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Wenn aus zwei erst drei und aus drei schließlich vier wird. Stella und Lena besuchen eine Falknershow der adligen Brüder Nikolas und Raphael. Die beiden Männer leben auf einer Burg und betreiben neben der Falknershow auch ein Tätowierstudio sowie eine BDSM-Bar. Während Stella sich von Nikolas ein Tattoo stechen lässt, lernt Lena Raphael auf eine ganz andere Art und Weise näher kennen. Beide werden mit der Dominanz der Brüder konfrontiert. Lena rutscht in das erotischste Abenteuer ihres Lebens, Stella dagegen befindet sich auf Neuland, durch das Nikolas sie sicher leitet. Geheime Sehnsüchte werden zur Realität und manch ein Tabu gerät ins Schwanken. Doch stellt sich die Frage, ob verborgene Wünsche in der Wirklichkeit tatsächlich Bestand haben und wie groß die Macht der Liebe tatsächlich ist ... Ein romantischer Ménage-BDSM-Roman.
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Seitenzahl: 266
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Sabina Tempel
Masters of Ménage: Zwei plus zwei ist vier
© 2020 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
Covergestaltung: © Sabrina Dahlenburg /Mia Schulte
Coverfoto: © Periodimages.com
ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-441-2
ISBN eBook: 978-3-86495-442-9
Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Epilog
Autorin
Stella trat aufs Gaspedal, während Lena sich am Türgriff festklammerte.
„Ich habe nur den dritten Gang eingelegt“, entschuldigte sie sich und warf ihrer leicht hysterisch wirkenden Freundin einen kurzen Seitenblick zu.
„Schau nicht zu mir, sondern pass besser auf, wo du hinfährst!“
„Mach ich sowieso“, kommentierte Stella ein wenig genervt.
„Musst du immer so rasen?“
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, sagte sie leichthin.
„Selten so gelacht“, quetschte Lena hervor und schaute angestrengt aus dem Fenster, während ihre Hand weiterhin am Türgriff ruhte.
„Dachte ich mir.“ Stella grinste, was ihr einen bösen Blick von ihrer Freundin einbrachte.
„Ohne mich wärst du gar nicht auf die Idee gekommen, dir die Burg anzusehen.“
„Stimmt“, gab sie zu.
Die Burg, genauer genommen Burg Falkenstein, war kein herkömmliches historisches Gebäude. Jeder sprach über diesen Ort. Zumindest jeder, der irgendwie in sein wollte, denn auf der Burg befand sich eine Bar, von der gefühlt jeder wusste, obwohl mehr darüber getuschelt als direkt erzählt wurde. Außerdem war Falkenstein im Besitz von zwei Brüdern, die einem alten Adelsgeschlecht entstammten, was den Ort noch mal interessanter werden ließ. Dass sie allerdings besonders reich waren, bezweifelte Stella. Jonas, ihr Ex-Freund, hatte diesbezüglich einst eine abfällige Bemerkung gemacht. Wie hatte er gesagt?
Wer es nötig hat, eine historische Stätte in einen Ort der Lust zu verwandeln, der gehört dafür nicht noch belohnt.
So ganz hatte sie den Sinn seiner Worte nicht verstanden, denn soweit sie informiert war, gab es nichts Anrüchiges in dem alten Gemäuer außer einer Bar und einem Tätowierstudio, dessen Betreiber einer der beiden adligen Brüder war. Der Mann hatte sich im Laufe der Zeit einen guten Namen als Künstler gemacht. Seine Tattoos waren dermaßen begehrt, dass man fast ein Jahr auf einen Termin warten musste.
Bei ihr war es nun schon zehn Monate her, seit sie zu ihrem vierundzwanzigsten Geburtstag einen Gutschein für ein Tattoo geschenkt bekommen hatte. Nächste Woche wäre es endlich so weit. Sie würde sich zum ersten Mal tätowieren lassen. Bereits jetzt rutschte ihr das Herz in die Hose, wenn sie nur daran dachte. Sie war relativ schmerzempfindlich und hatte Angst, den Termin nicht zu überstehen. Vorsorglich wollte sie heute einen Blick auf den Inkkünstler werfen, von dem jeder – besonders jede Frau – nur so schwärmte.
Als Lena gefragt hatte, ob sie sich die Greifvogelschau ansehen wollten, hatte sie erst verständnislos mit den Schultern gezuckt. Doch dann hatte sie begriffen, dass dies die Möglichkeit war, auf die sie gehofft hatte, denn der Tätowierer war, wie sein Bruder, Falkner und der Greifvogelpark gehörte zu der Burg.
Ein Falkner. Stella schluckte. Ein Mann, der einen Vogel zur Jagd abrichtete. Ekelhaft fand sie das.
Lena hatte ihre Abneigung dagegen nicht verstanden, obwohl sie selbst nie Fleisch aß. Ihre Freundin hatte nur mit den Augen gerollt, als sie einen abfälligen Kommentar über Falkner gemacht hatte, und gemeint, dass sie sich nicht über ein paar erlegte Hasen aufzuregen brauchte, die, wenn sie schlau waren, rechtzeitig in ihrem Bau verschwinden konnten.
