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Masala nennen sich die Gewürzmischungen, die Curry-Gerichten ihre unverkennbare Note geben. Je nach Region, Ort oder auch Haushalt werden sie anders zusammengestellt, süßlich, mild oder scharf. Genauso vielfältig wie die Masala-Varianten ist das Land selbst, aus dem die Mischung kommt: Indien. Der Subkontinent ist die der Bevölkerungszahl nach größte Demokratie der Welt - zugleich bleibt es aber auch das Land der bemalten Elefanten, heiligen Männer und des scharfen Essens. Was an einem Maharaja im Land der Könige modern ist und wie man die richtige von neun Eisenbahnklassen wählt, erzählt der Autor, der das Land seit mehr als zehn Jahren bereist. Folgen Sie ihm auf seinem persönlichen Masala Highway: Namaste und willkommen in Indien! Mit dem Kauf dieses E-Books unterstützen Sie den Verein "Deutsch-Indische-Zusammenarbeit", der gemeinsam mit lokalen Partnern die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung Indiens verbessert. Für jedes verkaufte E-Book fließt ein Spendenbeitrag an den Verein.
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Seitenzahl: 199
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Inhaltsverzeichnis
Vorab: Die Edition Reiseratte setzt sich für bewusstes Reisen ein
Vorwort zur zweiten Auflage Masala Highway
Masala Highway
Die Zeit läuft anders auf Bahnsteig BZugreisen in Indien
Vier Stunden, zwei Pausen, eine andere WeltKino und Bollywood
Die Götter auf der StraßeReligion
Warum Handysocken schlecht fürs Karma sindTabus und Fettnäpfchen
Kamelkarren und BlechlawinenOn the road
Essen wie die Götter in IndienLukullisches
Auch Heilige müssen arbeitenTiere
Sonnensöhne in PantoffelnBegegnung mit indischen Adligen
Goa ist keine InselDie letzten Techno-Hippies
LotusblütenWahlen und Politik
Die Geister von GurgaonDelhi und ihre Trabantenstadt
Die Straße der FrauenDer Alltag in Dörfern
Anhang: Typisch Bollywood
Anhang: Karte
Impressum
Vorab: Die Edition Reiseratte setzt sich für bewusstes Reisen ein
Liebe Leserinnen und Leser,
die Reisebücher des Verlags beschreiben das Leben und den Alltag in anderen Kulturen. Sie sollen Sie inspirieren, bewusst zu reisen, mit offenen Augen, und Unterschiede als Bereicherung zu erfahren.
Bewusstes Reisen heißt für mich, offen zu sein für Anderes und Neues, es aktiv anzunehmen – es heißt aber auch, nicht die Augen zu verschließen vor Problemen, und diese ebenso aktiv anzugehen. Aus diesem Grund spendet der Verlag für jedes verkaufte Buch 50 Cent an eine Organisation, die in der jeweils beschriebenen Region soziale, kulturelle oder ökologische Projekte unterstützt.
Die Edition Reiseratte (ein Imprint des Dryas Verlags) ist Mitglied im „Forum anders Reisen e.V.“, ein Zusammenschluss, der sich für Tourismusformen einsetzt, die langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für ortsansässige Gemeinschaften sind. Diesem Ziel der Nachhaltigkeit verpflichten wir uns.
Die mit dem Ihnen vorliegenden Buch gesammelten Spenden gehen an den Verein „Deutsch-Indische Zusammenarbeit“, der gemeinsam mit lokalen Partnern die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung Indiens verbessert. Mehr zu den Projekten des Vereins erfahren Sie im Buch und unter www.diz-ev.de.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihren Beitrag zu dem Projekt und wünsche viel Vergnügen beim Entdecken der Vielfalt Indiens.
Sandra Thoms, Verlegerin
Vorwort zur zweiten Auflage
Ein Vorwort schien mir für die Erstauflage von Masala Highway unnötig: Wer ich bin und wie das Buch entstand, erschließt sich aus den Kapiteln selbst.
