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Spieglein, Spieglein an der Wand … Du siehst meine geheimen Wünsche, meine Sehnsüchte und Fantasien. Lässt du meine Träume in Erfüllung gehen? Heimlich beobachtet Jule, wie sich ihre schöne Nachbarin zwei dominanten Männern hingibt und sich gehorsam ihren Wünschen fügt. Gebannt und fasziniert verfolgt sie das sinnliche Geschehen; meint sogar, das Klatschen auf nackter Haut zu hören ... Natürlich fühlt Jule sich unbeobachtet, wähnt sich in den Wänden ihrer Wohnung in Sicherheit. In Sicherheit vor der Macht ihrer geheimen Sehnsüchte. Jule weiß nicht, dass sie längst entdeckt worden ist. Ebensowenig wie sie ahnt, dass die Männer dabei sind, ihre Leinen nach ihr auszuwerfen. Leinen, die sich langsam, aber kontinuierlich enger ziehen … Doch: Will sie wirklich, was mit ihr geschieht? Ist sie tatsächlich bereit, prickelnde Spiele zu spielen, auch wenn diese Spiele sie an ihre Grenzen bringen? Trotz all der Zweifel ist da auch noch ihr Herz. Ein Herz, das sich längst entschieden hat ... Ein romantischer Ménage-BDSM-Roman.
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Seitenzahl: 311
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Sabina Tempel
Masters of Ménage: Drei sind (k)einer zu viel
© 2019 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
Covergestaltung: © Mia Schulte
Coverfoto: © Periodimages.com
ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-383-5
ISBN eBook: 978-3-86495-384-2
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Autorin
„Bis bald“, gurrte es.
Die Stimme vibrierte so sehr, dass Jule es sogar bis in den zweiten Stock hinauf hörte, und zwar durch das gekippte Fenster. Nur eine einzige Frau, die sie kannte, besaß diese Stimme, die sie stets an eine Soulsängerin erinnerte. Sie musste nicht nachsehen. Die wohlklingende Stimme gehörte Sara. Sara, eine Frau wie aus einem Modemagazin entsprungen. Wahrscheinlich ist sie von einem ihrer atemberaubenden Lover in einem atemberaubenden Wagen nach Hause gebracht worden.
In diesem Moment war das unverkennbare Röhren eines V8-Motors zu hören.
Sie hatte es doch gewusst …
Jule lugte neugierig aus dem Fenster, aber der Sportwagen hatte den Innenhof bereits wieder verlassen. Nur Sara stand unten und schüttelte ihr weißblondes, langes, glattes Haar in Form. Ihre roten Fingernägel fuhren durch die glänzenden Strähnen und legten sie sich gekonnt über die Schultern.
Jule kannte keine Frau, bei der eine weißblonde Mähne, die nur gefärbt sein konnte, so gut aussah. Stets ließ sie der Anblick an eine sexy Rettungsschwimmerin denken.
„Hallo Fräulein Sara, hatten Sie einen schönen Tag?“ Sogar Edgar, dem alten Hausmeister von gegenüber, schienen ihre geballten weiblichen Reize nicht zu entgehen.
Sie war neidisch – das wusste sie. Aber wer träumte nicht davon, in einem geilen Sportwagen von einem schnuckeligen Typen, der alle Frauenherzen höherschlagen ließ, heimgebracht zu werden?
Und Edgar? Edgar war immer freundlich. Auch zu ihr. Vielleicht unterstellte sie ihm Absichten, die er nicht einmal im Traum hatte.
Leider besaß sie, im Gegensatz zu Sara, weder eine coole Mähne noch einen super Body, von einer Handvoll süßer Typen in coolen Autos ganz zu schweigen.
„Das freut mich“, hörte sie Edgar sagen.
Saras Antwort hatte Jule nicht verstanden, aber sie sah, wie sich ihre prallen Brüste ihm neckisch entgegenreckten.
Wahrscheinlich taten sie dies lediglich in ihrer Fantasie, aber Sara besaß nun einmal Rundungen, von denen sie nur träumen konnte.
Egal, sie würde sich diesem Anblick nicht länger widmen, sondern endlich den Müll runterbringen; bis dahin würden die zwei hoffentlich verschwunden sein.
Jule warf noch einen kurzen, leicht frustrierten Blick in den alten Spiegel mit dem kunstvoll verzierten Rahmen, den sie auf dem Trödelmarkt billig erworben hatte.
Mussten eigentlich alle Männer auf lange, blonde Mähnen stehen? Und auf Frauen, die Stewardessengröße besaßen?
Sie seufzte. Stolze ein Meter einundsechzig blickten ihr entgegen. Schwarzes, kurzes, verstrubbeltes Haar, eine Haut so weiß wie Schnee und Lippen – sie spitzte sie zu einem übertriebenen Kussmund – so rot wie Blut. Lachend schnitt sie ihrem Spiegelbild eine Grimasse, schlüpfte in die giftgrünen Plastikclogs aus dem Discounter, schnappte sich den Müllbeutel, der bereits an der Türklinke hing, und lief gut gelaunt die alten Holzstufen hinunter.
Als sie die Tür zum Hof öffnete, schlug ihr die warme Juliluft entgegen. Es war immer noch heiß, obwohl die Sonne bald untergehen würde. Wieder musste sie an Sara denken, deren Haut stets gebräunt war, während ihre hellem Porzellan glich. Aber sie liebte es so! Punkt. Gut sah weiße, makellose Haut aus, selbst im Sommer, und in den Hotpants, die sie trug, ebenso. Nur die Plastikschlappen passten nicht zu ihrem sportlichen Outfit.
Mit einem Rums warf sie den Beutel in die noch leere Tonne und wollte sich eigentlich gleich wieder auf den Weg nach oben machen, als zwei äußerst attraktive Männer den Hof betraten.
Selten bekam sie so einen Anblick beim Müllrunterbringen serviert. Wohnen konnten die zwei hier nicht, denn sie wären ihr mit Sicherheit schon früher aufgefallen.
