Medizin als Heilsversprechen - Herbert Meyer - E-Book

Medizin als Heilsversprechen E-Book

Herbert Meyer

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Beschreibung

Die vorliegende empirische Untersuchung macht ins Äußerste gesteigerte Erwartungen an die Medizin im Umfeld des radikal säkularisierten Lebensgefühls aus. Auf sie gilt es angemessen mit einem differenzierten kirchlich-pastoralen und medizinisch-therapeutischen Handeln zu reagieren. Kirchliche Verkündigung scheint innerhalb der glaubensfernen Kontexte nur noch schwer verständlich. Medizin tritt als Ersatzgebilde für religiöse Hoffnungen auf. Kirche scheint ihren Platz dort zu haben, wo Medizin und Naturheilkunde an ihre Grenzen kommen. Die Erwartungsstruktur gegenüber Medizin und Glaube erfordert deshalb ein kooperatives Handeln medizinischer und seelsorgerischer Kompetenz und Professionalität, um den Patienten eine umfassende psychophysische Hilfe zur Verfügung zu stellen. Sie reicht bis in die spirituelle Assistenz angesichts der Bedrohung von Krankheit, Behinderung und Tod hinein.

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Herbert Meyer

Medizin als Heilsversprechen

erfurter theologische schriften

im Auftrag

der Katholisch-Theologischen Fakultät

der Universität Erfurt

herausgegeben

von Josef Römelt und Josef Pilvousek

band 50

Herbert Meyer

Medizin als Heilsversprechen

Die überforderte Gesundheit als theologisch-ethisches Problem

echter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

1. Auflage 2018

© 2018 Echter Verlag, Würzburg

E-Book-Herstellung und Auslieferung

Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

ISBN

978-3-429-04498-5

978-3-429-04990-4 (PDF)

978-3-429-06400-6 (ePub)

www.echter.de

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Autors

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Quellen

2. Internetquellen

3. Sekundärliteratur

Abkürzungsverzeichnis

1. Allgemeine und fachliche Abkürzungen und Zeichen

2. Abkürzungen und Namen biblischer Bücher

1. KAPITEL:Sehnsucht nach Gesundheit

1.1. Die ganz alltägliche Hoffnung auf Gesundheit – ein religiöses Verlangen?

1.1.1. Gesundheit als aktive Aufgabe

1.1.2. An der Schwelle zum religiösen Heilsverlangen? Die qualitative Vertiefung der Erwartung an Heilung und Heil

1.1.3. Eine tatsächlich religiöse Tiefe der Sehnsucht?

1.1.4. Die gegenwärtige (theologisch-)ethische Bewertung: Die These von der Gesundheit als Ersatzreligion

1.2. Empirische Untersuchung: Mit welchen Erwartungen und an wen wenden sich Menschen in ihrer Sehnsucht nach Heilung?

1.3. Das Verhältnis von Medizin und Glaube – Forschungsbericht

2. KAPITEL:Gesundheit, Heil und Heilung – Zugänge

2.1. Die Verborgenheit der Gesundheit

2.1.1. Pluralität der Interpretation

2.1.2. Gesundheit als Ermöglichungsgrund und Richtwert

2.1.3. Christlich-theologische Deutungen

2.1.4. Fazit

2.2. Heil und Heilung: Medizinisches Handeln – transzendentes Geschenk

2.2.1. Die Heterogenität des Heilsbegriffs

2.2.2. Heil als Grenzbegriff medizinischer Praxis

2.2.3. Heil als Ziel der Hoffnung auf Gottes Zuwendung

2.2.3.1. Die immanente Dimension im theologischen Verständnis von Heil: Heil im Alten Testament

2.2.3.2. Die eschatologische Spannung: Heil im Neuen Testament

2.2.3.3. Heil aus systematisch-theologischer Sicht

2.2.3.4. Die praktisch-theologische Spannung zwischen anthropologischer und theologischer Dimension christlichen Heilsverständnisses

2.2.3.5. Gottes Heilsgeschenk in konkreter Zeichenhaftigkeit: Heil in der Liturgie der Kirche

2.2.3.6. Fazit

2.3. Glaube und Medizin als „große“ und „kleine“ Transzendenz – religionssoziologische Interpretationen

2.3.1. Transzendenzerfahrungen (Thomas Luckmann)

2.3.2. Jenseits- und Diesseitsreligionen (Karl Gabriel)

3. KAPITEL:Heilung als Zeichen des angebrochenen Heils – „Kleine“ und „große“ Transzendenz im Horizont neutestamentlicher Theologie