Seltsam, denn eigentlich waren Tiere nicht unbedingt ihre Leidenschaft. Natürlich wollte sie, dass es jedem Lebewesen gut ging, dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, einen Hund oder eine Katze zu besitzen. Sie hatte viel zu wenig Zeit und war zu ordnungsliebend. Tierhaare hätten in ihrer kleinen, aber feinen Wohnung nur gestört. Lena bezeichnete sie des Öfteren als pingelig, was vielleicht sogar stimmte. Ihre Freundin sah die Sache mit ihrer peniblen Sauberkeit sowieso aus einem anderen Blickwinkel, denn sie war auf einem Bauernhof aufgewachsen. Schon komisch, dass sie zur Vegetarierin geworden war.
„Da vorn musst du abbiegen“, riss Lena sie aus ihren Gedanken.
Stella trat auf die Bremse. „Wo?“
„Hast du das Schild nicht gesehen?“
Welches Schild?
Langsam fuhr sie weiter. Zu ihrer Rechten ging ein schmaler Weg von der Landstraße ab. „Hier?“
„Ja“, meinte Lena ungeduldig.
„Das ist nicht einmal eine richtige Straße.“
„Hast du angenommen, dass du auf einem zweispurigen Weg zur Burg fahren kannst?“
Nun warf Stella ihrer Freundin einen bösen Seitenblick zu, setzte den Blinker und bog ab. Falls ihnen ein Fahrzeug entgegenkommen sollte, würden sie wahrscheinlich im Graben landen, denn Rückwärtsfahren war nicht so ihr Ding und ein Aneinandervorbeikommen war nur schwer möglich. Zu allem Übel war das Gras so hoch gewachsen, dass nicht erkennbar war, ob sich eine Wiese oder ein versteckter Graben neben der Fahrspur befand.
Da sollte sie langfahren? Einen Weg empor, der immer kurviger und schmaler wurde?
Und das ohne tatkräftige Unterstützung an ihrer Seite?
Was taten die Leute nur alles für ein schickes Tattoo!
Rechter Hand tauchte ein Parkplatz auf. Erleichtert atmete sie auf. Eine Stelle, an der man wenden konnte.
„Willst du nicht reinfahren?“, erkundigte sich Lena.
Wieder trat Stella auf die Bremse und warf einen Blick zur Burg, die noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt lag.
„Wenn wir laufen, bin ich fix und fertig, bis wir dort oben ankommen.“
„Weichei“, gluckste Lena.
„Wie bitte?“
„Du bist auch gar nichts gewohnt.“
Das stimmte. Leider. Und das, obwohl jeder sie um ihre Figur beneidetet und annahm, dass sie regelmäßig Sport trieb. Dabei tat sie nichts dergleichen. Auch auf der Arbeit musste sie sich nicht großartig bewegen, und den Weg dorthin legte sie mit dem Auto zurück. Ihre kleine Wohnung lag zwar gar nicht so weit von dem Unternehmen entfernt, in dem sie als Sekretärin angestellt war, aber sie mochte es nicht, im Kostüm oder Hosenanzug durch die Stadt zu laufen. Anfänglich war ihr das noble Outfit vollkommen fremd gewesen. Mittlerweile hatte sie sich an das Tragen gewöhnt, allerdings identifizierte sie sich nicht mit dem Look. In ihrer Freizeit trug sie stets betont lässige Kleidung. Chucks und Jeans, die locker auf den Hüften saßen, dazu meist enge Oberteile. So auch heute. Im Moment unterstrich ein Cap die gewollte Coolness.
Wenn Lena und sie gemeinsam auftraten, schauten die Leute meist zweimal hin, so unterschiedlich sahen sie aus. Lena war klein, fast schon ein wenig pummelig, hatte eine helle Haut, weißblondes Haar und extrem blaue Augen. Sie war ziemlich selbstbewusst und kleidete sich so, als wollte sie kein einziges Pfündchen verstecken. Immer sehr figurbetont, mit Ausschnitten, die relativ viel Brust zeigten. Dazu trug sie oftmals Röcke, die knapp über ihrem Hintern endeten. Außerdem schien ihr das Laufen in High Heels so viel Freude zu bereiten, dass sie die Schuhe wirklich zu jeder Gelegenheit trug, auch wenn sie sich einen Greifvogelpark oder eine alte Burg anschauen wollte.
„Was machst du eigentlich, wenn du mit den Absätzen im Kopfsteinpflaster hängen bleibst?“
„Barfuß laufen“, entgegnete Lena trocken.
Das traute sie ihrer Freundin zu!
„Aber ich bleibe schon nicht hängen.“ Lena winkelte ihr rechtes Bein an und legte es auf den linken Oberschenkel, sodass ihr Fuß über dem Schaltknüppel hing. „Ich habe mich extra für die Outdoorvariante mit nur sieben Zentimetern Absatzhöhe und einem Durchmesser von einigen Millimetern entschieden.“
Das Bewundernswerte an Lena war, dass sie wirklich jeden Weg zu Fuß ging oder mit dem Fahrrad zurücklegte. Und das mit solchen Schuhen!
