Margaretha - Ignatz Basile - E-Book

Margaretha E-Book

Ignatz Basile

3,0

Beschreibung

Ein Mörder geht um in Rodenbach in den Jahren 1630-1650. Der schwarze Reiter tötet offenbar wahllos Menschen in Rodenbach. Grausame, bestialische Morde. Irgendwann werden die Zusammenhänge klar. Der Mörder ist aber nicht zu fassen. Wer ist der schwarze Reiter? Das Buch erzählt die Lebensgeschichte von Margaretha, der Tochter von Agnes Bast, die 1627 als Hexe verbrannt wurde. Margaretha lebt mit dem Tod ihrer Mutter als Hexe und hat blutige Rache geschworen. Wird sie die Mörder finden? Was wird sie tun? Wird sie überleben? Wird Rodenbach, der geschundene Ort, überleben? Lassen Sie sich von den Geschehnissen fesseln. Leiden Sie mit Margaretha, der Tochter der Hexe. Tauchen Sie ein in Rodenbachs echte Vergangenheit. Sie werden das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Nehmen sie teil an Margarethas spannendem Leben als Tochter der Hexe von Rodenbach.

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Untere Pforte Rodenbach

(Historische Darstellung – Hypothese)

Künstlerin: Manuela Hahn

turtles press international

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Der Autor

Kapitel 1

Rodenbach im Kinzigtal im Jahre 1630

Margaretha war zwölf Jahre alt. Sie war die Enkelin des Schusters Conradt Bast und seiner Frau Elisabeth. Ihre Mutter Agnes war vor zwei Jahren verstorben. Margaretha lebte fortan bei ihrer Großmutter und ihrem Onkel Paul. Paul hatte zusammen mit seinem Freund Hans Rießel den niedergebrannten Hof der Basts wieder aufgebaut, auch mit Hilfe weiterer Nachbarn aus den Höfen in der Hauptstraße. Das Fachwerkhaus war fast so schön und groß wie der ehemalige Hof der Basts. Eine kleine Hütte stand neben dem Haus. In dieser Hütte lebte Margaretha mit Großmutter und Onkel die letzten zwei Jahre, bis das neue Haus fertig gestellt war. Den alten Hof hatten bei Kriegsbeginn spanische Soldaten angezündet, nachdem sie den Schuster in seiner Werkstatt ermordet hatten. Alle drei Basts trauerten heute noch um den Verlust.

Auch der Hof des befreundeten Bauern Rießel war am selben Tag niedergebrannt worden. Der Sohn Hans baute ihn in den letzten Jahren wieder auf. Auch hier half sein Freund Paul Bast tatkräftig mit. Hans Rießel betrieb noch zusammen mit seiner Frau Maria, der schönen Müllerin, eine Lohmühle mit einer Gerberei am Rodenbach vor dem Dorf. Hans und Maria hatten einen Sohn, Jacob, der nur wenig jünger als Margaretha war. Als Agnes, die Mutter von Margartha, noch lebte, war sie mit den Rießels sehr eng befreundet und die Kinder Margaretha und Jacob spielten oft miteinander. Jetzt gingen die beiden zusammen in die kleine Schule in der Kirchstraße. Die erste Schule war früher in der Gemeindeherberge. Später wurde das Haus in der Kirchstraße von der Kirchengemeinde erworben und die Schule darin eingerichtet. Im oberen Stockwerk wohnte der Schulmeister Lorenz Köppels. Auch einen Lehrer aus Hanau gab es. Conrad Gerhard.

Margaretha ging sehr gerne zur Schule. Sie war äußerst intelligent und das Lernen fiel ihr leicht, sehr im Gegensatz zu Jacob, dem sie oft helfen musste. Margaretha vermisste ihren Großvater sehr, noch mehr aber ihre geliebte Mutter, an die sie sich noch gerne und gut erinnern konnte. Ihr Fehlen machte sie traurig, aber auch zornig und wütend. So sehr sie auch fragte, bekam sie aber bisher keine genauen Angaben über die Umstände des Todes von Agnes. Vielleicht war dies der Grund, dass sie oft wütend war. Dabei wusste sie, dass mit ihrer Mutter etwas Schreckliches geschehen war. In ihren Alpträumen hatte sie Agnes immer in einem Feuer brennen sehen. War ihre Mutter im Feuer verbrannt? Warum erzählte man ihr nichts? Margaretha hatte tatsächlich einige Geschehnisse „vorhergesehen“, die dann auch eintrafen, das wusste sie aber nicht, da sie damals noch viel jünger war. Seit dem Verlust ihrer Mutter hatte sie aber keine „Vorhersehungen“ mehr gehabt. Dabei tobte in ihr ein Gefühlssturm, den sie oft nicht unter Kontrolle hatte.

Margaretha wusste, dass Baron Martin von Dragus vom Gut Dragus hinter Oberrodenbach ihr Vater war. Aus irgendeinem Grund lebte ihre Mutter aber nicht mit ihm zusammen. Vielmehr lebten Margaretha und Agnes eine Zeit lang auf dem kleinen Hof von Eva und Peter Adam in Oberrodenbach. Eva war wie eine zweite Mutter für Margaretha. Zu ihr würde sie heute gehen!

„Hallo Eva, ich wollte dich und Peter mal wieder besuchen.“

„Hallo Margaretha, wie geht es dir?“

„Och, es geht so.“

„Möchtest du einen Tee mit mir trinken? Peter ist ohnehin nicht da und so können wir es uns gemütlich machen.“

„Ja, ein Tee wäre schön, Eva.“

„Wie geht es zu Hause? Und in der Schule?“

„Alles ist gut. Die Schule macht Spaß und in unserem neuen Haus ist es auch schön. Ich darf manchmal sogar in der kleinen Hütte nebenan alleine wohnen. Das ist schön. Dort sind auch die Kräuter und Medikamente von meiner Mutter und ihre vielen Bücher. Ich habe sogar schon begonnen, darin zu lesen. Das ist sehr interessant. Vielleicht werde ich ja auch eine Heilerin wie meine Mutter.“

„Das ist doch schön. Aber auch schwierig und… und gefährlich!“

„Gefährlich? Wieso?“

„Na ja, nur so, man kann ja nicht jeden heilen und wenn jemand stirbt, dann sind die Leute sauer und geben manchmal der Heilerin die Schuld.“

„Oh!“

Die beiden schwiegen eine Weile.

„Ich möchte dich etwas fragen, Eva.“

„Ja Kleines?“

„Wie und warum ist meine Mutter gestorben?“

„Oh, das kann ich dir nicht sagen.“

„Doch! Ich glaube, du weißt es, bitte sage es mir.“

„Margaretha. Das musst du deine Großmutter fragen. Sie kann es dir sagen.“

„Also weiß sie es!“

„Ja, aber du warst bisher noch zu klein. Vielleicht kann sie dir jetzt alles erzählen. Frag sie einfach.“

„Gut Eva. Das werde ich tun.“

Bald ging Margaretha. Ein ungutes Gefühl trieb sie schnell nach Hause.

