Marie Curie - Maja Nielsen - E-Book

Marie Curie E-Book

Maja Nielsen

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Beschreibung

Paris 1898, ein baufälliger Schuppen, durch den der Wind pfeift. An einem riesigen Siedetopf steht eine junge Frau und rührt in der schwarzen, brodelnden Masse. Warum sie das tut? Marie Curie - so heißt die junge Frau - ist einer geheimnisvollen Kraft auf der Spur: der Radioaktivität. Marie Curie ist eine Legende in der Welt der Wissenschaft. 2011 jährt sich zum 100. Mal die Verleihung des Chemie-Nobelpreises an die Forscherin. Ihr zu Ehren wurde das Jahr zum Internationalen Jahr der Chemie erklärt. Wer ist die Frau, die solch einzigartige Erfolge errungen hat? Marie Curie musste auf dem Weg vom hochbegabten, wissensdurstigen Mädchen zur gefeierten Wissenschaftlerin viele Hürden überwinden. Den Weg dieser ungewöhnlichen Frau beschreibt die Autorin Maja Nielsen mit Unterstützung einer ganz besonderen Expertin: Hélène Langevin, Enkelin von Marie Curie und selbst Kernphysikerin.

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Maja Nielsen

Marie Curie

>>>Die Entdeckung der Radioaktivität

Wissenschaftliche Beratung: Dr. Peter Aufmuth

Die Autorin Maja Nielsen ist gelernte Schauspielerin. Durch ihre beiden Söhne kam sie zum Schreiben spannender Abenteuergeschichten. Viele davon sind als Bücher und Hörbücher erschienen oder wurden als Hörspiele und Reportagen im Rundfunk gesendet. Für die Bücher der Reihe Abenteuer & Wissen stehen ihr Experten der jeweiligen Sachgebiete zur Seite.

Wissenschaftliche Beratung dieses Bandes: Dr. Peter Aufmuth Der Physiker Dr. Peter Aufmuth ist Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover. In seiner Doktorarbeit untersuchte er, wie sich die Größe von Atomkernen unter bestimmten Bedingungen ändert, und arbeitete auch mit radioaktiven Isotopen. Zudem beschäftigte er sich innerhalb einer Forschungsgruppe damit, Gravitationswellen nachzuweisen. Heute ist er am Institut für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Hélène Langevin-Joliot, 1927 geboren, ist die Tochter von Irène und Frédéric Joliot-Curie und Enkelin von Marie Curie. Auch sie ist Kernphysikerin. Sie arbeitete am Kernforschungsinstitut in Orsay und als Professorin für Kernphysik an der Universität von Paris. Bis heute engagiert sie sich auf vielfältige Weise für junge Wissenschaftler und für den friedlichen Einsatz der Atomenergie.

Copyright 2024 Gerstenberg Verlag, Hildesheim

Alle Rechte vorbehalten.

Illustrationen: Magdalene Krumbeck, Wuppertal

Grafiken: Peter Palm, Berlin

Der Gerstenberg Verlag behält sich die Nutzung seiner Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von §44b UrhG ausdrücklich vor.

www.gerstenberg-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-8369-9216-9

Inhalt

>>>Radioaktivität

1.Seltsame Strahlen

2.Maries Kindheit

3.Die Entdeckung des Radiums

4.Anerkennung und Preise

5.Der Unfall

6.Kriegsjahre

7.Irène

8.Welt in Flammen

9.Kernphysik heute

Chronik

Tipps

Radioaktivität

>>>Radioaktivität ist für uns heute eine Energiequelle von enormer Kraft. Obwohl uns natürliche Radioaktivität überall umgibt – in der Luft, die wir atmen, im Wasser, das wir trinken, im Erdreich, auf dem wir gehen, und sogar in unseren Nahrungsmitteln –, blieb sie den Menschen lange Zeit verborgen: Wir haben kein Sinnesorgan, um diese Kraft wahrzunehmen. Wir können natürliche Radioaktivität weder sehen, noch spüren oder riechen, noch schadet sie uns, da sie in der Natur nur in geringsten Mengen vorkommt. Erst vor etwas mehr als 100 Jahren wird die geheimnisvolle Strahlung durch Zufall entdeckt und von einer aus Polen stammenden Studentin erforscht. Ihr Name: Marie Curie.

Als sich die junge Frau für ihre Doktorarbeit mit der Frage beschäftigt, wie die unsichtbare, durchdringende Strahlung zu erklären ist, die das Schwermetall Uran aussendet, kommt sie unerwartet dem Geheimnis der Atome auf die Spur. Ihre Forschung steht am Anfang von vielen grundlegenden Entdeckungen und Erkenntnissen, die uns die Beschaffenheit der Bausteine unserer Welt erhellen. Auf welch spannende Weise die Erforschung der Radioaktivität vonstatten ging und wie dramatisch die Entdeckungen der Atomforscher das Leben der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, wird in diesem Buch erzählt.