Muskulös und durchtrainiert, einer trug ein skinny Shirt, der andere die ärmellose Variante, die harte Rundungen zum Vorschein brachte. Normalerweise stand Jule nicht auf Typen, die meinten, ihre Muskeln zur Schau stellen zu müssen. In diesem Fall tat es auch nur der Dunkelhaarige, was jedoch ganz gut zu ihm passte und ihm einen leicht verwegenen Touch verlieh. Sein Kumpel war dagegen die gemäßigte Variante einer Playboy-Version, denn seine Muskeln ließen sich unter der Kleidung lediglich erahnen. Er hatte hellbraunes Haar, das ihm mindestens bis über die Schultern reichen musste, da er es zu einem Dutt geschlungen trug. Hellbraunes Haar durchzogen von goldenen Strähnen, berichtigte sie ihre Gedanken.
Er war einer dieser typisch modernen Männer, versehen mit einem Dreitagebart, der ihm genau die richtige Portion Verwegenheit verlieh. Im Gegensatz zu seinem Freund war er mit einem kurzärmeligen Shirt bekleidet, das allerdings an seinem Bauch wesentlich lockerer saß als über seiner breiten Brust. Jules Knie wurden bei seinem Anblick richtiggehend weich.
Nice, hätte ihre Freundin Mira gesagt und dabei vielsagend die Lippen gespitzt.
Betont lässig schlenderten die beiden über den Hof. Die würden doch wohl nicht …
Doch: zu wem sonst?
Sara Thompson, gebürtige Engländerin, Schwedin oder Finnin? Jule hatte es vergessen, wenn sie jedoch damals schon gewusst hätte, über welche Nationalität man verfügen musste, um die tollsten Kerle abzukriegen, hätte sie den Nachbarschaftsgesprächen mit Sicherheit besser zugehört. Sara Thompson, angehende Zahnmedizinerin. Studiert hatte sie auch noch, was bedeutete, dass blond und gut aussehend sehr wohl auch klug beinhalten konnte. Dabei sah Frau Doktor eigentlich viel eher nach Sportstudio und Solarium als nach Uni und Praxis aus. Jule wusste, dass sie schon wieder nicht ganz fair war, aber sie war neidisch auf Sara. Denn wer wollte nicht schön, begehrenswert und noch dazu schlau sein?
Jule musste über sich selbst schmunzeln. Mit einem weiteren Rums schloss sie den Deckel der Mülltonne.
Oh, die zwei hatten sie bemerkt und ihr einen kurzen Moment ihrer Aufmerksamkeit gewidmet. Der Duttträger blieb sogar stehen und ließ seinen Blick über ihr Top und die Hotpants wandern, wobei sich seine Brauen ein klein wenig nach oben verschoben.
Plötzlich zuckte sein Mundwinkel empor. Super! Er war bei seiner Musterung bei ihren Plastiklatschen angelangt. Giftgrün strahlten sie mit der Tonne um die Wette. Am liebsten hätte sie ihm die Zunge herausgestreckt, aber so etwas taten coole Mädchen nicht. Folglich stützte sie sich lediglich an dem Mülleimer ab und stellte ihre Beine so in Position, dass jedes Model neidisch geworden wäre.
Erneut zuckte es verdächtig um seine Mundwinkel, doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Freund zu, der zielstrebig auf das Haus gegenüber zulief, bei dem es sich nicht um einen schäbigen Alt-, sondern um einen gläsernen Neubau mit klimatisierten Räumen handelte und in dem die wunderschöne Frau Doktor wohnte. Der Typ mit dem Dutt folgte dem Dunkelhaarigen, wandte sich jedoch kurz nach ihr um. Immer noch lag ein Schmunzeln auf seinen Lippen.
Jule fühlte sich plötzlich ganz seltsam und blickte den zwei Männern nach, bis die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war; dann erst machte sie sich auf den Weg zurück in ihre kleine Zweizimmerwohnung. Ihre Füße flogen nur so die Treppe hinauf. Nicht, weil der Anblick der zwei Traumtypen sie so aus der Fassung gebracht hatte, sondern weil sie wieder einmal vergessen hatte, den Schlüssel mitzunehmen, der an der Innenseite der Wohnungstür im Schloss steckte. Typisch!
Als sie oben ankam, atmete sie erleichtert auf, denn nichts war geschehen und die Tür war immer noch angelehnt. Warum hatte sie sich überhaupt Gedanken gemacht? Kein Lüftchen regte sich, auch nicht im Gebäude. Folglich hätte es schon dumm laufen müssen, damit sie vor einer geschlossenen Tür gestanden hätte. Aber sie hatte ein Händchen für dusselige Situationen, was wahrscheinlich weniger an den Situationen als an ihrer Schusseligkeit lag.
Die alten Holzdielen knarrten unter ihren Füßen, als Jule zurück in die Küche lief, um einen neuen Beutel in den Abfalleimer zu stecken. Neugierig beugte sie sich dabei über den Tisch, der vor dem kleinen Fenster stand und ihr einen perfekten Blick auf den Neubau gegenüber bot. Bei Sara war das Fenster geöffnet. Anscheinend hatte sie eben geduscht, denn sie lief splitterfasernackt durch das Zimmer und cremte dabei genussvoll ihre Rundungen ein. Selbst von hier aus konnte Jule ihre prallen Kurven sehen. Wenn sie ehrlich war, war Sara wirklich die attraktivste Frau, die ihr je begegnet war. Manchmal übertrieb sie es zwar ein wenig, was ihre aufreizende Kleidung und ihr nicht eben dezentes Make-up betraf, aber Jule konnte sich vorstellen, wie anziehend sie auf Männer wirken musste.
Sara trat einen Schritt zurück, sodass sie aus ihrem Blickfeld verschwand. Jule schaute nach unten in den Hof. Die beiden Männer waren nicht wiederaufgetaucht. Schade! Sie hätte gern gewusst, wen sie besucht hatten. Rein interessehalber.