„Outdoorvariante“, gluckste Stella.
„Klar. Sonst schaue ich doch wie ein kleiner runder Zwerg aus. Besonders, wenn du dabei bist.“
„Ach so, du machst dein Outfit also von mir abhängig?“
„Natürlich.“ Lena grinste.
„Willst du dir eigentlich auch irgendwann ein Tattoo stechen lassen?“
„Ich? Nein.“
„Gefallen dir Tätowierungen nicht?“, hakte sie nach.
„Doch, aber sie passen nicht zu mir. Außerdem würde mein Vater einen Herzanfall bekommen.“
„Du bist erwachsen“, erinnerte Stella ihre Freundin.
„Schon, aber ich bin fast täglich auf dem Hof und möchte meinen Eltern keine Sorgen bereiten.“
Sorgen bereiten?
„Wegen eines Tattoos?“
„Ja. Für sie ist es unvorstellbar, dass ich diese Art von Körperschmuck tragen könnte. Wo ich herkomme, gibt es sieben Häuser. Dort hat niemand eine Tätowierung oder ein Piercing.“
Seltsam! Dabei war der Ort nur etwa zehn Kilometer von der Stadt entfernt.
„Wenn du im ultrakurzen Minirock angeradelt kommst, lästert niemand?“
„Daran haben sich die Nachbarn mittlerweile gewöhnt.“
Stella schwieg. Lena war oftmals ein Buch mit sieben Siegeln für sie. Sie kannte keinen Menschen, der aus so vielen Gegensätzen bestand. Schüchtern und selbstbewusst zugleich – nie hätte sie gedacht, dass es diese Kombi geben könnte. Vielleicht sollte sie schüchtern eher durch ruhig ersetzen? Aber das passte irgendwie auch nicht. Manchmal fragte Stella sich ernsthaft, ob Lena ihr bezüglich ihres Selbstbewusstseins nicht weit voraus war, so geerdet wie sie immer wirkte.
„Willst du eigentlich mitten auf dem Weg parken?“, erkundigte sich Lena in dem Moment.
„Ich überlege, ob es noch einen weiteren Parkplatz gibt.“
„Der Greifvogelpark befindet sich ein Stück unterhalb der Burg. Die Vorführung, die übrigens in zwanzig Minuten beginnt, findet dagegen auf einem Gelände statt, das hinter der Burg liegt. Also auf der Seite, auf der die Straße nicht vorbeiführt. Ich weiß nicht, ob es überhaupt erlaubt ist, dorthin zu fahren. Besser, wir laufen ein paar Meter weiter, als dass du es dir bereits jetzt mit dem Falkner, der ja gleichzeitig auch dein Tätowierer ist, verscherzt. Besonders, da du übermorgen einen Termin bei ihm hast und er sich dann bestimmt noch an dich erinnern kann.“
„Es könnte doch sein, dass es noch einen weiteren Parkplatz gibt“, wandte Stella ein, denn auf einen Spaziergang, der stetig bergauf führte, hatte sie keine Lust, aber unangenehm auffallen wollte sie ebenfalls nicht. Am liebsten wollte sie gar keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Vielleicht wäre es echt schlauer gewesen, wenn sie den kleinen Ausflug ein paar Wochen früher unternommen hätten, denn dann wäre genug zeitlicher Abstand zu ihrem Tattootermin gewesen. Aber Lenas Geduld in allen Ehren, wenn sie nun einen Rückzieher machen würde, würde das kaum auf das Verständnis ihrer Freundin stoßen.
„Ich bin schon einmal hier gewesen und mir ist kein weiterer Parkplatz aufgefallen. Unter der Woche ist es sogar erlaubt, bis in die Burg zu fahren, aber auch darauf stehen die Brüder nicht unbedingt, habe ich mir sagen lassen.“
„Von wem?“
Lena zuckte die Schultern. „Das erzählt man sich eben.“
„Wo denn?“, erkundigte sie sich neugierig.
„Mensch, ich arbeite in einer Bäckerei, da erfährt man so einiges.“
Klar. Die Leute tratschten beim Brötchenholen besonders gern. Das konnte sie sich bildlich vorstellen.
„Ich wusste gar nicht, dass du schon einmal auf der Burg gewesen bist.“ Sie konnte sich nicht erinnern, dass Lena diesbezüglich jemals etwas erwähnt hatte.
„Doch. Mit meinem kleinen Neffen. Er wollte die Vögel sehen.“
„Ach so.“ Von einem Neffen wusste sie eigentlich auch nichts, aber Lena hatte einige Geschwister; möglich, dass die bereits Familien gegründet hatten.
„Keine Angst“, schmunzelte Lena. „Die In-Bar habe ich noch nicht besucht. Das hätte ich dir schon erzählt.“
Stella seufzte und bog nun doch auf den Parkplatz ab.
„Wir müssen uns beeilen“, drängelte Lena.