„Ich bin jetzt alt genug, Großmutter! Erzähle mir endlich, was mit meiner Mutter geschehen ist!“

„Ja, Margaretha. Ich glaube, du sollst jetzt alles erfahren. Ich rufe noch Paul herein, er soll dabei sein.“

Als Paul hereingekommen war, begann Elisabeth stockend zu erzählen: „Du weißt, dass deine Mutter eine gute Heilerin war. Die Beste. Sie hat viele Kranke geheilt. Vor allem während die Pest im Dorf wütete. Sie war berühmt bis in viele Dörfer und bis nach Hanau, wo sie auch im Hospital Menschen geheilt hat. Wir waren alle so stolz auf sie!“

„Das weiß ich doch alles, Großmutter.“

„Eines Tages war Katharina von Dragus an der Pest erkrankt, du weißt, die Mutter von Martin, deinem Vater.“

„Ich weiß.“

„Agnes hatte schon so viele Menschen geheilt, aber Katharina konnte sie nicht mehr helfen. Man hatte sie zu spät gerufen. Die Baronin starb qualvoll.“

„Oh! Aber was hat das mit Mutters Tod zu tun?“

„Das will ich dir sagen. Man gab deiner Mutter die Schuld an dem Tod von Katharina.“

„Aber wieso?“

Paul mischte sich jetzt ein: „Deine Mutter und Martin wollten heiraten, aber Katharina war dagegen und hat dies all die Jahre verhindert. Man warf Agnes vor, sie hätte deshalb Katharina sterben lassen, damit sie endlich mit Martin zusammen kommen könnte.“

„Oh, ich verstehe.“

Paul fuhr fort: „Jemand hat dann deine Mutter beim Kirchenrat angezeigt und es gab in Crotzenburg einen Prozess. Ich will es kurz machen, es tut heute noch weh! Agnes wurde bezichtigt, eine Hexe zu sein, und zum Tode verurteilt. Sie… sie… wurde gefoltert… und verbrannt!“

„Oh mein Gott, genau wie ich es immer geträumt habe!“ In Margaretha tobte ein Orkan.

„Verbrannt! Meine arme Mutter, diese Schweine!“

Margaretha stürmte aus dem Zimmer. Einige Hühner liefen ihr vor die Füße. Margaretha schnappte sich eines nach dem anderen, drehte ihnen den Hals um und warf sie gegen die Scheunenwand. Sie tobte vor Wut und war völlig außer sich! Dann stürmte sie in die kleine Hütte, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich auf das Bett. Ihre geliebte Mutter, als Hexe verbrannt, und sie hatte es gesehen! In ihrem Innern baute sich ein großes schwarzes Monster aus Wut und Verzweiflung auf. Es wollte raus und Margaretha konnte sich nicht von dem Monster befreien. Es wütete in ihr noch lange Zeit…

Die Schule war für Margaretha heute wieder ziemlich langweilig. Da Kinder unterschiedlichen Alters zusammen in eine Klasse gingen, musste das Tempo an die jüngeren Schülern angepasst werden. Zum Ende des Unterrichts hin wurde es aber dann doch interessant. Da es Schüler zwischen zwölf und vierzehn Jahren gab, war es für einige das letzte Schuljahr. Der Lehrer Conrad Gerhard befragte deshalb die Schüler nach ihren Plänen für ihr Leben: „Also, nun erzählt mir einmal, wie geht es nach der Schule für euch weiter?“

Der eine oder andere der Älteren meldete sich zu Wort. Bei den Jungen war die Antwort meist dieselbe. Sie arbeiteten auf dem elterlichen Hof und würden diesen später einmal übernehmen. Der Sohn des Bäckers würde natürlich Bäcker werden. Dasselbe galt für den Sohn des Metzgers. Einige Jungen, die mehrere Geschwister hatten, wollten eventuell einen anderen Hof erwerben und Großbauer werden. Es gab ja in Rodenbach genug leer stehende Höfe, nach den vielen Toten während der Pest. Man konnte bei der Gemeinde einen solchen Hof für wenig Geld erwerben. Es gab jemanden, der Künstler werden wollte, aber sonst gab es keine Überraschungen. Bei den Mädchen sah es etwas anders aus. Die meisten sahen sich in der Rolle ihrer Mutter, also als Ehefrau und Bäuerin. Als Margaretha gefragt wurde, gab sie zunächst keine Antwort. Sie hatte darüber noch nicht nachgedacht. „Vielleicht werde ich eine große Heilerin. Wie meine Mutter.“

Plötzlich hatte sie die Aufmerksamkeit aller Schüler. Der starke Fritz, einer der größeren und älteren Schüler lachte dann laut: „Ha, ha. Eine große Heilerin. Wie deine Mutter. Mein Vater erzählte mir, dass sie eine Hexe war und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.“

Margaretha wurde blass. Ein Ungeheuer aus brennendem Zorn und unbändiger Wut erwachte zum Leben.

„Was sagst du da?“

Das Monster war nun aufgewacht und beherrschte Margaretha.

„Eine Hexe war sie“, wiederholte Fritz.

Margaretha sprang auf und stürzte sich auf Fritz. Bevor dieser sich versah, hatte ihn Margaretha mit beiden Händen am Hals gepackt und drückte zu. Das schwarze Monster in ihr drohte sie zu sprengen. Ihre Augen feuerten Blitze gegen den Jungen, der schon blau anlief. Bevor der Lehrer eingreifen konnte, warf sich Jacob dazwischen und bewahrte seine Freundin vor Schlimmerem. Fritz sank röchelnd zu Boden. Margaretha stand keifend vor ihm und war nur mühsam von Jacob festzuhalten. Sie keuchte schwer und ihre Augen schleuderten weiterhin Blitze gegen Fritz. Schaum stand ihr vor dem Mund.

Endlich war Lehrer Gerhard bei Margaretha. Er packte das bebende Mädchen bei den Schultern und führte es aus dem Raum. Er schickte Margaretha nach Hause und verbot ihr, wieder in die Schule zu kommen!

Wie in Trance ging Margaretha die wenigen Meter nach Hause. Sie ging direkt in ihre Hütte. Das schwarze Monster gab noch keine Ruhe. Aufgewühlt setzte sie sich auf ihr Bett.

Der Schulmeister Köppels war bei Elisabeth und besprach den Vorfall in der Schule mit der Großmutter. Elisabeth und auch Paul erschraken über das Gehörte. Allerdings waren sie nicht sehr überrascht. Die Gewaltausbrüche von Margaretha nahmen offenbar zu. Der Vorfall mit den Hühnern war beiden noch deutlich in Erinnerung. Der Schulmeister verlangte, dass Margaretha zunächst der Schule fernbleiben musste. Er wollte die Angelegenheit noch mit dem Lehrer besprechen. Elisabeth und Paul blieben nachdenklich zurück. Ihre geliebte Marga entwickelte sich zu einem ernsten Problemfall.

Margaretha durfte zunächst nicht mehr zur Schule gehen, was ihre Wut noch vergrößerte. Sie vertrieb sich anfangs die Zeit mit dem Lesen von Agnes’ Büchern, bis sie das langweilte. Ihre innere Unruhe verhinderte ein konzentriertes Lesen. Sie bot dann Elisabeth ihre Hilfe bei der Feldarbeit an, was auch gerne angenommen wurde. Zusammen mit Paul arbeitete sie bis zur körperlichen Erschöpfung. Keine Arbeit war ihr zu schwer. Sie schuftete wie ein Mann und ließ sich nicht bremsen. Paul bewunderte ihre Kraft und ihre Ausdauer, die sich nicht stoppen ließ. Gleichzeitig machte er sich Sorgen. Margaretha sprach nicht. Sie arbeitete, sie wütete, sie verausgabte sich… das Monster in ihr schlief.