3.1. Angebrochenes, aber noch nicht vollendetes Heil

3.2. Das heilende Wirken Jesu in den Evangelien (bes. im Lukasevangelium)

3.3. Exemplarische Heilungsgeschichten im Lukasevangelium

3.3.1. Die Heilung eines Besessenen in der Synagoge von Kafarnaum (Lk 4,31–37)

3.3.2. Die Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Lk 4,38f)

3.3.3. Die Heilung von Besessenen und Kranken (Lk 4,40f)

3.3.4. Die Heilung eines Aussätzigen (Lk 5,12–16)

3.3.5. Die Heilung eines Gelähmten (Lk 5,17–26)

3.3.6. Die Heilung eines Mannes am Sabbat (Lk 6,6–11)

3.3.7. Die Heilung des todkranken Dieners des Hauptmanns von Kafarnaum (Lk 7,1–10)

3.3.8. Die Auferweckung eines jungen Mannes in Nain (Lk 7,11–17)

3.4. Resümee: Heilungen Jesu als reale Vorzeichen des Reiches Gottes

3.5. Heilungen im Namen Jesu durch die Jünger (in der Apostelgeschichte)

3.5.1. Die Heilung des Gelähmten im Tempel (Apg 3,1–10) und ihre Folgen (Apg 3,11–4,22)

3.5.2. Zeichen und Wunder der Apostel (Apg 5,12–16)

3.5.3. Heilungen durch Philippus in Samaria (Apg 8,4–13)

3.5.4. Die Heilung eines Gelähmten durch Petrus in Lydda (Apg 9,32–35)

3.5.5. Die Totenerweckung der Jüngerin Tabita durch Petrus in Joppe (Apg 9,36–43)

3.5.6. Die Heilung eines Gelähmten durch Paulus in Lystra (Apg 14,8–18)

3.5.7. Die Wundertaten des Paulus in Ephesus (Apg 19,11–20)

3.5.8. Die Totenerweckung des Eutychus durch Paulus in Troas (Apg 20,7–12)

3.5.9. Die Heilung des Vaters des Publius und der anderen Kranken durch Paulus auf Malta (Apg 28,7–10)

3.6. Fazit: Heil als Befreiung des menschlichen Daseins aus aller Negativität – die kleine und große Transzendenz des christlichen Heilsverständnisses

4. KAPITEL:Sehnsucht und Suche nach Heilung und Heil heute – eine empirische Untersuchung

4.1. Methodik und Fragebogen zur Erfassung

4.1.1. Die Items: Die kleine Transzendenz in den Bedürfnissen nach Heilung und die große Transzendenz der Sehnsüchte nach Heil

4.1.2. Limitation

4.1.3. Das konkrete Setting

4.2. Ergebnisse der Befragung

4.2.1. Studienpopulation

4.2.2. Darstellung der Ergebnisse der Gesamtpopulation – Patientencharakteristika

4.2.3. Erwartungen an Medizin, Alternativmedizin und Kirche

4.2.3.1. Erwartungen an die Medizin

4.2.3.2. Erwartungen an Naturheilverfahren und Alternativmedizin

4.2.3.3. Erwartungen an die Kirche

4.2.4. Erwartungen differenziert nach Religiosität

4.2.4.1. Erwartungen an das Gesundheitswesen in Abhängigkeit von der Religiosität

4.2.4.2. Erwartungen an Naturheilverfahren und Alternativmedizin in Abhängigkeit von der Religiosität

4.2.4.3. Erwartungen an die Kirchen in Abhängigkeit von der Religiosität

4.2.5. Erwartungen differenziert nach anderen potentiellen Einflussgrößen

4.2.6. Ängste der Menschen hinsichtlich Gesundheit/Krankheit

4.2.7. Wer bzw. was bedeutet den Befragten Hilfe für ihr Leben?

4.2.8. Ansprechpartner in verschiedenen Situationen

5. KAPITEL:Diskussion: Ein differenziertes kirchlich-pastorales und medizinisch-therapeutisches Handeln

5.1. Vorbemerkung: Extreme Säkularisierung und Medizin sowie Naturheilkunde als letzte Hilfsanbieter

5.2. Die Bedeutung von Familie, Medizin, Naturheilkunde und Kirche für die Befragten – die in die Abstraktheit gedrängte Heilsverkündigung der Kirche

5.3. Der Stellenwert der Gesundheit heute: Hohes oder höchstes Gut?

5.4. Die größten Ängste der Befragten im Blick auf Krankheiten, Beeinträchtigungen des Lebens und den Tod

5.5. Gesundheit und Heil im Spannungsfeld von Medizin und Religion

5.5.1. Das Problemfeld: Medizin als Lebenshilfe, Glaube und Religion als Hilfe der Kontingenzbewältigung am Ende des Lebens – eine „natürliche“ Struktur?