„Geht nicht schneller“, keuchte Stella. Der Berg war echt eine Herausforderung. „Warum bist du nur so fit?“
„Arbeit“, grinste Lena. „Den ganzen Tag in der Bäckerei stehen, und die Arbeit auf dem Hof meiner Eltern ist auch nicht zu verachten. Ausmisten macht Muckis.“ Lena spannte ihren Oberarmmuskel an und förderte so einen beachtlichen Bizeps zutage.
„Boah!“ Stella grinste leicht gequält. „Ich glaube, ich sollte in Zukunft auch etwas für meinen Körper tun.“
„Komm bloß nicht auf die Idee, zu einer von diesen Sportfanatikerinnen zu werden.“
„Wie meinst du das?“, fragte sie ein wenig irritiert.
„Ach, manchmal nerven mich diese Frauen einfach, wenn sie in unsere Bäckerei kommen. Durchgeschwitzt, Stirnband und in einem Fitnessoutfit, in dem ich wie ein Rollmops aussehen würde. Dann fachsimpeln sie meist über gesundes Essen für ihre Kids, kaufen ein paar Körnerbrötchen und gehen wieder.“
Stella zuckte die Schultern. „Bestimmt sind sie glücklich.“
„Wie kommst du darauf?“
„Na ja, Familie und so.“
„Hättest du gern mal Kinder?“, fragte Lena direkt.
Über so ein Thema hatten sie sich noch nie unterhalten. „Klar. Will das nicht jeder?“
„Ich nicht.“
Stella blieb stehen und starrte ihre Freundin verblüfft an.
„Damit hast du jetzt nicht gerechnet, oder?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wegen deines Bruders?“
Lena kniff die Lippen zusammen. „Auch. Vielleicht.“
Stella fragte nicht weiter nach. Sie wusste, dass ihre Freundin nichts zu dem Thema sagen würde.
„Da vorn ist schon der Eingang zum Park“, sagte sie stattdessen und zeigte auf ein Schild links vom Weg.
Sie folgten dem Hinweis und bogen in Richtung des Vogelparks ab. Schließlich stießen sie auf eine Schranke mit einem kleinen Häuschen, an dessen Fenster man Tickets kaufen konnte.
„Acht Euro?“, fragte Lena in einem Tonfall, der klarmachte, dass sie den Preis für Wucher hielt.
„Dafür ist auch die Show dabei“, sagte die Frau, die sie ungeduldig betrachtete. „Unser regulärer Wochenendpreis.“
„Findet die Vorführung denn nur samstags und sonntags statt?“
„Ja. Höchstens, sie wird extra gebucht, dann schauen wir, dass wir eine zusätzliche einschieben können. Schulklassen melden des Öfteren ihr Interesse an.“
„Und warum ist das so?“, hakte Lena weiter nach, obwohl die Frau äußerst genervt wirkte.
„Unsere Falkner haben noch andere Jobs.“
Jetzt reichte ihr Lena endlich zehn Euro.
„Haben Sie es nicht klein?“
„Nein“, knurrte Lena.
Stella beeilte sich, ebenfalls zu zahlen. Sie hatte die acht Euro passend, sodass die Kassiererin ihrer Freundin herausgeben konnte.
„Ob die hier alle so unfreundlich sind?“, murmelte sie. „Bei unserem Glück ist der Tätowierer heute bestimmt nicht einmal bei der Show dabei.“
„Normalerweise machen sie die Show zu zweit.“
Mittlerweile war ihr die Lust auf eine Falknervorstellung vergangen.
„Hast du gesehen, wie voll der Parkplatz gewesen ist? Die Leute kommen, weil sie die Brüder sehen wollen. Wäre dumm von ihnen, wenn sie ihre Popularität gefährden würden.“ Lena ließ sich nicht so leicht die gute Laune verderben.
„Die sollen von irgendeinem Adelsgeschlecht abstammen“, warf Stella ein.
„Wahrscheinlich sind sie total arrogant, und du bist am Montag froh, wenn du es endlich hinter dir hast.“
„Das bin ich auch so“, sagte sie und lachte.
„Aufgeregt?“
„Schon“, gab sie zu.
„Gehen wir gleich zum Vorführgelände?“, wechselte Lena das Thema.
Stella nickte.
„Warum bist du eigentlich erst so spät bei mir gewesen?“
„Ich habe arbeiten müssen“, seufzte sie.
„Samstags?“
„Es wurden Kopien benötigt.“
„Viele?“
„Ein paar tausend“, jammerte sie.
„Und das am Wochenende?“
Stella seufzte erneut. „Der Chef war der Meinung, dass seine Außendienstmitarbeiter die Unterlagen am Montag dringend benötigen würden.“
„In Papierform?“
„Hm.“
„Jonas’ Idee?“, erkundigte sich Lena.
„Ich vermute es.“
„Er lässt dich immer noch nicht in Frieden?“
Stella schüttelte den Kopf. „Wenn er wenigstens mit sich reden lassen würde.“
„Wie meinst du das?“
„Er geht jedem klärenden Gespräch aus dem Weg.“
„Wenn er akzeptiert, dass es zwischen euch aus ist, braucht ihr doch keines mehr.“
Natürlich verstand Lena nicht, dass Jonas nicht so einfach aufgab und dazu neigte, sie mit hinterhältigen Kleinigkeiten zu quälen.