Um Martin war es sehr still geworden. Seine Mutter war tot, was ihn nicht gerade belastete. Sein Vater war über seinen Kummer depressiv und alt geworden. Er war ihm kein aufmerksamer Gesprächspartner. Sein Bruder Ludger war vom Vater des Gutes verwiesen worden und lebte bei Verwandten im Frankenland.

Martin von Dragus fühlte sich einsam und allein. Allein unter den vielen Menschen auf seinem Gut. Agnes fehlte ihm. Er hatte sein Leben vergeudet. Hätte er rechtzeitig zu Agnes gestanden, sie wäre gewiss heute noch am Leben. Hin und wieder vergaß er seinen Kummer, dafür wuchs aber sein Hass. Sein Hass auf all diejenigen, die an Agnes’ Tod Schuld waren. Immer wieder führte er sich die Geschehnisse von vor zwei Jahren vor Augen. Wer waren die Täter? Gegen wen konnte er seine Wut richten? Natürlich stand an erster Stelle sein Bruder Ludger. Dieses Schwein hatte Agnes beim Kirchenrat in Crotzenburg angezeigt. Das war der Anfang. Alles Folgende hatte er damit ausgelöst.

Schon der Dorfknecht von Oberrodenbach, Hans Wendel, war der erste Mittäter. Dieser Untertane des Mainzer Petersstiftes sollte in Oberrodenbach für Ruhe und Ordnung sorgen. Er hatte die Schergen des Kirchenrates von Crotzenburg zu Agnes geführt und die Gefangennahme erst ermöglicht. Dann natürlich der gesamte Kirchenrat von Crotzenburg. Diese angeblich so frommen Katholiken hatten Agnes unschuldig verurteilt. Agnes. Die Gute. Sie hatte so viele Menschen vor dem Tod gerettet. Martins Hass auf diese fünf Kirchenräte wuchs und wuchs. Ja, er hasste sie, sie alle, alle Katholiken, ja alle Crotzenburger, alle, die sich am Sterben seiner Geliebten ergötzt hatten. Und natürlich…

Die beiden Folterknechte, die ihre Freude am Quälen von Agnes hatten. Martin hatte sich erkundigt beim Pfarrer von Crotzenburg und bei den einfachen Menschen im Ort. So hatte er in den letzten beiden Jahren alle schrecklichen Einzelheiten von Agnes’ Verhandlung, Folterung und Tod erfahren. Leider half ihm dieses Wissen nicht. Im Gegenteil. Je mehr er erfuhr, umso stärker wurde sein Zorn auf alle am Tod von Agnes Beteiligten. Keiner hatte ihr geholfen. Kein Mitglied des Kirchenrates, nicht einmal der oberste Kirchenrat, Maximilian Müller, der mit Martins Vater sogar befreundet war. Auch der Pfarrer von Crotzenburg war keine Hilfe.

Immer wenn Martin an diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen war, musste er sich abreagieren. Oft schwang er sich auf sein Pferd und ritt wie von Furien gehetzt über die Wiesen und Felder von Gut Dragus. Manchmal ging er auch in seinen „Übungsraum“. Dort trainierte er seit frühester Jugend den Waffenkampf, teilweise sogar mit einem Lehrer. Übungen mit dem großen Schwert, dem Kurzschwert. Zielwürfe mit dem Dolch und der Doppelaxt waren ein schweißtreibendes Abreagieren seiner Aggressionen. In seiner Vorstellung hatte er am Ende seiner Übungen alle Gegner getötet. Sein Hass aber blieb…

Mutter Elisabeth ertränkte ihren Schmerz im Gebet. Wann immer ihre Zeit es zuließ, ging sie die wenigen Schritte zur kleinen Kirche. Sie betete für die Seele ihrer Tochter Agnes… und auch für das Seelenheil von Margaretha, um das sie sich sehr sorgte. Die Gewalt, die in ihrer Enkelin steckte, ängstigte sie. Pfarrer Seipel half ihr in langen Gesprächen, den Glauben an Gott nicht zu verlieren.

Als Elisabeth wieder einmal von der Kirche nach Hause kam, wartete Martin von Dragus im Hof. Zwei gequälte Geschöpfe fanden sich in einer Umarmung.

„Martin, wie schön!“

„Ich freue mich auch, euch zu sehen, Mutter Elisabeth. Wie geht es euch?“

„Mir? Wie soll es mir gehen? Ich kann nicht vergessen, Martin.“

„Oh, das kenne ich. Ich will aber auch nicht vergessen. Ich erinnere mich an jede kostbare Minute mit Agnes und ich hasse alle, die ihren Tod verschuldet haben und… und ich hasse mich! Mich, wegen meiner Unentschlossenheit. Ich habe mein Leben und meine Liebe verloren.“

Beide schwiegen im gemeinsamen Schmerz versunken. Martin sprach dann weiter: „Ich möchte Margaretha besuchen. Wenigstens an ihr will ich etwas gutmachen. Sie sollte einen Vater haben.“

Elisabeth überlegte lange. „Lass uns ins Haus gehen, Martin.“

Als beide in der großen Stube am Tisch saßen, begann Elisabeth: „Du kommst gerade recht, Martin. Wir haben ein Problem. Margaretha darf nicht mehr zur Schule.“

„Wieso?“

„Das ist eine lange Geschichte. Margaretha ist voller Zorn und… und Gewalt. Sie hat einen Mitschüler angegriffen und fast erwürgt.“

„Aber warum?“ Martin war fassungslos.

„Er hat gesagt, dass ihre Mutter eine Hexe war.“

„Oh mein Gott. Da kann ich sie verstehen.“

„Du schon. Aber sie ist erst zwölf Jahre. Und sie ist stark. Und… und gewaltbereit! Wir haben das anfangs gar nicht ernst genommen. Sie hat Hühnern den Hals umgedreht. Sie kann große Hammel an den Hörnern in die Knie zwingen. Und sie tut es auch. Und es macht ihr Freude. Ich bin in großer Sorge. Wir müssen etwas tun. Ich liebe sie, sie ist so ein liebes Mädchen. Aber wehe, wenn sie zornig wird!“

Nach einer Weile sagte Martin: „Ich hätte da einen Vorschlag zu machen. Margaretha kann zu mir auf das Gut kommen. Für eine Weile wenigstens. Solange sie will. Solange ihr es wollt. Ich besorge ihr einen Privatlehrer und wir erziehen sie. Sie kann bei uns im Herrenhaus leben, solange ihr wollt. Bitte Elisabeth, fragt sie, denn sie muss es auch wollen. Ohne ihre Zustimmung geht das sicher nicht. Wollt ihr es versuchen?“

„Gut. Ich wäre einverstanden. Paul sicher auch. Ich werde mit Marga reden. Wenn sie einverstanden ist, kann sie für eine Zeit zu dir auf den Hof kommen.“

„So soll es sein, Elisabeth. Versucht euer Glück. Ich würde mich freuen, meine Tochter um mich zu haben, wenigstens für eine bestimmte Zeit.“

Nach einer Umarmung der zwei verwandten Seelen ritt Martin davon. Er hoffte, dass seine Tochter zu ihm kommen würde.