Der Weg Marie Curies vom wissensdurstigen Mädchen zur gefeierten Wissenschaftlerin wird dabei mit Unterstützung einer ganz besonderen Expertin beschrieben: Hélène Langevin, Enkelin von Marie Curie und selbst Kernphysikerin. Marie Curie hat in einem alten baufälligen Schuppen ihre Forschungen begonnen. Heute arbeiten Kernphysiker in Laboren wie dem CERN, die so groß sind wie eine riesige Fabrik!

1.

Seltsame Strahlen

>>>Dezember 1897, Rue Lhomond, im Zentrum von Paris. Ein ungemütlicher, feuchter Raum in der städtischen Schule für Physik und Chemie. An einem der Tische steht eine dünne, dunkel gekleidete, etwa dreißigjährige Frau, die aschblonden, krausen Haare streng zurückgebunden. Marie heißt sie. Marie Curie.

Konzentriert blickt die junge Wissenschaftlerin auf das Gerät, das vor ihr steht: ein Elektrometer, mit dem sie die von der Luft geleitete Menge der Elektrizität misst. Sie hat sichergestellt, dass die Feuchtigkeit des Raums dem Gerät nichts anhaben kann. Ihre Messergebnisse sind absolut zuverlässig – wie alles, was Marie anpackt. Ihr Physikstudium an der ehrwürdigen Pariser Universität Sorbonne hat sie als Beste ihres Jahrgangs abgeschlossen. Und das, obwohl sie aus Polen stammt und zu Beginn ihres Studiums erst einmal richtig Französisch lernen musste. Auch einen Abschluss in Mathematik hat sie in der Tasche. Die Frau mit dem ernsten Gesicht hat die zweitbeste Prüfung von allen Studenten abgelegt.

Jetzt hat sie sich vorgenommen, ihre Doktorarbeit im Fach Physik zu schreiben. Deshalb sitzt sie zehn bis elf Stunden täglich in diesem armseligen, beengten Raum, der bis vor Kurzem noch als Lagerraum diente und über den einer ihrer Kollegen urteilt, er sei eine Kreuzung zwischen einem Kartoffelkeller und einem Stall. Eine Frau mit Doktortitel in den Naturwissenschaften? Sie wäre in Frankreich die erste. Nicht wenige Wissenschaftler halten es für ganz und gar ausgeschlossen, dass eine Frau in der Lage ist, einen nennenswerten Beitrag in der naturwissenschaftlichen Forschung zu leisten. Neuntausend Studenten sind an der Pariser Universität Sorbonne eingeschrieben, darunter nur etwa 250 Frauen, die abfällige Bemerkungen über sich ergehen lassen müssen. „Sie sehen meist aus wie Lehrerinnen und tragen Brillen. Bei Prüfungen rattern sie mit bewundernswerter Genauigkeit herunter, was sie gelernt haben“, spöttelt man, „sie verstehen es nicht immer.“ Wenn Marie als Wissenschaftlerin ernst genommen werden möchte, braucht sie einen Doktortitel. Kein Weg führt daran vorbei. Ihr Traum ist, Forscherin zu werden. Sie wird hart dafür arbeiten, dass dieser Traum wahr wird – egal, was für Schwierigkeiten auf sie zukommen.

Henri Becquerel

Der französische Physiker Henri Becquerel (1852–1908) gilt als der Entdecker der Radioaktivität. Er beschäftigt sich ab 1891 mit Phosphoreszenz. Das ist die Eigenschaft mancher Stoffe, längere Zeit nachzuleuchten, wenn sie mit Licht oder Röntgenstrahlen behandelt worden sind. Dabei stellt er durch Zufall fest, dass Uransalze von selbst eine Strahlung abgeben, unabhängig von Licht oder anderen äußeren Einflüssen. Damit war er dem Phänomen der Radioaktivität auf die Spur gekommen. Am 24. Februar 1896 berichtet er vor der Akademie der Wissenschaften von dieser Entdeckung, für die er 1903 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt wird. Außerdem wird die Aktivität radioaktiver Substanzen ihm zu Ehren seit 1908 in Becquerel gemessen.