„Er akzeptiert es aber nicht“, sagte Stella kurz angebunden. Sie hatte keine Lust, weiter über Jonas zu reden. Allein der Gedanke an ihn verdarb ihr den Tag. Sie war von seinen ständigen Sticheleien wirklich genervt, ebenso davon, dass er sie bei den Kollegen schlechtmachte.
Lena rannte beinahe hinter Stella her, die es plötzlich außerordentlich eilig hatte, zu dem Gelände zu gelangen, auf dem die Show stattfinden sollte. Jonas war ein dunkles Kapitel im Leben ihrer Freundin. Er hatte ihr viel von ihrer Unbeschwertheit genommen. Manchmal liefen Beziehungen einfach nicht, wie sie laufen sollten.
Kein Mensch hätte von Stella gedacht, dass sie sich von einem Mann so fertigmachen ließe. Lena beobachtete sie, wie sie betont lässig vor ihr herlief und dabei ihre Hüften so gekonnt schwang, als hätte sie es monatelang geübt. Die meisten Leute hielten sie wahrscheinlich für eingebildet oder für äußerst selbstbewusst, doch sie war weder das eine noch das andere.
„Da sind schon alle Plätze besetzt“, sagte Stella in dem Moment.
Lena blickte sich um. Die kleine Tribüne, die aus ein paar Holzbalken bestand, auf die man sich setzen konnte, war reichlich mit Zuschauern gefüllt: Eltern mit ihren Kindern, aber auch viele Frauen, die sich ohne Begleitung – zumindest ohne männliche - hier befanden. Frauen, die wohl aus einem ähnlichen Grund wie sie hier waren. Wahrscheinlich nicht wegen eines bevorstehenden Tätowiertermins, sondern wegen der Burgherren. Aber okay, wenn sie ehrlich war, hatten sie ja ebenfalls vor, sich einen der beiden Typen näher anzusehen. Schließlich wollte Stella wissen, wen sie nächste Woche auf ihren Körper losließ.
Sie konnten sich gerade noch am Rand auf einen der Balken quetschen. Lena war bestimmt nicht zimperlich, aber die Holzteile waren wirklich alles andere als bequem. Sie musste Stella insgeheim recht geben, die gemeint hatte, dass ihr Outfit für dieses Ambiente nicht geeignet sei. Der Rock rutschte so weit die Oberschenkel hinauf, dass es beinahe schon unzüchtig wirkte. Leider konnte sie die Beine nicht übereinanderschlagen, da der Balken für kleine Menschen wie sie viel zu hoch angebracht war. Vielleicht konnte man bei einer Körpergröße von einem Meter achtzig einigermaßen annehmbar darauf Platz nehmen, aber bei gerade mal eins sechsundfünfzig war das nicht machbar. Da halfen selbst die sieben Zentimeter Absatz nicht.
Die Frauen warfen ihr abschätzende Blicke zu und die ein oder andere tuschelte mit ihrer Nachbarin. Lena schaute zu Stella. Ihrer Freundin fiel das natürlich nicht auf. So, wie immer. Sie bemerkte solche Blicke nur, wenn man sie mit der Nase darauf stieß. Lena grinste eine große Blonde herausfordernd an, die eben noch die Nase gerümpft hatte und nun sogar den Kopf schüttelte.
Was für eine dumme Tussi!
Lena legte den Kopf in den Nacken und schloss für einen Moment die Augen. Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht. Wer diese Tribüne gebaut hatte, gehörte wirklich bestraft. Erstens war es wohl der heißeste Platz auf der gesamten Wiese, zweitens war man einfach nur geblendet. Und zwar nicht von der Schönheit der adligen Brüder, sondern vom gleißenden Sonnenlicht.
„Ich hätte eine Sonnenbrille mitnehmen sollen“, jammerte Stella.
„Wahrscheinlich laufen die Falkner ein Mal mit einem Vogel auf dem Arm vorbei und dann ist die Show aus“, vermutete Lena. „Länger hält man in der Hitze eh nicht durch.“
Als sie mit ihrem Neffen in dem Park gewesen war, hatten sie sich lediglich die Tiere angesehen. Von dem Ablauf der Vorführung hatte sie keine Ahnung.
Plötzlich lachte Stella amüsiert auf. „Wie lümmelst du denn herum? Dir fehlen mindestens zehn Zentimeter, um dich bequem setzen zu können.“
„Wie? Lümmelst?“
„Na ja, du hängst gerade mal mit deinem halben Hintern auf dem Balken.“
„Hm. Sonst rutscht mein Rock extrem hoch“, entgegnete sie resigniert.
„Hat doch auch etwas.“
„Da kann ich aber froh sein, dass die Vögel nicht auf weibliche Schenkel stehen.“
Stella lachte. „Vielleicht ziehst du ja dafür sämtliche männlichen Blicke auf dich.“
„Die weiblichen habe ich schon“, bemerkte sie trocken.