5.5.2. Konzepte einer modernen Vermittlung zwischen Medizin und Glaube

5.5.2.1. Der Ansatz einer therapeutischen Theologie

5.5.2.2. Therapeutische Meditationen

5.5.2.3. Heilung durch Glauben (erinnertes Wohlbefinden)

5.5.2.4. „Medizin und Spiritualität – Was macht uns heil?“

5.5.2.5. „Religion und Krankenhaus – Partner beim Heilen?“

5.5.2.6. Die Grenzen der Medizin und die geduldige Annahme der Endlichkeit

5.5.2.7. Medikamente und Sakramente

5.5.2.8. Das Sakrament der Krankensalbung

5.5.2.9. Fürbittendes Gebet, Segnungen und Sakramentalien

5.6. Die These von der ethisch verantworteten Verhältnisbestimmung zwischen Religion und Medizin

5.7. Die Gesundheit als hohes Gut und das Heil als höchstes Gut der Religion – Versuch einer Vermittlung durch die Kirche

5.8. Zehn Schlussfolgerungen

5.9. Fehlgeschlagene Heilslehren der Vergangenheit und Ausblick auf die Aufgaben von Medizin und Religion

Anhänge

Anhang 1

Anzeige an die Ethikkommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen auf der Basis von Patienten-/Probandenbefragungen vom 18. November 2012

Anhang 2

Genehmigung der Patientenbefragung durch die Ethikkommission des Universitätsklinikums Jena vom 3. Januar 2013

Anhang 3

Fragebogen zu Heilserwartungen an Medizin und Religion

Vorwort des Herausgebers

Die vorliegende Dissertation ist auf dem Hintergrund einer ganz konkreten Erfahrung aus der Praxis entstanden. Sowohl im klinisch-ambulanten Alltag als auch in der Pastoral am Krankenbett hat sich eine Sehnsucht gezeigt, mit der Patienten dem medizinischen Personal und dem Seelsorger begegnet sind. Mit einer Sehnsucht, welche Medizin geradezu als Heilsversprechen erscheinen lässt und sowohl den Arzt als auch den Seelsorger letztlich in ihren Kompetenzen überfordert.

Es ist diese Erfahrung, welche den Anstoß für eine Untersuchung gegeben hat, die unter der Überschrift „Heil und Heilung. Eine theologischethische Analyse der Erwartungsstruktur an Medizin und Glaube“ in Kooperation zwischen der Medizinischen Fakultät der Universität Jena (Prof. Dr. med. Ulrich Alfons Müller, Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie) und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt (Herbert Meyer) durchgeführt worden ist. Im Zentrum steht eine empirische Befragung von Patienten sowohl im Klinikum Jena als auch in einer Hausarztpraxis in Dorndorf-Steudnitz nach ihren Erwartungen an medizinische Versorgung und seelsorgliche Begleitung angesichts einer Erkrankung. An dieser konkreten Erhebung entlang sollte die in der Theologie schon seit Längerem virulente These vom zunehmenden „Gesundheitskult“ als Gegenstand einer „Ersatzreligion“ oder „Diesseitsreligion“ (Karl Gabriel) überprüft werden. Und das Ergebnis einer solchen ganz konkreten und nüchternen Auseinandersetzung zeigt, wie vorsichtig mit solchen Schlagworten umgegangen werden muss. Zwar ist die Überforderung der Erwartungen an Medizin und Arzt nicht zu verleugnen. Und gerade um ihrer Entlastung willen bedarf es ethisch gesehen der klaren Unterscheidung zwischen therapeutischen Anstrengungen und religiösen Hoffnungen. Doch ist die Antwort auf diese Herausforderung nicht die pauschale Zurückweisung einer tiefen menschlichen Sehnsucht, sondern die professionelle Zusammenarbeit zwischen Theologie und Medizin, therapeutischer Hilfe und pastoraler Begleitung.

An der folgenden Darstellung mag vieles aufgrund der Belastung der Forschenden in der konkreten Praxis der Klinik und der Pfarrei (vor allem für Pfarrer Dr. Herbert Meyer) nur gleichsam angedeutet erscheinen. Besonders die theologischen Ausführungen (etwa in ihren biblischen, pastoraltheologischen und liturgiewissenschaftlichen Teilen) zeigen sich gedrängt. Aber die Unbestechlichkeit der empirischen Daten als Kern der Studie und die am Ende formulierten Thesen machen das Ergebnis für die heutige Diskussion unbedingt relevant. Und so wird das Resultat in diesem Buch nur mit einer leichten Kürzung und sprachlichen Überarbeitung der Öffentlichkeit vorgestellt.

