Märchen von Männern -  - E-Book

Märchen von Männern E-Book

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** Dass die Welt der Märchen vor allem mit heldenhaften Prinzen und grobschlächtigen Bösewichten besiedelt ist, lässt sich nicht völlig von der Hand weisen. In dieser Märchensammlung begegnen uns jedoch auch Männergestalten, die noch zu überraschen wissen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 158

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Märchen von Männern

Märchen der Welt

Herausgegeben von Stephan Marks

FISCHER E-Books

Inhalt

Weinende MännerKambyses und PsammenitDer Vogel GkiónMataora und NiwarekaDer KristallbergDas Abenteuer im FlußDie zwei FreundeSerungalTanzende MännerDer Rotwild-TanzHäuptling Baitogógo nimmt Besitz vom Aíje-GeistDie Schweine vom TeichDer reiche und der arme HäuptlingDie Brautwerbung des HippokleidesDer Doppelbuckel zu CalkaerMänner mit innerer KraftMichel und die Schlange mit den sieben KöpfenEin Maschurdalo dient einem ZigeunerWilisch WitiâsuHänschen, dem ein Mohr in den Mund speitLonopuha oder Der Ursprung des Heilens und die Geschichte von MiluDer Meister der TeezeremonieEngagierte, lebensbejahende MännerDer arme HirtDie zwei BrüderDas HeimtierEine Geschichte aus der RömerzeitDie Geschichte vom Eseltreiber und dem LöwenDie vier BrüderVikramâditja besteigt als Bettler den ThronDer SchwertmeisterNachwortQuellenhinweiseVerwendete Literatur in Auswahl

Weinende Männer

Männer, so das herkömmliche Ideal,sollen sich beherrschen und nicht weinen.Aber in den Märchen verschiedenster Kulturenbegegnen uns Männer, die ihre Gefühle zulassen,weinende Helden.

Kambyses und Psammenit

Der Perserkönig Kambyses hatte einst Psammenit, den König von Ägypten, besiegt und seine Hauptstadt Memphis erobert. Am zehnten Tage nach der Eroberung wollte er dem Besiegten eine rechte Schmach antun, da mußte dieser mit anderen Ägyptern in der Vorstadt niedersitzen, wo dann Kambyses seine Seelenstärke auf die Probe stellte: Er schickte die Tochter des Königs in Sklavenkleidung mit einem Eimer zum Wasserholen hinaus und mit ihr noch andere auserlesene Jungfrauen, Töchter der ersten Männer, in gleicher Tracht wie die Königstochter. Als nun die Jungfrauen unter lautem Jammern und Weinen an ihren Vätern vorbeigingen, da schrien alle laut auf und weinten auch, da sie sahen, wie übel man ihre Kinder behandelte, Psammenit aber blickte hin, sah es wohl und senkte sein Antlitz zur Erde. Als nun die Wasserträgerinnen vorübergegangen waren, schickte Kambyses den Sohn des Psammenit hinaus mit zweitausend Ägyptern gleichen Alters, und hatten alle einen Strick um den Hals und einen Zaum im Munde. So sah nun Psammenit die Knaben vorübergehen, merkte auch, daß man seinen Sohn zum Tode führe; während aber die anderen Ägypter, die dabeisaßen, weinten und außer sich waren, machte er es ebenso wie bei seiner Tochter. Als dann auch diese vorüber waren, traf es sich, daß ein älterer Mann aus der Zahl seiner Trinkgenossen, der um seine ganze Habe gekommen war und nun als Bettler die Soldaten um Almosen anging, an Psammenit, dem Sohne des Amasis, und den Ägyptern, die dort in der Vorstadt saßen, vorbeikam. Wie Psammenit den sah, da weinte er laut auf, rief den Freund beim Namen und schlug sein Haupt.