„Echt?“
Stella – die Arglosigkeit in Person.
„Ja, ein paar Frauen sind beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen.“
„Die sind eben neidisch.“
„Wenn du meinst.“ Lena bezweifelte das. Neid und Abfälligkeit waren nun einmal zwei Paar Schuhe.
„Meine ich“, antwortete Stella mit Nachdruck. „Pst!“, machte sie dann und eine Kopfbewegung nach rechts.
Interessiert hob Lena den Kopf. Ein Mann betrat die Wiese. Er hatte dunkles, kurzes Haar, trug ein knackig enges Shirt, was seinen muskulösen Oberkörper vorteilhaft betonte, und eine Armeehose. Dazu Boots. Um seine Hüften war ein Gürtel geschlungen, an dem eine kleine Tasche und ein größerer Behälter hingen. Wahrscheinlich befand sich Futter darin.
Gebannt starrte Lena ihn an, nahm seine aristokratisch anmutenden Gesichtszüge wahr, den strengen Zug um den Mund und die Augen, deren Blicke sich wohl genauso in die Seele seines Gegenübers bohren konnten wie die seiner Vögel. Im Moment ließ er seinen Blick prüfend über die Zuschauer schweifen und nickte zufrieden. Lena kniff die Augen zusammen, damit ihr ja keine Kleinigkeit entging. Eine Sonnenbrille wäre wirklich ein Traum gewesen.
Der Mann führte seine Hand zum Mund. Ein Pfiff ertönte. Plötzlich wurde es dunkel über ihr. Sie spürte einen Lufthauch, ein Rauschen. Die ein oder andere Frau quiekte erschrocken auf. Vorsichtshalber zog Lena den Kopf ein, obwohl sie klein war. Der Vogel machte eine Kehrtwende und flog erneut dicht über sie hinweg. Am schlimmsten traf es die Leute in den hintersten Reihen, weil er denen sehr nahe kam. Wie gut, dass sie sich in die vorderste gezwängt hatten. Nur leider senkte der Vogel seinen Flug am Randbereich ein wenig, bevor er sich kurzzeitig wieder in die Lüfte erhob, um sich dann auf dem ledernen Handschuh seines Herrn niederzulassen und seine Belohnung abzuholen.
Erneut ertönte ein Pfiff. Lena schaute sich verwundert um. Erst jetzt entdeckte sie den zweiten Mann, der am Rand der Wiese stand. Er war ähnlich gekleidet, trug sein hellbraunes Haar zu einem langen Zopf und war ein ganzes Stück kräftiger gebaut als der andere. Er erinnerte sie an einen Rocker oder einen Musiker. Es fehlte nur noch die Gitarre in seinen Händen, ein Sänger im Vordergrund, oder, alternativ dazu, eine Harley unter ihm. Instinktiv wusste sie, dass es sich bei ihm um den Tätowierer handeln musste.
Lena stieß Stella unauffällig den Ellenbogen in die Seite. Doch als sie einen Blick in das Gesicht ihrer Freundin warf, erkannte sie, dass die ihn ebenfalls entdeckt hatte. Stellas Hände lagen so fest auf ihren Knien, als wollte sie sich festhalten. Sie erweckte den Eindruck, dass es ihr nun noch mulmiger zumute war. Lena konnte sie irgendwie verstehen, denn die zwei Männer wirkten sehr selbstbewusst. Jeder auf seine Art, was beide ziemlich interessant machte.
„Und?“, flüsterte sie Stella ins Ohr.
„Ich hätte ihn mir ansehen sollen, bevor ich mir diesen Gutschein gewünscht habe.“
„Warum?“
„Der Typ ist einfach …“
„Was?“
„Ein Bär“, platzte Stella heraus.
„Ein was?“ Lena schmunzelte.
„Sieh ihn dir doch nur an!“
„Er schaut aus, als wäre er einem Metalmagazin entsprungen.“
„Sagte ich doch. Ein Bär“, wisperte Stella und starrte ihn fasziniert an.
Schmacht war alles, was Lena einfiel.
Ein Bär – sie glaubte es nicht!
Bisher hatte sie gar nicht gewusst, dass Stella auf bärenhafte Typen stand. Jonas war davon so weit entfernt wie ein Pinguin vom Äquator. Dunkelblond, Kurzhaarschnitt, Brille. Okay, einen Bauchansatz hatte er, aber das war schon das Einzige, das an einen Bären, in seinem Fall eher an einen Waschbären, denken ließ.
Ein Räuspern ertönte.
Noch mal. Nun schon eine Idee lauter.
Lena richtete ihre Aufmerksamkeit auf den anderen Falkner, der sie lediglich an einen äußerst attraktiven Mann und nicht an einen Bären erinnerte.
Sie erstarrte.
Sein dunkler Blick war auf sie gerichtet. Auf ihr Gesicht. Sie sah das Missfallen sofort in seinen Zügen. Er wollte, dass sie es wahrnahm. Ansonsten hätte er nicht diese grantige Miene aufgesetzt und sich geräuspert.
