Maximilian Harden - Theodor Lessing - E-Book

Maximilian Harden E-Book

Theodor Lessing

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Beschreibung

In "Maximilian Harden" beleuchtet Theodor Lessing das facettenreiche Leben und die kontroversen Ansichten des Journalisten und Publizisten Maximilian Harden. Mit einem scharfen, analytischen Stil und einer fundierten historischen Perspektive präsentiert Lessing ein Porträt, das sowohl Harden als auch seine Zeit widerspiegelt. Durch die Verknüpfung von biografischen Details und gesellschaftlichen Strömungen gelingt es Lessing, die vielschichtigen Spannungen zwischen Individualität und Öffentlichkeit sowie zwischen Meinungsfreiheit und Zensur zu thematisieren, die im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle spielten. Theodor Lessing, als gebildeter Denker und Kritiker der Weimarer Republik, stellte sich den Herausforderungen seiner Zeit mit bemerkenswerter Klarheit und Intelligenz. Seine umfangreiche Auseinandersetzung mit Themen wie Freiheit, Identität und kultureller Konflikt spiegelt sich in diesem Werk wider. Lessing, der selbst unter dem Druck autoritärer Regime stand, nutzt sein feines Gespür für gesellschaftliche Dynamiken, um Harden als Symbol einer Ära von Krisen und Umbrüchen darzustellen. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die sich für die Wechselwirkungen zwischen Journalismus und Gesellschaft interessieren und ein tiefgreifendes Verständnis für die Herausforderungen, vor denen freie Denker in politisch turbulenten Zeiten stehen, entwickeln möchten. Lessings meisterhafte Erzählweise und kritische Analyse machen "Maximilian Harden" zu einem unverzichtbaren Beitrag zur deutschen Literatur- und Ideenhistorie.

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Theodor Lessing

Maximilian Harden

Einfluss und Intrigen: Einblick in die politische und literarische Welt der Jahrhundertwende
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2024
EAN 8596547843214

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Maximilian Harden

Inhaltsverzeichnis
VI
Maximilian Harden

Unbefriedigt, hochgespannt und sehnsüchtig, so saß ich, siebzehn Jahre alt, in einer kleinen deutschen Stadt auf der Schulbank, baute an Zukunftsschlössern und träumte ins Blaue, als mir in einer heute verschollenen Wochenschrift zum ersten Male der Name Maximilian Harden zu Gesichte kam.

Der Name stand als Unterschrift unter leidenschaftlichen Aufsätzen voller Scharfsinn und voller Spiel des Witzes, die den Werdenden beunruhigten und zu beschäftigen begannen. Ich wurde Hardens williger Leser, vielleicht sein erster, jedenfalls der eifrigste, den er besessen hat. Und eines Tages in der Einsamkeit des Herzens machte ich ein Paket aus den ersten Sprossen eines unbehüteten Gartens: Gedichte, Dramen, Novellen und schickte alles mit einer Schilderung meiner Nöte und der Bitte um einen Rat an den gefürchteten Kritiker.

Nie wieder im späteren Leben habe ich so bange auf eine Antwort gewartet. Wochen vergingen. Dann kam die Antwort und übertraf alle Erwartung. „Sie haben im kleinen Finger mehr Talent als ich im ganzen Leibe und allem, was dazu gehört. Eines Tages werden Sie ein Eigenwüchsiger sein, wovor freilich noch viel Schweiß und Mühe gesetzt ist. Wagen Sie ruhig, alles hinter sich zu werfen und sich eine unabhängige Schriftstellerexistenz zu gründen.“

Bald darauf, Pfingsten 1890, zog ich mit einem Kofferchen, das mehr Papier als Wäsche enthielt, in Berlin ein und fragte mich zurecht nach der Köthenerstraße zum Schriftsteller Herrn Harden.

Ein weltmännischer fröhlicher Herr (er war wohl die fesselndste Gestalt, die ich gekannt habe) empfing mich. Um elf Jahre älter, aber um Menschenalter mir überlegen an Weltklarheit, Selbstbeherrschung, Haltung und Klugheit. Er betrachtete den lebenshungrigen Gymnasiasten, halb lächelnd, halb achtungsvoll, und sorgte für ihn wie ein besser gestellter älterer Bruder. Er brachte mich zu Otto Brahm und Theodor Fontane sowie zum Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ Arthur Levysohn. Er hörte halb gerührt, halb verwundert bis tief in die Nacht auf die endlosen Deklamationen des unkritischen und hochtrabenden Jungen. Das dauerte acht Tage. Dann endete der erste Flug ins Freie mit Enttäuschung, und der Keim unsrer Freundschaft starb vor der Blüte.

Wie konnte das geschehen? Es geschah nichts. Es wurde nichts gesprochen. Entscheidend war ein halbbewußter Augenblick, in welchem meine Schwärmerei die Ernüchterung erfuhr.