Margaretha besuchte Jacob in der Lohmühle. Jacobs Eltern, Maria und Hans, standen ihr sehr nahe und sie besuchte die drei sehr gerne. Mit Maria konnte sie reden, fast so wie mit ihrer Großmutter oder gar ihrer verstorbenen Mutter. Jacob war ihr ein guter Freund.

„Und du willst wirklich auf das Gut ziehen?“, fragte Jacob. Die beiden saßen am Bach direkt bei der Mühle. Der Geruch der zum Gerben eingelegten Häute und Felle lastete über dem Bach und der Wiese. Die zwei bemerkten es nicht. Nicht mehr. Jacob war es gewöhnt und Margaretha konnte nichts abschrecken. Im Gegenteil. Die blutigen Häute und auch die Kopfhäute, teilweise mit Augen und Hörnern, fanden ihr Interesse.

„Es ist doch nur für eine kurze Zeit. In die blöde Schule darf ich sowieso nicht mehr. Will ich auch nicht mehr. Jetzt, wo jeder weiß, was meine Mutter war… was sie gewesen sein soll… was mit ihr geschehen ist… Ich hätte sicher keine Ruhe mehr und ich kann ja nicht jeden verprügeln.“

„Wie war deine Mutter wirklich?“

„Sie war toll, so lieb und so schlau, sie heilte die Kranken und zum Dank… zum Dank wurde sie… ach, es ist so schrecklich. Ich vermisse sie. Und ich könnte alle töten, die ihr das angetan haben.“

Jetzt blitzte es gefährlich in Margarethas Augen.

„Ich werde dich auch vermissen, wenn du auf dem Schloss wohnst.“

„Ach Unsinn, ich werde dich wie immer besuchen.“

„Wie willst du das denn machen?“

„Als Erstes werde ich reiten lernen und mein Vater muss mir ein Pferd geben.“

„Ach, muss er?“

„Ja, muss er! Sonst werde ich nicht bei ihm wohnen. Er muss noch viel mehr, wenn ich länger bei ihm wohnen soll. Er wird schon sehen, was er an mir hat.“

„Mutter sagt, du sollst einen eigenen Lehrer bekommen und musst viel lernen.“

„Na, wir werden sehen. Lernen muss ich ja noch viel. Ich möchte auch noch einiges lernen. Aber jetzt komm, ich muss los. Ich will noch zu deiner Mutter.“

Sie fanden Maria in der großen Scheune, wo die Häute zum Gerben in großen Behältern lagen. Zusammen gingen sie in die kleine Mühle.

„So, jetzt soll es also losgehen. Zum Baron, kleine Prinzessin.“

„Nix kleine Prinzessin, die werden schon sehen, was sie sich da geholt haben. Ich will mich nur verabschieden. Aber ich komme euch oft besuchen. Versprochen.“

„Schön Margaretha. Du bist bei uns immer gern gesehen.“

„Maria?“

„Ja?“

„Erzähle mir von meiner Mutter. Wie war sie? Ich kenne sie ja nur von zuhause.“

„Also. Agnes war ein liebes Mädchen… eine liebe Frau. Sie hatte Mitgefühl und war hilfsbereit. Sie war eine gute Heilerin. Aber das weißt du doch sicher alles.“

„Ja. Aber ich möchte alles wissen.“

„Da gibt es nicht viel. Du weißt, dass sie viele Rodenbacher von der Pest geheilt hat. Sie war ein ganz besonderer Mensch, eine sehr gute Heilerin. Du weißt, dass sie Peter das Leben gerettet hat. Peter Adam, wo du mit ihr gewohnt hast.“

„Ja, natürlich weiß ich das. Aber wie war sie sonst noch?“

„Na ja. Sie war eigentlich immer die Gute. Sie liebte Martin, deinen Vater, und er liebte sie. Leider ist aus ihnen kein Paar geworden.“

„Aber warum nicht?“

„Das kannst du jetzt ja bald von Martin erfahren, wenn du auf Gut Dragus wohnst.“

„Und… und warum haben sie sie verurteilt, wenn sie doch so gut war? Und… und wer hat sie angezeigt?“

„Auch das soll dir dein Vater sagen. Frag ihn. Es ist nicht recht, wenn ich dir das erzähle. Frag ihn!“

Alle schwiegen dann. Margaretha war in Gedanken versunken.

„Nun, das werde ich. Das werde ich ganz bestimmt!“

Danach verabschiedete sie sich von Maria und Jacob und ging über die Wiesen zurück zum Dorf durch das Obertor, die Hauptstraße entlang bis zum neuen Bast-Hof. Morgen… morgen würde Martin sie holen. Sie würde lernen… und mehr erfahren über ihre Mutter. Über Agnes, die Hexe. Und sie würde sich rächen. Rächen an ihren Mördern. Sie sollten es büßen. Sie sollten genauso leiden wie ihre arme Mutter. Das schwarze Monster in ihr wuchs wieder mächtig…

Martin war mit Pferd und Wagen gekommen und holte Margaretha ab. Mutter Elisabeth und Paul verabschiedeten sie und nahmen ihr das Versprechen ab, sie regelmäßig zu besuchen. Auch Martin versprach es. Das wenige Gepäck war schnell verladen, da wandte sich Margaretha nochmals an ihre Großmutter: „Ich darf doch meine kleine Wohnung in dem Häuschen behalten mit der Apotheke von Mutter?“

„Aber natürlich, Marga. Hier ist immer dein Zuhause. Wir freuen uns immer, wenn du kommst. Das Häuschen und die Apotheke gehören dir.“

„Danke Großmutter, danke Paul. Bis bald.“

Ohne sich umzusehen stieg sie zu Martin auf den Wagen. Dann fuhren sie in Richtung Oberrodenbach und danach den schmalen Weg die Anhöhe hinauf, wo bald das Gut in Sicht kam. Sie hatten bisher nicht gesprochen. Kurz vor dem Herrenhaus hielt Martin das Gespann an: „Also Margaretha. Ich freue mich darüber, dass du bei uns wohnen wirst. Ich werde alles tun, damit du es nicht bereust. Du hast ein eigenes Zimmer im Haus. Ich werde mich selbst um dich kümmern. Mein Vater freut sich auch schon auf ein neues frisches Leben bei uns. Da ist dann noch meine Schwester Johanna. Sie ist still und verschlossen, hat aber nichts gegen dein Kommen. Weiterhin habe ich einen Lehrer gefunden, der dir alles Schulische beibringen wird. Was du sonst noch lernen musst, kannst du von mir und meiner Schwester erfahren. Du kannst dich immer frei auf dem Gut bewegen.“

Margaretha schwieg.

„Hast du irgendwelche Fragen?“

„Die werden schon noch kommen. Kann ich dich weiter Martin nennen oder muss ich dich Vater nennen?“

„Nein, Martin ist schon gut. So sind wir es gewöhnt.