Beschämt schaute sie beiseite.
Doch in dem Moment regte sich so etwas wie Widerstand in ihrem Inneren. Auch Zuhause hatte sie früher immer den Blick gesenkt. Vor ihrem Vater. Und manchmal sogar vor ihren großen Brüdern.
Aber das wollte sie jetzt nicht! Nicht vor Fremden. Ruckartig hob sie den Kopf und sah ihm trotzig ins Gesicht. Sein Blick wurde noch eine Nuance dunkler.
In dem Moment ertönte das Pfeifen erneut und plötzlich saß ein anderer Vogel auf seinem Handschuh.
Wo war der erste hin?
Lena sah sich suchend um. Der Bär stand immer noch an der gleichen Stelle. Doch irgendjemand musste den ersten Vogel weggebracht haben. Das war ihr vollkommen entgangen.
Der Falkner begann zu sprechen. Er redete nicht laut, forderte die Besucher lediglich auf, still zu sein und ihm zuzuhören. Er erzählte, dass die Vögel nicht miteinander auskamen und deswegen auch im Park getrennt gehalten werden mussten. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die Tiere, die sie trainierten und zur Jagd ausbildeten. Mit ihnen mussten sie sich täglich beschäftigen, denn am Anfang der Ausbildung musste der Vogel zuerst Vertrauen aufbauen. Vertrauen war das Wichtigste. Ohne diese Grundlage konnten Mensch und Tier nicht zusammenarbeiten. Dieses Miteinander-Arbeiten funktionierte allerdings nur in Zusammenhang mit Futter. Mit Belohnung.
Das wunderte Lena nicht. Im Endeffekt war es mit allen Tieren ähnlich. Liebe ging durch den Magen. Auf dem Hof ihrer Eltern liefen Katzen, Hühner und Hund stets ihrer Mutter hinterher. Einfach aus dem Grund, weil sie sie täglich fütterte. Der Hund hörte zwar besser auf ihren Vater, letztendlich hing er aber mehr an ihrer Mutter, weil sie die Futterquelle darstellte.
Falsch, berichtigte sie sich gedanklich. Ihre Mutter schenkte den Tieren auch viel Liebe. Sogar die Hühner bekamen ihre täglichen Streicheleinheiten.
Die Show floss an ihr vorbei. Ein Vogel löste den nächsten ab. Sie hörte gar nicht richtig zu, denn es interessierte sie nicht großartig, wie die Tiere abgerichtet wurden und die Jagd vonstattenging. Dafür lullte sie die samtige Stimme des Mannes ein. Die des Tätowierers war dagegen viel tiefer, was zu seiner ganzen Erscheinung passte.
Lena ließ ihren Gedanken freien Lauf. Mittlerweile war es ihr sogar egal, wo ihr Röckchen hing, denn ändern konnte sie den Sitz so oder so nicht, wenn sie nicht stehen wollte. Und das würde so richtig dumm aussehen. Wahrscheinlich würde noch so ein riesiges Geflügel an ihrem Kopf hängen bleiben, weil es nicht damit rechnete, auf einen stehenden Menschen zu treffen.
Der Falkner ignorierte sie nun völlig und widmete seine komplette Aufmerksamkeit den Tieren. Ob er das Publikum überhaupt noch bewusst wahrnahm, stand in den Sternen.
Schließlich verabschiedeten sich die beiden Männer, und schneller, als sie sich versehen hatte, waren sie auch schon verschwunden. Einige der Frauen blickten sich suchend um. Auf ein näheres Kennenlernen der Zuschauer schienen die Falkner keinen gesteigerten Wert zu legen.
Eigentlich war Lena das ganz recht. Ihr war nicht danach, zu sehen, wie die Mädels sich dem hübschen Falkner an den Hals warfen.
„Stella?“, ertönte eine männliche Stimme.
Stella zuckte sichtbar zusammen und versteifte sich. „Was machst du denn hier?“
Lena schaute den Mann an, der sich vor ihnen aufgebaut hatte. Es war Jonas. Sie erkannte ihn sofort, obwohl sie ihn nur ein einziges Mal gesehen hatte, und musste sich angestrengt ein Lachen verkneifen. Jonas war der optische Fehlgriff des Jahrhunderts. Sie konnte kaum glauben, dass dieser Kerl ihrer Freundin das Leben schwer machte und sie stalkte.
Lena ließ ihren Blick an ihm emporwandern. Jonas sah aus, als wäre er eben aus dem Büro gekommen. Graue Stoffhose und ein hellblaues Hemd, das sich über einen erheblichen Bauchansatz spannte. Sein dunkelblondes Haar wurde an den Schläfen bereits lichter, und hinter seiner Brille schauten verkniffen blassblaue Augen hervor. Sein Blick gefiel ihr nicht. Jonas war falsch und wirkte so, als könnte er sehr gemein werden.
„Was machst du hier?“, zischte er Stella in dem Moment an.
„Wie?“, fragte ihre Freundin.