Kurzerhand kletterte sie auf den Tisch, der ihr den Zugang zum Fenster versperrte, und hantierte an dem Fenstergriff herum, um die laue Abendluft in ihre stickige Wohnung zu lassen. Laut krachte es, denn auch der hölzerne Fensterrahmen war nicht mehr der neueste, wie alles in dem Altbau. Sie setzte sich seitlich auf die Tischplatte und ließ die Luft über ihr erhitztes Gesicht streichen. Ein Garten oder wenigstens ein kleiner Balkon wäre ein Traum gewesen, den sie sich jedoch leider nicht leisten konnte. Ebenso wie Sara war sie im Bereich der Zahnmedizin beschäftigt, allerdings nicht als Ärztin, sondern lediglich als Helferin. Nachdem sie letztes Jahr ausgelernt hatte, war sie sofort zu Hause ausgezogen, um endlich auf eigenen Füßen zu stehen. Sie verstand sich echt gut mit ihren Eltern, aber manchmal nervten sie eben doch, weil sie erwarteten, dass sie ihnen für jeden Schritt Rede und Antwort stand.
Hätte es mit der Wohnung nicht geklappt, wäre sie zu Mira, Sunny und ihren Freundinnen in die WG gezogen. Da war immer etwas geboten. Mam hatte beinahe einen Herzinfarkt erlitten, als sie von den Plänen ihrer Tochter, in eine WG zu ziehen, erfahren hatte. Sunny mit ihren unzähligen Rastazöpfen lag außerhalb von dem, was sie sich als guten Umgang vorstellte. Zum Glück kannte sie Mona mit den Dreadlocks und Solweig, das Piercing-Wunderwerk, noch nicht. Der Rest der sieben Mädels sah jedoch so aus, dass sie der Vorstellung ihrer Eltern von einem normalen Äußeren entsprachen. Vielleicht noch abgesehen von Klara, die beim örtlichen Tätowierer lernte. Was hieß lernte? Eine anerkannte Ausbildung für diese Art von Kunst gab es leider nicht. Mira dagegen arbeitete in derselben Zahnarztpraxis wie sie und sah ebenfalls völlig „normal“ aus.
In Saras Wohnung ging das Licht an, was sofort Jules Aufmerksamkeit auf sich zog, da der Körper der schönen Ärztin nun hell beleuchtet wurde. Ob sie vergessen hatte, dass sie vorm offenen Fenster stand, an dem die Jalousie nicht herabgelassen war?
Jule war nicht prüde. Sie schaute sich gern schöne Menschen an, egal, ob Mann oder Frau, was jedoch nicht bedeutete, dass sie je vorgehabt hätte, sich einer Frau zu nähern. Ihr gefiel nur alles, was das Auge erfreute. Ein hübsches Gesicht, eine wohlgeformte Figur, samtweiche Haut, natürlich auch ebenmäßige und gepflegte Zähne. Umsonst stand sie schließlich nicht den ganzen Tag über offene Münder gebeugt. Nein, mit schlechtem Atem und ungeputzten Zähnen könnte bei ihr selbst Mister Universum nicht punkten.
Saras Rundungen waren wirklich beneidenswert. Sie hätte einem Maler oder einem Fotografen Modell stehen können.
Doch was war das?
Erst in diesem Moment bemerkte Jule, dass Sara Besuch hatte. Ein Besucher, der auch das Licht angeschaltet hatte.
Mann oder Frau? Sie musste nicht lange überlegen, als sich eine breitschultrige Gestalt in das Zimmer schob. Jule reckte ihren Kopf. Jetzt schien es interessant zu werden …
Sara wandte sich dem Mann zu – nackt, wie sie war, ohne jegliche Scheu. Langsam trat sie auf ihn zu.
Verdammt, das war der Typ aus dem Hof! Der Duttträger.
Nein, seinen Besuch gönnte sie Sara wirklich nicht …
Doch was war das? fragte sie sich bereits zum zweiten Mal, als nun auch der Dunkelhaarige das Zimmer betrat.
Sara war immer noch vollkommen nackt, die zwei Männer bekleidet.
Jule leckte sich über die trockenen Lippen.
Und jetzt?
Der Dunkelhaarige schritt auf die beiden zu, schob sich zwischen sie, streckte die Hände aus und … Sie konnte nicht genau erkennen, was er tat, wahrscheinlich fasste er nach Saras Brüsten. Der Mann mit dem Dutt trat ein paar Schritte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Es sah aus, als wartete er. Aber auf was?
Jule schluckte. Ihr Hals war ebenso staubtrocken wie ihre Lippen. Doch wie reagierte Sara? Sara legte die Hände auf den Rücken, reckte den Oberkörper nach vorn und den Kopf zurück. Beinahe glich sie einem Bogen. Der Dunkelhaarige zog an ihren Nippeln, und sie schien es zuzulassen.
Oh shit! Wie sehr musste das schmerzen.
Der Hübsche mit dem Dutt rührte sich dagegen nicht, stand einfach nur unbeteiligt dort, wo er eben schon gestanden hatte.
Verdammt, war das heiß! Jule fühlte sich ganz komisch. Noch nie hatte sie andere Menschen beim Sex beobachtet. Aber es machte sie an. Zumindest zog sich ihr Bauch lustvoll zusammen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sich ein Fernglas geholt, um besser sehen zu können … Ihre Finger strichen an ihrem Schenkel hinauf, glitten erst unter den Saum ihrer Hotpants, dann in ihren Slip, um kurz ihre Klit zu berühren.
Du kannst dich kaum ans Fenster setzen und dich zum Orgasmus streicheln, meldete sich das Stimmchen der Vernunft zu Wort.
Nein, aber eine kurze Berührung würde wohl gestattet sein.
Jule jagte ein wohliger Schauer der Erregung über den Rücken, doch wohlerzogen, wie sie war, entfernte sie ihren Finger wieder von ihrer feuchten Mitte. Zwar saß sie im Dunkeln, nur eben am geöffneten Fenster. Und zwar auf einem Tisch, auf dem zumindest ihre Silhouette sehr wohl zu sehen war.
Saras Haare fielen ihr nun bis zum Po hinab, so sehr bog sie ihren Kopf zurück.