Nun aber waren etliche unter den Wächtern, die alles, was er jedesmal tat, dem Kambyses anzeigten. Der wunderte sich über dies Benehmen, schickte einen Boten und ließ also fragen: »Mein Herr Kambyses fragt dich, o Psammenit, warum du beim Anblick deiner Tochter in so traurigem Aufzug und deines Sohnes auf seinem Todeswege weder geschrien noch geweint hast, den Bettler dagegen, der doch, wie er hört, kein Angehöriger von dir ist, solcher Teilnahme gewürdigt hast?« So ließ Kambyses fragen; die Antwort aber lautete: »O Sohn des Kyros, mein häusliches Unglück war zu groß zum Weinen, das Leiden des Freundes aber war der Tränen würdig, der an der Schwelle des Alters aus großem Wohlstand heraus an den Bettelstab gekommen ist.«

Und da diese Antwort dem Kambyses hinterbracht wurde, dünkte es ihm und allen, die bei ihm waren, wohlgesprochen, und dem Kroisos seien, wie die Ägypter erzählen, die Tränen gekommen (denn auch dieser war dem Kambyses nach Ägypten gefolgt), und ebenso auch den anwesenden Persern; selbst den Kambyses wandelte eine Regung des Mitleids an, und er gab sogleich Befehl, den Sohn aus der Zahl der zum Tode Bestimmten zu retten und den Psammenit selbst aus der Vorstadt zu ihm zu holen. Den Sohn freilich fanden die Boten nicht mehr am Leben, vielmehr war er zuerst hingerichtet worden; den Psammenit aber hießen sie aufstehen und führten ihn vor Kambyses. Dort verbrachte er fortan sein Leben, ohne ein weiteres Leid zu erfahren.

[Märchen des klassischen Altertums]

Der Vogel Gkión

Es waren einmal zwei Brüder, und der eine von ihnen war Hüter in den Weinbergen. Zu diesem sagte einst der andere, welcher Antonis hieß: »Heute abend komme ich und stehle dir Trauben.«

Da entgegnete jener: »Komm nur, ich erschieße dich.«

Am Abend kam Antonis wirklich und versuchte, Weintrauben zu stehlen. Sein Bruder schoß, nur um ihn zu erschrecken, traf ihn jedoch wider Willen; und als er näher kam, fand er ihn in seinem Blute. Da bat er Gott in seinem Schmerz, er möge ihn in einen Vogel verwandeln, auf daß er ewig seinen Bruder beweine. Gott erhörte ihn und verwandelte ihn in den Vogel Gkión. Seitdem klagt er um seinen Bruder Antonis und ruft in einem fort: »Nton, Nton!«, und nicht eher hört er zu klagen auf, als bis ihm Blut aus dem Schnabel fließt. Das ist ihm ein Zeichen, daß der getötete Bruder sein Blut als Sühne entgegennimmt, und so gewinnt dann endlich der Vogel, halb tot vor Erschöpfung, Ruhe.

[Griechisches Märchen]

Mataora und Niwareka

Das ist die Geschichte von Mataora, der in der Unterwelt die Kunst des Tätowierens erlernte und sie in die obere Welt zurückbrachte.

Eines Tages, als Mataora gerade in der Sonne lag und schlief, kamen einige Turehu vorbei und blieben stehen, um ihn anzuschauen. Diese jungen Frauen waren nicht von dieser Welt, daher hatten sie noch nie einen so gutaussehenden jungen Häuptling gesehen. Die Turehu sind ein merkwürdiges kleines Volk mit blasser Haut und hellen, langen Haaren. Ihre Heimat ist in der Unterwelt, dort sind sie Geister. Diese Turehu standen also um Mataora herum, und bewunderten sein Aussehen. Ihre Gegenwart weckte ihn auf. Er war so überrascht, daß er sie fragte: »Seid ihr Frauen?« Und sie antworteten: »Bist du ein Mann?« Daher zeigte er ihnen seine Männlichkeit.

Dann lud er sie ein: »Kommt zu mir nach Hause«, und sie taten es. Aber sie gingen nicht in Mataoras Haus, und sie aßen auch nicht von den Speisen, die er ihnen anbot. Es waren gekochte Speisen, so etwas hatten sie noch nie gesehen. Sie sagten, es sei verdorben und daß sie es nicht anrühren würden. Daher mußte Mataora ungekochte Speisen für sie besorgen.