Erfurt, 28. November 2017

Josef Römelt

Vorwort des Autors

Die vorliegende Studie (eine textlich leicht gekürzte Fassung) wurde im Herbst 2016 abgeschlossen und im Sommersemester 2017 als Dissertation an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt angenommen. Erste Anstöße zu dieser Arbeit gehen auf Herrn Prof. Dr. med. habil. Ulrich Alfons Müller MSc vom Universitätsklinikum Jena zurück, der zu einer theologischen Auswertung der Erwartungshaltungen von Patienten an das Gesundheitswesen anregte, die das Proprium der Medizin übersteigen und überfordern, da sie in religiöse Dimensionen führen. Was dies sowohl für den Mediziner als auch für den Theologen bedeutet, trägt nicht unwesentlich zum (Selbst-)Verständnis von Medizin und Glaube, näherhin von medizinischem bzw. seelsorglichem Personal bei. Im Inhaber des Lehrstuhls für Moral theologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, Herrn Prof. P. Dr. theol. habil. Josef Römelt CSsR, zeigte sich von Anfang an ein an dieser Frage nicht nur interessierter, sondern aus theologisch-ethischer Perspektive diese Arbeit begleitender Betreuer und sachdienlicher Ratgeber. Der interdisziplinäre Gedankenaustausch zwischen dem Universitätsklinikum Jena und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt hat das Entstehen und Reifen dieser Arbeit stets ausgezeichnet und beflügelt. Mein Dank gilt daher beiden Professoren in gleicher Weise. Neben Patientenbefragungen in der von Herrn Professor Ulrich Alfons Müller geleiteten Poliklinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen des Universitätsklinikums Jena fanden solche auch in einer Landarztpraxis in Dorndorf-Steudnitz (Saale-Holzland-Kreis) statt, für deren Ermöglichung und Unterstützung ich Herrn Dr. med. Christoph Klitsch herzlich danke. Für die Erstellung der Gutachten danke ich Herrn Professor Josef Römelt (Erstgutachten) und Frau Prof. Dr. theol. habil. Maria Widl (Zweitgutachten). Den Herausgebern der Erfurter Theologischen Schriften gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Frau Lic. theol. Daniela Kranemann, Erfurt, danke ich herzlich für das Korrektorat und die Erstellung der Druckvorlage.

Arnstadt, 5. Dezember 2017

Herbert Meyer

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Quellen

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Seil, M., Art. Heil und Erlösung IV: Dogmatisch, in: TRE Bd. 14, Berlin – New York 1985, 622–637.

Spendel, S., Art. Heil V: Praktisch-theologisch, in: LThK3 Bd. IV, Freiburg/Br. u. a. 1995, 1264.

Unger, F., Paradigma der Medizin im 21. Jahrhundert, Berlin 2007.

Weiser, A., Die Apostelgeschichte, Leipzig 1989.

Wolter, M., Das Lukasevangelium (Handbuch zum Neuen Testament 5), Tübingen 2008.

Abkürzungsverzeichnis

Alle verwendeten und hier nicht eigens aufgeführten Abkürzungen entsprechen dem Abkürzungsverzeichnis des LThK Bd. XI, Freiburg/Br. 32001. Textstellen aus der Heiligen Schrift sind der Einheitsübersetzung (31990) entnommen.

1. Allgemeine und fachliche Abkürzungen und Zeichen

AOK

Allgemeine Ortskrankenkasse

B

Regressionskoeffizient

CIC

Codex Iuris Canonici (1983)

CIG

Christ in der Gegenwart

Difäm

Deutsches Institut für Ärztliche Mission e. V.

EWU

Europäische Wellnessunion

FB

Fachbereich

FSU

Friedrich-Schiller-Universität (Jena)

GL

Gotteslob (2013)

GS

Gaudium et Spes

(J)

Jahre

LThK

Lexikon für Theologie und Kirche

(n)

Patientenanzahl

par.

in Parallele zu

p-Wert

Signifikanzwert; Überschreitungswahrscheinlichkeit

R2

Bestimmtheitsmaß

UKJ

Universitätsklinikum Jena

Vat. II.

Vaticanum secundum / Zweites Vatikanisches Konzil

vs.

versus

w.