Ob sie wimmerte? Vor Schmerz oder vor Lust?
Der Dunkelhaarige ließ von ihr ab. Der Mann mit dem Dutt stand immer noch genauso lässig wie zuvor da, auch die Arme hielt er weiterhin vor der Brust verschränkt.
Sara senkte kurz den Kopf. Wahrscheinlich versuchte sie so, den Schmerz an ihren Brustwarzen zu verarbeiten. Doch schon hob sie ihn wieder. War sie zurechtgewiesen worden? Ihre Hände behielt sie bei all ihren Bewegungen auf dem Rücken. Hatte man ihr auch das befohlen? Sara war doch nicht gefesselt, oder war ihr das entgangen? Nein, sie schien ihre Hände freiwillig nicht zu benutzen.
Der Dunkelhaarige trat nun hinter sie, berührte ihre Hüften, ihren runden Hintern und ließ die Hand zwischen ihren Schenkeln verschwinden. Wieder warf Sara den Kopf in den Nacken. Dieses Mal wohl kaum vor Schmerz. Als er ihr seine andere Hand auf die Schulter legte, sank sie ein wenig in die Knie.
Ob sich seine Finger in ihr feuchtes Inneres geschoben hatten?
Jule hing schon beinahe aus dem Fenster, weil die wenigen Meter Entfernung zum gegenüberliegenden Haus doch nicht die beste Sicht zuließen.
Nun glitt seine Hand, die zuvor zwischen ihren Schenkeln gelegen hatte, über ihren Rücken, während die andere sie unablässig nach unten zu drücken schien. Sara kniete mittlerweile. Ob sie die Arme immer noch auf dem Rücken hielt? Die Scheiben im Neubau waren zwar groß, aber leider reichten sie nicht bis zum Boden hinab, sodass ihr die Sicht auf alles unterhalb der Schenkel der beiden Männer verborgen blieb.
Nun trat auch der mit dem Dutt näher. Seine Mitte war kurz vor Saras Mund. Wahrscheinlich hauchte sie Küsse auf eine nicht zu übersehende Beule in seiner Jeans. Der Dunkelhaarige fasste in ihr seidenes Haar, wickelte es sich um die Hand und zog ihren Kopf zurück, während der andere langsam seine Hose öffnete. Sosehr sich Jule auch verrenkte, einen Blick auf seine Erektion konnte sie nicht erhaschen. Er stand nah, so nah, dass er sich in ihrem Mund versenkt haben musste. Immer noch wurde ihr Kopf von dem Dunkelhaarigen in Position gehalten, sodass der Kerl mit dem Dutt ungehindert in sie stoßen konnte. So fest und tief es ihm beliebte. Sara hatte keine Chance, den Bewegungen zu entkommen.
Die Hand, die ihren Kopf vielleicht sogar nach vorn schob, musste ihr gleichzeitig Halt bieten. Ansonsten wäre die Stellung einem akrobatischen Kunststück gleichgekommen. Die Männer nahmen sich, was Sara ihnen geben konnte, ihnen wahrscheinlich geben wollte, doch sie hielten sie dabei fest. Eine seltsame Mischung …
Nehmen und Geben. Oder: Geben und Nehmen? Beide Komponenten verschmolzen miteinander.
Wieder fand Jules Hand den Weg zwischen ihre Schenkel, hinauf zu ihrer Klit. Leicht rieb sie darüber, was ihr ein beinahe lautloses Stöhnen über die Lippen schickte. Das Fenster war zwar geöffnet, doch niemand würde sehen, was sie tat, sondern nur ein Mädchen entdecken, das die sommerlichen Abendstunden genoss.
Plötzlich entfernte sich die Hand aus Saras Haar, und sofort sank die Blondine so weit hinab, dass Jule nur noch ein Stückchen ihres Schopfes erkennen konnte. Auch der Mann vor ihr musste sich hingekniet haben, während sie sich mittlerweile auf allen vieren befand. Doch was tat der Mann hinter ihr? Jule verschluckte sich beinahe. Er sank ebenfalls in die Knie, holte aus und ließ seine Hand niedersausen. Nicht nur ein Mal, ganze acht Mal zählte sie. Er musste Sara auf ihren schönen, prallen Arsch geschlagen haben, während der Mann mit dem Dutt nun ihren Mund fickte. Hatte er eben erst damit begonnen? Jule konnte es nicht sagen, zu sehr hatte der Anblick der niedersausenden Hand sie gefesselt.
Auch der Dunkelhaarige schien sich nicht mehr zurückhalten zu können, denn nun bewegten sich beide Männer in einem Rhythmus, der mehr als eindeutig war. Sie mussten gleichzeitig in Sara stoßen. Der Anblick war so erotisch, dass Jule ihren Finger erneut tief in ihr nasses Innerstes eindringen ließ, egal, ob sie vor dem Fenster saß oder nicht.
Wie es sich wohl anfühlte, so genommen zu werden? Zwei Männer, zwei geile Körper, zwei steife Schwänze.
Jules Finger strich über ihre Klit.
Und wie es wohl war, vor einem Mann zu knien? Seine Stärke zu sehen, zu fühlen, ihr entgegenzufiebern? Wenn ein Ausweichen erschwert war und nur noch ein Ausgeliefertsein existierte. Ein Ausgeliefertsein, das bereits in ihrer Fantasie ein Feuer entfachte, dessen Intensität sie bisher nicht gekannt hatte.
Jules Finger tanzte immer schneller über ihre Klit, und der bekannte Druck eines nahenden Orgasmus baute sich in ihrem Inneren auf, ihre Muskeln spannten sich an und schon jagten tausend kleine Zuckungen durch ihren Körper. All ihre Empfindungen galten ihrer Lust und ihren Gefühlen, die sie nicht so recht verstehen wollte. Erhitzt sank ihr Gesicht gegen den Fensterrahmen.
Auch in der Wohnung gegenüber schienen die Männer zum Höhepunkt gelangt zu sein. Der Dunkelhaarige kniete zwar noch, allerdings bewegte er sich nicht mehr. Sara war gar nicht zu entdecken, doch der Mann mit dem Dutt stand bereits wieder und schloss den Reißverschluss seiner Jeans.