Nach seinem Erscheinen merkte ich allerdings, dass Masala Highway für mich anders ist als die Bücher, die ich sonst veröffentliche. Die Reiseführer mit meinem Namen im Impressum haben genauso Indien zum Thema, und als praktische Begleiter für eine Reise haben sie diesem Buch wohl etwas voraus. Raum für Erinnerungen, die das Land vielleicht besser beschreiben als manche Sehenswürdigkeit, bietet ein Guide Book nicht. Dieses Buch hat mir gezeigt, wie wichtig diese sind. Und: Lesungen aus Reiseführern gibt es keine.
Die Lesungen zu Masala Highway machen mich stolz: Es ist einzigartig, beim Vorlesen die Freude des Publikums darüber zu bemerken, dass ich diese Erfahrungen mit ihm teile. Ein großes Dankeschön an alle Zuhörer! Gleichzeitig beobachte ich seit Erscheinen des Buchs mit Sorge, welchen Weg Indien nimmt, und wie sich das Bild des Subkontinents bei meinen Freunden und meiner Familie wandelt. Ich freue mich, dass die Neuauflage mir die Gelegenheit gibt, auch auf problematische Entwicklungen einzugehen, und diese dem Masala hinzuzufügen, das Indien faszinierend, überraschend oder sogar liebenswert macht.
Vielleicht fahren Sie ja auch einmal hin, um Ihren persönlichen Masala Highway zu entdecken? Dann hat sich für mich das Schreiben gelohnt.
Gabriel Andreas Neumann
Heidelberg, im Juni 2014
Masala Highway
Meine Freundin ist entsetzt. Dabei kann sie sonst nichts so leicht aus der Fassung bringen. Die nächtliche Ankunft im schwül-klebrigen Flughafen von Bombay1, die scheinbar nicht enden wollende Taxifahrt durch dunkle Vororte, die abblätternde Farbe im Badezimmer unseres ersten Hotelzimmers: Mit einem „Was soll’s, morgen ist ein neuer Tag“ kommentiert sie den wenig einladenden ersten Eindruck, der so gar nicht an die bunten Bollywood-Szenerien erinnert, und todmüde von der Zwölf-Stunden-Reise schlafen wir ein.
Der Schock kommt am nächsten Morgen. „Ich krieg’ die Krise!“, ruft sie und kann das Gehupe der Autos, das Geschnatter der Verkäufer und die allgemeine Kakophonie der Straße doch nicht übertönen. Vor ihre Füße spuckt ein Typ im Businesshemd etwa einen Viertelliter Blut. Eigentlich ist es nur Paan, das Nationallaster Indiens, eine Mischung aus Arekanuss und Kautabak, das hübsch auf einem knallgrünen Betelblatt serviert wird, manchmal verziert von einer hauchdünnen Schicht Blattsilber. Kaut man es, zieht das Betel alle Säfte des Körpers im Mund zusammen, färbt Speichel und Zähne rot wie die Testtabletten in der Zahnpastawerbung – und bald auch den Bürgersteig. Bettler strecken ihre Hand nach uns aus und zupfen uns am Ärmel, zwischen den Autos bittet ein Mädchen im Kindergartenalter mit einem winzigen Säugling im Arm um ein paar Rupien. Tausend durchdringende Blicke scheinen sich auf uns Neuankömmlinge zu richten. Dann ist da der Geruch. Bombay stinkt nach Abfall und Autoabgasen und duftet nach der tropischen Feuchtigkeit des letzten Monsun, den Gewürzen in den scharfen Samosas, dem zuckersüßen Kulfi und den vielen anderen Leckereien, die an der Straße zubereitet werden.
Auf Indien kann man sich nicht vorbereiten. Viele drehen um, kaum dass sie angekommen sind, weil sie die Flut der tausend Reize nicht ertragen, die plötzlich auf den Besucher einbrechen. Nicht allein die Zahl der Eindrücke ist es, was so erschöpfend wirkt. Es ist das Nebeneinander von Unvereinbarem, das jedes „Kenn’ ich schon!“ als lächerlichen Selbstbetrug entlarvt: ärmliche Hütten und Märchenpaläste, Slums zu Füßen von Hochhaustürmen der Großkonzerne, Prüderie und Eunuchen, die in Frauenkleidern Götter spielen – könnte man Länder schmecken, der Subkontinent würde nie langweilig werden, so viele Kostproben man sich auch genehmigt. Indien ist eine einzigartige Mischung der gegensätzlichen Ingredienzien, ein Masala für eine besonders gut gewürzte Portion Leben. Bei der großen Vielfalt, die Land und Leute bieten, kann nicht immer alles munden, was man versucht. Aber was bleibt, ist kein schlechter Nachgeschmack – im Gegenteil, Indien macht Appetit auf mehr.