wörtlich

WHO

World Health Organization

ZME

Zeitschrift für medizinische Ethik

2. Abkürzungen und Namen biblischer Bücher

Altes Testament

Ex

Das Buch Exodus

Num

Das Buch Numeri

Tob

Das Buch Tobit

1 Kön

Das erste Buch der Könige

2 Makk

Das zweite Buch der Makkabäer

Ps

Das Buch der Psalmen

Spr

Das Buch der Sprichwörter

Weish

Das Buch der Weisheit

Sir

Das Buch Jesus Sirach

Jes

Das Buch Jesaja

Ez

Das Buch Ezechiel

Neues Testament

Mt

Das Evangelium nach Matthäus

Mk

Das Evangelium nach Markus

Lk

Das Evangelium nach Lukas

Joh

Das Evangelium nach Johannes

Apg

Die Apostelgeschichte

Phil

Der Brief an die Philipper

Kol

Der Brief an die Kolosser

1 Tim

Der erste Brief an Timotheus

Tit

Der Brief an Titus

Jak

Der Brief des Jakobus

1 Petr

Der erste Brief des Petrus

1 Joh

Der erste Brief des Johannes

3 Joh

Der dritte Brief des Johannes

1. Kapitel:Sehnsucht nach Gesundheit

1.1. Die ganz alltägliche Hoffnung auf Gesundheit – ein religiöses Verlangen?

Die Medizin und ihre Möglichkeiten, Gesundheit zu erhalten und zu stabilisieren, sind in der modernen Gesellschaft Gegenstand vieler Erwartungen. Nicht wenige, die im Gesundheitswesen tätig sind, erleben diese Erwartungshaltung aber auch als eine Überforderung, ja als ein Anspruchsdenken1. Gerät die Hoffnung auf die Erfolge medizinischen Handelns in die Nähe zu religiöser Sehnsucht?

Beispiele für diese Überhöhung der Erwartungen an Medizin und Gesundheit überhaupt lassen sich jedenfalls schnell finden. Sie reichen bis zur Verbindung zwischen Wellness und Spiritualität.

Um mit einer nüchternen Feststellung und Beschreibung zu beginnen: Niemand wird bezweifeln, dass sich der Mensch nach Gesundheit sehnt. Diese Sehnsucht kommt in recht unterschiedlichen, aber unübersehbaren Phänomenen innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaft zum Ausdruck.

Wohl kaum ein Geburtstag vergeht, an dem nicht nach allen anderen Wünschen immer wieder der Wunsch angefügt wird: „… und vor allem Gesundheit!“. In dem bekannten Kanon, der nicht selten an einem Geburtstag gesungen wird, heißt es:

„Viel Glück und viel Segen auf all’ deinen Wegen;

Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei!“

Hier werden dem gewünschten Glück und dem erhofften Segen die Gesundheit und der Frohsinn/die Freude beigesellt: Sie sollen das Glück und den Segen gleichermaßen konkretisieren und vervollständigen.

Selbst der 3. Johannesbrief im Neuen Testament beginnt mit den Worten:

„Der Älteste an den geliebten Gaius, den ich in Wahrheit liebe. Lieber Bruder, ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht.“ (3 Joh 1f)

Es ist in diesem Sinne wohl sicherlich angemessen, von einer Alltäglichkeit der Sehnsucht nach Gesundheit und Heil zu sprechen. Gesundheit wird heute allgemein als das Wichtigste im menschlichen Leben verstanden, nicht selten ist dabei sogar vom „höchsten Gut, das wir überhaupt besitzen“, die Rede.2

1.1.1. Gesundheit als aktive Aufgabe

Gesundheit wird aufgrund seiner allgemein hohen Wertschätzung zugleich zu einem Gegenstand moralischer Anstrengung. In den Dimensionen von Ernährung, Erhaltung der Fitness, ja in der Struktur des Gesundheitswesens und der in ihm üblichen Sprache kommt dieser ethische Verpflichtungscharakter ins Spiel. Das Erleben von Krankheit in seiner mittelbaren und unmittelbaren Nähe lässt auch und gerade den gesunden Menschen fragen, wie er seine Gesundheit durch eigenes Tun (oder Unterlassen) erhalten kann. Gemäß dem geläufigen Wort „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!“ versuchen viele, gesund zu bleiben bzw. zu werden.

Durch bewusst gesunde Ernährung, die sich z. B. in der immer größeren Nachfrage nach Bio-Produkten niederschlägt, kommt dieser inhärent ethische Charakter der Gesundheitssehnsucht gegenwärtig vielleicht am pointiertesten zum Ausdruck. Davon zeugt auch das breit gefächerte Angebot im Supermarkt, in dem diese Produkte unübersehbar allen Kunden ins Auge fallen (sollen). Auch die jährliche „Grüne Woche“ in Deutschland ist ganz in diesem Sinne bestimmt von Öko- und Bio-Produkten, die u. a. eine gesündere Ernährung versprechen.

Aber darüber hinaus gilt umfassend im Blick auf die Verwendung des Begriffs Gesundheit: Sehnsucht, persönliche Anstrengung, ja öffentliches Bewusstsein verbinden sich miteinander. Krankenkassen nennen sich bewusst Gesundheitskasse (AOK), und aus Krankenpflegern sind inzwischen Gesundheitspfleger geworden.