Wahrscheinlich hatte er eben seinen sauber geleckten Schwanz in seiner Hose verstaut.
Nein, berichtigte sie ihre Gedanken, denn möglicherweise hatten beide Kondome benutzt, was ihr nur entgangen war.
Nun streckte er seine Hand aus, strich sacht über Saras Kopf. Eine zärtliche Geste war es, ohne jegliche Hektik. Fast, als wollte er sich bei ihr bedanken.
Doch schon trat er einen Schritt zurück, schaute direkt in ihre Richtung und lief zielstrebig auf das Fenster zu. Jule erstarrte. Vielleicht hatte er sie mittlerweile entdeckt …
Schwachsinn, schalt sie sich. Wahrscheinlich wollte er nur das Fenster schließen.
Er lehnte sich weit hinaus. Sein Shirt saß noch genauso knackig und makellos auf seinem Brustkorb wie vor einer Stunde im Hof.
Wieder benetzte Jule ihre trockenen Lippen. Sie wollte ihn nicht anstarren, aber sie konnte nicht anders. Ob er tief in Saras Mund gekommen war oder wirklich einen Gummi benutzt hatte? Was für eine seltsame Frage … Warum interessierte sie das überhaupt? Fakt war, er hatte sich nicht einmal ausgezogen, lediglich seine Hose geöffnet.
Wieder benetzte sie ihre Lippen, die mit jeder Sekunde trockener zu werden schienen. Der andere hatte seine Hand aller Wahrscheinlichkeit nach auf Saras Arsch klatschen lassen. Und diesen hübschen Typen, wie er so harmlos und gleichzeitig so schrecklich appetitanregend aus dem Fenster lehnte, hatte dies nicht abgeschreckt, sondern angetörnt. Zu zweit waren sie gekommen, hatten sich einfach das genommen, was ihnen die Lust geboten hatte.
Oder bildete sie sich das nur ein?
Wer sagte ihr, dass sie nicht zuvor gefragt hatten?
Ja, wer sagte ihr das?
Sara hatte willig gewirkt. Erotisch wie nur eine Frau aussehen konnte, die reine Lust empfand. Sara stand wohl darauf, genau so behandelt zu werden. Sie genoss wahrscheinlich die Aufmerksamkeit, die ihr geschenkt wurde, und hatte sich zu ihrer aller Vergnügen benutzen lassen.
Jule konnte nicht anders, glitt erneut mit ihrer Hand zwischen ihre Schenkel, fand ihre nasse Klit und strich darüber. Plötzlich hielt sie in der Bewegung inne, als sie bemerkte, dass der Mann ihr direkt ins Gesicht blickte.
Sie starrte ihn an.
Das konnte nicht sein!
Und doch bohrte sich sein Blick in ihren. Instinktiv wollte sie die Hand wegziehen, aber er konnte ja unmöglich sehen, wo sich ihr Finger befand. Ebenso wenig wie sich sein Blick in der Dämmerung in den ihren bohren konnte. Folglich entfernte sie ihre Hand nicht, sondern begann, ihren Finger erneut zu bewegen. Sie hielt sich nun an einem Blick fest, der nur in ihrer Fantasie existierte. Nur dort existieren konnte. Und doch schaute sie nicht beiseite und streichelte sich weiter, bis die Erlösung ihren Kopf nach vorn auf ihre Knie sinken ließ.
Nun wandte auch er seinen Blick von ihr ab. Ein Rums ertönte, als er das Fenster schloss. Sie schielte nach oben und sah das kleine Lächeln auf seinen Lippen.
„Hi Süße“, tönte ihr Miras Stimme entgegen, als sie am nächsten Morgen die Praxis betrat.
„Hm.“
„Hm? Was ist los? Schlecht geschlafen?“
Jule schüttelte den Kopf. Das aufregende Liebesspiel der drei war ihr die ganze Nacht über durch den Kopf gegangen und hatte sie nicht zur Ruhe kommen lassen.
Sunny, die mit Mira in der WG wohnte, erzählte immer, wie toll sie es fand, die Führung im Bett zu übernehmen. Jule hatte des Öfteren ihren heißen Berichten gelauscht, und doch hatten sie sie nie wirklich angetörnt. Sie hatte deswegen stets geglaubt, auf Blümchensex zu stehen. Sie brauchte kein Spielzeug oder irgendwelche Hilfsmittel, das war zumindest ihre Überzeugung gewesen. Dennoch musste sie sich ehrlich eingestehen, dass sie beim Sex selten oder fast nie zum Orgasmus kam. Immer hatte sie sich eingeredet, dass sich die Männer zu blöd anstellten, weil sie glaubten, einer Frau würde es reichen, wenn sie ihren Schwanz in sie schoben und sich ein bisschen bewegten. Doch so einfach war das nicht. Zumindest nicht bei ihr. Seltsamerweise fühlte es sich wesentlich besser an, wenn sie sich selbst befriedigte, denn da kam sie wenigstens zum Höhepunkt.
Sie war mit Sicherheit kein Kind von Traurigkeit, und in der WG, in der sowohl Mira als auch Sunny wohnten, war sie schon manchmal in das ein oder andere intime Geschehen gestolpert. Jedes Mal hatte sie sich erschrocken zurückgezogen, erregt hatte es sie nie.
Was meinte sie eigentlich mit der Aussage, dass sie kein Kind von Traurigkeit sei? Sie hatte mit Männern geschlafen, weil sie der Meinung gewesen war, das Richtige zu tun. Das war alles. Die erhoffte Erfüllung hatte sie dabei nicht gefunden.
Sie verstand sich nicht, denn gestern hatte sie auf ihrem Küchentisch gesessen, wie eine Verhungernde Sara und ihre zwei Lover beobachtet und sich dabei zu Höhen gestreichelt, die kein Mann ihr jemals hatte bescheren können.