„Hast du nichts zu tun?“
Stella runzelte die Stirn. „Du hast mir den Kopierauftrag eingebrockt, nicht wahr?“
„Du solltest deine Zeit besser sinnvoll verbringen, als dir die Falkner anzuschauen.“
„Was soll das, Jonas? Warum tust du das? Wir sind nicht mehr zusammen.“
Er lächelte hinterhältig. „Genau aus dem Grund.“
Lena schnappte nach Luft, während Stella erbleichte. In diesem Moment nahm er sie zum ersten Mal richtig wahr. Sein Blick strich über ihre nackten Schenkel, hinauf zu ihrem tiefen Ausschnitt. Dann schnaubte er verächtlich auf.
Was für ein Arsch!
Stella schien sein abfälliges Verhalten nicht bemerkt zu haben. „Wollen wir noch einmal in Ruhe über alles reden?“ Der flehende Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Vielleicht können wir uns irgendwie miteinander arrangieren. Wir sind schließlich auch Kollegen.“
Am liebsten hätte Lena ihr den Mund zugehalten. Doch so einfach war das nicht.
„Okay“, sagte Jonas in dem Moment.
„Wann?“, ging Stella sofort auf sein Angebot ein.
„Jetzt.“ Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen, dabei schaute er Stella nicht einmal an, sondern ließ den Blick erneut anzüglich über ihre entblößten Oberschenkel streifen.
„Jetzt oder nie.“ Seine Stimme klang eisig.
„Aber ich bin nicht allein hier.“
„Deine Freundin“, er betonte das Wort äußerst süffisant, „wird das sicherlich verstehen.“
Sie sollte verstehen? Der Typ hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Allein seine Anwesenheit verursachte ihr eine Gänsehaut.
„Ich bin gleich wieder zurück.“ Stella blickte sie unsicher an. „Okay?“
Lena nickte. Es hatte keinen Sinn, zu widersprechen. Stella würde so oder so mit Jonas gehen und sich in ein vollkommen überflüssiges Gespräch verwickeln lassen. Und das nur, weil sie keinen Versuch versäumen wollte, die Streitigkeiten, die zwischen ihnen lagen, friedlich zu lösen. Dabei war kein Frieden in Sicht, denn Jonas wollte ihn gar nicht. Stella befand sich in einer fast ausweglosen Situation, und leider hatte sie nicht den Hauch einer Ahnung, wie sie ihr helfen sollte.
„Ja. Wir treffen uns dann im Park“, stimmte sie ihr deswegen zu.
„Wir werden jetzt in aller Ruhe einen Kaffee trinken gehen“, bemerkte Jonas, während sein hämischer Seitenblick sie traf.
„Ich kann Lena aber nicht so lange allein lassen“, wandte Stella ein.
„Ist sie ein Baby, das seine Mutter braucht?“, lästerte er.
Lena hätte am liebsten ausgeholt und ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst. Aber wieder beherrschte sie sich. Es war an Stella, sich zu wehren, nicht an ihr. Doch die war so traumatisiert von dem Typen, dass sie nicht einmal zu bemerken schien, was für eine Show er gerade abzog. Langsam begann sie sich ernsthaft zu fragen, was er Stella in den letzten Monaten so alles angetan hatte, denn sie hatten in der Zeit kaum Kontakt zueinander gehabt. Wahrscheinlich auf Jonas’ Wunsch hin.
„Rede nicht so!“, fuhr Stella ihn halbherzig an. „Können wir uns nicht im Auto unterhalten?“
„Auf keinen Fall.“ Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. „Entweder in einem Café oder gar nicht.“
Stella zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute nervös darauf herum.
Lena hätte sie schütteln können, damit sie aufwachte, aber auch das wäre sinnlos. Sie würden später miteinander reden.
„Aber wirklich nicht allzu lange, okay?“, gab ihre Freundin seinem Wunsch bereits nach.
Jonas hielt es nicht für nötig, zu antworten, sondern setzte sich in Bewegung. Stella trabte hinter ihm her, den Kopf gesenkt.
Lena verkniff sich ein Seufzen. In dem Moment nahm sie eine flüchtige Bewegung zu ihrer Linken wahr und entdeckte den kurzhaarigen Falkner, der gerade dabei war, ein liegen gelassenes Federspiel zu holen. Sein Blick traf auf ihren. Er hatte sorgenvoll die Stirn gerunzelt, und sie war sich beinahe sicher, dass er einen Teil der Unterhaltung mitbekommen hatte. Schließlich hatte Jonas nicht eben leise gesprochen.
Lena lief durch den Park und schaute sich Falken, Adler und Eulen an. Einige Vögel hatten ihren festen Platz, andere waren in Volieren untergebracht und schienen zu brüten. Der Park war nicht groß und die Besucher hatten ihn längst verlassen. Mittlerweile war über eine Stunde vergangen, aber von Stella war immer noch nichts zu sehen. Lena seufzte. Sie hatte schon damit gerechnet, dass sich Jonas bei dem Gespräch Zeit lassen würde. Eigentlich hatte sie heute Abend bei ihren Eltern vorbeischauen wollen, doch nun saß sie mitten in der Pampa fest.