidung.«

»Echt? Ich habe total lang mit Karsten geredet. Der hat keinen Ton gesagt.«

»Worüber habt ihr denn geredet?«

»Pff … die Eintracht. Putin … den neuen Star Wars … und unsere Jobs.«

»Siehst du, und ich habe die Traurigkeit in seinen Augen bemerkt und ihn einfach gefragt, was los ist. Da ist es nur so aus ihm rausgebrochen.«

Obwohl ich beim Autofahren nach vorne schauen muss, spüre ich, dass mich ihre Blicke von der Seite durchbohren: »Jetzt sag bloß nicht, du hast auch nicht mitbekommen, dass Karin wieder eine depressive Phase hat, dass Jürgen überlegt, die Gemeinde zu verlassen, und dass dein … ja, dein Freund Michi gerade extreme Geldprobleme hat, weil seine verletzte Mutter irgendwie nicht richtig krankenversichert ist …«

Ich räuspere mich: »Äh nun … so was habe ich schon gespürt.« Habe ich natürlich nicht! Das war doch eine total relaxte Party. Dachte ich jedenfalls. Und jetzt muss ich herausfinden, dass meine mir Angetraute offensichtlich auf einem völlig anderen Fest war.

»Sag’ was!«

Ich schlucke und stottere: »Der Motor vom Auto läuft nicht ganz rund. Ich werde morgen mal in die Werkstatt fahren. Sag jetzt bloß nicht, das hast du nicht gehört?!«

ANGEBERWISSEN FÜR DIE FRÜHSTÜCKSPAUSE – Die Traumfrau - Der Traummann

ZAHN UM ZAHN

Die gebrannten Mandeln waren schuld. Ein deftiges Krachen in meinem Mund … und ich wusste sofort: Das war nicht die Mandel, das war ein Zahn. Mist. Und meine rastlose Zunge bestätigte mir von da an alle 10 Sekunden: Da ist was abgebrochen. Und zwar ein riesiges Stück. Panik!

Dazu muss man wissen: Zum Zahnarzt gehen, ist auf meiner Beliebtheitsskala ungefähr auf einer Ebene mit Waterboarding und dem Auftauchen von drei aggressiven Pitbull-Terriern in meinem Badezimmer, wenn ich nichts anhabe. Aber als meine Zunge vom ständigen »Befühlen des Unfallortes« schon ganz wund war, erkannte ich: Ich kann den bohrenden Fragen nicht mehr ausweichen. Ich muss zum Dentisten.

Zwei Tage später führte mich eine diabolisch grinsende Sprechstundenhilfe ins Behandlungszimmer. Mein schwacher Versuch, den Zahnarzt mit einem fröhlichen »Über sieben Brücken musst du gehen« zu begrüßen, konnte meine Stimmung auch nicht aufhellen. Nebenbei: Ich versuche ganz oft, meine Ängste mit Humor zu besiegen, und hatte mir schon überlegt: Die schönste Antwort auf: »Sie brauchen eine Krone!«, wäre doch: »Endlich erkennt es mal jemand.«

Aber der Arzt schaute nur eine gefühlte Ewigkeit in meinen aufgerissenen Schlund, gab mehrere besorgte »Oh, Oh« von sich – und erklärte dann freundlich: »Ist nicht so schlimm, eine Plombe ist rausgesprungen und eine Ecke vom Zahn weg, aber das bekomme ich mit ein bisschen Bohren wieder hin.«

Und dann stellte er mir eine … nein, die alles entscheidende Frage, die bis heute in mir widerhallt: »Wie sieht es aus, Herr Vogt: Sind Sie ein Mann oder eine Memme?«

Hä? Er sah mein entsetztes Gesicht und grinste: »Na, ohne Betäubung oder mit? Sie wissen doch: Es gibt echte Kerle … und diejenigen, die eher zartbesaitet daherkommen.« Dann fügte er hinzu: »Ist aber keine Schande. Ich verpass’ Ihnen auch eine Vollnarkose, wenn Sie eher so ein Angst-Typ sind.«

Angst-Typ? Ich? Was erlaubte der Kerl sich? Na, diesem Halbtod in Weiß würde ich’s zeigen. Also erklärte ich mit voluminöser Batman-Stimme: »Pah, Betäubung … brauch ich nicht. Ich bin ein Mann!«

Ja, und da saß ich dann. Krallte meine Hände in die Armlehnen und versuchte krampfhaft, den grausamen Schmerz zu ertragen. Dabei bin ich überzeugt, dass dieser seltsame »Onkel Doktor« seinen Bohrer mit Absicht immer und immer wieder in meinen Zahnnerv geschoben hat, um mich zu testen. Aber ich bin hart geblieben. Ich wollte gerade vor der bedrohlichen Sprechstundenhilfe mein Gesicht nicht verlieren. Und als der Arzt sagte: »Geht deutlich tiefer, als ich dachte. Soll ich nicht doch betäuben?«, ließ ich mich nicht zum Aufgeben verführen. Ich bin ein Mann! Ich bin ein Mann!

Genau mit diesen Worten erzählte ich dann auch meiner Frau von meinen heldenhaften Erlebnissen: Ich bin ein Mann! Woraufhin sie sagte: »Du bist kein Mann! Du bist ein Idiot!« Womit mir schlagartig klar wurde, dass sie mich für mein vermeintliches Heldentum wohl nicht – wie erhofft – mit Zärtlichkeiten überschütten würde.

Nein. Meine Frau stand vor mir wie eine Furie: »Wie blöd kann man eigentlich sein? Oder anders gefragt: Hat dein sinnloses Schaut-her-ich-bin-ein-Mann-Getue dir irgendwas gebracht außer Schmerzen? Und das alles, weil dich dieser Mundklempner provoziert hat. Ihr Männer seid so primitiv.«

Mein Tipp: Versuch nicht, ein Mann zu sein, sei einfach ein Mensch.