So geht es mir, seit ich zum ersten Mal Indien besuchte. Und glücklicherweise hat auch meine Freundin den Schock der ersten Tage schnell überwunden. Wenigstens eine der vielen Sprachen – allein achtzehn offizielle zählt das Land – wollte ich lernen, als ich Anfang 1996 zum ersten Mal Indien besuchte. Eineinhalb Jahre Vorbereitung in Deutschland waren meiner Reise vorangegangen, an der Universität Heidelberg hatte ich etwas Hindi gelernt und einige Kurse zur indischen Geschichte besucht. Beides wollte ich in Benares, bei einer Lehrerin der dortigen Hindu University, vertiefen. Ausgerechnet Benares, das heute offiziell Varanasi heißt und dessen alter Name Kashi lautet, die Stadt des Lichts. Ein Licht, das nicht nur wohlig wärmt – für mich waren die Wochen dort eine Feuertaufe. Ich weiß nicht, was faszinierender war: die Rikschawallas, die unverschämte Preise verlangten, die auf ein Zehntel sanken, sobald sie mich auf Hindi sprechen hörten, und auf ein Zwanzigstel, wenn mein Zielort keiner der von Touristen besuchten Plätze war? Oder das Labyrinth der Altstadtgassen, die auch heute noch so wirken, als hätten sie sich seit Jahrtausenden nicht verändert, mal abgesehen von den dröhnenden Stromaggregaten, die mit Dieselgeruch bei Stromausfall für Licht und Lärm sorgen?
Benares ist der heiligste Ort der Hindus, denn wer hier, an den Ghats, den Stufen am Ufer des heiligen Flusses Ganges, nach dem Tod verbrannt wird, hat gute Chancen, im nächsten Leben in einer besseren Kaste wiedergeboren zu werden – oder sogar ins Nirwana einzugehen. Ein Bad im Ganges, glauben Hindus, wäscht von Sünden rein. Zugleich ist der Fluss einer der verdrecktesten in ganz Indien. Chemie- und andere Industrieabwässer, Überdüngung sowie fehlende Kläranlagen machen ihn zur langsam, aber stetig strömenden Bakterienkultur. Die erste Leiche, die ich in meinem Leben sah, war ein aufgedunsener Männerkörper im Ganges, ein Toter, dessen Familie wohl nicht genug Geld für eine Feuerbestattung hatte aufbringen können, und der nun an mir und den Tempeln von Benares vorbei seiner Erlösung entgegentrieb. Die Lebenden aber empfingen mich mit einer so selbstverständlichen Gastfreundschaft, wie ich sie in Europa selten erlebe. Das prägt.
Ich kam wieder. Natürlich nach Benares, aber auch nach Rajasthan, dem Wüstenstaat im Nordwesten, und in den Süden, wo man Essen auf großen Bananenblättern serviert bekommt. Die Wege auf meinen Reisen durch den Subkontinent waren so vielfältig wie das Land: In Hampi hatte ich mir Chappale, indische Flip-Flops mit Sohlen aus alten Autoreifen, machen lassen. Später, als Reisebuchautor auf Hotel- und Kulturrecherche, waren Oxfords aus Lammleder im Gepäck. In Bombay und Bangalore sind Turnschuhe das beste Mittel, unter den Glücklichen der neuen Mittelschicht nicht aufzufallen. Und für Wanderwege wie in den Höhenzügen Karnatakas packe ich mir Trekkingschuhe ein.