Nachdem sie gegessen hatten, wollte Mataora seine Gäste unterhalten. Dazu holte er sein Maipi, seine hölzerne Waffe, hervor und gab damit an. Er tänzelte und sprang umher, er zog Gesichter und streckte seine Zunge heraus, bis sie sein Kinn bedeckte, und er warf das Maipi in die Luft, als wäre es nicht schwerer als ein Stöckchen. Nachher versuchten die Turehu, das Maipi aufzuheben, und sie staunten über Mataoras Kraft.

Als Gegenleistung gaben die Turehu ihm eine Tanzvorstellung. Sie stellten sich in zwei Reihen auf, und eine von ihnen trat vor, um den Tanz anzuführen. Mataora hörte, wie sie ihren Namen sagten, er lautete Niwareka. Sie führten einen Tanz auf, der ganz anders war als die Tänze, die Mataora je gesehen hatte. Sie faßten sich zu zweit an den Händen und tanzten und sangen. Dann hielten zwei ihre Hände in die Höhe, während die anderen darunter hindurchgingen. Diese Turehu hatten so langes Haar, daß es ihnen bis zur Hüfte herabhing und sie bedeckte. Ihre Röcke waren aus Seegras.

Niwareka war die Tochter von Uetonga, einem Nachkommen von Hine nui te Po, der Göttin der Nacht, und deren Mann Ruaumoko, dem Gott des Erdbebens. Niwareka war schön; Mataora begehrte sie. Als für die Turehu die Zeit kam, sein Haus zu verlassen, überredete er Niwareka, zu bleiben und seine Frau zu sein. Sie lebten ruhig miteinander und waren zufrieden, obwohl Mataora ein Mann von dieser Welt war und gekochte Speisen aß, während Niwareka zur Unterwelt gehörte. Aber eines Tages geschah etwas, was Mataora eifersüchtig machte, und er schlug seine Frau.

Niwareka war so bestürzt, daß sie kaum sprechen konnte. In ihrem Land schlugen die Männer die Frauen nicht. Als Mataora sie schlug, erschrak Niwareka so sehr, daß sie das Haus verließ und zu ihrem Volk zurückkehrte.

Mataora bereute, was er getan hatte. Er trauerte um Niwareka und vermißte sie sehr. Er beschloß, sich auf den Weg zu machen und sie zu suchen. Er ging zuerst nach Tahuaroa im sehr fernen Land mit Namen Irihia, dort, wo der riesige Berg Hikurangi steht, dessen Gipfel in die Himmel ragt. Die Menschen dort hatten jedoch keine Nachricht von Niwareka, und so ging er weiter nach Poutererangi, dem Eingang zur Unterwelt, der von Te Kuwatawata bewacht wird. Den fragte Mataora: »Hast du eine junge Frau hier vorbeigehen sehen?«

»Wie sieht sie aus?« fragte Te Kuwatawata.

»Sie hat helles Haar«, sagte Mataora.

»Sie ging hier vorbei und weinte«, antwortete Te Kuwatawata. Mataora war ermutigt, als er hörte, daß sie noch weinte.

Te Kuwatawata erlaubte ihm, in die Unterwelt einzutreten. Er trug Speisen aus seiner Welt bei sich, und als er weiterging, traf er Tiwaiwaka, die Pfauentaube, die vor seinem Gesicht umherflatterte und ihn erfreute. »Was tun die Leute hier unten?« erkundigte sich Mataora beim Vogel.

»Sie sind mit der Kumara-Ernte beschäftigt«, sagte Tiwaiwaka. »Einige bauen Häuser, andere fischen. Einige lassen Drachen fliegen, und andere sind beim Tätowieren.«

Mataora fragte Tiwaiwaka, ob er Niwareka gesehen habe. »Sie ging hier vorbei mit geschwollenen Augen und hängenden Lippen«, antwortete Tiwaiwaka, und Mataora ging voller Hoffnung weiter.