Echt super! Wenn sie nicht den totalen Schaden hatte …
Dennoch ließ allein der Gedanke an die nackte Sara mit ihren auf dem Rücken verschränkten Händen ihr Höschen schon wieder feucht werden.
„Was ist mit dir?“ Mira blickte sie besorgt an.
„Alles okay.“
„Nee, ist es nicht.“
„Frau Paule, haben Sie schon einmal auf die Uhr gesehen?“, ertönte Doktor Seiferts Stimme.
Jule räusperte sich. „Ich muss mich nur noch umziehen.“
„Ich erwarte, dass Sie in der Lage sind, um acht Uhr morgens bereits umgezogen in meiner Praxis zu erscheinen.“
„Tut mir leid, Chef.“
„Jule, Sie wissen schon, dass Sie erst letztes Jahr Ihre Ausbildung abgeschlossen haben?“
„Natürlich“, stotterte sie.
Sollte das nun eine Androhung irgendwelcher Konsequenzen werden? Pünktlich um fünf vor acht hatte sie die Tür zur Praxis geöffnet, lediglich die einheitliche Dienstkleidung hatte sie noch nicht angezogen. Außerdem hätte sie gar nicht schneller sein können, da der Bus eben erst in der Nebenstraße gehalten hatte, so, wie er es jeden Tag seit über drei Jahren tat. Ihr einziger Fehler war gewesen, ein paar private Worte mit Mira zu wechseln, die sich lediglich nach ihrem Befinden erkundigt hatte. Mira verdrehte hinter Doktor Seiferts Rücken die Augen und schnitt ihm eine Grimasse.
„Sobald Sie korrekt gekleidet sind, können Sie die Unterlagen für die Abrechnungen sortieren. Um Punkt neun Uhr dreißig benötige ich Sie zu einer angemeldeten Wurzelbehandlung“, rief er ihr zu, als er den Terminkalender durchblätterte.
„Angemeldet?“, erkundigte sich Mira neugierig.
„Ja, ich habe gestern Abend den Sohn eines Bekannten behandelt.“
„Ohne Assistentin?“
„Bezweifeln Sie etwa, dass ich dazu allein in der Lage bin?“
„Nein“, wandte Mira hörbar verlegen ein.
Jule musste sich angestrengt ein Schmunzeln verkneifen.
„Frau Paule“, begann er erneut. Immer nannte er sie beim Nachnamen, wenn er verärgert war. „Sie werden die Pause heute verschieben müssen.“
„Kein Problem“, antwortete sie sofort und nickte dienstbeflissen.
„Gehen Sie eigentlich nie in die Sonne?“
Überrascht schaute sie ihren Chef an. Was sollte das denn jetzt?
„Sie sehen aus, wie aus dem Wachsfigurenkabinett entwichen.“
War das etwa eine Beleidigung? In ihrem Inneren begann sich so etwas wie Widerstand gegen die ungerechte Behandlung zu regen.
„Ich wusste gar nicht, dass ich es schon bis dorthin geschafft habe“, nuschelte sie.
Mira prustete los. Doktor Seifert warf erst Mira, dann ihr einen Blick zu, als hätte er sie am liebsten eigenhändig erwürgt.
Wahrscheinlich hatte er gedacht, sie ärgern zu können, indem er sie Abrechnungen sortieren und eintüten ließ. Aber es störte sie genauso wenig, wie wenn er sie zur Post schickte oder Kopien anfertigen ließ.
Auch als Mira und ihre anderen Kolleginnen in die Frühstückspause verschwanden, blieb sie gelassen. Sie war nicht der Typ Mensch, der sich über solche Kleinigkeiten aufregte. Und wie ihr Chef bereits bemerkt hatte, nach heißen Sonnenstrahlen sehnte sie sich ebenfalls nicht.
Jule blickte auf die Uhr. Es war Punkt neun Uhr dreißig, doch der erwartete Patient war noch nicht erschienen. Wenn er sich nicht beeilen würde, würde sich das Wartezimmer bald wieder füllen, aber auch das sollte nicht ihr Problem sein. Schließlich hatte sie alles getan, um ihren Chef zufriedenzustellen. Damit es nicht den Eindruck erweckte, sie hätte nichts zu tun, wischte sie über die Anmeldetheke, um die pappigen Fingerabdrücke eines dreijährigen Jungen, der eben mit seiner Mutter behandelt worden war, zu beseitigen. Ihr Chef hatte sich beim Umzug in die neuen Praxisräume für braunes Mobiliar und beige Wände entschieden. Wahrscheinlich hielt er diese Farbkombi für gemütlich. Sie fand sie schrecklich, erinnerte sie sie doch an die Wohnung ihrer Eltern, die schon seit Jahren nicht mehr renoviert worden war. Dort waren Braun und Beige ebenfalls häufig vertreten. Fröhliche oder wenigstens frische Töne hätten bei der Praxisgestaltung mit Sicherheit auch zur Wahl gestanden, aber sie trafen eben leider nicht den Geschmack ihres Chefs. Pflegeleicht waren allerdings weder braune glänzende Theken noch hellbeige gestrichene Wände. Daran hatte er wohl nicht gedacht. Oder ihm war klar gewesen, dass es niemals zu seinen Aufgaben gehören würde, hochglänzende Theken zu polieren.
„Jule?“, ertönte seine Stimme.
„Ja.“
„Bereiten Sie doch bitte in der Drei schon einmal alles für die Wurzelbehandlung vor!“
Vorbereiten? Was für ein Aufwand! In der Drei lag doch sämtliches benötigtes Besteck parat, so, wie in jedem der anderen Zimmer auch. Aber wenn der Chef meinte … Der Patient schien ihm wirklich sehr wichtig zu sein.
Gehorsam eilte sie also in die Drei, rückte die Instrumente noch einmal in Reih und Glied und füllte einen Becher mit Desinfektionslösung zum Spülen und Bakterienkillen auf.
Endlich ertönte das erwartete Klacken, als sich die Praxistür öffnete.