Darf ich dich Marga nennen?“

„Nein! Das durfte nur Mutter und Großmutter!“

„Gut, gut. So bleibt es bei Margaretha.“

Sie fuhren durch die Einfahrt zum Haupthaus.

Kapitel 2

Für Margaretha hatte ein neues Leben begonnen. Es vergingen die Jahre. Schreckliche Jahre für Rodenbach. Es war immer noch Krieg. Rodenbach war ein geschundenes Dorf. Die Pest hatte die halbe Bevölkerung vernichtet. Durchziehende Soldaten hatten geplündert und weitere Todesopfer gefordert. Die Bevölkerung verarmte. Immer wieder kam es zu neuen Plünderungen. Auch wurden Soldaten im Dorf stationiert, die sich von den Bewohnern ernähren ließen. Oberrodenbach war hiervon weniger betroffen. Noch weniger das Gut Dragus, obwohl auch hier räuberische Banden versuchten, das Gut zu plündern. Einige Überfälle konnten aber abgewehrt werden. So vergingen weitere fünf Jahre. Margaretha war erwachsen. Sie hatte sich ein Pferd auf dem Hof aussuchen dürfen und war inzwischen eine begnadete Reiterin. Martin war ihr Lehrer und konnte kaum noch mit ihr mithalten. Sie ritt wie der Teufel. Oft besuchte sie ihre Großmutter und auch Jacob in der Mühle oder auf dem Rießel-Hof mit dem Pferd, einem schwarzen wilden Hengst, den eigentlich kein anderer reiten wollte.

Irgendwann war der Augenblick gekommen, wo sie Martin nach ihrer Mutter ausfragen wollte. Sie ritten gemeinsam über die Wiesen am Gut in Richtung Alzenau und machten Halt unter den Pfirsichbäumen, die Martin nur allzu gut kannte. Hier hatte er sich oft mit Agnes getroffen. Es war ihr Platz! Hier hatten sie sich geliebt. Jetzt saß er hier mit seiner Tochter.

„Erzähle mir von Mutter.“

„Was möchtest du wissen?“

„Alles!“

„Du weißt doch schon alles.“

„Nein. Warum hast du sie nicht zu dir geholt und geheiratet?“

Martin überlegte.

„Nun?“

„Ich wollte ja, aber… aber Mutter war dagegen. Sie hielt Agnes für nicht standesgemäß. Ich sollte eine Adelige heiraten.“

„Und du hast dir das gefallen lassen? Obwohl ich schon geboren war?“

„Ja, leider. Heute bereue ich es jeden Tag. Das musst du mir glauben. Ich habe mein Leben vergeudet. Das ist bitter.“

„Nur kein Selbstmitleid. Du selbst hättest es ändern können.“

„Ja, ich weiß. Aber ich wollte keinen Krieg in der Familie. Vater auch nicht. Und so verging Jahr um Jahr. Irgendwann, kurz vor Mutters Tod, wollte ich einen neuen Versuch starten, aber dann war es zu spät und… und Agnes war festgenommen.“

„Wie ist das gekommen? Und wer war schuld?“

„Ach, das ist eine komplizierte Geschichte.“

„Dann erklär sie mir. Ich bin alt genug.“

„Also gut. Agnes hatte viele Menschen von der Pest geheilt, das weißt du. Aber natürlich sind auch viele gestorben. Sie konnte ja nicht jeden retten. Nur gesunde und starke Personen hatten eine Chance, die Schwachen starben. Irgendwann waren einige Leute eifersüchtig, weil ihre Verwandten starben, während andere überlebten. So wurde Agnes beschuldigt, nur die Personen zu retten, die sie retten wollte. Die Personen, die starben, hätte sie angeblich nicht retten wollen. Sie hätte die Macht über Leben und Tod gehabt. So wurde sie beschuldigt und angezeigt.“

„Das ist mir zu allgemein! Wen hat sie sterben lassen und wer hat sie angezeigt?“

Martin schluckte.

„Nun, sie hat einige wichtige Leute gerettet. Andere nicht. Unter anderem… meine Mutter Katharina.“

„Deine Mutter? Meine Großmutter?“

„Ja, sie ist an der Pest gestorben. Aber Agnes konnte sie nicht retten. Sie war schon länger krank und so schwach, dass sie die Pest nicht überleben konnte. Sie wollte auch von Agnes nicht behandelt werden. Agnes war nicht schuld an ihrem Tod.“

„Das glaube ich gerne. Aber wer hat sie dann beschuldigt?“

Martin fiel die Antwort sichtlich schwer.

„Mein… mein Bruder Ludger!“

„Dein eigener Bruder. Das gibt es doch nicht!“

„Doch. Ludger hat Agnes gehasst.“

„Warum?“

„Auch das ist eine lange Geschichte.“

„Du musst sie mir erzählen, los!“

„Ludger war… ist ein böser Mensch. Er wollte Agnes vergewaltigen… hier an diesem Platz, wo wir sitzen.“

„Hier? Vergewaltigen?“

„Ja, hier.“

„Und, ist es ihm gelungen?“

„Nein, Gott sei Dank nicht. Er… er hatte ihr schon die Kleider vom Leib gerissen, da hatte Agnes ihr Messer gezogen und ihm ins Bein gerammt. Dann konnte sie in die Burg nach Alzenau fliehen. Ludger war schwer verletzt.“

„Das gefällt mir! Das geschah ihm recht! Wie ging es dann weiter?“

„Die Verletzung war so schwer, dass Ludger fast gestorben ist. Durch Agnes’ Vermittlung konnten wir ihn nach Hanau ins Hospital bringen, wo er dann operiert wurde. Man konnte ihn und sein Bein retten, aber es blieb steif und er konnte nicht mehr richtig laufen. Seit der Zeit hasste er Agnes. Seine Rache war die Anzeige beim Kirchenrat in Crotzenburg. Er bezichtigte Agnes der Hexerei, weil sie unsere Mutter verhext hätte und diese dann qualvoll starb.“

„Wie entsetzlich. Und Mutter konnte sich nicht wehren?“

„Wie denn? Sie wurde verhaftet und abgeholt und landete im Kerker in Crotzenburg.“

„Und sie konnte ihre Unschuld nicht beweisen?“

„Nein. Der gesamte Kirchenrat war gegen sie, ebenso der Pfarrer von Crotzenburg und… und natürlich Ludger, der saß sogar als Schöffe bei der Verhandlung. Sie hatte keine Chance gegen die fünf kirchlichen Richter.“

„Oh mein Gott. Meine arme Mutter!“

Margaretha überlegte eine Weile: „Konnte ihr keiner helfen?“

„Nein. Sie musste ja alles zugeben, was man ihr vorgeworfen hatte. Sie hatte ja wirklich viele Menschen gerettet und viele starben, wie auch meine Mutter. Es gab also nichts zu leugnen. Wir waren zweimal in Crotzenburg und haben alles versucht, sie zu retten. Ich, sogar mein Vater, deine Großmutter und Paul, Maria und Hans. Sogar der Medicus aus Hanau war da. Der Pfarrer von Rodenbach. Alles war vergebens.“

„Und dann wurde sie verbrannt!“

„Das weißt du?“

„Natürlich! Ich habe es sogar vorhergesehen.“

„Du hast was?“

„Ich habe es vorhergesehen. Ich sah sie im blauen Kleid brennen!“

„Oh mein Gott! Im blauen Kleid? Das habe ich ihr noch hingebracht. Du hast es wirklich gesehen?“

„Ja. Ich habe es gesehen und keiner hat mir geglaubt.“

Martin schwieg entsetzt.