Er setzte seine Reise fort, bis er das Haus von Uetonga erreichte. Seinen Namen kennen heute alle Menschen: In der Unterwelt war er der Fachmann für Tätowierungen, und von ihm stammen alle Tätowierungsmuster der Oberwelt. Uetonga tätowierte gerade das Gesicht eines Häuptlings. Dieser lag mit geballten Fäusten und zuckenden Fußzehen auf dem Boden, während Niwarekas Vater sein Gesicht mit einem Knochenmeißel bearbeitete. Mataora war sehr überrascht, als er sah, daß Blut von der Wange des Häuptlings floß. Mataora hatte auch ein Muster auf dem Gesicht (Moko), aber es war mit Ocker und blauem Ton gemalt, so wie es damals in der Oberwelt gemacht wurde. Aber so ein Moko, wie Uetonga es machte, hatte Mataora noch nie gesehen, und er sagte zu ihm: »Du machst das falsch. Oh, du alter Mann. Wir machen es anders.«

»Ganz recht«, erwiderte Uetonga, »ihr macht es anders. Aber ihr macht es falsch. Was ihr da oben macht, ist nur gut für den Wald. Aber siehst du«, sagte er und streckte seine Hand nach Mataoras Wange aus, »es läßt sich abreiben.« Uetonga verschmierte mit seinen Fingern Mataoras Gesichtsfarben und verdarb sein Aussehen. Alle umhersitzenden Leute lachten und Uetonga mit ihnen.

»In der Oberwelt sind die Verzierungen nur aufgemalt«, sagte Uetonga. »Höre, Mann von der Oberwelt, es gibt folgende Verzierungen: Es gibt Webmuster für die schönsten Umhänge; es gibt Holzschnitzereien für Häuser, Waffen und große Kanus; und es gibt Mokos so wie dieses. All diese Muster sind dauerhaft, denn sie gehen in die Tiefe. Aber das da auf deinem Gesicht, das geht nicht in die Tiefe, das kann weggerieben werden.«

Mataora dachte darüber nach und sagte dann zu Uetonga: »Herr, du hast recht. Du mußt mein Moko richtig machen. Mache es so wie das Gesicht dieses Mannes.«

Und so wurde der Häuptling, dessen Gesicht blutete, weggeschickt, und Uetongas Helfer wuschen Mataoras Gesichtsfarbe weg und machten ihn bereit. Dann nahm Uetonga seinen Knochenmeißel, tauchte seine Spitzen in eine Mischung aus Kauri, Ruß und Haifischöl und begann zu arbeiten. Er fing mit Mataoras Kinn und Unterlippe an. Vor Schmerz ballte Mataora seine Fäuste und krümmte seine Beine. Aber er war fest entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es ihm weh tat. Seine Lippen schwollen an, und als ihn vor Schmerz dürstete, konnte er nicht trinken. Daher brachten sie ihm Wasser mit einem Kürbis und schütteten es durch einen Trichter in seinen Mund. Es war ein schön geschnitzter Holztrichter, die Vorlage für die Trichter, die unsere Tätowierungskünstler heute benutzen.

Der Schmerz machte Mataora beinahe ohnmächtig. Um ihn zu stärken und seine Schmerzen zu lindern, setzten sich einige Frauen zu ihm und sangen ein Lied. Um den Leuten zu zeigen, daß er die Schmerzen ertragen könne, sang auch Mataora ihnen ein Lied vor, ein selbsterfundenes Lied, welches aber ein wenig durcheinander war. Es fing so an:

»Niwareka!

Niwareka, großes Entzücken!

Wegen dir bin ich in die Dunkelheit gekommen,

in die äußerste Dunkelheit!