„Da sind Sie ja, Lukas! Was macht der Zahn?“ Doktor Seifert übertraf sich selbst vor Freundlichkeit. Höflich war er immer, aber selten so herzlich. „Sehr schön, dass Sie sich heute Vormittag kurz freimachen konnten. Ist in Ihrem Beruf sicherlich nicht so einfach.“
Eine tiefe Stimme antwortete, allerdings konnte Jule nicht verstehen, was gesprochen wurde. So langsam wurde sie echt neugierig auf diesen Lukas, wegen dem der Chef eine Show abzog, die sie so gar nicht von ihm kannte.
„Die Mädels sind in der Pause, aber unser ehemaliger Lehrling assistiert mir“, erklärte er eben.
Ehemaliger Lehrling? Na super! Sie hatte die Ausbildung längst beendet. In ihren Augen war die Bemerkung völlig überflüssig.
„Bitte! Nach Ihnen. In die Drei.“
Die Tür öffnete sich und Jule erstarrte. Beinahe wäre ihr das desinfizierte Besteck aus den Händen gerutscht. Saras dunkelhaariger Liebhaber stand vor ihr. Nur trug er heute ein weißes Poloshirt anstatt der Boxervariante mit Ringerrücken. Mit einem Mal war ihre Kehle so trocken, dass sie husten musste, wovon sie wahrscheinlich prompt einen roten Schädel bekam.
„Sie sollten sich wirklich ein bisschen mehr an der frischen Luft aufhalten“, ließ Doktor Seifert fallen.
Auf den klugen Satz hätte er gern verzichten können …
„Ja, Chef“, würgte sie trotzdem hervor.
Saras Liebhaber würdigte sie keines Blickes.
Was für ein arrogantes Arschloch! Schließlich grüßte so gut wie jeder Patient, der die Praxis betrat und behandelt werden wollte. Aber hatte sie etwas anderes erwartet? Passte Freundlichkeit wirklich zu einem Mann, der eine Frau wie Sara begehrte?
Er hatte seine Hand auf ihren Arsch klatschen lassen, erinnerte sie sich nur zu gut. Kaum vorstellbar, dass er bald auf dem Zahnarztstuhl liegen und sie ihm in den Mund schauen würde.
Sein Blick war dunkel. Spontan hätte sie behauptet, dass ihr der Typ mit dem Dutt besser gefallen hatte, rein vom Sympathiefaktor her. Aber diese unnahbar wirkende Ausstrahlung hatte auch was … In ihrem Bauch kribbelte es vernehmlich, was hier momentan überhaupt nichts verloren hatte. Feuchte Höschen und Praxis gehörten nun einmal nicht zusammen.
„Spülen Sie bitte!“, sprach sie diesen Lukas an. Absichtlich gebrauchte sie nicht die Frageform, schon um ihn ein wenig zu ärgern. Da warf er ihr einen kurzen Blick zu, ein Blitzen lag in seinen braunen Augen. Hatte er sie etwa doch erkannt? Vielleicht schon, vielleicht hatte ihm aber auch sein Freund von ihr erzählt.
Aber was sollte er schon erzählt haben?
Sie hatte im Dunklen gesessen. Natürlich könnte er annehmen, dass sie sie beobachtet hatte – das war aber auch schon alles. Außerdem war es nicht ihr Problem, wenn keiner der drei es für nötig gehalten hatte, die Jalousie oder wenigstens das Fenster zu schließen; von der hell erleuchteten Wohnung ganz zu schweigen.
Doktor Seifert bediente das Fußpedal, um Lukas in die Waagrechte zu befördern.
„Sauger“, erinnerte er sie, wobei Jule allein schon bei dem Wort schmunzeln musste. Die Erinnerung war einfach zu lebendig.
Lukas hatte ein ebenmäßiges Gebiss, aber einen toten Zahn. Wahrscheinlich hatten ihn gestern ganz schöne Schmerzen geplagt, bis Doktor Seifert ihn behandelt hatte.
Warum hatte er sich nicht von Saras zahnmedizinischem Können überzeugen lassen? Schließlich war sie ebenfalls Zahnärztin. Oder ließ man sich nicht von einer Frau in den Mund schauen, der man erst auf den Hintern schlug, um sie danach zu ficken? Jule war diesbezüglich echt überfragt. Allerdings konnte es auch sein, dass er von Saras Beruf einfach nichts wusste.
Aus Versehen verirrte sich der Sauger an die Zunge des Patienten.
„Jule“, zischte ihr Chef mahnend.
Doch sie nahm sich seine Rüge nicht zu Herzen. Zu sehr hatte sie erneut Mühe, nicht zu grinsen, denn irgendwie gefiel ihr die Vorstellung, dass sie jetzt und hier am längeren Hebel saß als Lukas, der ihr im Moment völlig ausgeliefert war. Leider würde sie kaum in den Genuss kommen, jemals die gegensätzliche Position einzunehmen. Wahrscheinlich war das auch besser so. Wenn Doktor Seifert ihr allerdings einen Gefallen tun wollte, sollte er ihr heute noch Lukas’ Freund auf dem Behandlungsstuhl servieren, dann wäre ihr Tag gerettet und sie würde sogar ein rotes Kreuzchen zur Erinnerung in den Kalender malen.
„Sie dürfen nun den Patienten zum Röntgen mitnehmen“, gab ihr Chef Anweisung. „Danach bringen Sie ihn wieder zurück in die Drei.“
Jule nickte und hielt Lukas, der sich eben aus dem Zahnarztstuhl bequemte, die Tür auf. Seine muskulösen Oberarme fielen ihr selbst in dem leger geschnittenen Poloshirt auf. Mit welcher Kraft musste er ausgeholt haben …
Wieder schaute Lukas über sie hinweg und schien sie als Frau überhaupt nicht wahrzunehmen. Er folgte ihr in den Röntgenraum, als würde er die Praxisräume in- und auswendig kennen, was sie befremdlich fand.
„Sie dürfen Platz nehmen“, lud sie ihn ein.
Ganz seltsam fühlte sie sich, als sie mit ihm allein war. Zu gern hätte sie … Aber genauso gern hätte sie seinen Freund … Was denn überhaupt?