Wir befanden uns - es war ein heller Sommermorgen - in einer bewegten Aussprache über unsere Wege. Sie waren einander verwandt gewesen. Wir hatten eine unglückliche Jugend durchlitten. Haßten Familie und Elternhaus. Standen allein und waren einsam. Wir empfanden unsre Herkunft aus dem Judentume als Druck, als Last und Verpflichtung und wußten doch nichts vom Judentum; hatten nicht einmal einen Buchstaben Hebräisch gelernt. Wir fühlten leidenschaftlich deutsch und verstanden nicht, daß an unsrer Deutschheit auch nur der leiseste Zweifel haften könne.

Während dieser Aussprache kam uns der Gedanke, in den Tiergarten zu wandern und den Austausch im Grünen fortzusetzen.

Ich ging in den kleinen Vorflur und holte Hut und Stock. Der andere tündelte noch im Zimmer, indem er vor einem großen Spiegel sich ankleidete. Währenddessen sprachen wir durch die angelehnte Türe. Während des leidenschaftlichen Gespräches trat ich auf die Türschwelle und sehe, ins Zimmer zurückblickend, den Gefährten vor dem Spiegel stehen, wie er, ohne zu wissen, daß ich das beobachte, den Sommerhut aufprobiert und aus seiner Lockenfülle eine interessante kleine Napoleonlocke zurechtlegt. Einen Augenblick kreuzten sich die Blicke im Spiegel. Und in meinem Blick mochte wohl Verlegenheit liegen, denn ich empfand Scheu, als wenn ich einen bewunderten Mann bei etwas seiner nicht ganz Würdigem ertappt hätte. Aber in Max Hardens stählernen blauen Augen blitzte zu meinem Entsetzen: Der Feind!

Dieses war (ich weiß das heute genau) ein für meinen Lebensweg entscheidender Augenblick.

Was ich dabei dunkel fühlte, mag etwa dies gewesen sein: „Fliehe! Dies ist eine Gefahr. Hier wird zum Sport, was bluternst ist. Fliehe!“

Wir gingen durch den Tiergarten. Es wurde vieles durchgesprochen. Er entwickelte den Plan, eine Zeitschrift zu gründen. Er verhieß mir eine dauernde Beschäftigung. Aber es war schon ein Riß zwischen uns. Er sprach gönnerhaft, ich schüchtern.

Am Abend dieses Tages brachte ich ihm meinen endgültigen Entschluß: Ich wolle zurück auf die Schulbank, um Arzt oder Lehrer zu werden. Zum Literaten glaube ich mich nicht geeignet. Schneidend kam die Antwort. „Zum Fluge an meiner Seite bist du nicht stark genug.“ Unser Abschied war eiskalt. Beide waren wir enttäuscht. Wir haben uns nicht wiedergesehen. Bis kurz vor seinem Tode. -

Die beiden Wege liefen fortan weit auseinander. Der meine durch viel Labyrinthe, Not, Armut, Verworrenheit bis zum schließlichen Verzicht auf Wirkung und Erfolge. Da erst kam Friede und Freude. - Der andere, Hardens Lebensweg, stieg schon in den nächsten Jahren in steiler Kurve zu solcher Höhe der Wirkung und Macht, daß wohl kaum je zuvor, weder in Deutschland noch in einem anderen Lande, ein Einzelner allein durch die Kraft seiner genialen Feder so viel Reichtum und Ruhm gewonnen hat.

Harden schloß sich nie einer Partei an, aber alle Parteien umwarben ihn. Er hatte kein Amt, aber alle Ämter lauschten auf ihn. Er verschmähte Titel und Orden, aber die Träger der besten Namen und Titel zitterten vor seinem Urteil.

Und wie in der Politik, so wurde auch für Theater und Literatur sein Urteil das den weitesten Kreisen gültige. Als in Amerika eine Rundfrage nach der einflußreichsten Persönlichkeit Deutschlands umlief, da einigten sich alle Stimmen auf den Namen: Harden ...

Maximilian Harden war der jüngste Sohn des Berliner Kaufmanns Witkowski, eines alten „Achtundvierzigers“, Freiheitsmannes also, und Freund des Volkstribunen August Bebel. Der Vater Hardens soll ein aufrechter und charaktervoller Mann gewesen sein, der aber, an einem fortschreitenden Gehirnleiden erkrankt, allmählich zum Quäler und zur Qual für seine Familie wurde, deren Zusammenhalt schließlich so erschüttert ward, daß es den vier Söhnen erwünschter wurde, den Familiennamen zu ändern. Die Ehe war zerrüttet. Die Eltern prozessierten um ihre Kinder. Der jüngste, Felix, sollte beim Vater bleiben, aber entlief zur Mutter. Er war ein besonders hübsches, eigenartiges und begabtes Kind.