Sprich vom Schmerz

der Geliebten

Die in Ahuaha ist

Und in Rangatira,

Und in Nuku moana ariki …«

Nun hörte eine von Uetongas Töchtern den Namen ihrer Schwester im Lied dieses Mannes von der Oberwelt. Sie lief zu Niwareka, die gerade einen Umhang webte. »Oh, Niwareka«, sagte die Frau zu ihrer Schwester, »da ist ein gutaussehender Mann, der gerade von deinem Vater tätowiert wird. Er singt ein Lied, in dem dein Name vorkommt. Er ist ganz durcheinander.«

Niwareka und alle Leute, die dabeiwaren, standen auf und gingen zu Uetongas Haus, um diesen Mann zu sehen. Als sie ankamen, war sein Gesicht so geschwollen, daß er nicht aus den Augen sehen konnte. »Dieser Mann sieht wie Mataora aus, und sein Umhang sieht wie einer von mir aus«, sagte Niwareka. Sie setzte sich neben ihn und flüsterte: »Bist du Mataora?«

Er nickte als Antwort und streckte seine Hand nach ihr aus. Weinend begrüßte Niwareka ihren Mann. Dann gab sie ihm Wasser zu trinken, zerstampfte etwas zu essen und flößte es ihm durch den Trichter ein.

Als sein Gesicht geheilt war, sah Mataora außerordentlich gut aus, und er wurde von allen bewundert. Nach einiger Zeit sagte er zu Niwareka: »Laß uns nun in meine Oberwelt zurückkehren.«

Aber Niwareka wollte nicht mit ihm gehen. Sie sagte: »Ich muß mit meinen Verwandten sprechen. Das Leben in der Oberwelt ist schlecht, dort schlagen die Männer die Frauen. Beide Welten haben von unseren Problemen gehört, Mataora.« Dann besprach sie die Angelegenheit mit ihren Verwandten. Eines Tages kam Uetonga zu Mataora. »Vielleicht hast du vor, in deine Heimat zurückzukehren«, sagte der alte Mann. »Wenn du dies willst, dann laß Niwareka hier. Ist es denn in deiner Welt üblich, daß die Männer die Frauen schlagen?«

Da schämte sich Mataora und ließ seinen Kopf hängen. Als nächster kam Niwarekas Bruder zu Mataora und sagte: »Warum bleibst du nicht hier, Mata? Du siehst doch, daß du hier willkommen bist. Du mußt doch bemerkt haben, daß die Probleme der Oberwelt alle Menschen dazu bringen, am Ende zu uns in die Unterwelt zu kommen.« Später sprach Uetonga nochmals mit Mataora. »Oh, Mata«, sagte er, »laß uns nie zu Ohren kommen, daß du noch einmal tust, was du damals in der Oberwelt getan hast. Diese Welt und die deinige sind durch einen großen Unterschied getrennt. Wir hier leben friedlich.«

Da wußte Mataora, daß die Leute beschlossen hatten, die Frau mit ihm gehen zu lassen. Er bereitete ihre Abreise vor, und sein Schwiegervater sprach noch einmal mit ihm: »Schlage Niwareka nicht ein zweites Mal.«

»Nein, Uetonga«, sagte Mataora, »das Moko, das ich nun im Gesicht trage, ist nicht mehr abzureiben.«

Mataora und Niwareka machten sich auf den Weg zurück in die Oberwelt. Zum Abschied schenkte Uetonga Mataora den Umhang Rangi haupapa. Dieser ist das Vorbild, nach dem heute alle Umhänge der Oberwelt gewebt sind. Mataora rollte ihn in seinen Regenumhang und schnürte ihn auf seinen Rücken.

Auf ihrer Reise trafen die beiden Tiwaiwaka, die Pfauentaube, die immer noch dort umherflatterte, wo Mataora sie damals getroffen hatte. Sie schlug ihren Pfauenschwanz auf und schnappte mit dem Schnabel. Tiwaiwaka hielt sie bis zum späten Frühjahr zurück. Dann ließ er sie weiterziehen mit Ruru der Eule, Pekapeka der Fledermaus und Kiwi als Führern. Mataora fürchtete, diese Wesen der Nachtwelt könnten durch das Licht der Oberwelt getötet werden, aber Tiwaiwaka sagte ihm, daß er sie stets an dunklen Orten verstecken solle. Aus diesem Grund gehen Eule, Fledermaus und Kiwi nur des Nachts aus. Sie sind Vögel, die aus der Unterwelt stammen.