Auf der Suche, Sehnsucht und Verlangen nach Gesundheit und Wohlbefinden zu verwirklichen, werden heute – führt man diese Beobachtungen weiter – die unterschiedlichsten Angebote gemacht, die Gesundheit und Wohlbefinden versprechen: Fitness-Studios, deren Nutzung heute für viele fest zum wöchentlichen Terminplan gehört – und dies nicht selten sogar mehrmals in der Woche –, werben dafür, durch körperliche Betätigung etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Sieben Tage in der Woche wird – gelegentlich hinter überdimensional großen „Schau-Fenstern“ – der Blick von Passanten auf die Nutzer der FitnessGeräte gelenkt, um bei möglichst vielen Menschen Interesse an deren Nutzung für das eigene Wohlbefinden zu wecken.

Wellness wird in diesem Kontext folgerichtig als optimales Wohlbefinden beschrieben. 1990 wurde in der Logik dieser Tendenzen in Deutschland die Europäische Wellnessunion (EWU) gegründet. So verwundert es nicht, dass in den vergangenen Jahren Wellnessanlagen (mit nicht nur verheißungsvollen Namen, sondern gleichermaßen) mit verheißungsvollen Angeboten wie Pilze aus dem Boden schossen.

Der Sinn dieser Anstrengungen ist dabei offensichtlich: Der vom Alltagsstress geplagte Mensch ist eingeladen, durch Wellness, gesundheitsfördernde Kuren, durch Bäder, Massagen, Licht-, Stein-, Geruchstherapien u. v. m. die Einheit von Körper, Geist und Seele wiederherzustellen.3

Die Besucherzahlen in den Thüringer Thermen – um Beispiele aus dem konkreten Umfeld des Autors dieser Studie zu nennen – bestätigen dieses Verlangen, wobei die Einrichtungen in ihren stets neuen Angeboten nicht einfallslos sind.

In der Kristall-Therme in Bad Klosterlausnitz findet sich ein „Sinnespfad“ (2012), auf dem man durch das Beschreiten mittels einer „natürlichen Fußreflexzonenmassage“ sein Bewusstsein erweitern soll. Dort heißt es zum Beispiel:

„Der Kristall-Sinnespfad mit den Stationen Granitsteine, Rindenmulch, Kalk-Kieselsteine und Tannenzapfen:

Der Sinnespfad mit unseren verschiedenen Stationen ist eine natürliche Fußreflexzonenmassage. Alle Organe und Körperteile haben auf der Fußsohle feste Punkte, mit deren Anregung durch ‚Massage‘ diese positiv angeregt sowie günstig beeinflusst werden. Es wird der gesamte Körper mit all seinen Organen und Sinnen durch gesetzte Reize stimuliert und die Selbstheilungskräfte Ihres Körpers aktiviert.

Durch das Begehen des Sinnespfades werden die sensorischen Fähigkeiten trainiert und die Durchblutung in den Füßen angeregt. Erweitern Sie Ihr Bewusstsein bei einem Rundgang durch unseren Sinnespfad.

Wir wünschen Ihnen viel Freude dabei!

Bleiben Sie gesund!

Ihr Kristall-Team!

Kristall-Therme

Genuss pur“4

Die Toskana-Therme in Bad Sulza5 wirbt an ihrem Eingang (2012) mit dem unübersehbaren Slogan:

„Verschenken Sie Glück und Gesundheit“.

In ihrem Flyer bezeichnet die Kette der Toskana Thermen in Bad Sulza (Thüringen), Bad Orb (Hessen) und Bad Schandau (Sachsen) einen Thermenbesuch mit einer individuellen Behandlung sogar als eine „nachhaltige Investition in Gesundheit und Wohlergehen“. Durch eine empfohlene „Indian Head Massage“ wird eine „Balance zwischen Körper und Geist“ versprochen, die ein „Gefühl von Harmonie und Wohlbefinden“ erzeugt. Eine „Klangmassage“ verheißt eine einmalige Wirkung, indem durch das direkte Auflegen und Anschlagen von verschiedenen Klangschalen auf dem Körper Klangwellen den Körper durchströmen, der dadurch eine sanfte Zellmassage erfährt; die einzelnen Körperbereiche werden mit ihnen entsprechenden Klängen bedacht, wodurch der Körper zu seiner ursprünglichen harmonischen Frequenz zurückfinden soll. Eine Reiki-Behandlung verspricht, die heilende, universelle Energie durch Handauflegen in den Körper einfließen zu lassen. Sie wird als sehr alte Heilkunst beschrieben, die „universale Lebenskraft“ bedeutet. Durch Auflegen der Hände werde hier heilende Kraft weitergeleitet; Reiki wirke auf allen Ebenen „reinigend und heilend“, und Körper, Geist und Seele kommen ins Gleichgewicht.6