Uran

Uran ist ein radioaktives Metall, das in der Natur nicht in reinem Zustand vorkommt, sondern – wie die meisten Metalle – nur gebunden an Sauerstoff. Solche Verbindungen nennt man Minerale. Das chemische Element Uran, das mit dem Symbol U dargestellt wird, wird 1789 von dem angesehenen Chemiker Martin Heinrich Klaproth aus dem Mineral Pechblende isoliert. Es erhält seinen Namen nach dem Planeten Uranus, der wenige Jahre zuvor entdeckt worden war. 1938 entdecken deutsche Wissenschaftler, dass sich eine bestimmte Form des Urans (das Isotop Uran-235) relativ leicht spalten lässt. Dieses nur zu 0,7 % in natürlichem Uran enthaltene Isotop hat heute große wirtschaftliche Bedeutung. Es kommt z. B. in Kernkraftwerken zum Einsatz. Bei der Spaltung des Urans werden große Mengen Energie frei, die für die Stromerzeugung genutzt werden können.

Die Curies ahnen nicht, welche Gefahr von ihren radioaktiven Proben ausgeht. Unbefangen nehmen sie sie in die Hand.

Proben von Metallen, Metallverbindungen oder Mineralien werden von Marie auf eine Metallplatte gelegt und analysiert. Von überall her hat sie sich die Proben zusammengeborgt. Sie sucht nach etwas ganz Bestimmtem. Nach etwas, was man nicht sehen, nicht fühlen, nicht schmecken und nicht hören kann und von dem kaum einer ahnt, dass es existiert. Sie sucht nach einer Strahlung, die bestimmte Stoffe aussenden. Eine unbekannte, unerklärliche, noch unerforschte Strahlung. Das Schwermetall Uran gibt sie ab. Ganz schwach nur, aber mit dem Elektrometer messbar. Der Physiker Henri Becquerel hatte diese Strahlung bei Versuchen mit Uransalzen zufällig bemerkt, war der Sache aber nicht weiter nachgegangen. Marie erschienen diese geheimnisvollen Strahlen sofort interessant. Ein lohnendes, vielversprechendes Thema für ihre Doktorarbeit.

Jetzt möchte sie herausfinden, ob noch weitere Stoffe eine ähnliche Strahlung wie das Uran aussenden, und untersucht systematisch alle bekannten chemischen Elemente. Zuletzt hat sie ein kleines Stück Thorium, wie das Uran ein Metall, auf die Platte gelegt. Sie blickt auf die Anzeige des Elektrometers. Auf einmal ist sie hellwach. Also auch das Thorium – es strahlt ebenso wie das Uran! Warum nur? Wo kommt die Strahlung her? Wie lässt sie sich erklären? Marie Curie ahnt, dass sie dabei ist, ein Fenster in eine unbekannte Welt zu öffnen. Um sich beim Erforschen dieser fremden Welt wenigstens an einem Namen festhalten zu können, nennt sie die neue Strahlung Radioaktivität.

Im Raum ist es eisig kalt, höchstens sechs Grad, aber das scheint Marie gar nicht so recht wahrzunehmen. Wann sie zuletzt etwas gegessen hat – sie weiß es nicht mehr. Über ihrer Arbeit vergisst sie meist, etwas zu sich zu nehmen. Aber jetzt wird sie wenigstens eine Tasse Tee kochen für sich und für ihren Mann Pierre. Der arbeitet als Lehrer an der Schule für Physik und Chemie. Gleich wird er mit seinen Vorlesungen fertig sein und bei ihr im „Kartoffelkeller“ vorbeischauen. Da kommt er auch schon. Marie geht ihm lächelnd entgegen. Sie freut sich jeden Tag aufs Neue auf seinen Besuch. Pierre Curie gilt als brillanter Physiker, als großes Talent, ist ein bedingungsloser Perfektionist bei der wissenschaftlichen Arbeit, genau wie sie. Mit ihm kann sie über ihre Forschung diskutieren wie mit keinem anderen. Beim Tee sprechen sie über die neu entdeckte Strahlung.

„Die Stärke der Strahlung hängt ausschließlich von der Menge des Urans ab. Je mehr Uran, desto stärker wird sie. Und die Stärke der Strahlung wird durch nichts verändert. Weder von der Temperatur, noch vom Licht. Sie ist gleichbleibend, wenn das Uran trocken oder nass ist, wenn es als Pulver oder im Stück daherkommt, wenn es vermischt oder rein ist“, berichtet Marie. Pierre findet diese Beobachtung genauso aufregend wie seine Frau. Denn das bedeutet, dass die Strahlung untrennbar mit den Atomen verbunden ist. Sie wird durch eine Reaktion im Atomkern bestimmter Elemente wie Uran oder Thorium hervorgerufen, so viel hat Marie schon herausgefunden. Aber was passiert da genau? Das gilt es zu erforschen.

Atome und Moleküle

Woraus besteht die Welt? Diese Frage versuchten schon die alten Griechen zu beantworten. Sie sagten, dass alle Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen besteht. Diese kleinsten Bausteine der Materie nannten sie Atome (atomos