„Hast du öfter etwas vorhergesehen?“

„Ja. Zum Beispiel Großvaters Tod und noch mehr. Heute weiß ich, dass es Vorhersehungen waren. Damals dachten alle, ich hätte nur etwas geträumt.“

„Dachten alle? Wer weiß das noch? Das ist gefährlich!“

„Nur Großmutter und Eva.“

Martin war immer noch entsetzt.

„Das müssen wir aber für uns behalten. Sonst hält man dich auch noch für eine Hexe.“

„Ja. Aber ich fürchte mich nicht.“

„Und wenn du wieder etwas siehst, sprichst du mit mir. Versprich es mir.“

„Ja. Und… und ich sehe schon manchmal wieder etwas.“

„Was?“

„Das Gut. Das Gut ist in Gefahr. Plünderer werden kommen und es überfallen. Aber ich sehe Kämpfe. Mehr nicht. Noch nicht!“

„Oh mein Gott, Margaretha!“

„Marga! Sag Marga zu mir.“

Martin traten die Tränen in die Augen.

„Gerne… Marga.“

„Martin, ich möchte kämpfen lernen. Ich möchte kein schwaches Weib sein. Ich möchte mich verteidigen können. Lehre mich das Kämpfen. Mit den Waffen auf Gut Dragus.“

„Mit den Waffen auf unserem Gut?“

„Ja, ich weiß, dass es unten im Keller einen Raum gibt, wo du das Kämpfen mit Schwert und Doppelaxt und anderen Dingen übst. Vor allem, wenn du Zorn hast. Ich möchte das alles lernen.“

„Nein. Das kann ich nicht erlauben. Du bist eine Frau!“

„Na und? Ich bin stark und ich möchte kämpfen können wie ein Mann. Ich möchte auch das Gut verteidigen helfen, wenn Plünderer kommen. Du bist sonst ganz allein mit deinen Knechten vom Gut, wie so oft. Also?“

„Kann ich mich weigern?“

„Nein, sonst verlasse ich Gut Dragus und lerne in der Fremde!“

„So soll es denn sein. Aber ich bin dagegen.“

„Gut. Das weiß ich jetzt, trotzdem möchte ich im Waffenkampf unterrichtet werden. Am besten von dir. Ich weiß, dass du es kannst.“

„Gut… Marga. Ich werde dich unterrichten. Gleich morgen fangen wir an. Aber es ist lebensgefährlich. Wenn du dich auf einen Kampf einlässt, kannst du auch sterben.“

„Ich fürchte mich nicht vor dem Tod. Ich will nicht sterben wie meine Mutter. Chancenlos der Gewalt von anderen ausgeliefert. Ich will und werde kämpfen.“

Beide schwiegen vom Gespräch ermüdet.

„Noch etwas, Martin.“

„Ja?“

„Wo ist dein Bruder Ludger jetzt? Ihr habt ihn mir all die Jahre verschwiegen.“

„Wir haben ihn vom Gut verbannt. Er lebt bei Verwandten in Würzburg.“

„So. Gnade ihm Gott, wenn er sich hier blicken lässt!“ Margas Augen sprühten Feuer und ihr Dämon begann, sich zu erheben…

Nach dem Frühstück gingen Martin und Margaretha in den Kellerraum. Martin nannte ihn die „Waffenkammer“, weil die Familie dort alle Waffen lagerte, auch die alten Waffen vergangener Zeiten von den Vorbesitzern von Gut Dragus. Margaretha staunte beim Eintreten: „Was für eine Menge Waffen! Was für schöne Waffen!“

„Ja, es sind auch ganz alte Stücke dabei, aus der Ritterzeit. Siehe die Streitaxt und die Doppelaxt, die vielen Schwerter und die alten Rüstungen. Wir bewahren sie auf für künftige Generationen.“

„Und sie werden nicht mehr benutzt?“

„Doch, einige schon. Die Dolche, die Schwerter und die Äxte. Wir geben sie auch unseren Knechten, wenn wieder Plünderer oder Soldaten erwartet werden. Aber unsere Knechte benutzen lieber ihre Mistgabeln und Dreschflegel zum Kämpfen.“

Martin lachte.

Margaretha wanderte durch den großen Raum. Am Ende standen mehrere Holzwände mit unzähligen großen Rissen.

„Für was sind die denn?“

„Das sind Übungs- und Zielwände. Man wirft die Axt oder den Dolch, starke Leute auch die schwere Doppelaxt, auf die Wand und übt das Zielen. Schau einmal neben die Wände, dann kannst du sehen, wie oft ich schon an der Wand vorbei geworfen habe. Die Wand müsste eigentlich bald einstürzen.“

Wieder lachte Martin. Er schien hier unten wie befreit.

„Ich möchte endlich kämpfen lernen!“, rief Margaretha.

„Langsam. Wir müssen zuerst überlegen, mit was wir beginnen. Es gibt auch noch Pfeil und Bogen und Gewehre.“

„Die Gewehre interessieren mich nicht. Pfeil und Bogen schon eher. Am meisten interessiert mich der Schwertkampf.“

„Ausgerechnet. Das ist die schwerste Disziplin. Dafür muss man lange üben und man braucht Kraft. Die Schwerter sind schwer.“

„Ach komm! Ich bin stark. Lass uns die Schwerter nehmen.“

Martin seufzte. „Gut. Aber du kannst nicht in deinem Kleid üben. Du musst dich anziehen wie ein Kämpfer, damit du dich schnell bewegen kannst und du musst dich schützen. Du brauchst eine Schutzkleidung. Am liebsten wäre mir eine eiserne Rüstung für dich.“

Martin lachte wieder.

„Ja ja, mache nur Witze. Also was machen wir jetzt?“

„Warte. Ich weiß etwas. Wir haben eine Schutzkleidung. Die hatten wir für Johanna besorgt, aber sie hat sie kaum benutzt. Sie wollte dann doch nicht kämpfen, es war ihr zu schwer und zu wenig weiblich. Augenblick, ich hole dir die Teile.“

Martin suchte in den vielen Holztruhen. Bald hatte er gefunden, was er suchte. Er legte die Teile vor Margaretha auf den Boden.

„Schau, ein Brustpanzer aus Leder. Armmanschetten aus Leder, einen Lederrock, in der Mitte geschlitzt für eine große Beinfreiheit. Hier eine lederne Kopfbedeckung, um die Haare zu bändigen, hohe Stiefel und dann das Wichtigste: ein leichtes Kurzschwert. Das war Johannas Ausrüstung. Sie sah darin aus wie eine Kriegerin. Willst du wirklich so etwas tragen?“

„Na klar. Gib her, ich will es anprobieren!“

Margaretha nahm die Teile entgegen und strich bewundernd über das braune harte Leder. Sofort öffnete sie ihr Kleid und ließ es mit den Unterröcken zu Boden fallen. Bis auf die Unterhose stand sie nackt da.