1.1.2. An der Schwelle zum religiösen Heilsverlangen? Die qualitative Vertiefung der Erwartung an Heilung und Heil

Es ergeben sich interessanterweise – und das ist hier wichtig – aus dieser irgendwie „ganzheitlichen“ Ausweitung der alltäglichen Sehnsucht nach Gesundheit Dimensionen gewissermaßen „transzendenter“ Qualität, welche das moderne Verständnis von Heilung in diesen Entwicklungen begleiten kann. Oder vorsichtiger ausgedrückt: Gesundheit und ganzheitliche Lebensqualität, körperliche und emotionale Bedürfnisse, somatische und spirituelle Seiten menschlichen Heilseins rücken zusammen. Stichworte wie „Glück und Gesundheit“, „Balance zwischen Körper und Geist“, „Gefühl von Harmonie und Wohlbefinden“, „ursprüngliche harmonische Frequenz“, „heilende universelle Energie“, „universelle Lebenskraft“, „heilende Kräfte“, „reinigende und heilende Wirkung“, „Gleichgewicht von Geist und Seele“ wirken attraktiv und vielversprechend für die meisten Menschen, zumal sie in ihrer so überaus ideenreichen Verwendung nicht nur körperliche Gesundheit, sondern Heil versprechen.

So scheint heute Gesundheit dem Menschen als letztes und endgültiges Ziel vor Augen zu stehen. Es ist folgerichtig, dass viele meinen, für die Gesundheit alles tun zu müssen. Manfred Lütz weist im Sinne dieser Dynamik mit der Behauptung „Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde“ auf eine Überlegung von Rudolf Gross hin, demzufolge

„[d]ie Praxis zeige, dass die Zahl der krankhaften Werte mit der Zahl der Untersuchungen zusammenhänge. Macht man bei jedem Menschen 5 Untersuchungen, sind vielleicht noch mehr als 95 % gesund. Bei 20 Untersuchungen sind es nur noch 36 % und bei 100 Untersuchungen ist mutmaßlich jeder Mensch krank. Da jeder krankhafte Wert weitere Kontrolluntersuchungen nach sich zieht, gibt es ab einem bestimmten Punkt kein Halten mehr. Daraus folgt: Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde.“7

Das heißt, der sich vertiefende, sich in seinen ganzheitlichen Aspekten differenzierende Blick auf Gesundheit und Heilsein führt auch zu einer „mikrokosmischen“ Sensibilität in diesem Bereich – zu einer qualitativen Vertiefung der Erwartung an Überwindung der Beeinträchtigung durch Krankheit, fehlender Balance und Belastungen. Die Sehnsucht des Menschen, gesund zu sein und gerne wissen zu wollen, wie er dies erreichen kann, erklärt vielleicht so manchen Arzttermin, der unter Umständen gar nicht nötig wäre.

Mit dem Rückgang existenzieller körperlicher, seelischer und sozialer Bedrohungen geraten heute – auch das ist eine weitere, ergänzende Beobachtung – zunehmend milde Erkrankungen, Befindlichkeitsstörungen und Symptome in das Zentrum der Aufmerksamkeit von Betroffenen und des gesundheitsindustriellen Komplexes. In dieser Entwicklung liegt vielleicht auch der Grund, warum Naturheiler und Heilpraktiker zunehmend eine Rolle auf dem Feld der Erwartungen bezüglich der Gesundheit und des Wohlbefindens des Einzelnen spielen.

Die alternative Medizin befindet sich in einem solchen Ausmaß auf dem Vormarsch, dass in Europa bei steigender Tendenz jährlich etwa ein Drittel der Bevölkerung auf irgendeine Art und Weise diese Medizin in Anspruch nimmt;8 damit verbunden ist auch ein vermehrter Konsum von sogenannten Nahrungsergänzungsmitteln.

Kann man so – auch heute noch oder wieder – mit Platon formulieren: „Die ständige Sorge um die Gesundheit ist auch eine Krankheit“9?