In den eineinhalb Jahrzehnten, die ich Indien als Reisender kenne, hat sich das Land verändert. Aus Wegen, auf denen früher nur Ochsengespanne fuhren, sind Highways geworden. Geblieben ist die Mischung, der Reiz der Gegensätze – und oft hat die Veränderung die Vielfalt sogar verstärkt. Indien, das sich anschickt, eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt zu werden, geht auf die Überholspur, und findet nichts dabei, westliche Vorstellungen mit traditioneller Spiritualität zu vermischen. Kommen Sie mit auf den Masala Highway, schmecken Sie die Vielfalt eines Landes. Und vergessen Sie nicht: Sie können sich nicht vorbereiten.
1 Der offizielle Name der Metropole an der Westküste Indiens lautet Mumbai – ein Beispiel für viele Namensänderungen indischer Orte und Straßen, die der indische Staat in den letzten Jahrzehnten verordnete. Im Alltag – dem deutschen wie dem indischen – werden die alten Bezeichnungen aber weiter verwendet. Wo keine Verwechslungsgefahr besteht, folgt dieses Buch dem Sprachgebrauch.
Die Zeit läuft anders auf Bahnsteig B
Ein Bahnhof einer mittelgroßen Stadt, irgendwo in Maharashtra, in der Mitte des Subkontinents. Ein Nachtzug hat mich hierher gebracht, jetzt suche ich den Anschlusszug. Der, steht auf dem Ticket und im Reiseführer, geht eineinhalb Stunden später von hier ab. Aber von welchem Bahnsteig? Auf diesem hier liegen nur drei Kühe und einige Ziegen in der Mittagshitze, die meisten Reisenden, Teeverkäufer und Gepäckträger sind verschwunden, als der Zug, mit dem ich angekommen bin, weiterfuhr. Die Durchsagen aus den Lautsprechern klingen blechern und sind für mich nicht zu verstehen. Vermutlich ist es eine Mischung aus Englisch und Marahti, was da über den Bahnsteig hallt. „Train to Nagpur?“, frage ich einen Herrn mit dicken Brillengläsern, der mir empfiehlt, es doch im Hauptgebäude zu versuchen. Also schultere ich die siebzehn Kilo meines Rucksacks, was sich in der Hitze so anfühlt, als würde ich ein Sofa schleppen, und mache mich auf den Weg: die Stufen hinauf zu dem überdachten Fußgängerüberweg, der sich über die Gleise des Bahnhofs streckt, wieder hinunter zum Hauptgebäude. Eine Anzeigentafel oder einen Fahrplan finde ich dort auch nicht, aber drei hilfreiche Herren, die in einer Schlange vor dem Fahrkartenschalter stehen. Zwei von ihnen sind sich einig, dass die Züge nach Nagpur auf Bahnsteig B abfahren. „No problem!“. Kein Problem – diese zwei Worte sind viel zu häufig der Hinweis darauf, dass es doch eines gibt. In diesem speziellen Fall können sie beispielsweise bedeuten, dass die Herren eigentlich keine Ahnung haben, wo mein Zug abfährt, aber vermeiden wollen, mich mit einem „Weiß ich doch nicht“ abzuspeisen. „No problem“ kann auch heißen, dass sie meine Frage nicht genau verstanden haben, aber ein wenig mit ihren Englischkenntnissen auftrumpfen wollen. Schließlich könnte „No problem“ auch meinen, dass – wenigstens aus der Sicht des Sprechenden – wirklich kein Problem vorhanden ist: entweder, weil der Zug tatsächlich von Gleis B abfahren wird, oder, weil ein verpasster Zug ja kein Weltuntergang wäre. In dieser dritten Kategorie der Problemlosigkeit kann in einem zugerufenen „No problem“ der dezente Hinweis darauf enthalten sein, dass ich gerade ein Paradebeispiel für ein indisches Klischee vom westlichen Besucher liefere: der hektische Weiße, der sich unangemessen heftig aufregt. Aber welche Art von „Kein Problem“ ist hier gemeint? Zu oft habe ich mich schon darauf verlassen, dass es sich um die letzte Variante handelt. Ich stelle mich ans Ende der Schlange – vielleicht gibt es ja unter dem Schild mit der Aufschrift „Ticket“ einen Abfahrtsplan.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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