Martin wandte sich errötend ab. Doch er musste noch einmal hinsehen. So schön war seine Tochter! Ihre Brüste waren groß und fest, ihr Bauch flach, sie war sehr schlank und hatte endlos lange Beine. Ihre Haut war gebräunt und sah sehr weich und makellos aus. Martin war fasziniert von ihrer Schönheit. Und groß war sie! Größer als er, das bemerkte er erst heute so richtig. Seine Tochter! Eine große Schönheit. Martin konnte den Blick nicht von ihr abwenden und schämte sich etwas dafür: „Du sollst dich doch nicht vor mir ausziehen. Das macht man nicht!“

Margaretha lachte.

„Du bist doch mein Vater! Ich bin gerne nackt. Man fühlt sich so frei.“

„Trotzdem. Ziehe etwas an. Von mir aus die Schutzkleidung von Johanna.“

Martin fiel ein, dass sich Agnes ihm auch gerne nackt gezeigt hatte, vor allem an ihrem Lieblingsplatz unter den Pfirsichbäumen unten am Teich, wo sie sich liebten. Schnell fand Martin in die Gegenwart zurück. Margaretha hatte sich inzwischen den Brustpanzer angelegt.

„Binde ihn mir bitte zu!“, forderte sie Martin auf. Schnell schritt Martin hinter sie und zog die Schnüre stramm und verknotete sie. Als Margaretha sich umdrehte, sah er, dass sie den Brustpanzer gut ausfüllte. Ihre Brüste quollen oben aus dem Panzer heraus. Ein sensationeller Anblick!

Margaretha zog die Lederstulpen über die Arme und zog sich dann die langen Lederstiefel an. Sie passten tatsächlich und gingen hoch bis über die Knie. Zuletzt zog sie noch den Lederrock an. Er war in der Mitte hoch geschlitzt und bei jeder Bewegung sah man Margarethas Beine und Oberschenkel. Ein Anblick, der jeden Mann verwirren musste. Sie drehte sich im Kreis und lachte laut, als sie Martins Blick auf ihre nackten Beine sah. Sie wusste genau, was solche Blicke zu bedeuten hatten. Martin war ja auch nur ein Mann.

„Nun schau nicht so. Hole dein Schwert und zeige mir, wie man damit umgeht!“

Martin holte sein Schwert, welches an der Wand hing. Es war groß und sah sehr schwer aus. Die erste Übungsstunde begann.

Nach der Übungsstunde ging Margaretha verschwitzt auf ihr Zimmer. Ihre „Rüstung“ hatte sie im Keller gelassen und wieder ihre Kleider angezogen. Sie musste sich dringend waschen. Sie holte sich einen großen Krug mit Wasser und goss ihn in eine Waschschüssel. Sie legte Lappen und Tücher zurecht und zog sich aus. Nackt trat sie vor den Spiegel, den sie sich von Johanna erbeten hatte. Im Spiegel konnte sie ihren ganzen Körper sehen. Sie kannte ihn sehr genau. Sie war stolz auf ihre großen Brüste und ihre langen Beine. Gedankenverloren begann sie sich zu waschen. Sie wusch sich überall gründlich bis sich in ihrem Unterleib ein wohliges Gefühl einstellte. Sie kannte ihren Körper und dessen Reaktionen genau. Sie wusste, dass sie leicht erregbar war. Zu oft hatte sie dieses Gefühl ausgiebig genossen. Zum ersten Mal hatte sie dieses Gefühl beim Reiten erlebt. Es war bei einem ihrer ersten längeren Ausritte. Sie hatte keine feste Hose an, wie sie die Männer trugen. Sie wollte aber reiten wie ein Mann. So hatte sie ihren Rock zurück geschlagen und ihre nackten Beine fest an das Pferd gepresst. Da sie noch sehr unsicher war, umschlang sie den warmen Pferdebauch fest mit ihren Beinen und hockte so verkrampft nach vorne geneigt, dass Martin lachen musste.

„Locker bleiben, Marga. Die Bewegung des Pferdes mitgehen. Nicht so festkrallen!“

Leicht gesagt. Sie presste sich fest in den Sattel und ritt los. Jede Bewegung des Pferdes erschütterte ihren Schoß. Der Ritt wurde schneller und die Stöße härter. In ihrem Unterleib begann es zu brodeln. Ein heißes Gefühl durchzuckte ihren ganzen Körper. Schwer atmend hielt sie ihr Pferd an. Martin schloss zu ihr auf und hielt sein Pferd neben ihrem an. Er sah in ihr angestrengtes Gesicht: „Das ist natürlich sehr anstrengend, wenn du dich so an das Pferd klammerst. Du musst locker bleiben, aufrecht sitzen und die Bewegungen des Pferdes mitgehen. Dann fällt dir das Reiten auch leicht. So wie du jetzt geritten bist, werden dir alle Knochen und Muskeln schmerzen.“

Martin lachte.

Margaretha hatte da ganz andere Gedanken.

Heute beendete sie ihren Waschvorgang eilig und zog sich wieder an. Das angenehme Gefühl mit dem sehnsuchtsvoll erwarteten Abschluss wollte sie sich für den Abend aufheben.

Margaretha war jetzt im neunzehnten Lebensjahr. Sie kannte ihren Körper und dessen Funktionen ganz genau. Als sie etwa im vierzehnten Lebensjahr war, hatte sie viele Fragen, die ihren Körper und das Zusammenspiel zwischen Mann und Frau betrafen. Sie stellte zunächst Johanna einige harmlose Fragen, wurde aber nur mit knappen unzulänglichen Kommentaren abgespeist. Sie musste also ihre Antworten woanders suchen. Ihre Großmutter wollte sie nicht fragen, dann schon eher Eva. Und so kam es, dass Margaretha umfassend von Eva aufgeklärt wurde. Sie fand das alles sehr spannend und konnte gar nicht abwarten, einiges auszuprobieren. So lernte sie bald ihren Körper kennen und scheute sich nicht, ihn zu benutzen. Ihre Wirkung auf Männer hatte sie schnell herausgefunden und sie suchte das gefährliche Spiel.

So testete sie schon seit Längerem ihre Wirkung auf den Stallburschen Johannes. Dieser hatte die Aufsicht über die Reitpferde und konnte ihr so nützlich sein. Johannes war jung und seine Blicke verrieten, wie er sie begehrte. Margaretha bemerkte natürlich die Gier in seinen Augen und reizte ihn gerne, indem sie ihm einige Einblicke in ihre Weiblichkeit gönnte. So ließ sie sich von ihm in den Sattel helfen, obwohl dies gar nicht nötig war. Johannes konnte so ihre langen nackten Beine bis zum Ende sehen. Auch bückte sie sich gerne vor ihm, so dass er ihre Brüste fast ganz sehen konnte. Für solche kleine Gefälligkeiten half ihr Johannes dann gerne. Wenn Margaretha wieder einmal am späten Mittag ausreiten wollte, holte er ihr den schwarzen Hengst und sattelte ihn für sie. Wenn sie dann spät bei Einbruch der Dunkelheit zurückkam, nahm er das Pferd in Empfang, trocknete es ab, nahm den Sattel ab und führte es in den Stall. Am wichtigsten war aber, dass er ihre späten Ausritte geheim hielt. Martin sollte nichts davon erfahren. Er war gegen die Ausritte so spät am Tag ohne seine Begleitung.