1.1.3. Eine tatsächlich religiöse Tiefe der Sehnsucht?

Aus theologischer Perspektive drängt sich jedenfalls – und damit wird der Fokus der hier vorgelegten Untersuchung berührt – angesichts dieser Phänomene gegenwärtiger Erwartungen an Gesundheit, Medizin, Wellness und Heilpraxis die Frage auf, ob darin nicht eine nicht zu verdrängende „religiöse“ Tiefe menschlicher Sehnsucht zum Ausdruck kommt – und zwar mitten in der modernen Gesellschaft, die sich als säkularisiert und von gläubigen Interpretationen weitgehend befreit versteht. In den Spitzen der ganzheitlichen, quantitativen und qualitativen Vertiefung von Sehnsucht und Erwartung an Gesundheit und Medizin könnte sich die genuin religiöse Hoffnung auf eine transzendente Geborgenheit in Krankheit und Bedrohung zum Ausdruck bringen. Ohne diese Beschreibung schon zu sehr theologisch anspruchsvoll füllen zu wollen, lässt es sich vielleicht im Sinne eines ersten Vorverständnisses dieser Untersuchung so formulieren: Sehnt sich der kranke Mensch zunächst nach Gesundheit, so gibt sich offensichtlich sogar der gesunde Mensch mit seinem Wohlbefinden nicht zufrieden. Wer kann schon von sich selbst sagen, er fühle sich vollkommen wohl? Und selbst der, der darum zu beneiden ist, wird eine Sehnsucht nach mehr verspüren, ganz gleich wie unterschiedlich er dieses „Mehr“ beschreibt oder auch gerade nicht beschreiben kann.

Man könnte in diesem Sinne noch einmal eine Beobachtung aus der gegenwärtigen Alltagswelt herausstreichen: „Heilfasten“ wird von immer mehr Menschen praktiziert, die als Voraussetzung für dieses (oft gemeinsame) Unternehmen gesund sein müssen. Drückt sich schon in dieser Voraussetzung eine Sehnsucht nach mehr als nur Gesundheit aus? Über unterschiedlich lange Zeitabschnitte begibt man sich ja gemeinsam auf einen Weg, der – wie der Name sagt – nicht nur Gesundheit, sondern Heil verspricht. Und auch hier steht noch einmal diese Beobachtung der Konvergenz zwischen körperlichen und spirituellen Anliegen in Frage: Anziehend und verheißungsvoll klingen in jedem Fall für die meisten Menschen Worte wie „ganzheitlich“ oder „Selbstheilungskräfte“. Körperliches und seelisches Wohlergehen sollen zusammengeführt werden. Fasten in Verbindung mit Meditation und Reflexion versprechen ganz offensichtlich mehr als nur (körperliche) Gesundheit.

Auf der Ebene anthropologischer Grundannahmen formuliert könnte dies heißen: Diese Sehnsucht nach mehr (als nur Gesundheit) scheint den Menschen auszuzeichnen, wobei er sicher den Inhalt seiner Sehnsucht nicht immer in Worte fassen kann. Heilfasten scheint ein Weg zu sein, dieser nur schwer fassbaren Sehnsucht auf die Spur zu kommen.

Hier aber kommt die einzigartige Beziehung zwischen den Begrifflichkeiten „Gesundheit“ und „Heil“ – sie wird die vorliegende Untersuchung signifikant beschäftigen! – in einer ersten Wahrnehmung in den Blick. Der Ausspruch: „Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen!“ wird meist nur auf den kranken Menschen bezogen, der sich (als einzigem Wunsch) nach Gesundheit sehnt. So verständlich das (vielleicht) ist, so zielt dieser Ausspruch doch auch auf die vielen Wünsche und Sehnsüchte, die der gesunde (aber letztlich wohl jeder, auch der kranke) Mensch hat. Was in der Krankheit zum einzigen Ziel wird, die „Gesundheit“, das scheint in der Gesundheit zum Inbegriff einer irgendwie ebenso unbedingt erhofften Integrität zu werden, welche diese zugleich unbestimmt überschreitet – zum „Heil“.

Auf diesem Hintergrund lässt sich vielleicht vorläufig festhalten: „Heil“ ist sicher eine Umschreibung dessen, was weit über den Zustand der Gesundheit hinausgeht und wonach sich sowohl der kranke als auch der gesunde Mensch sehnen kann. Gewiss scheint dabei zu sein, dass „Heil“ nicht mit „Gesundheit“ gleichgesetzt werden darf, was möglicherweise, aber eben missverständlicherweise der Begriff „Heilung“ als der Weg von der Krankheit zur Gesundheit nahelegen könnte.

Oder in einer Art unmittelbaren, negativen Heuristik ausgedrückt: Würde man Heil mit Gesundheit identifizieren, dann hätte der vermeintlich gesunde Mensch keine Sehnsucht mehr nach Heil und bliebe zudem vor jeder „Unheilserfahrung“ bewahrt; nur der kranke Mensch „wüsste“ dann noch, was Sehnsucht nach Heil bedeutet.

Auch hier kann, wenn man so will, noch einmal die Analyse der Alltagssprache behilflich sein, um ein erstes Problembewusstsein, ja Vorverständnis abzusichern: Wenn die Sprache den Menschen verrät, dann gilt: „Heilfroh“ kann sowohl ein gesunder als auch ein kranker Mensch sein, genauso wie der Mensch in beiden gesundheitlichen Situationen „Heilserlebnisse“ und „Heilserfahrungen“, aber auch „Unheilserlebnisse“ und „Unheilserfahrungen“ haben kann.