Als Mataora und seine Frau den Eingang der Unterwelt erreichten, fragte sie der Te Kuwatawata, der Hüter, was sie von dort mit sich nähmen. »Nur diese Vögel und die Kunst der Gesichtstätowierung, die Uetonga mich gelehrt hat«, antwortete Mataora.

»Was ist in dem Bündel auf deinem Rücken?« fragte Te Kuwatawata.

»Nur einige alte Kleidungsstücke«, erwiderte Mataora.

»Oh, Mataora!« sagte Te Kuwatawata verärgert. »Nach dieser Lüge sollen nie wieder Menschen aus der Oberwelt durch diesen Eingang hinausgehen dürfen! Von nun an sollen sie nur noch abwärts gehen dürfen. Niemand außer den Geistern soll von hier aus je wieder nach oben gehen dürfen.«

»Warum?« fragte Mataora den Mann.

»Du hast den Rangi-haupapa-Umhang in deinem Bündel«, antwortete Te Kuwatawata. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«

Da schämte sich Mataora für seine Vergeßlichkeit. Dies ist der Grund, weshalb seit der Zeit von Mataora und Niwareka kein lebender Mensch je von dieser Straße zurückgekehrt ist. Es ist die Straße, von der kein Reisender zurückkehrt, weil Mataora damals den Rangi haupapa verschwiegen hat.

Nachdem Mataora in seine Welt zurückgekehrt war, wurde die Kunst der Gesichtstätowierung unter unseren Leuten bekannt. Sie war von Uetonga an Mataora gelehrt worden und wurde von seinen Nachfahren von Havaiki nach Tongu nui, nach Ra’iatea, nach Hui te Rangiora und schließlich auch in unser Land gebracht.

[Märchen der Maori]

Der Kristallberg

In einem Zarenreich, in irgendeinem Reich, da lebte einmal ein Zar mit seinen drei Söhnen. Eines Tages sprachen die Zarewitsche zu ihrem Vater: »Hoher Zar, gnädiger Vater, gebt uns Euern Segen. Wir wollen in die weite Welt auf die Jagd reiten.« Da segnete der Zar seine drei Söhne, und sie ritten ins freie Feld, jeder in eine andere Richtung.

Der jüngste Zarewitsch ritt und ritt, und er verirrte sich. Er suchte den Weg. Und wie er so suchte, kam er zu einer Wiese, und inmitten der Wiese lag ein totes Pferd. Das tote Pferd aber war umringt von wilden Tieren und von den Vögeln des Himmels. Wie der Zarewitsch näherritt, flog ein Falke auf, setzte sich ihm auf die Schulter und sprach: »Iwan Zarewitsch, seit dreiunddreißig Jahren streiten wir uns um dieses tote Pferd, schlichte du diesen Streit, und teile uns das tote Pferd gerecht zu!«

Da stieg Iwan Zarewitsch von seinem guten Roß und sprach: »Euch Vögeln gebe ich das Fleisch, den wilden Tieren die Knochen, den Würmern die Haut und den Ameisen den Kopf.«

»Iwan Zarewitsch«, rief der Falke, »du hast gerecht geteilt. Zum Dank dafür sollst du dich, sooft du es wünschest, in einen hellen Falken oder in eine kleine Ameise verwandeln können.«

Da warf sich Iwan Zarewitsch zur feuchten Erde, verwandelte sich in einen lichten Falken, flog hoch zur Sonne, flog über dreimal neun Reiche ins dreimal zehnte Reich. Dieses Zarenreich aber war mehr als zur Hälfte in einem Berg aus Kristall eingeschlossen. Iwan Zarewitsch flog geradewegs vor den Palast, verwandelte sich wieder in einen kühnen Recken und fragte den Wächter: »Wird Euer Herr mich wohl in seine Dienste nehmen?«

»Warum soll er solch einen stattlichen Recken nicht nehmen?«