Einmal kam sie nach einem solchen Ausritt im Halbdunkel zurück. Johannes nahm sie wie immer in Empfang, indem er das Pferd festhielt, bis Margaretha abgestiegen war. Sie standen sich dann gegenüber und keiner ging weg. Margaretha ging einen Schritt auf ihn zu und lächelte ihn an. Johannes wusste nicht, wo er hinsehen sollte.

„Na Johannes, greif zu!“

„Was, wie?“

Seine Verwirrung belustigte Margaretha. Sie nahm seine beiden Hände und legte sie auf ihre Brüste. Mutig fasste Johannes in ihr Kleid und presste ihre Brüste fest. Margaretha stöhnte leicht, aber nicht vor Schmerz, sondern weil es ihr gefiel. Bald ließ Johannes los und griff in den Schlitz ihres Rockes und fuhr den Oberschenkel hoch.

„So, das reicht jetzt. Ein andermal gibt es mehr.“

Sie wich zurück und sprang lachend davon. Johannes blieb enttäuscht zurück. Ein andermal! Darauf konnte sie wetten.

Wieder übte Margaretha mit Martin in der

„Waffenkammer“.

„Ich glaube, ich kann dir nichts mehr beibringen, Marga. Du kannst mit dem Schwert besser umgehen als jeder Mann, den ich kenne, ja vielleicht bist du sogar schon besser als ich.“

„Das kann nicht sein. Du hast das größere und schwerere Schwert, da kannst du nicht so wendig sein wie ich und ich fürchte mich etwas vor einem starken Hieb mit diesem Schwert.“

„So, so.“

„Ja. Lass uns einmal tauschen, Martin. Gib mir einmal dein Schwert… bitte.“

„Aber das ist zu schwer für dich!“

„Glaubst du? Los, lass uns tauschen!“

Schweren Herzens gab ihr Martin sein Schwert. Bald kreuzten sie die Klingen und Martin staunte heimlich über die Kraft seiner Tochter. Margaretha änderte ihre übliche Angriffstaktik und ließ sich zurückdrängen. Martin glaubte schon, die Oberhand zu haben, und wurde etwas nachlässig. Schnell umfasste Margaretha das große Schwert mit beiden Händen und führte einen kraftvollen Hieb gegen das Schwert von Martin. Die Wucht des Hiebes war so groß, dass Martins Schwert in hohem Bogen durch die Luft flog und ihm das Handgelenk schmerzte.

Normalerweise war er jetzt unterlegen. Er hielt sich sein Handgelenk und sagte erstaunt: „Genug! Du hast gewonnen. Du kannst wirklich perfekt mit dem Schwert umgehen und jeden… Mann schlagen. Ich kann dir nichts mehr beibringen.“

Margaretha tat das Lob gut:„Wie geht es deiner Hand? Habe ich dir wehgetan? Es tut mir leid.“

„Ja, ja, spotte nur über deinen alten Vater. Ich habe es ja verdient, schließlich habe ich dir das Kämpfen mit dem Schwert beigebracht.“

„Du warst ein guter Lehrer. Der beste überhaupt. Aber ich möchte noch mehr können. Ich möchte mit dem Dolch umgehen können und ihn mit dir auf die Holzwand werfen und zielen lernen. Auch mit der Doppelaxt möchte ich umgehen können und später auch noch mit Pfeil und Bogen.“

„Mein Gott! Was möchtest du werden? Eine Kriegerin? Eine Drachentöterin? Es gibt keine Drachen mehr, Marga. Ich spüre deine Entschlossenheit. Gegen wen willst du kämpfen? Du willst doch nicht nur unseren Hof verteidigen?“

„Doch, auch.“

„Auch? Und was noch?“

Margaretha schwieg. Beide setzten sich auf eine der schönen alten Holztruhen. Margaretha sah Martin an: „Hast du keinen Hass auf alle, die Mutter gequält und umgebracht haben? Wolltest du nie wissen, wer die Leute waren? Wolltest du dich nie an ihnen rächen?“

Martin sah seine Tochter verwundert an: „Doch. Natürlich. Warum fragst du? Ich hätte sie alle umbringen können. Jeden einzelnen. Ich denke noch heute manchmal daran. Am liebsten würde ich dann auf mein Pferd springen, mein Schwert mitnehmen und blutige Rache nehmen. Aber dann siegt doch die Vernunft. Entweder ich reite wie ein Irrer über Wiesen und Felder oder ich komme hier in den Keller und werfe die Doppelaxt so lange gegen die Holzwand, bis ich meinen Arm nicht mehr heben kann. Agnes fehlt mir. Jeden Tag. Und ich habe es versäumt, mit ihr ein gemeinsames Leben zu führen. Dann war es zu spät. Sie hatten sie mir genommen. Sie gefoltert. Sie getötet. Alles in mir schrie… und schreit heute noch nach Rache… Auch wenn es unvernünftig ist.“

Martin schwieg erschöpft von der langen Rede und dem vorhergegangenen Kampf.

„Wolltest du denn nie wissen, wer genau die Leute waren, die Mutter so gequält haben?“

„Oh doch! Und ich weiß es auch. Ich habe mich genau erkundigt. Ich wollte es genau wissen und die Leute zur Rede stellen… Vielleicht wollte ich mich auch an ihnen rächen. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls kenne ich alle, die an Agnes’ Tod schuld haben.“

„Ich möchte das auch alles wissen. Wer sind die Mörder? Was haben sie gedacht? Warum hat keiner Mutter geholfen? Nicht einmal der Pfarrer. Weder unser Pfarrer aus Rodenbach, noch der aus Crotzenburg. Ich will einfach alles wissen. Wer war der Hauptschuldige? Außer deinem Bruder natürlich… der soll mir ja nicht begegnen… jetzt, wo ich mit dem Schwert umgehen kann!“

Margaretha ließ sich von ihrem Zorn leiten und das schwarze Monster in ihr begann sich wieder zu regen. Sie schritt zur Doppelaxt, nahm sie von der Wand und schleuderte sie mit aller Kraft auf die Holzwand… sie fiel krachend um.

Martin war erschrocken. So einen Wurf hatte er noch nie gesehen! Wo nahm sie die Kraft her?

„Beruhige dich, Marga.“

„Ich will mich nicht beruhigen. Mein Zorn auf die Mörder wird eher größer als kleiner. Meine Mutter war so gut… so gut zu allen… sie fehlt mir.“

„Ich verstehe dich, Marga.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Erzähle mir alles, was du über die Mörder herausgefunden hast.“

„Aber warum? Lass die Geschichte ruhen.“

„Nein! Ich will alles wissen. Alles, verstehst du? Ich kann sonst keinen Frieden schließen, weder mit mir, noch mit den anderen. Also, wer waren die Schuldigen?“

„Nun, da gibt es mehrere. Die schlimmsten waren natürlich Ludger und… und ein Bauer aus Rodenbach. Er heißt Johann Lucas. Er hat einen Sohn Fritz, der ist in deinem Alter.“