Lukas setzte sich auf den Hocker vor das Röntgengerät. Sein Blick streifte sie, aber er schwieg beharrlich. Fast jeder Patient redete oder machte irgendwelche Scherze. Manche aus Nervosität, andere, weil sie höflich sein wollten. Lukas natürlich nicht. Er sah weder unsicher noch besonders freundlich aus. Aber was hatte sie auch erwartet?
Etwas klapperte. Jule schaute sich irritiert um. Dann bemerkte sie den Euro, der über den Boden kullerte und zwischen seinen Füßen zum Liegen kam.
„Ihrer?“
Er nickte nur und bückte sich nicht, da er den Röntgenschutz bereits um die Schultern trug. Was blieb ihr folglich anderes übrig, als die Münze aufzuheben? Schließlich war sie ein höflicher Mensch, und noch dazu in dieser Praxis angestellt. Ihre Knie knickten ein, da erfasste sie zum ersten Mal sein Blick, der erst auf sie und dann auf den Euro gerichtet war.
Uff! Sie würde auf allen vieren kriechen müssen, um die Münze zu erreichen. Ihr Blick war angestrengt auf Lukas’ Schuhe geheftet.
Nur nicht nach oben gucken.
Nike, registrierte sie. Weiße Nikes, weißes Shirt, blaue Jeans, Sneakersocken, braune Beine. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund eigentlich nicht ihr Typ, aber dennoch irgendwie äußerst appetitanregend. Leider fehlte da noch Nummer zwei … Obwohl sie wahrscheinlich schon mit einem von beiden mehr als genug beschäftigt wäre. Wie Sara das nur aushielt, von zwei Männern benutzt zu werden … Es musste eine unsägliche Leidenschaft in der Blondine brennen. Ein Gefühl der Lust, das Jule zu gern ihr Eigen hätte nennen wollen.
So kauerte sie nun am Boden, starrte Lukas’ Füße an und konnte sich nicht so recht dazu durchringen, sich auf allen vieren vorwärtszubewegen. Er sagte natürlich immer noch keinen Ton, doch als sie zu ihm emporschaute, sah sie direkt in seine Augen, in denen etwas ihr Unbekanntes schimmerte. Jule fühlte sich ganz seltsam. Seltsamer als je zuvor in ihrem Leben. Sie schöpfte Kraft aus diesem dunklen Blick, der sie förmlich auf alle viere zwang, ihr sagte, dass es gut für sie war, sich genau dort zu befinden. Dort – am Boden vor seinen Füßen. Wieder zog es ihren Bauch beinahe schmerzhaft zusammen. Ihre Hände berührten den Praxisboden, der im Röntgenraum trotz der sommerlichen Temperaturen kühl war. Noch nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, wie sich Laminat anfühlte, doch heute nahm sie es bewusst wahr. Laminat war uneben und glatt zugleich. Härter und kälter als Holz. Ihre rechte Hand streckte sich, ihr rechtes Knie folgte. Noch einen Schritt auf allen vieren, und schon war ihr Kopf zwischen seinen Beinen angelangt. Jule hielt die Luft an. Nie hätte sie geahnt, ihrer Vorstellung von einem erotischen Abenteuer so schnell so nah zu kommen und gleichzeitig Lichtjahre davon entfernt zu sein. Wenn er jetzt doch nur …
Was? Lukas saß mit dem Röntgenschutz über den Schultern auf dem Stuhl und wartete darauf, dass sie den Euro aufhob und endlich das Röntgenbild von seinem Gebiss anfertigte. Stattdessen kroch sie am Boden zwischen seinen Schenkeln herum. Sie machte sich echt lächerlich. Das hatte sie nicht nötig. Nein, das hatte sie wirklich nicht.
So streckte sie die Hand aus und fasste nach der Münze, wobei ihre Wange seine Wade streifte. Aus Versehen – oder doch nicht? Gerade wollte sie sich zurückziehen, da bewegte er seinen Fuß und stellte ihn ganz knapp neben ihrer Hand ab. Es fehlten nur ein paar winzige Millimeter – mehr nicht, sonst hätte er sie berührt. Jules Lippen waren staubtrocken, ihre Kehle ebenso. War es Zufall oder keiner, dass er ihrer Hand so nahegekommen war? Erneut sah sie nach oben. Doch über ihr war nur seine Mitte, auf die sie wegen seiner gespreizten Schenkel einen guten Blick hatte.
War da eine Beule in seiner Jeans?
Wäre es möglich, dass er auch auf eine kleine Arzthelferin, die zwischen seinen Beinen herumkroch, reagierte? Rein körperlich – versteht sich.
Jule starrte fasziniert auf die sich deutlich abzeichnende Beule. Wie gern hätte sie einen schüchternen Kuss darauf gehaucht. Noch lieber hätte sie sich zuvor langsam mit ihren Lippen seinen kräftigen Schenkel emporgetastet.
Jule riss sich zusammen, gab sich einen Ruck, schob erst ihr rechtes Bein zurück, dann ihr linkes.
Geschafft! Erleichtert und bedauernd zugleich richtete sie sich auf. „Ihr Euro.“
Er nickte nur, kein Danke kam über seine Lippen, nur sein dunkler Blick bohrte sich in ihren.
Beinahe hätte sie den Kopf geschüttelt, um sich von ihm loszureißen, doch natürlich hatte sie sich unter Kontrolle. Schließlich wollte sie sich nicht lächerlich machen. Sie ging rückwärts. Rückwärts - noch nie hatte sie so das Zimmer verlassen. Okay, es gab für alles ein erstes Mal. Ihr Herz überschlug sich beinahe vor Aufregung. Mit zittrigen Fingern betätigte sie den Röntgenapparat, der im Nebenraum stand. Jule zählte bis zehn und versuchte dabei, ihre durcheinandergeratene Gefühlswelt wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie straffte die Schultern, hob den Kopf und ging zurück zu Lukas.
„Den Umhang können Sie jetzt abnehmen.“
Irritiert hob er die Augenbrauen.